I. Einleitung
Die ZPO regelt das zivilgerichtliche Verfahrensrecht. Eine typische Konstellation, in der Normen der ZPO geprüft werden, ist daher in Form einer Klage, in der ein materiell-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird. Dann werden einerseits prozessuale Vorschriften geprüft (vor allem im Rahmen der Zulässigkeit) und andererseits materiell-rechtliche Regelungen im Rahmen der Begründetheit des Anspruchs.
Das Zulässigkeitsschema sollte dir daher bekannt sein - nicht zwingend in allen Details und Sonder- und Ausnahmefällen, aber jedenfalls das grundlegende Schema.

II. Zulässigkeitsvoraussetzungen
Im Rahmen der Zulässigkeitsvoraussetzungen wird zwischen Prozessvoraussetzungen und Sachurteilsvoraussetzungen unterschieden:
Wenn eine Prozessvoraussetzung fehlt, wird das Gerichtsverfahren nicht in Gang gesetzt
Wenn eine Sachurteilsvoraussetzung fehlt, wird die Klage als unzulässig abgewiesen.
Klausurtipp
Die meisten Voraussetzungen sind unproblematisch und müssen regelmäßig nicht angesprochen werden. Halte dich also kurz, wenn die Voraussetzung klar gegeben ist und sprich den Prüfungspunkt gar nicht erst an, wenn es sich um eine „exotische“ Voraussetzung wie die deutsche Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit oder das Fehlen entgegenstehender Rechtskraft geht und diese Punkte offensichtlich vorliegen.
1. Ordnungsgemäße Klageerhebung (Prozessvoraussetzung)
Gemäß § 253 I ZPO erfolgt die Klageerhebung durch Zustellung einer Klageschrift durch das Gericht an den Beklagten.
Dies wiederum setzt voraus, dass der Kläger zunächst eine entsprechende Klageschrift bei Gericht eingereicht hat, die die zwingenden Angaben des § 253 II ZPO enthält.
Merke
Beachte insbesondere den § 253 II Nr. 2 ZPO: Der Streitgegenstand muss so genau bezeichnet sein, dass ein gleichlautender Tenor vollstreckt werden könnte. Ein Gerichtsvollzieher müsste also nur aus dem Klageantrag heraus erkennen können, was er zu tun hat.
Außerdem „sollen“ die in § 253 III ZPO genannten Angaben enthalten seien.
Merke
Fehlen die in § 253 III ZPO genannten Angaben, hindert dies die Zulässigkeit der Klage nicht. Sie dienen lediglich der Prozesseffizienz, sind aber nicht zwingend zu nennen.
2. Sachurteilsvoraussetzungen
a) Gerichtsbezogene (Sach-)Urteilsvoraussetzungen
aa) Deutsche Gerichtsbarkeit (§§ 18 - 20 GVG)
Es muss deutsche Gerichtsbarkeit anwendbar sein (Achtung: Hierbei handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung).
bb) Rechtsweg (§§ 13 - 17b GVG)
Es müssen ordentliche Gerichte zuständig sein und nicht, z. B. das Verwaltungsgericht. Umgekehrt entscheidet das ordentliche (Zivil-)Gericht auch über entscheidungserhebliche verwaltungsrechtliche Fragestellungen, wenn der Rechtsweg eröffnet ist.
Merke
Wenn der Rechtsweg nicht gegeben ist, wird die Klage nicht als unzulässig abgewiesen, sondern an die zuständige Stelle verwiesen (§ 17a II GVG).
cc) Internationale Zuständigkeit
Es muss die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben sein. Sofern die örtliche Zuständigkeit gegeben ist, wird auch die internationale Zuständigkeit indiziert.
dd) Sachliche Zuständigkeit
Das Gericht, bei dem die Klage erhoben wird, muss sachlich zuständig sein. Entweder ist zuständig das
Amtsgericht,
Landgericht oder
Oberlandesgericht
Merke
Der BGH ist in der ersten Instanz niemals zuständig.
Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte bestimmt sich nach § 1 ZPO i.V.m. §§ 23 ff. (AG), 71 (LG), 118 f. (OLG) GVG.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 71 GVG an den § 23 GVG, um dich an die unterschiedlichen klausurrelevanten Zuständigkeitsnormen zu erinnern.
Ist ein Gericht sachlich unzuständig, wird die Klage grundsätzlich abgewiesen. Der Kläger kann aber beantragen, dass die Sache an das zuständige Gericht verwiesen wird (§ 281 ZPO).
aaa) Zuständigkeit der Amtsgerichte
Das Amtsgericht ist in der Regel zuständig, wenn der Streitwert bis zu einschließlich 5.000 € beträgt (§ 23 Nr. 1 GVG). Der Streitwert wird vom Gericht gemäß §§ 2 ff. ZPO festgesetzt.
Merke
Lies dir dennoch den Katalog des § 23 GVG aufmerksam durch, der auch einige streitwertunabhängige Zuständigkeiten enthält, z. B. für Mietsachen (§ 23 Nr. 2a GVG).
bbb) Zuständigkeit der Landgerichte
Grundsätzlich sind die Landgerichte gemäß § 71 I GVG für die Sachen zuständig, für die die Amtsgerichte nicht zuständig sind.
Merke
Aber auch § 71 GVG enthält in Abs. 2 einen Katalog von Zuständigkeiten, die dem LG fest zugewiesen sind, wie z. B. Amtshaftungsklagen, § 71 II Nr. 2 GVG).
ccc) Zuständigkeit der Oberlandesgerichte
Die erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG kommt selten vor und liegt nur in den (nicht klausurrelevanten) Fällen des § 118 GVG vor.
ee) Örtliche Zuständigkeit
Das Gericht muss örtlich zuständig sein. Die örtliche Zuständigkeit (der sogenannte Gerichtsstand) ist im ZPO in den §§ 12 ff. ZPO geregelt und unterscheidet zwischen dem
allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12 - 19 ZPO) und
besonderen Gerichtsstand (§§ 20 - 34 ZPO)
Merke
Ist ein Gericht örtlich unzuständig, wird die Klage grundsätzlich abgewiesen. Der Kläger kann aber beantragen, dass die Sache an das zuständige Gericht verwiesen wird (§ 281 ZPO).
aaa) Allgemeiner Gerichtsstand
Der allgemeine Gerichtsstand ist der Wohnort des Beklagten oder der Sitz der Gesellschaft, wenn eine solche Beklagte ist (§§ 12, 13, 17 ZPO).
bbb) Besonderer Gerichtsstand
Für bestimmte materiell-rechtliche Konstellationen ist neben dem allgemeinen Gerichtsstand ein besonderer Gerichtsstand geregelt.
Merke
Ist dies der Fall, hat der Kläger ein Wahlrecht, ob er den allgemeinen oder besonderen Gerichtsstand auswählt (§ 35 ZPO).
Häufige besondere Gerichtsstände sind die folgenden:

§ 29 ZPO (Gerichtsstand des Erfüllungsorts): Erfüllungs- oder auch Leistungsort ist gemäß §§ 269, 270 BGB grundsätzlich der Wohnort des Schuldners. Beachte, dass auch Sekundärrechte wie der vertragliche Schadensersatz unter diesen Tatbestand fallen.
§ 29c ZPO (Haustürgeschäfte): Bei Haustürgeschäften (mittlerweile: außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag) gemäß § 312B BGB ist das Gericht am Wohnsitz des Verbrauchers zuständig.
§ 32 ZPO (Unerlaubte Handlung): Bei Klagen wegen unerlaubter Handlungen gemäß §§ 823 ff., 1004 BGB oder des ProdHaftG ist das Gericht zuständig, an dem der Erfolg der Handlung eingetreten (nicht: die Handlung begangen worden) ist.
ccc) Zuständigkeitsvereinbarung (Prorogation)
Gemäß § 38 ZPO können die Parteien auch die örtliche, sachliche und internationale Zuständigkeit eines Gerichts vereinbaren. Dies ist gemäß Abs. 1 formlos möglich, wenn beide Parteien Kaufleute sind, andernfalls sind die Abs. 2, 3 zu beachten.
Außerdem darf die Vereinbarung auch nicht gemäß § 40 ZPO unwirksam sein.
ddd) Rügelose Einlassung
Wenn der Beklagte mündlich verhandelt, ohne die Unzuständigkeit des Gerichts zu rügen, wird das Gericht zuständig.
Merke
Gemäß § 39 S. 2 ZPO gilt dies vor den Amtsgerichten nur, wenn er auf dieses Risiko hingewiesen wurde.
ff) Funktionelle Zuständigkeit
Innerhalb eines sachlich und örtlich zuständigen Gerichts muss auch das richtige Rechtspflegeorgan innerhalb des Gerichts gewählt werden:
Familien- vs. Vollstreckungs- vs. Insolvenzgericht
Richter vs. Rechtspfleger vs. Gerichtsvollzieher
Kammer vs. Einzelrichter vs. Beauftragter Richter
aaa) Exkurs: Instanzenzug
Je nachdem, welcher Instanzenzug für die jeweilige Streitsache maßgeblich ist, leitet sich die Zuständigkeit sowie die Besetzung des Spruchkörpers des Gerichts aus unterschiedlichen Normen her:

b) Parteibezogene Sachurteilsvoraussetzungen
aa) Parteifähigkeit
Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist, das heißt:
Natürliche Personen (§ 1 BGB)
Juristische Personen (gemäß den jeweiligen Normen des Gesellschaftsrechts)
Personengesellschaften (§§ 124, 161 II HGB, 705 II BGB)
bb) Prozessfähigkeit
Prozessfähig meint die Fähigkeit, einen Prozess in eigener Person zu führen oder durch einen Vertreter führen zu lassen (§§ 51, 52 ZPO).
Merke
§ 52 ZPO verweist auf die Geschäftsfähigkeit. Somit sind auch Minderjährige prozessfähig, soweit sie gemäß §§ 112, 113 BGB geschäftsfähig sind.
cc) Prozessführungsbefugnis
Prozessführungsbefugnis ist die Befugnis, ein Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend machen zu können.
Prozessführungsbefugt ist grundsätzlich der Inhaber des streitgegenständlichen Rechts. In bestimmten Ausnahmefällen ist aber eine dritte Person prozessführungsbefugt (sogenannte Prozessstandschaft):
aaa) Gesetzliche Prozessstandschaft
In einigen Fällen wird die Prozessstandschaft kraft Gesetzes verliehen:

Insolvenzverwalter gemäß § 80 I InsO
Ehe-Gesamthandsgemeinschaften (§ 1422, 1428, 1429 S. 2 BGB)
Miteigentümer (§ 1011 BGB)
Pfandgläubiger (§ 1281 BGB)
Ehegatten (§§ 1368, 1369 Abs. 3 BGB)
Miterben (§ 2039 BGB)
bbb) Rechtsgeschäftliche (gewillkürte) Prozessstandschaft
Gewillkürte Prozessstandschaft liegt vor, wenn der Rechtsinhaber den Standschafter hierzu ermächtigt (§ 185 Abs. 1 BGB analog), der Anspruch abtretbar ist, ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Standschafters vorliegt und die Prozessführung durch diesen nicht rechtsmissbräuchlich ist (z. B. bei vermögenslosen juristischen Personen). Anerkannte Fallgruppen sind.
Sicherungsgeber
Der Zedent einer Forderungsabtretung
Drittschadensliquidation (der Geschädigte darf klagen)
Der Leasingnehmer einer mangelhaften Leasingsache
dd) Postulationsfähigkeit
Postulationsfähigkeit ist die Fähigkeit, vor Gericht selbstständig auftreten und wirksame Erklärungen abgeben zu können.
Diese Fähigkeit hat grundsätzlich jeder, es sei denn, es handelt sich um einen Anwaltsprozess, in denen Anwaltspflicht besteht. Anwaltspflicht besteht beispielsweise bei dem Familiengericht (§ 114 I FamFG) sowie bei den Land- und Oberlandesgerichten sowie natürlich dem BGH (§ 78 I ZPO).
ee) Mehrheit der Parteien
Grundsätzlich werden Klagen von Einzelpersonen gegen Einzelpersonen geführt. In manchen Fällen kann es aber dazu kommen, dass es auf Kläger- und/oder auf Beklagtenseite mehrere Parteien gibt. Mehr zu dieser sogenannten subjektiven Klagehäufung kannst du hier nachlesen.
c) Streitgegenstandsbezogene Sachurteilsvoraussetzungen
aa) Keine anderweitige Rechtshängigkeit
Der Streitgegenstand darf nicht rechtshängig sein. Rechtshängigkeit entsteht durch Klageerhebung (§ 261 I ZPO). Durch die Klageerhebung wird der Streitgegenstand nicht nur „blockiert“ (§ 261 III Nr. 1 ZPO). Außerdem führt die Rechtshängigkeit aber auch dazu, dass das zuständige Gericht zuständig bleibt, auch wenn sich die Zuständigkeit begründenden Umstände verändern.
Merke
Außerdem führt die Rechtshängigkeit zu weiteren materiell-rechtlichen Wirkung, wie z. B. §§ 292, 818 IV, 987, 989, 994 II BGB.
bb) Keine entgegenstehende Rechtskraft
Wenn formelle Rechtskraft vorliegt (§ 705 ZPO), können gegen ein Urteil keine Rechtsmittel eingelegt werden. Dies führt zu materieller Rechtskraft im Umfang des § 322 ZPO sowie dem Verbot, über dieselbe Sache ein zweites Mal zu verhandeln (ne bis in idem).
cc) Rechtsschutzbedürfnis
Das Rechtsschutzbedürfnis liegt nicht vor, wenn der Kläger sein Interesse auf andere Weise einfacher, billiger oder schneller verwirklichen kann.
Beispiel
Der Kläger hat bereits eine vollstreckbare Urkunde, aus der er vollstrecken kann (§ 794 I Nr. 5 ZPO).
Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis ist bei Feststellungsklagen zu prüfen - das sogenannte Feststellungsinteresse (§ 256 I Hs. 2 ZPO). Ein Feststellungsinteresse besteht insbesondere dann, wenn der Kläger derzeit keine Leistungsklage erheben kann, weil er den Schaden oder die konkrete Höhe seiner Forderung nicht beziffern kann und ein Zuwarten nicht zumutbar ist (z. B. weil Verjährung droht).
Merke
Ausnahme ist die sogenannte Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 II ZPO.
3. Keine Prozesshindernisse
Dem Verfahren dürfen auch keine Prozesshindernisse entgegenstehen. Diese sind durch den Kläger geltend zu machen und werden nicht automatisch durch das Gericht geprüft. Für die Klausur bedeutet das, dass dieser Prüfungspunkt auch nur dann relevant ist, wenn der Sachverhalt entsprechende Anhaltspunkte dafür bietet.
a) Schiedsvereinbarung (§ 1032 ZPO)
Parteien können privatautonom vereinbaren, dass ein (privates) Schiedsgericht über den Streit entscheiden soll. Dies hat den Zweck, teuren und mitunter langwierigen Prozessen vor staatlichen Gerichten zu entgehen und bei dem Streitentscheid Diskretion zu wahren - gerade internationale Streitigkeiten zwischen Unternehmen werden oft auf diesem Wege entschieden.
Merke
Hier musst du dich nicht auskennen, sondern lediglich wissen, dass es so etwas gibt. Beachte auch die Regelung des § 2055 BGB: Ein Schiedsspruch hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils, das nicht mehr angefochten werden kann.
b) Weitere Prozesshindernisse
Weitere, aber praktisch seltener relevante Prozesshindernisse sind:
§ 110 ZPO: Einrede der fehlenden Sicherheit für Prozesskosten
§ 269 VI ZPO: Einrede der fehlenden Kostenerstattung