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Die einzelnen Grundrechte

Art. 5 III 1 GG (Wissenschaft, Forschung, Lehre)

Teilgebiet

Grundrechte

Thema

Die einzelnen Grundrechte

Tags

Jedermannsrecht
Wissenschaft
Forschung
Lehre
Institutionelle Garantie
Verfassungsimmanente Schranke
Treueklausel
Art. 5 GG
Art. 19 GG
Art. 20a GG
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Schutzbereich

    • 1. Persönlicher Schutzbereich

    • 2. Sachlicher Schutzbereich

      • a) Wissenschaft

      • b) (Wissenschaftliche) Forschung

      • c) (Wissenschaftliche) Lehre

      • d) Gewährleistungsumfang

        • aa) Institutionelle Garantie der Wissenschaftsfreiheit

        • bb) Förderungspflicht des Staates

        • cc) Sicherung eines offenen Wissenschafts- und Bildungssystems

        • dd) Schutzpflicht des Staates

      • e) Treueklausel, Art. 5 III 2 GG

        • aa) Schutzbereichsbegrenzung oder Einschränkungsmöglichkeit

        • bb) Umfang der Treueklausel

  • III. Eingriff

  • IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

    • 1. Einschränkungsmöglichkeit

    • 2. Verfassungsmäßige Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

I. Einleitung

Die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre ist in Art. 5 III 1 Fall 2 GG verankert und garantiert jedem das Recht auf freie wissenschaftliche Betätigung, Forschung und Lehre.

Die Wissenschaftsfreiheit schützt sowohl die individuellen Aktivitäten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern als auch die institutionelle Autonomie von Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Sie gewährleistet, dass wissenschaftliche Erkenntnisse ohne staatliche Beeinflussung gewonnen, diskutiert und verbreitet werden können. Dieser freie Austausch von Ideen und Informationen ist essenziell für die Entwicklung neuer Erkenntnisse und Technologien und trägt zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen bei. Sie spielt damit eine entscheidende Rolle für den Fortschritt und die Innovationskraft einer Gesellschaft.

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II. Schutzbereich

1. Persönlicher Schutzbereich

Bei der Kunstfreiheit handelt es sich mangels Einschränkung im Wortlaut um ein Jedermannsrecht. Umfasst sind alle natürlichen und juristischen Personen, die in irgendeiner Weise mit einer wissenschaftlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen.

2. Sachlicher Schutzbereich

Der sachliche Schutzbereich umfasst die Leitbegriffe der Wissenschaft, Forschung und Lehre. Dabei handelt es sich aber nicht um eigenständig nebeneinanderstehende Teilbereiche des sachlichen Schutzbereichs, sondern alle drei werden unter dem Oberbegriff der Wissenschaft zusammengefasst.

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Dies ergibt sich aus der Systematik des Art. 5 III 1 GG. Die Begriffe Kunst und Wissenschaft stehen nebeneinander („und“). Die dann folgenden Begriffe der Forschung und Lehre beziehen sich dann nur auf den Begriff der Wissenschaft, stehen also nicht auf der gleichen Ebene wie Kunst und Wissenschaft. Daraus folgt, dass Kunst und Wissenschaft die Oberbegriffe der jeweiligen Grundrechte (Kunstfreiheit und Wissenschaftsfreiheit) sind und Forschung und Wissenschaft dem Oberbegriff der Wissenschaftsfreiheit unterzuordnen sind.

Wenn also ein Eingriff in eines der Schutzgüter vorliegt, liegt damit ein Eingriff in das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 III 1 Fall 2 GG vor.

a) Wissenschaft

Definition

Wissenschaft sind Tätigkeiten, die darauf abzielen, in methodischer, systematischer und nachvollziehbarer Weise durch Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen Erkenntnisse zu gewinnen, zu erweitern und zu vermitteln.

Beispiel

Durchführung von Experimenten, Veröffentlichung von Forschungsarbeiten, Organisation wissenschaftlicher Veranstaltungen.

b) (Wissenschaftliche) Forschung

Definition

Forschung bezeichnet den Teil der Wissenschaft, der sich mit der systematischen und methodisch geordneten Suche nach neuen Erkenntnissen befasst. Sie umfasst alle Tätigkeiten, die darauf abzielen, Wissen zu generieren oder bestehendes Wissen zu hinterfragen, wobei der dafür notwendige Kenntnisstand in der Regel auf einem wissenschaftlichen Studium beruht.

Beispiel

Mathematiker entwickeln neue Theorien im Bereich der Zahlentheorie; Biologen führen Laborexperimente durch, um die Auswirkungen bestimmter Substanzen auf Zellen zu untersuchen; Agrarwissenschaftler erforschen resistente Pflanzensorten für die Landwirtschaft

c) (Wissenschaftliche) Lehre

Definition

Die Lehre bezieht sich auf die Vermittlung von wissenschaftlichen (Forschungs-)Erkenntnissen und Methoden.

Die Lehrfreiheit schützt die Gestaltung der Lehrinhalte und -methoden durch die Lehrenden. Dies betrifft insbesondere den Hochschulbereich.

Beispiel

Freiheit, Lehrinhalte selbst zu bestimmen und Schwerpunkte zu setzen; Freiheit in der Wahl der didaktischen Konzepte und Unterrichtsformen; Freiheit, mit Studierenden in Austausch zu treten und Diskussionen zu fördern

d) Gewährleistungsumfang

Als subjektives Abwehrrecht schützt die Wissenschaftsfreiheit vor staatlichen Eingriffen in die geschützten Tätigkeiten.

Neben der Funktion als subjektives Abwehrrecht enthält diese aber auch objektive Gewährleistungen:

aa) Institutionelle Garantie der Wissenschaftsfreiheit

Durch die institutionelle Garantie der Wissenschaftsfreiheit ist der Staat verpflichtet, Institutionen wie Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu schützen und deren Autonomie zu gewährleisten.

bb) Förderungspflicht des Staates

Durch die Förderungspflicht des Staates ist dieser verpflichtet, auch die materiellen und organisatorischen Voraussetzungen für wissenschaftliche Tätigkeiten zu schaffen und zu fördern.

cc) Sicherung eines offenen Wissenschafts- und Bildungssystems

Der Staat ist ebenfalls verpflichtet, ein offenes und zugängliches Wissenschaftssystem zu gewährleisten, das allen Interessierten den Zugang zu Bildung, Forschung und wissenschaftlicher Arbeit ermöglicht.

dd) Schutzpflicht des Staates

Zudem besteht die staatliche Verpflichtung, die Wissenschaftsfreiheit vor Eingriffen durch Dritte zu schützen. Dies umfasst sowohl rechtliche als auch praktische Maßnahmen.

e) Treueklausel, Art. 5 III 2 GG

Zitat

Art. 5 III 2 GG:

Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

In Art. 5 III 2 GG ist zudem die sogenannte Treueklausel etabliert worden, nach welcher die Freiheit der Lehre nicht von der Treue zur Verfassung entbindet. Diese Bestimmung führt zu unterschiedlichen Auslegungen hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs und ihrer praktischen Bedeutung.

aa) Schutzbereichsbegrenzung oder Einschränkungsmöglichkeit

Umstritten ist, ob die Treueklausel als eine Schutzbereichsbegrenzung oder eine Einschränkungsmöglichkeit zu klassifizieren ist.

  • Nach einer Ansicht begrenzt die Treueklausel den Schutzbereich der Lehrfreiheit. Demnach wären wissenschaftliche Tätigkeiten, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstoßen, von vornherein nicht geschützt. Argumentiert wird, dass die Treueklausel unmittelbar im Kontext von Art. 5 III GG steht und damit die Reichweite der Lehrfreiheit definiert. Zudem verhindere die Schutzbereichsbegrenzung, dass die Wissenschaftsfreiheit als Deckmantel für verfassungsfeindliche Propaganda missbraucht wird

  • Andere vertreten die Auffassung, dass die Treueklausel als Schranke wirkt, also als verfassungsimmanente Grenze der Lehrfreiheit. In diesem Verständnis bliebe der Schutzbereich der Lehrfreiheit (im dargestellten Maße) umfassend, jedoch könnten staatliche Eingriffe gerechtfertigt sein, wenn die Lehrtätigkeit die Verfassungstreue verletzt. Argumentiert wird vor allem damit, dass eine differenzierte Abwägung (durch die Verhältnismäßigkeitsprüfung) möglich ist.

  • Die erste Ansicht ist die der herrschenden Meinung. Da die besseren Argumente für diese sprechen, solltest du diese in der Klausur vertreten.

Klausurtipp

Die andere Ansicht ist aber auch klar vertretbar. Im Ergebnis unterscheiden sich die beiden Ansichten auch nicht stark und es handelt sich mehr um einen dogmatischen Streitstand. Allgemein handelt es sich dabei auch um ein Problem, welches dir (wenn überhaupt) selten in Klausuren begegnen wird.

bb) Umfang der Treueklausel

Der Umfang der Treueklausel ist ebenfalls umstritten. Während einige sie auf die institutionelle Lehrfreiheit im Hochschulbereich beschränken und die individuelle Freiheit von Forschung und Lehre unangetastet sehen, verstehen andere sie als allgemeine Verpflichtung aller Lehrenden, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu achten, wodurch verfassungsfeindliche Lehrtätigkeiten nicht geschützt wären.

III. Eingriff

Bezüglich der Prüfung des Eingriffs bestehen bei der Kunstfreiheit keine Besonderheiten. Es ist normal, also anhand des modernen Eingriffsbegriffs zu prüfen, ob ein Eingriff vorliegt.

Ein Eingriff ist demnach gegeben, wenn die geschützten Tätigkeiten behindert oder unmöglich gemacht werden.

IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

1. Einschränkungsmöglichkeit

In Art. 5 III GG findet sich dem Wortlaut nach keine Einschränkungsmöglichkeit. Die Schrankentrias aus Art. 5 II GG ist aufgrund systematischer Auslegung nur für die Grundrechte aus Art. 5 I GG (also Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Pressefreiheit) anwendbar.

Daraus ergibt sich, dass für Art. 5 III 1 GG nur verfassungsimmanente Schranken gelten.

2. Verfassungsmäßige Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

Hier bestehen keine Besonderheiten. Es ist im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Abwägung zwischen den gegenüberstehenden Interessen (kollidierendes Verfassungsrecht) vorzunehmen (praktische Konkordanz).

Beispiel

Eine private Hochschule, die international für ihre Forschung zu neuronalen Mechanismen des Gehirns anerkannt ist, entwickelt unter der Leitung eines Neurobiologen ein Forschungsprojekt, das Tierversuche an Rhesusaffen einschließt. Ziel der Forschung ist es, grundlegende Erkenntnisse über kognitive Leistungen wie Wahrnehmung und Gedächtnis zu gewinnen. Die Tiere werden hierbei operativ vorbereitet und in Experimenten fixiert, wobei ihre Gehirnaktivitäten gemessen werden.

Obwohl eine Expertenkommission den Forschungsansatz und die Pflege der Tiere als vorbildlich bewertet und die Belastung als mäßig einstuft, lehnt die zuständige Behörde die Genehmigung für die Tierversuche ab. Sie argumentiert, dass die Versuche ethisch nicht vertretbar seien, da die Belastungen der Tiere nicht im Verhältnis zum Erkenntnisgewinn stünden.

  • Im persönlichen Schutzbereich ist zunächst die wesensmäßige Anwendbarkeit von Art. 5 III 1 Fall 2 GG auf die Hochschule gemäß Art. 19 III GG festzustellen.

  • Sachlich ist hier mit dem Durchführen von Experimenten zur Gewinnung von Erkenntnissen die Forschung betroffen.

  • Dadurch, dass die Genehmigung der Versuche durch die zuständige Behörde verweigert wurde, liegt auch ein Eingriff vor.

  • Da nach systematischer Auslegung die Schrankentrias des Art. 5 II GG nicht für die Wissenschaftsfreiheit gilt, bedarf es kollidierenden Verfassungsrechts (verfassungsimmanente Schranke) zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs. Die Rhesusaffen selbst können nicht Träger von Grundrechten sein. In Art. 20a GG findet sich aber eine Staatszielbestimmung, welche unter anderem die staatliche Pflicht des Schutzes der Tiere enthält. Als Staatszielbestimmung stellt dies Verfassungsrecht und damit hier kollidierendes Verfassungsrecht dar. Es ist also sodann im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Abwägung zwischen der Wissenschaftsfreiheit der Hochschule und Art. 20a GG vorzunehmen.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den Art. 20a GG an den Art. 5 III GG zitieren, um dich an die verfassungsimmanente Schranke und das daraus folgende Erfordernis von kollidierendem Verfassungsrecht zur Rechtfertigung von Eingriffen zu erinnern.

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