I. Formbedürftigkeit
Der Darlehensvertrag nach § 488 I 1 BGB ist grundsätzlich nicht formbedürftig.
II. Wucherdarlehen und wucherähnliches Darlehen
1. Tatbestand des Wucherdarlehens, § 138 II BGB
§ 138 II BGB ist gegenüber § 138 I BGB lex specialis und daher vor diesem zu prüfen.
Wucher liegt vor, wenn bei einem Austauschvertrag ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt und der Wucherer eine Zwangslage oder sonstige Schwächeposition (Unerfahrenheit, Mangel an Urteilsvermögen, erhebliche Willensschwäche) des Geschäftspartners bewusst ausnutzt. Mehr zum Wuchertatbestand kannst du hier nachlesen.
Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung (Überlassung der Darlehensvaluta) und Gegenleistung (in der Regel Zinsen) liegt dann vor, wenn der vereinbarte Zins den marktüblichen Vergleichszins um mehr als das Doppelte (also um relativ 100%) oder absolut um 12-Prozentpunkte übersteigt.
Weiter muss der Darlehensgeber eine Zwangslage oder sonstige Schwächeposition des Darlehensnehmers bewusst ausnutzen. Hier ist sowohl die Kenntnis als auch die bewusste Ausnutzung nachzuweisen. Der Nachweis dieses Vorsatzes ist in der Regel sehr schwer zu erbringen.
2. Tatbestand des wucherähnlichen Darlehens, § 138 I BGB
Ist die Ausbeutung im Rahmen von § 138 II BGB nicht nachweisbar oder scheitert § 138 II BGB aus anderen Gründen, kann ein Darlehen, gleichwohl wegen sonstiger zwingender Umstände nach § 138 I BGB sittenwidrig sein.
Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Darlehensvertrag nach § 138 I BGB sittenwidrig, wenn (1) ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, (2) der Darlehensnehmer sich in einer schwächeren Lage befunden hat und (3) der Darlehensgeber diese Lage vorsätzlich oder grob fahrlässig ausnutzt.
Im Gegensatz zum Wucher nach § 138 II BGB reicht es für den Tatbestand des § 138 I BGB aus, dass sich der Darlehensgeber leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass ein auffälliges Missverhältnis vorlag und sich der Darlehensnehmer in einer schwachen Lage auf die Bedingungen einließ. Dieser Nachweis wird leichter gelingen.
3. Rechtsfolge
Sollten die Voraussetzungen des Wuchers nach § 138 II BGB oder des wucherähnlichen Geschäfts nach § 138 I BGB vorliegen, ist der Darlehensvertrag nichtig.
a) Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers
In der Folge ist fraglich, ob der Darlehensnehmer das Darlehen in diesem Fall sofort nach §§ 812 I 1 Alt. 1, 818 I BGB zurückzahlen muss. Die herrschende Meinung löst dieses Problem über eine analoge Anwendung des § 817 S. 2 BGB, sodass der Darlehensnehmer das Darlehen für die vereinbarte Darlehenslaufzeit behalten darf. Hintergrund ist, dass nicht das Darlehen an sich, sondern nur der vereinbarte Zins sittenwidrig ist. Mehr zur analogen Anwendung des § 817 S. 2 BGB beim Wucherdarlehen kannst du hier lesen.
Die analoge Anwendung des § 817 S. 2 BGB führt lediglich dazu, dass das Darlehen nicht vor dem eigentlichen Fälligkeitszeitpunkt zurückgefordert wird. Nach dem vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt ist eine Rückforderung nach §§ 812 I 1 Alt. 1, 818 I BGB möglich.
b) Anspruch auf marktüblichen Zins
Wegen der Nichtigkeit des Darlehensvertrags kann der Darlehensgeber nicht den vereinbaren Wucherzins verlangen. Fraglich ist jedoch, ob der Darlehensgeber stattdessen die marktüblichen Zinsen verlangen kann. Über §§ 818 I, II BGB hat der Darlehensgeber einen umfassenden Anspruch auf Wertersatz des Erlangten. Dadurch, dass dem Darlehensnehmer wegen der analogen Anwendung des § 817 S. 2 BGB das Darlehen zur Nutzung zur Verfügung steht, ist fraglich, ob er auch den „Wert dieser Nutzungsmöglichkeit“ zu ersetzen hat. Der Wert der Nutzungsmöglichkeit des Kapitals ist der marktübliche Zins. Insoweit ist zu klären, ob § 817 S. 2 BGB auch diesen Wertersatzanspruch sperrt.
Nach der herrschenden Lehre kann der Darlehensgeber den marktüblichen Zins verlangen. Grund dafür ist, dass § 138 BGB keine Straffunktion hat. Müsste der Darlehensnehmer keinerlei Zinsen mehr zahlen, wäre er übermäßig begünstigt.
Nach der Rechtsprechung hingegen kann der Darlehensgeber keine Zinsen mehr verlangen. Argumentiert wird damit, dass der Wucher ansonsten risikolos für den Wucherer wäre, wenn dieser in jedem Fall mindestens den marktüblichen Zins erhalten würde. Auch spricht gegen ein Herabfallen auf den marktüblichen Zins das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.
