I. Einleitung
Da Gerichtsverfahren in der Praxis oft Monate oder sogar Jahre dauern können, sieht das Prozessrecht Formen des vorläufigen Rechtsschutzes vor. Dies haben den Zweck, dass nicht durch den Ablauf der Zeit „vollendete Tatsachen“ geschaffen werden und die Parteien später ihr eigentliches Rechtsschutzziel nicht erreichen können. So könnte zum Beispiel ein Schuldner sein Vermögen „auf die Seite bringen“ und umgekehrt haben Gläubiger gerade in dringenden Fällen ein Interesse an einer möglichst zeitnahen Entscheidung. Der vorläufige Rechtsschutz ermöglicht durch eine geringere Prüfungstiefe (sogenanntes summarisches Verfahren) eine schnellere Entscheidung, die aber - da sie ja gerade nur vorläufig sein soll - besonderen Regelungen unterliegt.
Und genau das macht sie auch für die Klausur interessant, denn hier können besondere prozessuale Konstellationen abgefragt und dennoch eine volle materiell-rechtliche Prüfung vorgenommen werden. Zwar wird keine vertiefte Kenntnis wie im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage erwartet, dennoch sollten aber die wesentlichen Normen und der grobe Prüfungsaufbau der verschiedenen Arten des vorläufigen Rechtsschutzes bekannt sein. Im Übrigen genügt eine Gesetzeslektüre, ohne dass es auf Spezialkenntnisse ankäme.
Im Zivilrecht wird zwischen zwei Arten des vorläufigen Rechtsschutzes unterschieden.

II. Arrest (§ 916 ZPO)
Der Arrest dient der „Sicherung der Zwangsvollstreckung (…) wegen einer Geldforderung oder eines Anspruchs, der in eine Geldforderung übergehen kann“ (§ 916 I ZPO).
Die Prüfung eines Arrests ist recht einfach, denn es gibt nur zwei wesentliche Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Arrest erfolgen kann:
Merke
Beachte § 920 ZPO: Die Voraussetzungen müssen nicht bewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht werden.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 294 ZPO an den § 920 ZPO, um dich an die Definition des Begriffs der Glaubhaftmachung zu erinnern.
1. Arrestanspruch (§ 916 ZPO)
Ein Arrestanspruch besteht, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch besteht.
Merke
Dieser kann auch bedingt oder „betagt“ (d.h.: nicht fällig) sein (§ 916 II ZPO). Auch mögliche Einreden hindern den Arrestgrund nicht, da diese geltend gemacht werden müssten - und solange sie dies nicht sind, besteht ein durchsetzbarer Anspruch, der gefährdet ist.
2. Arrestgrund
Während der Arrestanspruch also die materiell-rechtliche Grundlage gibt, besteht der Arrestgrund in der Dringlichkeit des Vorgehens. So besteht ein Arrestgrund, wenn
zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. (§ 917 ZPO)
er erforderlich ist, um die gefährdete Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu sichern (§ 918 ZPO).
3. Rechtsfolge
Der Arrest kann auf verschiedene Art und Weisen nach den Regelungen der Zwangsvollstreckung (§ 928 BGB) durchgeführt werden - Ziel ist nicht die Gläubigerbefriedigung, sondern die Sicherung des Anspruchs. Entweder kann ein Zugriff auf das Vermögen erfolgen (dinglicher Arrest) oder der Schuldner in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt (persönlicher Arrest) werden, um die spätere Durchsetzung der Forderung zu sichern. Die Möglichkeiten sind die folgenden:
Pfändung von beweglichen Sachen oder Forderungen (§§ 802 ff. ZPO)
Eintragung einer Sicherungshypothek bei unbeweglichem Vermögen (§ 932 ZPO)
Persönlicher Arrest
III. Einstweilige Verfügung
Während sich der Arrest also auf Geldforderungen beschränkt, schützt eine einstweilige Verfügung vor sonstigen Individualansprüchen wie Herausgabe-, Unterlassung oder Leistungsansprüchen.
1. Arten
Einstweilige Verfügungen gibt es in Form der Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO), zur Sicherung eines bestehen Zustandes, und der Regelungsverfügung (§ 940 ZPO) zur Regelung eines vorläufigen Zustandes über ein streitiges Rechtsverhältnis.
Klausurtipp
Manchmal ist es schwierig, hier eine genaue Abgrenzung zu treffen. Allerdings ist zu beachten, dass die Unterscheidung im Ergebnis keine rechtlichen Konsequenzen hat. Daher sollte man hier seinem Gefühl vertrauen und keine langatmige Diskussion führen.
2. Voraussetzungen
So wie der Arrest einen Grund und einen Anspruch voraussetzt, gilt auch das Gleiche für die einstweilige Verfügung:
Gemäß § 935 ZPO bedarf es eines Verfügungsanspruchs, also eines materiell-rechtlichen Anspruchs.
Gemäß §§ 935, 940 ZPO bedarf es im Übrigen eines Verfügungsgrundes, also eines Dringlichkeitsbedürfnisses, eine vorläufige Regelung zu treffen oder einen Zustand vorläufig zu sichern.
Merke
Auch hier gilt, dass die Voraussetzungen nicht bewiesen, sondern „nur“ glaubhaft gemacht werden müssen (§§ 936, 920 ZPO).
3. Rechtsfolge
Der Vollzug der einstweiligen Verfügung erfolgt gemäß § 936 ZPO nach den Vorschriften, die für den Arrest gelten, siehe oben.
IV. Schadensersatz (§ 945 ZPO)
Da durch den vorläufigen Rechtsschutz eben nur eine vorläufige Regelung getroffen wird, kann es sein, dass das spätere Gerichtsverfahren zu einem anderen Ergebnis kommt. In diesem Fall kann es sein, dass der Partei, zu deren Lasten eine Verfügung oder ein Arrest erging, ein Schaden entstanden ist. Auf diesem Schaden darf die Partei nicht sitzen bleiben, daher regelt § 945 ZPO einen Schadensersatzanspruch gegen die Partei, die den vorläufigen Rechtsschutz genutzt hat, um ihre Position abzusichern.
1. Voraussetzungen
Der Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass
der Arrest oder die einstweilige Verfügung von Anfang an ungerechtfertigt war oder
die Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes aufgehoben wurde (§§ 926 II, 942 III ZPO).
Merke
Wichtig: Der Anspruch gilt verschuldensunabhängig.
2. Rechtsfolgen
Der Schadensersatz wird nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB ersetzt.