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Vorläufiger Rechtsschutz

Vorläufiger Drittrechtsschutz (§ 80a VwGO)

Teilgebiet

Verwaltungsprozessrecht

Thema

Vorläufiger Rechtsschutz

Tags

Einstweiliger Rechtsschutz
Vorläufiger Rechtsschutz
Drittschutz
§ 80 VwGO
§ 80a VwGO
§ 212a BGB
§ 40 VwGO
§ 42 VwGO
§ 78 VwGO
§ 61 VwGO
§ 62 VwGO
§ 81 VwGO
§ 82 VwGO
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Varianten des § 80a VwGO

    • 1. § 80a I VwGO

    • 2. § 80 a II VwGO

  • III. Zulässigkeit 

    • 1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 I 1 VwGO

    • 2. Statthaftigkeit des Antrags

    • 3. Antragsbefugnis, § 42 II VwGO analog

    • 4. Antragsgegner, § 78 VwGO analog

    • 5. Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO

    • 6. Ordnungsgemäße Antragsstellung, §§ 81, 82 VwGO (analog)

    • 7. Rechtsschutzbedürfnis

      • a) Hauptsache nicht offensichtlich unzulässig 

      • b) Vorheriger Aussetzungsantrag bei Behörde

  • IV. Begründetheit 

I. Einleitung

Über § 80 V 1 VwGO erhält der direkte Adressat eines ihn belastenden Verwaltungsakts vorläufigen Rechtsschutz. Über § 80a kann aber auch ein Dritter, welcher durch den Verwaltungsakt belastet ist, vorläufigen Rechtsschutz erhalten. Man spricht in diesen Fällen der Drittbelastung von einem Verwaltungsakt mit Doppelwirkung. Es besteht daher immer ein Dreiecksverhältnis zwischen der Behörde, dem/den Adressaten des Verwaltungsaktes und den weiteren durch den Verwaltungsakt betroffenen Personen.

Am häufigsten findet § 80a VwGO dabei bei nachbarrechtlichen Konstellationen im Baurecht Anwendung.

II. Varianten des § 80a VwGO

§ 80a VwGO enthält verschiedene Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes. Im Wesentlichen sind zwei Grundkonstellationen zu unterscheiden, den Fall eines begünstigenden Verwaltungsakts mit belastender Drittwirkung nach § 80a I VwGO und den Fall eines den Adressaten belastenden Verwaltungsakts mit begünstigender Drittwirkung nach § 80a II VwGO.

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1. § 80a I VwGO

§ 80a I VwGO regelt den Fall eines begünstigenden Verwaltungsakts mit belastender Drittwirkung.

Beispiel

Erhalt einer Baugenehmigung

In dieser ist der Adressat des Verwaltungsaktes mit der Situation zufrieden, da der Verwaltungsakt ihn begünstigt, sodass es auf seiner Seite zu diesem Zeitpunkt keiner Rechtsmittel bedarf.

Da der Verwaltungsakt aber einen Dritten belastet, legt dieser auf Grundlage seiner Betroffenheit (dazu später ausführlicher) einen Rechtsbehelf (Drittwiderspruch oder Drittanfechtungsklage) ein. 

Dabei ist dann zunächst zu differenzieren, ob dieser Rechtsbehelf eine aufschiebende Wirkung hat. Grundsätzlich ist dies gemäß § 80 I 1 VwGO der Fall. Es ist aber zu prüfen, ob ein Fall des § 80 II VwGO vorliegt, welcher zum Entfall der aufschiebenden Wirkung führen würde. Besonders zu beachten ist dabei § 80 II 1 Nr. 3 VwGO und eventuelle gesetzliche Sonderregelungen.

Merke

Da sich viele Fälle des Dritt-Rechtsschutzes im Baurecht abspielen, ist dann immer auch an § 212a BauGB zu denken. Dieser lässt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens (= Baugenehmigung) entfallen. 

Gesetzesverweis

Sofern in deinem Bundesland zulässig, kannst du dir den § 212a BauGB an den § 80 II 1 Nr. 3 VwGO zitieren, um dich an die baurechtliche Sonderregelung zu erinnern.

Wenn der Rechtsbehelf des Dritten keine aufschiebende Wirkung hat, kann er einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach §§ 80a I Nr. 2, 80 IV VwGO bei der Behörde stellen. Lehnt diese den Antrag ab, kann der Antrag danach gemäß § 80 III 1 VwGO i.V.m. §§ 80 a I Nr. 2, 80 IV VwGO beim Verwaltungsgericht stellen. 

Hat der Rechtsbehelf des Dritten demgegenüber aufschiebende Wirkung, hat der Dritte sein Ziel zunächst erreicht. In diesem Fall ist der ursprüngliche Adressat des Verwaltungsakts aber mit der Situation nicht zufrieden, da er nun vom Suspensiveffekt des Rechtsbehelfs betroffen ist und daher der ihn begünstigende Verwaltungsakt nicht vollzogen werden kann.

Dieser Situation kann er begegnen, indem er einen Antrag an die Behörde auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 a I Nr. 1 VwGO stellt.

Wird dieser Antrag angenommen, wird der Verwaltungsakt vollzogen.

Lehnt die Behörde den Antrag ab, kann der Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung dann gemäß § 80a III 1 VwGO i.V.m. § 80a I Nr. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht gestellt werden.

2. § 80 a II VwGO

§ 80 a II VwGO regelt den Fall eines den Adressaten belastenden VA mit begünstigender Drittwirkung.

Beispiel

Erhalt einer Abrissverfügung 

Gegen einen solchen legt der Betroffene einen Rechtsbehelf (Widerspruch oder Anfechtungsklage) ein, wodurch der Suspensiveffekt entsteht. Dann besteht für den Dritten die Möglichkeit, einen Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung zu stellen gemäß § 80 a II VwGO i.V.m. § 80 II 1 Nr. 4 VwGO an die Behörde.

  • Wird dieser abgelehnt, kann der Dritte den Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung danach gemäß § 80 a III 1 i.V.m. § 80a II VwGO beim Verwaltungsgericht stellen.

  • Wird der Antrag dagegen angenommen, besteht für den Belasteten die Möglichkeit, einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß §§ 80 a III, 80 V 1 Alt. 2 VwGO zu stellen.

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III. Zulässigkeit 

1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 I 1 VwGO

Gemäß § 80a III 2 i.V.m § 80 V VwGO richtet sich dies nach dem Gericht der Hauptsache.

2. Statthaftigkeit des Antrags

Die Statthaftigkeit richtet sich nach dem Begehren des Antragstellers, § 88 VwGO analog.

Hier ist nun die für den Einzelfall zutreffende Variante anhand der dargestellten Möglichkeiten von Begehren und Zeitpunkten zu finden und deren Voraussetzungen zu prüfen.

Beispiel

Sachverhalt

A hat eine von ihm beantragte Baugenehmigung erhalten, also einen ihn begünstigenden Verwaltungsakt. Dieser belastet aufgrund der Art des Baus aber seinen Nachbarn N, sodass eventuell der Gebietsprägungserhaltungsanspruch verletzt sein könnte.

N erhebt daher eine (Dritt-) Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht nach § 40 I 1 Alt. 1 VwGO. Dieser hat aber gemäß § 212a BauGB keine aufschiebende Wirkung. Daher stellt N einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach §§ 80a II Nr. 2, 80 IV VwGO an die Behörde. Diese lehnt den Antrag ab. Jetzt stellt N den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Verwaltungsgericht nach § 80a III 1 VwGO i.V.m. §§ 80 a I Nr. 2, 80 IV VwGO.

Vorgehen

Indem du den Verlauf des Sachverhalts anhand des obigen Schemas “entlanggehst", kommst du zur statthaften Antragsart innerhalb des § 80 a VwGO.

Dabei prüfst du, ob die Voraussetzungen für diesen Antrag vorliegen. Dies wird meistens in einem Schritt geschehen, da der Verlauf des Sachverhalts, also unseres Schemas, die Voraussetzungen für die letztendlich statthafte Antragsart darstellen. 

Diese wären in unserem Fall:

  • Der Antragsteller wendet sich gegen die Vollziehung eines ihn belastenden und den Adressaten begünstigenden Verwaltungsakt

  • Der Antragsteller hat einen Rechtsbehelf eingelegt

  • Der Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung (§ 80 II VwGO)

Zu der Frage, ob ein vorheriger Antrag an die Behörde Voraussetzung für den gerichtlichen Antrag ist, siehe unten. In dieser Konstellation hat N zuvor einen Antrag bei der Behörde gestellt, weshalb die Frage hier nicht relevant ist.

3. Antragsbefugnis, § 42 II VwGO analog

Hier ergeben sich keine Unterschiede zur Anfechtungsklage, außer dass eine analoge Anwendung erfolgt, da § 42 VwGO aufgrund dessen Wortlauts nicht direkt anwendbar ist.

Zu beachten ist, dass sich die Antragsbefugnis im Fall eines Antrags des Dritten nur aus drittschützenden Normen ergeben kann. 

Beispiel

Über den generell typisierenden oder den einzelfallbezogenen Drittschutz im Baurecht.

4. Antragsgegner, § 78 VwGO analog

Hier gilt wie gewohnt das Rechtsträgerprinzip nach § 78 VwGO analog.

5. Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO

Für eine ausführliche Darstellung der Prüfung der Beteiligten- und Prozessfähigkeit siehe hier.

6. Ordnungsgemäße Antragsstellung, §§ 81, 82 VwGO (analog)

Die §§ 81, 82 VwGO sind hier analog anzuwenden, wenn der Antrag gegenüber der Behörde gestellt wird, da sich der Wortlaut auf einen Antrag bei Gericht bezieht.

7. Rechtsschutzbedürfnis

a) Hauptsache nicht offensichtlich unzulässig 

Der Rechtsbehelf in der Hauptsache darf nicht offensichtlich unzulässig sein.

b) Vorheriger Aussetzungsantrag bei Behörde

Nach allgemeiner Ansicht ist die Verweisung in § 80a III 2 VwGO als Rechtsgrundverweis anzusehen, da keine Gründe für eine andere Behandlung als einseitige Verwaltungsakte erkennbar seien (a.A.: Rechtsfolgenverweis). Demnach ist die Argumentation hier die Gleiche wie bei § 80 V 1 VwGO und ein vorheriger Aussetzungsantrag ist aufgrund des Umkehrschlusses aus § 80 VI VwGO nur in den Fällen des § 80 II 1 Nr. 1 VwGO erforderlich.

Merke

Das heißt, dass die in unserem Schema des Ablaufs dargestellten Anträge an die Behörde keine Voraussetzung für eine direkte Antragstellung beim Verwaltungsgericht sind.

IV. Begründetheit 

In der Begründetheit ist wie bei § 80 V 1 VwGO eine Abwägung zwischen den gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen. Je nachdem, in welcher Konstellation der § 80a VwGO angewendet wird, sind Aussetzungs- und Vollzugsinteresse gegeneinander abzuwägen.

Dies bestimmt sich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache, also der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts. Diese ist inzident zu prüfen. Bei der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts überwiegt das Vollzugsinteresse. Wenn ein Verstoß gegen drittschützende Vorschriften vorliegt, ist der Verwaltungsakt rechtswidrig und das Aussetzungsinteresse überwiegt.

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