I. Einleitung
§ 767 ZPO regelt die Vollstreckungsabwehrklage (synonym mit: Vollstreckungsgegenklage). Wie auch bei der Drittwiderspruchsklage handelt es sich auch hierbei um eine Gestaltungsklage, mit der der Kläger die Vollstreckbarkeit eines Titels beseitigen kann. Es wird also nicht der Titel selbst beseitigt, sondern „nur“ dessen Vollstreckbarkeit.
Merke
Gemäß § 769 ZPO kann das Gericht insoweit auch eine einstweilige Anordnung erlassen.
Anders als bei der Drittwiderspruchsklage wird hier aber nicht geprüft, ob der Kläger Inhaber eines die Veräußerung hindernden Rechts hat, sondern ob er materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend machen kann. Auch hier können also auf recht einfache Art und Weise materiell-rechtliche und zwangsvollstreckungsrechtliche Fragen geprüft werden.
II. Voraussetzungen

1. Zulässigkeit
a) Statthaftigkeit
Die Vollstreckungsgegenklage ist statthaft, wenn der Kläger gegen einen vollstreckbaren Titel vorgeht und materiell-rechtliche Einwendungen geltend macht.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zuständig ist, kannst du dir den § 795 ZPO an den § 767 ZPO zitieren, um dich daran zu erinnern, dass und wieso die Vollstreckungsgegenklage auch auf andere Titel als Urteile Anwendung findet.
b) Zuständigkeit
Gemäß § 767 I, 802 ZPO ist das Prozessgericht der ersten Instanz ausschließlich zuständig.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 802 ZPO an den § 767 I ZPO, um dich an den ausschließlichen Gerichtsstand für die Vollstreckungsgegenklage zu erinnern. Beachte insoweit auch den § 40 II ZPO. Zitiere dir außerdem die §§ 797 V, VI, 796 III ZPO, um dich an die Sonderregelungen für vollstreckbare Urkunden und Vollstreckungsbescheide zu erinnern.
c) Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen
Wie bei jeder Klage müssen auch hier die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen gegeben sein.
Merke
Die weiteren hier geprüften Zulässigkeitsvoraussetzungen werden deswegen gesondert geprüft, da sie klagespezifische Besonderheiten aufweisen. Dies ist aber nicht zwingend.
d) Rechtsschutzbedürfnis
Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, sobald der Titel vorliegt, bis zu Auskehr des Verwertungserlöses.
Merke
Sobald das Vollstreckungsverfahren beginnt, kann der Kläger insoweit „nur noch“ die Vollstreckungsgegenklage erheben. Vorher kann er aber auch noch die Rechtsmittel im Erkenntnisverfahren nutzen.
2. Objektive Klagehäufung
Klausurtipp
Oft wird die Vollstreckungsgegenklage mit einem Anspruch auf Titelherausgabe (§ 371 BGB analog) verbunden. Ist dies der Fall, sind die Voraussetzungen der objektiven Klagehäufung zu prüfen.
3. Begründetheit
Zitat
„Die Klage ist begründet, wenn die Sachbefugnis besteht, dem Kläger eine materiell rechtliche Einwendung zusteht und diese nicht gemäß § 767 II ZPO präkludiert ist“.
a) Sachbefugnis der Parteien
Aktivlegitimiert ist der Vollstreckungsschuldner, der sich gegen die Vollstreckung wehrt. Passivlegitimiert ist der Vollstreckungsgläubiger, der in der Vollstreckungsklausel benannt ist. Diese beiden sind somit die Parteien des Verfahrens.
Problem
Passivlegitimation bei Abtretung des Anspruchs
Wenn der (Vollstreckungs-)Gläubiger seinen Anspruch abtritt, stellt sich die Frage, ob er und/oder der Zessionar passivlegitimiert ist.
Sofern der Titel noch nicht umgeschrieben wurde, kann der Zedent vollstrecken und ist somit passivlegitimiert.
Hinsichtlich des Zessionars ist zu differenzieren: Gemäß § 727 ZPO (Titelumschreibung) kann der Titel, aus dem vollstreckt wird, auf einen Rechtsnachfolger umgeschrieben werden, wenn das Urteil auch gegen diesen wirksam wäre gemäß § 325 ZPO. Das bedeutet: Erfolgte die Abtretung vor Klageerhebung, ist der Zessionar nicht passivlegitimiert. Denn § 325 ZPO setzt die Rechtsnachfolge nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit voraus. Erfolgte die Abtretung nach Klageerhebung, ist diese Voraussetzung aber gegeben und somit ist auch der Zessionar passivlegitimiert.
b) Materiell-rechtliche Einwendung
Hier liegt der materiell-rechtliche Schwerpunkt der Prüfung. Voraussetzung des Anspruchs ist eine bestehende Einwendung (oder geltend gemachte Einrede).
Beispiel
Erfüllung, Aufrechnung, Erlass
c) Präklusion (§ 767 II ZPO)
aa) Grundsatz
Der Kläger darf mit seiner Einwendung nicht präkludiert sein. Dies ist er, wenn die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind, in der sie hätten geltend gemacht werden können und müssen.
Problem
Präklusion gemäß § 767 II ZPO bei Aufrechnung
Beispiel: Mündliche Verhandlung und Urteilsverkündung zulasten des Schuldners fand statt am 1. Juni. Bereits seit 1. Mai hatte der Schuldner eine Gegenforderung, von der er nichts wusste. Am 1. Juli beginnt die Zwangsvollstreckung. Der Schuldner hat mittlerweile von der Gegenforderung erfahren, erklärt die Aufrechnung (§ 388 BGB) und erhebt die Vollstreckungsgegenklage. Ist seine Einwendung, dass die Forderung aufgrund von Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen ist, präkludiert oder nicht?
Lösung: Ob hier Präklusion eingetreten ist, hängt davon ab, ob „die Gründe“ im Sinne des § 767 II ZPO das Bestehen der Aufrechnungslage oder die Aufrechnungserklärung sind. Nur im ersten Fall wären die Gründe bereits vor der mündlichen Verhandlung entstanden und somit präkludiert, da sie schon im Erkenntnisverfahren hätten geltend gemacht werden können:
Für die Maßgeblichkeit der Aufrechnungslage (h.M.!) spricht, dass diese „Grund“ des späteren Erlöschens der Forderung ist. Die Erklärung selbst löst die Rechtsfolge aus. Dafür spricht auch die Rechtssicherheit, die von einem objektiven Umstand und nicht einer beliebig vorzunehmenden Erklärung abhängt, sowie die Maßgeblichkeit der Rechtskraft des Urteils.
Für die Maßgeblichkeit der Aufrechnungserklärung spricht, dass die Erklärung Teil des Tatbestandes der Aufrechnung ist und eben erst durch diese die Rechtswirkung ausgelöst wird. Außerdem würde sonst faktisch eine Verkürzung der für die Geltendmachung der Aufrechnung geltenden Frist bewirkt.
Achtung: Die gleiche Frage stellt sich bei anderen Gestaltungsrechten wie der Anfechtung.
bb) Eingeschränkter Anwendungsbereich
Es gibt einige Fälle, in denen der § 767 II ZPO keine oder nur eingeschränkte Anwendung findet und es somit keine oder nur eine angepasste Präklusionswirkung gibt.

aaa) § 767 II a.E. ZPO
Aus dem § 767 II a.E. ZPO ergibt sich selbst, dass es bei Versäumnisurteilen keine Präklusion gibt. Wieso? Gegen das Versäumnisurteil kann man per Einspruch vorgehen. § 767 II ZPO setzt aber voraus, dass die Einwendung nicht mehr durch Einspruch geltend gemacht werden kann.
bbb) § 796 II ZPO
§ 796 II ZPO präzisiert die Präklusion bei der Vollstreckung aus Vollstreckungsbescheiden: Dort kommt es nicht auf die mündliche Verhandlung an (die es ja gar nicht gibt), sondern es tritt die Zustellung des Vollstreckungsbescheides an deren Stelle als maßgeblicher Zeitpunkt.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 796 II ZPO an den § 767 II ZPO zitieren, um dich daran zu erinnern, dass bei Vollstreckungsbescheiden eine angepasste Präklusionswirkung besteht.
ccc) § 797 IV ZPO
Diese Präklusionsvorschrift greift jedoch nicht, wenn aus einer notariellen Urkunde oder einem Prozessvergleich vollstreckt wird. Im ersten Fall greift § 797 IV ZPO, im zweiten Fall greift § 797 IV ZPO analog.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 797 IV ZPO an den § 767 II ZPO zitieren, um dich daran zu erinnern, dass in diesen Fällen keine Präklusionswirkung existiert.