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Nichtleistungskondiktion

Verwendungskondiktion (§§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB)

Teilgebiet

Bereicherungsrecht

Thema

Nichtleistungskondiktion

Tags

Nichtleistungskondiktion
Aufgedrängte Bereicherung
EBV
Sperrwirkung des EBV
§ 951 BGB
§ 812 BGB
§ 994 BGB
§ 996 BGB
§ 818 BGB
Gliederung
  • I. Anwendungsbereich

  • II. Voraussetzungen

    • 1. Voraussetzungen des § 951 I 1 BGB

    • 2. Voraussetzungen des § 812 I 1 Fall 2 BGB

      • a) Etwas erlangt

      • b) In sonstiger Weise

      • c) Ohne rechtlichen Grund

      • d) Auf Kosten des Anspruchstellers

      • e) Kein Ausschluss

  • III. Aufgedrängte Bereicherung

Neben der Eingriffs-, Rückgriffs und Zuwendungskondiktion stellt die Verwendungskondiktion nach §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB einen weiteren Fall der Nichtleistungskondiktion dar. 

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Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 951 I 1 BGB neben den § 812 I 1 Fall 1 BGB kommentieren und umgekehrt auch.

I. Anwendungsbereich

Sie setzt voraus, dass jemand ohne rechtlichen Grund Verwendungen auf eine fremde Sache macht und hierdurch nach §§ 946, 947 II, 948 BGB einen Rechtsverlust erleidet. Gleichzeitig erlangt der Eigentümer der Sache, auf die die Verwendung gemacht wurde, einen Vermögensvorteil. Diesen muss er dem Verwender aus Verwendungskondiktion herausgeben.

Beispiel

L lackiert einen entliehenen Pkw mit eigenem Lack. Hierdurch verliert er nach § 947 II BGB sein Eigentum an dem Lack. Gleichzeitig erlangt der Eigentümer des Pkw auch Eigentum an dem Lack.

Diesen Vermögensvorteil kann L gemäß §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2, 818 II BGB kondizieren.

In Abgrenzung zur Eingriffskondiktion erlangt der Bereicherungsschuldner im Rahmen der Verwendungskondiktion etwas durch ein Verhalten des Bereicherungsgläubigers selbst.  Da der Bereicherungsgläubiger hierbei keinen Zweck gegenüber dem Bereicherungsschuldner erfüllt, liegt auch keine Leistung vor. Demgegenüber wird bei der Eingriffskondiktion etwas durch ein Verhalten des Bereicherungsschuldners erlangt.  

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II. Voraussetzungen

1. Voraussetzungen des § 951 I 1 BGB

Ein Anspruch aus §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB setzt zunächst voraus, dass die Voraussetzungen des § 951 I 1 BGB erfüllt sind. Es muss ein Rechtsverlust des Bereicherungsgläubigers nach §§ 946 - 950 BGB eingetreten sein. Wann ein solcher vorliegt, kannst du hier nachlesen. 

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2. Voraussetzungen des § 812 I 1 Fall 2 BGB

Da es sich bei § 951 BGB nach allgemeiner Meinung um eine Rechtsgrundverweisung handelt, müssen die hier dargestellten Voraussetzungen des § 812 I 1 Fall 2 BGB vorliegen.

a) Etwas erlangt

Der Bereicherungsschuldner muss etwas erlangt haben. Dies ist in der Regel das Eigentum an der Sache, die im Rahmen der Verwendungsvornahme in das Eigentum des Bereicherungsschuldners eingebaut oder mit diesem verbunden oder vermischt wird. 

Definition

Als erlangtes „etwas“ gilt jeder Vermögenswerte Vorteil.

Definition

Verwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die einer Sache zugutekommen sollen, ohne die Sache grundlegend zu verändern

b) In sonstiger Weise

Der Bereicherungsschuldner muss das Eigentum in sonstiger Weise und damit nicht durch Leistung erlangt haben. In der Regel erfolgt der Eigentumserwerb hierbei durch den gesetzlichen Eigentumserwerb nach den §§ 946 bis 950 BGB und beruht somit nicht auf einer Leistung des Bereicherungsgläubigers.

c) Ohne rechtlichen Grund

Außerdem darf kein Rechtsgrund für den Eigentumserwerb des Anspruchsgegners bestehen.

Wie bei der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1 Fall 2 BGB erlangt jemand etwas ohne rechtlichen Grund, wenn das Erlangte nach den maßgeblichen Rechtsnormen des Sachenrechts oder Immaterialgüterrechts dem Bereicherungsgläubiger zugewiesen ist.

d) Auf Kosten des Anspruchstellers

Der Eigentumserwerb des Bereicherungsschuldners muss auch auf Kosten des Anspruchstellers erfolgen. Da dieser nach §§ 946 - 950 BGB Eigentum an einer Sache verliert, erfolgt der Eigentumserwerb auf dessen Kosten. 

e) Kein Ausschluss

Zudem dürfte der Anspruch nicht nach § 814 BGB oder § 817 S2 BGB ausgeschlossen sein.

III. Aufgedrängte Bereicherung

Ein spezielles Problem, welches im Zusammenhang mit der Verwendungskondiktion auftreten kann, stellt die aufgedrängte Bereicherung dar. Eine solche aufgedrängte Bereicherung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie dem Bereicherungsschuldner unerwünscht ist. 

Beispiel

Fall

Mieter M errichtet vertragswidrig ein Gebäude im Wert von 500.000 € auf dem Grundstück des E. Es stellt sich heraus, dass der Mietvertrag nichtig ist.  E hat kein Interesse an der Bebauung.

Kann M gegen E einen Anspruch in Höhe von 500.000 € aus  §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB geltend machen?

Lösung

M könnte gegen E einen Anspruch aus Verwendungskondiktion aus §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB in Höhe von 500. 000 € haben. Dies setzt zunächst voraus, dass die Verwendungskondiktion anwendbar ist. Außerdem müssten jeweils die Voraussetzungen des § 951 I 1 BGB und des § 812 I 1 Fall 2 BGB vorliegen. 

1. Anwendbarkeit der §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB

Die Anwendbarkeit der §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB könnte an § 993 I BGB am Ende scheitern. Hiernach könnte  eine Sperrwirkung eines etwaigen Eigentümer - Besitzer - Verhältnisses dergestalt bestehen, dass die §§ 994 ff. BGB im Hinblick auf Verwendungen abschließend sind.

  • Vorliegen eines EBV

Diese Frage stellt sich jedoch nur, wenn überhaupt ein EBV vorliegt. Ein solches setzt voraus, dass  E im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes durch M Eigentümer des Grundstücks und M dessen Besitzer ohne Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB war. Da der Mietvertrag zwischen E und M nichtig war, bestand im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes ein EBV.

  • Voraussetzungen des § 996 BGB 

Fraglich ist außerdem, ob die Voraussetzungen der §§ 994 ff. BGB erfüllt sind. Da die Bebauung des Grundstücks nicht notwendig war, kommt lediglich ein Anspruch des M gegen E aus § 996 BGB in Betracht. Ein solcher setzt neben dem Vorliegen eines EBVs im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes voraus, dass es sich bei dem Gebäude um eine nützliche Verwendung handeln. 

Problematisch ist hierbei, dass es sich bei der Errichtung eines Gebäudes auf einem bisher unbebauten Grundstück um eine sachabändernde Aufwendung handelt. Ob eine solche als Verwendung einzuordnen ist, ist umstritten. 

Nach dem engen Verwendungsbegriff des BGH, setzt eine Verwendung zusätzlich voraus, dass keine grundlegende Verwendung der Sache vorgenommen wird. So handle es sich bei der Errichtung eines Gebäudes auf einem vormals unbebauten Grundstück um eine sachabändernde Aufwendung, die keine Verwendung darstellt. Hierfür spricht, dass der Eigentümer vor besonders kostenintensiven Veränderungen geschützt werden soll.

Demgegenüber steht der weite Verwendungsbegriff der Literatur, der eine Verwendung auch bei grundlegender Veränderung der Sache annimmt. Hiernach stelle die Errichtung eines Gebäudes auf einem vormals unbebauten Grundstück eine Verwendung dar. Dies wird damit begründet, dass der Schutz des Eigentümers vor aufgedrängten und kostenintensiven Aufwendungen auch über die Anwendung der Grundsätze über die aufgedrängte Bereicherung nach § 818 III BGB erreicht werden kann. Außerdem ergibt dies eine systematische Normauslegung. Nach §§ 989, 990 I, 993 I am Ende BGB, muss der Eigentümer die Vernichtung der Sache durch den redlichen und unverkauften Besitzer dulden. Damit muss er erst Recht die Umgestaltung der Sache hinnehmen, die eine geringere Einwirkung auf die Sache als die Vernichtung darstellt. 

Folgt man dem engen Verwendungsbegriff des BGH, handelt es sich um keine Verwendung im Sinne des § 996 BGB, sodass §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB einschlägig sein könnte. Demgegenüber führt die Lösung nach dem engen Verwendungsbegriff der Literatur dazu, dass es sich um eine nach § 996 BGB ersatzfähige Verwendung handelt. Streitig ist dann aber, ob § 996 BGB abschließend ist oder ob die Verwendungskondiktion daneben Anwendung findet. 

  • Umfang der Sperrwirkung

    • Bei weitem Verwendungsbegriff: Folgt man dem weiten Verwendungsbegriff, könnten die einschlägigen §§ 994 ff. BGB einerseits als abschließende Sonderregelungen anzusehen sein, mit der Folge, dass ein Bereicherungsanspruch ausscheidet. Andererseits könnten § 951 I 1 BGB und § 996 BGB auch nebeneinander einschlägig sein. Dafür in den §§ 994 ff. BGB abschließende Sonderregelungen zu sehen, spricht die Wertung der §§ 994 ff. BGB. In Rahmen der Verwendungsersatzansprüche wird zwischen dem gutgläubigen und dem bösgläubigen Besitzer differenziert. Dem bösgläubigen Besitzer, der nur über § 994 II BGB Verwendungsersatz verlangen kann, soll nicht über §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB eine Anspruchsgrundlage für den Ersatz nützlicher Verwendungen  zur Verfügung stehen, die er gerade nicht nach § 996 BGB ersetzt bekommt. Demgegenüber spricht der Wortlaut des § 951 II 1 BGB, der die Vorschriften über den Ersatz von Verwendungen ausdrücklich für unberührt erklärt, für eine parallele Anwendbarkeit von §§ 994 ff. BGB und §§ 812 ff. BGB.

    • Bei engem Verwendungsbegriff: Folgt man dem engen Verwendungsbegriff, könnte ein Anspruch aus §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB bestehen. Dafür spricht, dass die Voraussetzungen der §§ 994 ff. BGB gerade nicht erfüllt sind, sodass keine Sperrwirkung in Betracht kommt. Außerdem wird der Eigentümer über die Regeln der aufgedrängten Bereicherung geschützt. Andererseits könnten die §§ 994 ff. BGB derart abschließend sein, dass auch bei Nichtvorliegen einer Verwendung im Sinne des §§ 994 ff. BGB keine Verwendungskondiktion anwendbar ist. Dies wurde vom BGH in einer älteren Entscheidung vertreten. Dagegen spricht jedoch, dass  dem Besitzer dann lediglich ein wirtschaftlich wertloses Wegnahmerecht aus §§ 997, 258 BGB verbleibt.

2. Voraussetzungen des §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB

Geht man von einer Anwendbarkeit des §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB aus, erfordert eine Verwendungskondiktion des M, dass die Voraussetzungen des Anspruchs vorliegen. M hat durch die Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück des E gemäß § 946 I BGB einen Rechtsverlust an den Baumaterialien erlitten. Da es sich bei § 951 I 1 BGB um eine Rechtsgrundverweisung handelt, müssen außerdem die Voraussetzungen der Eingriffskondiktion nach § 812 I 1 Fall 2 BGB vorliegen. E hat durch die Errichtung des Gebäudes auf seinem Grundstück gemäß § 946 I BGB Eigentum an diesem erlangt. Dies erfolgte auch in sonstiger Weise, auf Kosten des M und ohne rechtlichen Grund. 

Damit sind die Voraussetzungen der §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB erfüllt.

3. Aufgedrängte Bereicherung 

Problematisch ist jedoch, dass die Bebauung des Grundstücks dem E nicht erwünscht ist. Er hat gerade kein Interesse an der Bebauung. Es handelt sich damit um eine aufgedrängte Bereicherung. Bei der aufgedrängten Bereicherung gibt es verschiedene Lösungsmöglichkeiten.

  • Einerseits ist es denkbar, § 1001 S. 2 BGB analog anzuwenden und dem M damit das Gebäude zum Abbruch zu überlassen. 

  • Andererseits könnte E der Verwendungskondiktion des M angesichts der aufgedrängten Bereicherung seinen Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB einredeweise entgegenhalten. 

  • Schließlich besteht auch die Möglichkeit, die Höhe des Anspruchs des M aus §§ 951 I 1, 812 I 1 Fall 2 BGB nach § 818 II BGB nach subjektiven Kriterien zu bemessen. 

  • Auch könnte die aufgedrängte Bereicherung zu einer Entreicherung nach § 818 III BGB führen. E könnte geltend machen, dass das Gebäude für ihn keinen Wert hat. 

Klausurhinweis

Hier sind alle Lösungswege gut vertretbar. Entscheidend ist, dass das Problem der aufgedrängten Bereicherung erkannt und vertretbar gelöst wurde.

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