I. Einleitung
Durch den Vertrag zugunsten Dritter können Leistungsansprüche zugunsten eines Dritten ohne dessen Mitwirkung begründet und Leistungswege zwischen den Beteiligten abgekürzt werden, indem lediglich eine Zuwendung vom Versprechenden im Verhältnis zum Dritten vorgenommen wird.
Gesetzlich geregelt ist der echte Vertrag zugunsten Dritter in den §§ 328 ff. BGB. Davon abzugrenzen ist der nicht geregelte unechte Vertrag zugunsten Dritter.
Der echte Vertrag zugunsten Dritter ist in den §§ 328 ff. BGB geregelt. Es handelt sich um ein Instrument, um die Versorgung Dritter zu gewährleisten und Leistungswege abzukürzen und damit um eine Durchbrechung der Relativität der Schuldverhältnisse. Nicht zu verwechseln ist er mit dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
1. Grundkonstellation
In einem einfachen Vertragsverhältnis muss der Schuldner regelmäßig nur an seinen Vertragspartner leisten.

Beim Vertrag zugunsten Dritter dagegen erbringt der Schuldner die Leistung einem Dritten gegenüber. Der Schuldner wird dabei als Versprechender, der Gläubiger als Versprechensempfänger und der Dritte als Begünstigter bezeichnet.
2. Arten
Es wird zwischen echten und unechten Verträgen zugunsten Dritter differenziert. Welche Art vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Subsidiär gelten die Auslegungsregeln der §§ 328 II - 331 BGB.
Merke
Auslegungsregeln
Sofern keine ausdrückliche Bestimmung vorliegt, ist dem Vertragszweck zu entnehmen, ob der Dritte ein eigenes Forderungsrecht erhalten soll oder nicht (§ 328 II BGB).
Verträge, durch die sich jemand gegenüber einem Schuldner zur Erfüllungsübernahme verpflichtet, sind im Zweifel unechte Verträge zugunsten Dritter (§ 329 BGB)
Lebensversicherungs- und Leibrentenverträge beziehungsweise Verträge, die die Versorgung eines Dritten bezwecken, sind im Zweifel echte Verträge zugunsten Dritter (§ 330 BGB)
Leistungen auf den Todesfall sind im Zweifel echte Verträge zugunsten Dritter (§ 331 BGB)
a) Echter (berechtigender) Vertrag zugunsten Dritter, § 328 I BGB
Beim sogenannten echten Vertrag zugunsten Dritter ist der Schuldner gegenüber dem Gläubiger und Dritten verpflichtet, an den Dritten zu leisten.
Der Dritte ist damit selbst Gläubiger, also berechtigt, indem er einen eigenen Anspruch gegen den Schuldner erwirbt. Diese Konstellation ist in § 328 I BGB geregelt.
Beispiel
Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zugunsten des Ehepartners und/oder der Kinder.
Abschluss eines Kaufvertrages: K kauft im eigenen Namen bei V ein Smartphone für seine Schwester S. K (Versprechensempfänger) und V (Versprechender) verabreden, dass S (Begünstigte) selbst von V Übereignung verlangen kann.
b) Unechter (ermächtigender) Vertrag zugunsten Dritter
Beim unechten Vertrag zugunsten Dritter dagegen soll der Dritte keinen eigenen Anspruch auf die Leistung gegen den Schuldner erhalten. Der Schuldner wird jedoch abweichend von § 362 I BGB ermächtigt, seine Verbindlichkeit durch Leistung an einen Dritten, also durch Leistung an den „falschen Gläubiger“ zu erbringen. Der Dritte ist dabei empfangszuständig, da er ermächtigt ist (§ 185 BGB), die Leistung mit Erfüllungswirkung entgegenzunehmen. Diese Art ist nicht in den §§ 328 ff. BGB geregelt.
Beispiel
Als K bei V ein Smartphone für seine Schwester S kaufen möchte, stellt sich heraus, dass das konkrete Modell nicht vorrätig ist. V vereinbart daher mit dem Smartphone-Hersteller H, dass dieser unmittelbar an K liefern soll.
c) Verfügungen zugunsten Dritter
Nach der überwiegenden Auffassung sind Verfügungen zugunsten Dritter nicht zulässig. Einem Dritten soll nicht etwas aufgedrängt werden, an dem er nicht beteiligt war.
d) Verträge zulasten Dritter
Gleichermaßen sind Verträge zulasten Dritter wegen der geltenden Privatautonomie unzulässig.
3. Zweck des Vertrags zugunsten Dritter
a) Versorgung von Dritten
Durch den Vertrag zugunsten Dritter kann die Versorgung von Dritten sichergestellt werden, beispielsweise durch den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages zugunsten des Lebenspartners und/oder Kindern.
b) Abkürzung des Leistungsweges
Zum anderen kann dadurch der Leistungsweg abgekürzt werden. Statt zwei Zuwendungen zwischen
Versprechendem und Versprechensempfänger und
Versprechensempfänger und Drittem
kann eine Zuwendung im Verhältnis vom Versprechenden an den Dritten vorgenommen werden.
II. Rechtsverhältnisse
Beim Vertrag zugunsten Dritter ist zwischen drei Rechtsverhältnissen zu unterscheiden, siehe oben.
1. Deckungsverhältnis
a) Vertrag zwischen Versprechendem und Versprechungsempfänger
Das Deckungsverhältnis regelt, ob jemand zur Leistung an einen Dritten verpflichtet ist. Dies können der Versprechende und der Versprechensempfänger durch Vertrag vereinbaren. Da es sich beim Vertrag zugunsten Dritter um keinen eigenständigen Vertragstyp handelt, kann jeder typische (bspw. Kaufvertrag, Schenkung) sowie atypische Vertrag (bspw. Leasingvertrag) als Vertrag zugunsten Dritter ausgestaltet werden. Ob dies der Fall ist, gilt es durch Auslegung zu ermitteln.
Beispiel
Beim obigen Kaufvertrag wird die Schwester des Versprechungsempfängers als Begünstigte bezeichnet.
b) Form
Hinsichtlich der Form gelten die allgemeinen Regeln. Der Vertrag zugunsten Dritter ist formfrei möglich, sofern im Gesetz nicht ausnahmsweise etwas anderes geregelt ist (beispielsweise § 311b I BGB bei Grundstücksgeschäften oder § 766 S. 1 BGB bei Bürgschaften).
c) Rechtsstellung des Dritten
Aus dem Deckungsverhältnis ergibt sich weiter, ob der Dritte den Anspruch sofort, später oder nur unter bestimmten Voraussetzungen erwirbt (§§ 328 II, 331 I BGB). Außerdem kann hier vereinbart werden, ob die Vertragsparteien dem Dritten die erlangte Rechtsposition wieder entziehen können (§§ 328 II, 332, 331 II BGB).

aa) Einwendungen aus dem Vertrag
Einwendungen aus dem Vertrag (§§ 273, 320-322 BGB) stehen dem Versprechenden auch gegenüber dem Dritten zu, vgl. § 334 BGB.
bb) Gestaltungsrechte
Gestaltungsrechte wie Anfechtungs-, Rücktritts-, Widerrufs- und Kündigungsrechte stehen aus eigenem Recht nur den jeweiligen Vertragspartnern zu, da diese Rechte nicht den einzelnen Leistungsanspruch des Dritten betreffen, sondern das Schuldverhältnis im weiteren Sinne, auf dessen Bestehen oder Erlöschen der Dritte keinen Einfluss hat.
cc) Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis
Ansprüche wie Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 I, III, 281 BGB), Ansprüche aus Rücktritt/§§ 346 ff. BGB) und Kondiktionsansprüche (§§ 812 ff. BGB) stehen aus eigenem Recht nur den Vertragspartnern zu.
Ausnahmsweise muss der Dritte aber selbst zurückgewähren, was er unentgeltlich erlangt (z. B. bei einer Schenkung im Valutaverhältnis).
dd) Sonstige Ansprüche
Ansprüche, die nicht den Vertrag als Ganzes betreffen, stehen dem begünstigten Dritten zu. Beispiele sind der Ersatz des einfachen Schadens (§ 280 I BGB) und der Verzögerungsschaden (§§ 280 I, II, 286 BGB).
Alle anderen Ansprüche stehen allein oder zusätzlich dem Dritten nur dann zu, wenn es von den Vertragsparteien vereinbart wurde.
2. Valutaverhältnis
Das Valutaverhältnis entscheidet, ob der Dritte die Zuwendung behalten darf. Das ist der Fall, wenn der Versprechensempfänger dem Dritten zur Leistung verpflichtet ist. Diese Verpflichtung (der Behaltensgrund) kann beruhen auf
Vertrag (z.B. Kaufvertrag, Schenkung)
Gesetz (z.B. Unterhaltspflicht)
Vermächtnis.
Mängel im Valutaverhältnis berühren das Deckungsverhältnis nicht. Fehlt aber ein Rechtsgrund oder erfolgt ein Rücktritt muss der Dritte das Erlangte an den Versprechensempfänger zurückgewähren.
Merke
Bei fehlendem Rechtsgrund oder bei erfolgtem Rücktritt erfolgt die Rückabwicklung im Valutaverhältnis.
3. Vollzugsverhältnis
Das Vollzugsverhältnis bezeichnet das Verhältnis zwischen dem Versprechenden und dem Dritten. Es enthält lediglich die Verpflichtung des Versprechenden, an den Dritten zu leisten und gegebenenfalls die Berechtigung des Dritten (wenn er einen eigenen Anspruch hat). Es handelt sich um kein vertragliches Rechtsverhältnis, sondern um ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis, wonach Nebenpflichten gegenüber dem Dritten bestehen. Der Dritte kann unter Umständen Schadensersatzansprüche aus §§ 280 I, 241 II BGB geltend machen.
Das Gesetz räumt dem Dritten mit § 333 BGB zudem ein Zurückweisungsrecht ein, da er das Recht gegen den Versprechenden aufgrund des Deckungsverhältnisses, also ohne seine Mitwirkung, erhält. Bei Zurückweisung gilt das Recht rückwirkend als nicht erworben.