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Grundlagen

Verschulden Dritter (§ 278 BGB)

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Schuldrecht AT

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Grundlagen

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Verschulden
Vertretenmüssen
Erfüllungsgehilfe
§ 278 BGB
§ 276 BGB
Gliederung
  • I. Einführung

  • II. Voraussetzungen des § 278 BGB

    • 1. Schuldverhältnis

    • 2. Schadensverursacher ist gesetzlicher Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des Schuldners

      • a) Gesetzlicher Vertreter

      • b) Erfüllungsgehilfe

    • 3. Tätigwerden in Erfüllung einer Verbindlichkeit

    • 4. Kein Ausschluss

  • III. Rechtsfolge

    • 1. Sorgfaltsmaßstab

    • 2. Schuldfähigkeit

I. Einführung

Grundsätzlich muss niemand dafür haften, wenn jemand anderes einen Schaden verursacht. Wer aus der Arbeitsteilung Vorteile zieht, soll aber die daraus entstehenden Risiken tragen und für Fehlverhalten seiner Gehilfen einstehen, die bei der Erfüllung von Leistungsverbindlichkeiten eingesetzt werden - und zwar nach der gesetzlichen Konzeption ohne Exkulpationsmöglichkeit. Dies regelt der § 278 BGB.

Merke

Zwar betrifft § 278 BGB seinem Wortlaut nach nur die Zurechnung von Verschulden, allerdings ist klar anerkannt, dass nicht nur Verschulden zugerechnet wird, sondern auch das gesamte Verhalten des Dritten. 

Dies wird insbesondere dann wichtig, wenn wie bei Dienstleistungsverträgen nur ein Verhalten geschuldet wird. Würde nun das Verhalten nicht zugerechnet, müsste der Schuldner auch nicht für das Verhalten des Dritten haften. Denn im Rahmen des Prüfungspunktes „Pflichtverletzung“ müsstest du eine solche ablehnen, da nur der Erfüllungsgehilfe, nicht aber der Anspruchsgegner gehandelt hat. Du kommst dann gar nicht zur Prüfung, ob das Verschulden zugerechnet wird.

§ 278 BGB gilt seiner systematischen Stellung im allgemeinen Schuldrecht nach für die Vornahme und den Abschluss von Schuldverhältnissen. Es ist jedoch anerkannt, dass die Norm auch Anwendung auf Obliegenheiten findet, das heißt, dass auch die Vornahme von Obliegenheiten durch einen Dritten gemäß § 278 BGB zugerechnet werden kann.

Merke

Ersetze gedanklich das Wort „Verbindlichkeiten“ im Wortlaut des § 278 BGB. Zugerechnet wird also die Handlung von Personen, deren sich ein Schuldner zur „Erfüllung seiner Obliegenheiten“ bedient. 

Obliegenheiten in diesem Sinne sind etwa 

  • §§ 254 II 2 (Schadensminderungsobliegenheit) 

  • § 293 BGB (Leistungsannahme)

  • § 326 II 1 Fall 1 BGB (Verantwortlichkeit bei Unmöglichkeit)

  • § 377 HGB (Mängelrüge)

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 278 BGB an diese Normen, um dich an die Zurechnung von Erfüllungsgehilfen in diesen Konstellationen zu erinnern.

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II. Voraussetzungen des § 278 BGB

Die Frage der Zurechnung gemäß § 278 BGB stellt sich insbesondere bei der Prüfung von vertraglichen Schadensersatzansprüchen und dort bei den Prüfungspunkten „Pflichtverletzung“ und „Vertretenmüssen“. Wiederhole hier anhand des einfachen Schadensersatzes neben der Leistung das im Rahmen des § 280 I BGB zu prüfende Schema.

Klausurtipp

In den Konstellationen, in denen § 278 BGB in Frage kommt, hat der Schuldner selbst „nichts getan“, sondern ein Dritter. Wenn du nun einen Anspruch gegen den Schuldner prüfst, musst du dir die Frage stellen, wie die Handlungen des Dritten dem Schuldner zugerechnet werden können. Dies ist möglich über § 278 BGB und ist der Fall, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm gegeben sind. § 278 BGB wird somit inzident in den Prüfungspunkten „Pflichtverletzung“ und „Vertretenmüssen“ geprüft.

1. Schuldverhältnis

Zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger muss eine „schuldrechtliche Sonderbeziehung“ zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung des Dritten bestehen (oder genauer: eine juristische Sekunde vor der Pflichtverletzung). Diese Sonderbeziehung kann in Gestalt eines gesetzlichen/quasi-vertraglichen (c.i.c., GoA, EBV) oder vertraglichen Schuldverhältnisses (auch: Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) bestehen.

Merke

§ 278 BGB ist nicht auf deliktische Schuldverhältnisse anwendbar, denn das deliktische Schuldverhältnis entsteht erst durch die Schadensverursachung selbst, sodass das erforderliche Schuldverhältnis im Schadenszeitpunkt (respektive eine „juristische Sekunde“ vorher) noch nicht vorlag.

2. Schadensverursacher ist gesetzlicher Vertreter oder Erfüllungsgehilfe des Schuldners

a) Gesetzlicher Vertreter

Definition

Gesetzlicher Vertreter ist, wer aufgrund gesetzlicher Vorschrift mit Wirkung für andere handeln kann (auch juristische Personen!)

Beispiel

  • Inhaber der elterlichen Sorge (§§ 1626, 1629 BGB),

  • Betreuer, Vormund (§§ 1814 ff., 1773 ff. BGB)

  • Ehegatten im Rahmen der Schlüsselgewalt (§ 1357 BGB),

  • Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter (§§ 2205 ff., 1984 ff. BGB)

  • Insolvenzverwalter (§§ 80 ff. InsO)

  • Treuhänder.

Beachte hier eine wichtige Einschränkung: § 278 BGB ist nicht auf die organschaftliche Vertretung juristischer Personen anwendbar, wie den Geschäftsführer einer GmbH oder einen AG-Vorstand. Wenn derartige Gesellschaftsorgane einem anderen einen Schaden zufügen, wird dies schon über § 31 BGB (mehr dazu hier) zugerechnet.

b) Erfüllungsgehilfe

Wer „Erfüllungsgehilfe“ ist, ergibt sich aus § 278 S. 1 Fall 2 BGB:

„Personen, deren sich der Schuldner, zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient.“

Merke

Der Begriff „Erfüllungsgehilfe“ wird gesetzlich nicht verwendet, sondern beschreibt nur als Schlagwort die Konstellation des § 278 S. 1 Fall 2 BGB.

Nicht erforderlich ist, dass der Erfüllungsgehilfe in einer sozialen Abhängigkeit zum Schuldner steht oder weisungsgebunden ist (z. B.: Arbeitnehmer).

Verbindlichkeiten“ in diesem Sinne ergeben sich nicht nur aus Leistungspflichten, sondern auch aus Nebenpflichten, wie Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten.

Beispiel

Gäste des Mieters sind hinsichtlich der Obhutspflichten des Mieters dessen Erfüllungsgehilfen.

Beispiel

Beispiel:
Fall: Händler V verkauft einen Wäschetrockner. Dieser zerstört die Wäsche des Käufers K,

weil der Hersteller H schuldhaft ein falsches Fusselsieb eingebaut hat. Haftet V aus §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB oder kann er sich nach § 280 I 2 BGB exkulpieren?

Lösung:

V muss sich das Fehlverhalten des Herstellers nach § 278 BGB zurechnen lassen, falls er sich des H „zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient“ hat. „Verbindlichkeit“ bedeutet hier Verhaltenspflicht. Das Fehlverhalten eines Dritten wird dem Schuldner nur zugerechnet, wenn er ihn in die Erfüllung einer Verhaltenspflicht eingeschaltet hat. Erforderlich ist ferner, dass zum Zeitpunkt des Fehlverhaltens bereits ein Schuldverhältnis bestand. 

Als Verhalten schuldet V nur Handlungen, die zur Übergabe und Übereignung führen. Zu den Handlungspflichten eines Verkäufers gehört nicht die Herstellung der Kaufsache (sie ist bloße „Leistungsvorbereitung“). Hersteller H ist nicht Erfüllungsgehilfe des V. Das Fehlverhalten des H kann V nicht nach § 278 BGB zugerechnet werden. V kann sich nach § 280 I 2 BGB exkulpieren. V haftet nicht aus §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB. Hier findest du Details zur Haftung im Kaufrecht.

3. Tätigwerden in Erfüllung einer Verbindlichkeit

Die zuzurechnende Handlung des Erfüllungsgehilfen muss „zur Erfüllung einer Verbindlichkeit“ erfolgen. Umstritten ist, was dies genau erfordert.

Problem

Erforderlichkeit eines Sachzusammenhangs für Zurechnung gemäß § 278 BGB

  • Rspr.: Erforderlich ist ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang mit der Erfüllung der Verbindlichkeit des Schuldners aus dem Schuldverhältnis mit dem Gläubiger. Dieser liegt nicht vor, wenn der Gehilfe nur „bei Gelegenheit“ der Erfüllung tätig wird. Wenn sich also ein Risiko realisiert, das kein spezifisches Risiko der Aufgabe mehr darstellt, liegt kein solcher Sachzusammenhang mehr vor 

  • Lit.: Ein unmittelbarer Sachzusammenhang ist nicht erforderlich. Durch die Einschaltung eines Dritten schafft der Schuldner ein Risiko, dessen Folgen er zu tragen hat.

  • Für die Literatur spricht, dass auch den Schuldner die Pflicht treffen würde, den Gläubiger nicht nur „bei Gelegenheit“, sondern auch „bei Erfüllung“ nicht zu schädigen, sodass dies auch für den Erfüllungsgehilfen gelten muss. Gegen die Literatur spricht jedoch entscheidend, dass dem Schuldner auch bei Arbeitsteilung keine permanente Beaufsichtigung seiner Gehilfen zugemutet werden kann, da dies das Prinzip der Arbeitsteilung an sich überflüssig machen würde. Nur soweit der Erfüllungsgehilfe auch für den Schuldner tätig wird, kann letzterer für diesen haften. Wird er jedoch nur „bei Gelegenheit“ tätig, hat der Gläubiger hierauf keinen Einfluss.

Beispiel

Sachverhalt:

Ein Handwerker bestiehlt den Auftraggeber seines Chefs: Im Haus lässt er eine Vase mitgehen, auf der Straße entwendet er dessen Pkw. Haftet sein Chef hierfür aus § 280 I BGB?

Lösung:

Hätte der Chef selbst die Vase gestohlen, würde er aus Vertrag haften, da er gerade wegen der Erfüllung seiner Verbindlichkeit Zutritt zur Wohnung hatte. An der vertraglichen Haftung ändert sich nichts, wenn an seiner Stelle sein Gehilfe Zutritt zur Wohnung hatte.

Hätte hingegen der Chef das vor dem Haus abgestellte Auto gestohlen, hätte er nur „bei Gelegenheit“ der Erfüllung seiner Verbindlichkeit gehandelt. Hierfür würde er nicht aus Vertrag wegen Verletzung seiner Hauptleistungspflicht haften. Ebenso wenig haftet er aus Vertrag für das Fehlverhalten seines Gehilfen.

4. Kein Ausschluss

Regelmäßig ist dieser Punkt nicht zu prüfen, da dies kein häufiger Klausur- und Praxisfall ist. Es sollte aber dennoch beachtet werden, dass im Rahmen der Privatautonomie zwei Parteien vereinbaren können, dass eine Person nicht für ihren Erfüllungsgehilfen haftet (z. B. durch AGB).

Merke

Gemäß § 278 S. 2 BGB gilt dies sogar für den Ausschluss für die Haftung von vorsätzlichem Verhalten, da § 276 III BGB nicht anwendbar ist.

III. Rechtsfolge

Sind die Voraussetzungen gegeben, wird dem Schuldner das Verhalten und das Verschulden des Dritten zugerechnet. Ob dann tatsächlich ein relevantes Verhalten oder Vertretenmüssen des Dritten vorliegen, ist eine weitergehende Frage.

Klausurtipp

Üblicherweise prüfst du die Pflichtverletzung/ das Verhalten vor dem Vertretenmüssen. Das heißt, dass du dich im Rahmen der Zurechnung des Vertretenmüssens auf dein Prüfungsergebnis im Rahmen der Pflichtverletzung beziehen kannst. Du musst dann nur noch das Verschulden des Dritten selbst prüfen, also ob er sich hätte anders verhalten müssen.

1. Sorgfaltsmaßstab

Bei der Frage der Zurechnung des Verschuldens, ist zu beachten, auf wessen Sorgfaltsmaßstab es ankommt - den des Erfüllungsgehilfen oder des Schuldners selbst.

Diese Frage, welcher Maßstab an das Vertretenmüssen gerichtet wird, bestimmt sich allein nach der Person des Geschäftsherrn. Wenn also der Gehilfe aus welchen Gründen auch immer milder (also etwa nur für grobe Fahrlässigkeit) oder schärfer (also etwa auch für Zufall) haften müsste, wäre dies unbeachtlich, da es auf seinen Sorgfaltsmaßstab nicht ankommt.

Merke

Das Argument ist, dass der Gläubiger sucht sich schließlich nicht den Erfüllungsgehilfen aus, sondern seinen Vertragspartner. Die Einschaltung eines Erfüllungsgehilfen kann an der geschuldeten Sorgfalt nichts ändern.

2. Schuldfähigkeit

Fraglich ist, wie es sich auf die Haftung für den Erfüllungsgehilfen auswirkt, wenn eine der beteiligten Personen schuldunfähig ist:

  • Ist der Schuldner schuldunfähig, haftet er für das Fehlverhalten seines Erfüllungsgehilfen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut: „hat ein Verschulden […] zu vertreten wie eigenes Verschulden“.

Beispiel

Eltern handeln als gesetzliche Vertreter für ihr Kind und begehen dabei eine schuldhafte Pflichtverletzung.

  • Ist der Erfüllungsgehilfe schuldunfähig, haftet der Schuldner aber dennoch, da (siehe oben) der Gläubiger sich nur seinen Vertragspartner aussucht, nicht aber den Erfüllungsgehilfen, insofern kann sich der Schuldner nicht dadurch exkulpieren, dass er einen Erfüllungsgehilfen für sich handeln lässt, der schuldunfähig ist.

Merke

In der Regel kann aus der Auswahl eines schuldunfähigen Erfüllungsgehilfen sogar eine eigene schuldhafte Handlung des Geschäftsherrn hergeleitet werden.

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