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Die einzelnen Grundrechte

Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit)

Teilgebiet

Grundrechte

Thema

Die einzelnen Grundrechte

Tags

Versammlung
Eilversammlung
Spontanversammlung
Versammlungen unter freiem Himmel
Versammlungen in geschlossenen Räumen
Demonstration
unfriedliche Versammlung
Art. 8 GG
Art. 19 GG
§ 14 VersG
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Schutzbereich

    • 1. Persönlicher Schutzbereich

    • 2. Sachlicher Schutzbereich

      • a) Versammlung

      • b) Ohne Anmeldung oder Erlaubnis

      • c) Friedlich und ohne Waffen

      • d) Schutzumfang

  • III. Eingriff in den Schutzbereich

  • IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

    • 1. Einschränkungsmöglichkeit

    • 2. Verfassungsrechtliche Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

      • a) Eingriffe bezüglich der Erlaubnis der Versammlung

        • aa) Eilversammlung

        • bb) Spontanversammlung

        • cc) Sonstige Versammlungen

      • b) Sonstige Eingriffe

I. Einleitung

Zitat

Art. 8 GG:

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.“

Die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG schützt die kollektive Meinungsbildung und den demokratischen Diskurs. Sie ist von zentraler Bedeutung für eine funktionierende Demokratie, da es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, ihre Meinung in der Öffentlichkeit gemeinsam zu äußern und politische sowie gesellschaftliche Anliegen zu vertreten. Zudem besteht auch eine hohe Bedeutung für Klausuren.

II. Schutzbereich

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1. Persönlicher Schutzbereich

Bei der Versammlungsfreiheit handelt es sich dem Wortlaut nach („Alle Deutschen“) um ein Bürgerrecht.

Juristische Personen können ebenfalls über Art. 19 III GG vom persönlichen Schutzbereich erfasst sein, wenn sie Veranstalter sind, da dann eine wesensgemäße Anwendbarkeit möglich ist.

2. Sachlicher Schutzbereich

Sachlich schützt Art. 8 I GG Versammlungen, welche friedlich und ohne Waffen sind. Diese können ohne Anmeldung oder Erlaubnis durchgeführt werden.

a) Versammlung

Definition

Eine Versammlung ist eine Zusammenkunft mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung und Kundgabe.

Problem

Notwendige Teilnehmerzahl

Umstritten ist, wie viele Teilnehmer notwendig sind, damit eine Versammlung im Sinne des Art. 8 GG vorliegt.

  • e.A.: Nach einer Ansicht braucht es mindestens 3 Teilnehmer. Argumentiert wird mit dem allgemeinen Sprachgebrauch, nach dem ab 3 Teilnehmern eine Versammlung vorliegen soll.

  • a.A.: Nach einer anderen Ansicht muss es mindestens 7 Teilnehmer geben. Diese Ansicht argumentiert mit einem Vergleich zur Gründung eines eingetragenen Vereins nach dem BGB.

  • h.M.: Die herrschende Meinung sieht bereits ab 2 Teilnehmern eine Versammlung als gegeben. Als Grund wird angeführt, dass der Mehrwert gegenseitigen Erlebens und kommunikativen Austauschs schon zu zweit erreicht werden kann.

Das Argument der herrschenden Meinung überzeugt am meisten, vor allem da es die einzige Argumentation ist, welche sich an dem Inhalt des Grundrechts orientiert.

Wenn im Sachverhalt die Teilnehmerzahl mit weniger als 7 Menschen angegeben ist, ist dies ein klarer Hinweis darauf, dass die Darstellung dieses Meinungsstreits gefragt ist.

Problem

Anforderungen an gemeinsamen Zweck

Ebenfalls umstritten ist, welche Anforderungen an den gemeinsamen Zweck zu stellen sind, damit eine Versammlung vorliegt.

  • e.A.: Eine enge Ansicht sagt, dass ein zulässiger gemeinsamer Zweck nur bei einer Willensbildung in öffentlichen Angelegenheiten vorliegen soll.

  • a.A.: Demgegenüber lässt eine andere jeden Zweck ausreichen, solange eine innere Verbundenheit zwischen den Teilnehmern der Versammlung besteht.

  • h.M.: Die herrschende Meinung ist noch weiter und lässt jede umfassende Willensbildung und Willensäußerung als Zweck ausreichen.

Es kann auch Fälle geben, in denen zunächst nur eine Ansammlung an Menschen, aber keine Versammlung vorliegt und diese aber im Weiteren zeitlichen Verlauf zu einer Versammlung wird.

b) Ohne Anmeldung oder Erlaubnis

Gemäß Art. 8 I GG braucht eine Versammlung keine vorherige Anmeldung oder Erlaubnis. Für Versammlungen unter freiem Himmel können hier aber Einschränkungen über Art. 8 II GG i.V.m. § 14 VersG Einschränkungen bestehen. Wenn eine Versammlung von einer Erlaubnis abhängig gemacht wird, ist dies zunächst auf der Ebene des Eingriffs festzustellen und im Folgenden im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zu prüfen, ob der Eingriff (durch Art. 8 II GG i.V.m. § 14 VersG) gerechtfertigt ist.

Merke

Einige Bundesländer haben ein eigenes Versammlungsgesetz erlassen, welches dementsprechend statt des VersG des Bundes anzuwenden ist. Achte also darauf, welches Versammlungsgesetz in deinem Bundesland gilt!

c) Friedlich und ohne Waffen

Problem

Anforderungen an Friedlichkeit/Wann fehlt die Friedlichkeit?

Bezüglich der Frage, wann es an der Friedlichkeit einer Versammlung fehlt, werden verschiedene Ansichten vertreten.

  • e.A.: Die engste Ansicht verneint die Friedlichkeit, sobald es zu Verstößen gegen das StGB kommt.

  • a.A.: Eine andere Ansicht macht dafür eine Störung des staatsbürgerlichen Friedens zur Voraussetzung.

  • h.M.: Die herrschende Meinung sieht es ähnlich wie die zweite Ansicht, aber verlangt einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung. Dies soll sich anhand der Grundstimmung der Versammlung beurteilen. Solange die Grundstimmung der Versammlung als friedlich anzusehen ist, führen auch einzelne Vorfälle und Abweichungen davon nicht dazu, dass die Versammlung im Gesamten unfriedlich wird.

Bei der Voraussetzung, dass die Veranstaltung „friedlich und ohne Waffen” sein muss, handelt es sich um eine verfassungsunmittelbare Schranke, da sich die Einschränkung direkt aus dem Grundrecht selbst ergibt.

d) Schutzumfang

Art. 8 Abs. 1 GG gewährt einen weitreichenden Schutz der Versammlungsfreiheit. Dieser Schutz umfasst die Organisation und Vorbereitung einer Versammlung, die freie Wahl von Ort und Zeitpunkt, die Leitung der Veranstaltung sowie die Teilnahme daran, einschließlich der An- und Abreise. Allerdings schließt der Schutz nicht das Recht ein, sich auf fremdem Privatgrund zu versammeln. Wie bei anderen Freiheitsrechten ist auch die negative Versammlungsfreiheit garantiert, also das Recht, nicht gezwungen zu werden, an einer Versammlung teilzunehmen.

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III. Eingriff in den Schutzbereich

Ein Eingriff in den Schutzbereich ist wie gewohnt anhand des modernen Eingriffsbegriffs zu prüfen.

Problem

Staatliche Überwachungsmaßnahmen

Ein weiteres Problem stellt die Frage dar, ob staatliche Überwachungsmaßnahmen einen Eingriff in Art. 8 GG darstellen.

Hier wurden verschiedene Fallgruppen entwickelt, welche nicht abschließend sind, aber auch bei anderen Maßnahmen außerhalb der Fallgruppen als Orientierung dienen.

  • Videoaufzeichnungen der Versammlung ohne besonderen Grund, stellen einen Eingriff in Art. 8 GG dar.

  • Wenn im Vorfeld eine Straftat beobachtet wurde, stellen darauf folgende und mit der ursprünglichen Straftat im Zusammenhang stehende Überwachungsmaßnahmen keinen Eingriff dar.

  • Wenn durch die staatlichen Überwachungsmaßnahmen eine Abschreckung erreicht werden soll, stellt dies ebenfalls einen Eingriff dar.

Beispiel

Beispiel 1:

Während einer Demonstration beobachtet die Polizei, wie ein Teilnehmer Sachbeschädigung begeht, indem er eine Fensterscheibe einschlägt. Daraufhin setzt die Polizei gezielte Überwachungsmaßnahmen ein, um den Verantwortlichen zu identifizieren. Diese Überwachungsmaßnahmen, die im direkten Zusammenhang mit der beobachteten Straftat stehen, stellen in diesem Fall keinen Eingriff in Art. 8 GG dar, da sie durch die Beobachtung der Straftat gerechtfertigt sind.

Beispiel 2:

Die Polizei stellt vor einer geplanten Versammlung gut sichtbar Überwachungskameras auf und gibt in der Presse bekannt, dass die Versammlung umfassend gefilmt wird, um potenzielle Straftäter abzuschrecken. Diese Maßnahme zielt auf eine abschreckende Wirkung ab und stellt einen Eingriff in Art. 8 GG dar, da sie die Versammlungsteilnehmer verunsichern und möglicherweise davon abhalten könnte, ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrzunehmen.

Beispiel 3:

Weitere mögliche Eingriffe, welche in Klausuren regelmäßig vorkommen, können sein: Abhängig machen der Versammlung von einer Erlaubnis, Verbot, Auflösung, Behinderungen, Kontrollen

IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

1. Einschränkungsmöglichkeit

In Art. 8 II GG findet sich eine Regelung zur Einschränkungsmöglichkeit für Versammlungen unter freiem Himmel. Demnach kann die Versammlungsfreiheit für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Somit besteht für derartige Versammlungen ein einfacher Gesetzesvorbehalt.

Nach allgemein vertretener Ansicht ist für die Bestimmung, ob eine Versammlung unter freiem Himmel vorliegt, auf den möglichen Kontakt zur Außenwelt, beziehungsweise die Möglichkeit, ohne wesentliche Hindernisse teilnehmen zu können. Das Hauptkriterium ist dabei die räumliche Umgrenzung der Versammlung. Als Argumentation für diese Definition wird angeführt, dass die Gefahren einer Versammlung maßgeblich vom Publikumsverkehr am jeweiligen Ort bestimmt werden.

Beispiel

Beispiel 1:

Eine Demonstration auf einem öffentlichen Platz oder in einem Park. Hier findet die Versammlung unter freiem Himmel statt, da sie in einem Bereich stattfindet, der für jedermann frei zugänglich ist.

Beispiel 2:

Ein Treffen von Parteimitgliedern im Haus eines der Teilnehmer. Hier liegt mangels Zugänglichkeit für ein allgemeines Publikum keine Versammlung vor.

Im Umkehrschluss zu Abs. 2, dem Wortlaut nach und nach systematischer Auslegung zeigt sich, dass daher für andere Veranstaltungen, also in geschlossenen Räumen, keine Einschränkungsmöglichkeit bestehen soll. Hier bestehen also nur verfassungsimmanente Schranken.

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2. Verfassungsrechtliche Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

a) Eingriffe bezüglich der Erlaubnis der Versammlung

Eine der häufigsten Fallgruppen von Eingriffen in die Versammlungsfreiheit sind Eingriffe, die die Erlaubnis der Veranstaltung betreffen.

Wie gesehen, gilt grundsätzlich die Anmeldepflicht des § 14 VersG für Versammlungen unter freiem Himmel (§ 14 I VersG, Art. 8 II GG). Demnach sind solche Versammlungen spätestens 48 Stunden vor der Bekanntgabe der zuständigen Behörde unter Angabe des Gegenstandes der Versammlung oder des Aufzuges anzumelden.

Für die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung dieser Eingriffe ist zunächst die Art der Versammlung zu bestimmen. Hier sind im Wesentlichen drei Versammlungsarten voneinander abzugrenzen: Die Spontanversammlung, die Eilversammlung und sonstige Versammlungen.

aa) Eilversammlung

Definition

Eine Eilversammlung liegt vor, wenn diese ungeplant und ohne Veranstalter stattfindet und deshalb keine Anmeldung möglich ist oder war.

In diesen Fällen gibt es also zum einen keine zeitliche Möglichkeit, die Veranstaltung anzumelden und es gibt zudem auch keine Person, welche die Verantwortlichkeit dafür hätte (Versammlungsleiter). Daher wird § 14 VersG in diesen Fällen verfassungskonform so ausgelegt, dass diese Versammlungen keine Anmeldung erfordern und so durchgeführt werden dürfen.

bb) Spontanversammlung

Definition

Eine Spontanversammlung liegt vor, wenn eine Anmeldung möglich ist, aber nicht unter der Einhaltung vorgegebenen Frist (48 Stunden).

Hier wird § 14 VersG ebenfalls verfassungskonform ausgelegt. Das Ergebnis ist, dass hier eine verkürzte Anmeldefrist besteht. Die Versammlung muss also angemeldet werden, aber nicht unter Einhaltung der 48-Stunden-Frist.

cc) Sonstige Versammlungen

Definition

Hierunter fallen alle Versammlungen, welche nicht Spontan- oder Eilversammlung sind.

Alle anderen Versammlungen unter freiem Himmel stehen uneingeschränkt unter der Regelung des § 14 VersG und sind innerhalb der Frist anzumelden. Wird diese Regelung missachtet, stellt Art. 8 II GG i.V.m. § 14 VersG eine verfassungsgemäße Konkretisierung des einfachen Gesetzesvorbehalts dar.

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b) Sonstige Eingriffe

Sonstige Eingriffe sind nach dem gewohnten Muster zu prüfen.

Wie festgestellt besteht für Eingriffe in Versammlungen unter freiem Himmel ein einfacher Gesetzesvorbehalt und für geschlossene Veranstaltungen bestehen nur verfassungsimmanente Schranken. Neben § 14 VersG können hier auch regelmäßig andere Regelungen des VersG, beziehungsweise der VersG der Länder, relevant sein (Z. B. die Auflösung einer Versammlung oder deren Verbot).

Klausurtipp

Im Rahmen der Versammlungsfreiheit werden häufig auch die Rechte Dritter relevant, da diese durch eine Versammlung eingeschränkt werden. Etwa, wenn sie mit der Versammlung inhaltlich oder auch physisch ungewollt in Kontakt kommen. Hier sind die sich gegenüberstehenden Rechte und Interessen im Rahmen der praktischen Konkordanz anhand einer Abwägung am Maßstab der Verhältnismäßigkeit in Einklang zu bringen.

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