I. Einleitung
Die Verpflichtungsklage nach § 42 I Alt. 2 VwGO stellt systematisch das Gegenstück zur Anfechtungsklage und eine besondere Form der Leistungsklage dar. Auch hier ist Gegenstand des Klagebegehrens ein Verwaltungsakt. Anders als bei der Anfechtungsklage geht es dabei aber nicht um die Aufhebung, sondern darum, dass der Verwaltungsakt erlassen wird - naturgemäß natürlich eines ihn begünstigenden und nicht eines ihn belastenden Verwaltungsakts.

II. Zulässigkeit
Die Prüfung der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage erfolgt nach dem Grundschema, bis auf die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen. Diese sind dieselben wie bei der Anfechtungsklage.
1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Für eine ausführliche Darstellung der Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs siehe hier.
a) Aufdrängende Sonderzuweisung
b) Generalklausel, § 40 I S.1 VwGO
Gemäß § 40 I S. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art eröffnet.
c) Abdrängende Sonderzuweisung
2. Statthafte Klageart
Bei der Verpflichtungsklage ist das Begehren des Klägers gemäß § 42 I Alt. 2 VwGO der Erlass eines ihn begünstigenden Verwaltungsakts durch die Behörde. Dabei kann zwischen den zwei im Gesetz genannten Konstellationen unterschieden werden. Auf der einen Seite die Versagungsgegenklage und die Untätigkeitsklage. Erstere folgt auf eine Ablehnung eines Verwaltungsakts, letztere auf eine Untätigkeit der Behörde bezüglich eines beantragten Verwaltungsakts.
Merke
Hierbei handelt es sich um eine rein dogmatische Klassifizierung. Es ergeben sich keine Unterschiede bezüglich der Prüfung oder Rechtsfolgen.
Hier ist demnach (wie bei der Anfechtungsklage) zu untersuchen, ob es sich bei der gegenständlichen Maßnahme um einen Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG handelt. Wenn dies nicht der Fall ist, handelt es sich bei dem Verwaltungshandeln um einen Realakt und es ist die allgemeine Leistungsklage statthaft.
3. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen
a) Klagebefugnis, § 42 II VwGO
Nach § 42 II VwGO ist eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verpflichtungsklage, dass der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Ziel dieser Voraussetzung ist die Vermeidung von Popularklagen, also die Durchsetzung von Interessen Dritter oder der Allgemeinheit.
Merke
Die Darstellung in Form der Unterpunkte dient hier nur der Übersichtlichkeit. In der Falllösung prüfst du diese Punkte einheitlich unter dem Prüfungspunkt der Klagebefugnis.

aa) Möglichkeit einer Rechtsverletzung
Der Kläger muss geltend machen, dass die Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Klägers besteht (sogenannte Möglichkeitstheorie). Diese besteht also nur nicht, wenn die Möglichkeit einer Rechtsverletzung offensichtlich ausgeschlossen ist.
Der Kläger muss demnach geltend machen, einen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt zu haben. Dafür bedarf es einer Rechtsgrundlage, aus welcher sich der Anspruch ergeben kann. Diese muss Anspruchsqualität haben, also ein subjektives Recht beinhalten.
bb) Eigene Rechte des Klägers
Die eigenen Rechte des Klägers, bezüglich derer die Möglichkeit einer Verletzung bestehen muss, können verschiedene Ursprünge haben.
In den meisten Fällen werden sich diese aber aus einfach-gesetzlichen Normen ergeben.
Damit eine einfach-gesetzliche Vorschrift ein subjektives Recht (und damit einen Anspruch) begründen kann, muss diese nach ihrer Zweckbestimmung (zumindest auch) Individualinteressen dienen (sogenannte Schutznormtheorie). In diesem Fall die des Klägers.
Klausurtipp
Du suchst also in der Prüfung nach einer Vorschrift, aus der sich ein Recht des Klägers, also hier ein Anspruch, ergeben könnte. Dies legst du am Maßstab der Schutznormtheorie aus. In den meisten Fällen wird hier eine kurze Darstellung genügen, da die in Betracht kommenden Rechte, beziehungsweise Vorschriften, im Sachverhalt angelegt sind. Auch die Auslegung nach der Schutznormtheorie ist in der Regel unproblematisch, da Normen, die eine individuelle Begünstigung enthalten, immer ein subjektives Recht begründen.
Weiterhin kann sich die Klagebefugnis auch aus Grundrechten ergeben. Hierzu kann es aufgrund des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts aber erst kommen, wenn sich keine Befugnis aus einer einfach-gesetzlichen Vorschrift ergibt. Anwendungsfälle sind hierbei vor allem Teilhabe- und Leistungsrechte.
Beispiel
Art. 3 I GG (eventuell in Verbindung mit Selbstbindung der Verwaltung) bei Vergabe von Standplätzen auf einem Gemeindefest.
Dass sich eine Klagebefugnis auch aus Grundrechten ergeben kann, folgt aus Art. 1 III GG. Die dort statuierte Bindungswirkung umfasst nach herrschender Meinung auch eine verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzfunktion.
b) Vorverfahren
aa) Grundsatz
Bezüglich des Vorverfahrens gilt das Gleiche wie bei der Anfechtungsklage, da gemäß § 68 II VwGO Absatz 1 entsprechend für die Verpflichtungsklage gilt.
bb) Entbehrlichkeit nach § 75 VwGO bei Untätigkeitsklage
§ 75 VwGO enthält bezüglich der Untätigkeitsklage eine Sonderregelung für die Konstellation der Untätigkeitsklage. Gemäß § 75 I 1 VwGO ist bei Untätigbleiben der Behörden nach einer Antragstellung oder eines eingelegten Widerspruchs “die Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig”. Ein Vorverfahren ist also entbehrlich.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 75 VwGO an den § 68 VwGO zitieren, um dich an diese Konstellation zu erinnern.
c) Beklagter, § 78 VwGO
Nach § 78 I Nr. 1 VwGO ist die Klage “gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat” zu richten (= sogenanntes Rechtsträgerprinzip).
Merke
Den Begriff des Rechtsträgerprinzips solltest du hier immer nennen!
Der richtige Beklagte ist in allen Klagearten zu prüfen. Dieser richtet sich nach dem Rechtsträgerprinzip. Aber nur bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wird dabei § 78 VwGO genannt. Grund dafür ist, dass § 78 VwGO nur im Rahmen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage angewendet werden darf, da sich dieser im Abschnitt der besonderen Vorschriften für Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 68 - § 80c VwGO) befindet. Bei Leistungsklage, Feststellungsklage und Fortsetzungsfeststellungsklage nennst du nur das Rechtsträgerprinzip und prüfst daran, nennst aber nicht § 78 VwGO! Dies wäre ein systematischer Fehler.
Nach § 78 Nr. 2 VwGO ist die Klage zu richten “sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat”.
Merke
Setze dich an dieser Stelle mit den einschlägigen Regelungen deines Landesrechts auseinander und wenn in deinem Bundesland zulässig, kannst du die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen an den § 78 VwGO zitieren.
Beispiel
Nach § 79 II NJG ist dies in Niedersachsen für Landesbehörden der Fall.
d) Klagefrist, § 74 VwGO

aa) Versagungsgegenklage
Zitat
§ 74 II VwGO:
Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
Die Klagefrist beträgt also gemäß § 74 I grundsätzlich einen Monat. Ausgangspunkt der Berechnung ist die Zustellung des Widerspruchsbescheids oder (wenn gemäß § 68 VwGO kein Widerspruchsverfahren stattfindet) die Bekanntgabe des Verwaltungsakts.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Monatsfrist enthält § 58 II VwGO. Demnach beträgt die Frist im Falle einer unterbliebenen oder unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung 1 Jahr.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 58 II VwGO an den § 74 I VwGO zitieren, um dich an diese Ausnahme zu erinnern.
bb) Untätigkeitsklage
Bezüglich der Untätigkeitsklage enthält § 75 VwGO auch in Bezug auf die Frist eine Regelung. Nach § 75 S. 2 VwGO kann die Klage frühestens drei Monate nach Einlegung des Widerspruchs oder des Antrags auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden.
4. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen
Die Prüfung der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen erfolgt nach dem gewohnten Schema.
Merke
Eingehende Ausführungen sind nur vorzunehmen, wenn dies im Sachverhalt angelegt ist, also der Sachverhalt Informationen enthält oder Probleme aufwirft, die den jeweiligen Prüfungspunkten zuzuordnen sind.
a) Beteiligten - und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO
Für eine ausführliche Darstellung der Prüfung der Voraussetzungen der Beteiligten- und Prozessfähigkeit siehe hier.
b) Ordnungsgemäße Klageerhebung, §§ 81, 82 VwGO
Für eine ausführliche Darstellung der Prüfung der ordnungsgemäßen Klageerhebung siehe hier.
c) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Für eine ausführliche Darstellung der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses siehe hier.
III. Begründetheit
In der Begründetheit betrachten wir dann wie gewohnt die materielle Rechtslage.
In der Zulässigkeit haben wir festgestellt, dass das Begehren des Klägers der Erlass eines ihn begünstigenden Verwaltungsakts ist.
Zitat
§ 113 V VwGO:
Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Der Obersatz der Verpflichtungsklage lautet folglich:
Zitat
Die Klage ist begründet, soweit die Ablehnung oder Unterlassung rechtswidrig ist, der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt und die Sache spruchreif ist, § 113 V VwGO.
Das ist der Fall, soweit der Kläger
einen Anspruch auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts hat (Vornahmeurteil, § 113 V 1 VwGO) und die Sache damit spruchreif ist oder
soweit der Kläger einen Anspruch auf neue ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Erlass des beantragten Verwaltungsakts hat (Bescheidungsurteil, § 113 V S. 2 VwGO).
Hier gibt es zwei verschiedene Aufbauarten, den Anspruchs- und den Ablehnungsaufbau:
Merke
In der Klausur wählst du für dich eine der beiden Aufbauarten nach deiner persönlichen Präferenz aus, begründest aber niemals deinen Aufbau!

1. Ablehnungsaufbau:
Die Klage ist begründet, wenn die Ablehnung rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, § 113 V 1 Alt.1 VwGO.
a) Anspruchsgrundlage
Zunächst bedarf es einer Anspruchsgrundlage. Im Rahmen der Klagebefugnis hast du bereits mögliche Anspruchsgrundlagen herausgearbeitet. Die Norm muss dabei zwingend ein subjektives Recht beinhalten, aus dem sich der Anspruch des Klägers ergeben kann.
b) Formelle Rechtmäßigkeit der Versagung
c) Materielle Rechtmäßigkeit der Versagung
Hier sind dann die Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsgrundlage zu prüfen.
d) Rechtsverletzung des Klägers
Sofern der Kläger einen Anspruch auf Erlass des Verwaltungsakts hat, ergibt sich aus der Versagung bzw. Untätigkeit der Behörde die Rechtsverletzung des Klägers.
e) Spruchreife, § 113 V VwGO
Nur wenn die Sache spruchreif ist, ergeht ein Vornahmeurteil. Im Übrigen ergeht ein Bescheidungsurteil, § 113 V 2 VwGO. Spruchreife bedeutet, dass alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine abschließende gerichtliche Entscheidung über das Klagebegehren gegeben sind. An der Spruchreife fehlt es insbesondere, wenn der Behörde auch nach Feststellung von Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung noch ein selbstständiger Entscheidungsfreiraum verbleibt.
f) Rechtsfolge
Wenn Spruchreife besteht, ergeht ein Verpflichtungsurteil, also der Erlass des beantragten Verwaltungsakts (§ 113 V 1 VwGO). Wenn keine Spruchreife besteht, ergeht ein Bescheidungsurteil, also eine Rückverweisung an die Behörde zur neuen, ermessensfehlerfreien Entscheidung (§ 113 V 2 VwGO)
2. Anspruchsaufbau:
Die Klage ist begründet, wenn dem Kläger ein Anspruch auf den Erlass des begehrten Verwaltungsakts zusteht, § 113 V 1 Alt. 2 VwGO.
a) Anspruchsgrundlage
Hier ergibt sich kein Unterschied im Vergleich zum Ablehnungsaufbau. Es bedarf einer Norm, aus der sich ein subjektives Recht des Klägers herleiten lässt.
b) Formelle Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage
Die formellen Voraussetzungen richten sich nach der jeweiligen Anspruchsgrundlage.
c) Materielle Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage
Hier sind dann die Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsgrundlage zu prüfen.
d) Rechtsverletzung des Klägers
Sofern der Kläger einen Anspruch auf Erlass des Verwaltungsakts hat, ergibt sich aus der Versagung bzw. Untätigkeit der Behörde die Rechtsverletzung des Klägers.
e) Spruchreife, § 113 V VwGO
Auch bezüglich der Spruchreife ergeben sich keine Unterschiede zum Ablehnungsaufbau.
3. Rechtsfolge
Wenn Spruchreife besteht, ergeht ein Verpflichtungsurteil, also der Erlass des beantragten Verwaltungsakts (§ 113 V 1 VwGO). Wenn keine Spruchreife besteht, ergeht ein Bescheidungsurteil, also eine Rückverweisung an die Behörde zur neuen, ermessensfehlerfreien Entscheidung (§ 113 V 2 VwGO).