I. Einleitung
Das Vermächtnis ist eines der möglichen inhaltlichen Elemente einer letztwilligen Verfügung.
Anders als der Erbe tritt der Vermächtnisnehmer nicht in die Gesamtrechtsnachfolge ein, sondern erhält lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben oder einen anderen betroffenen Dritten. Diese Abgrenzung hat erhebliche praktische und rechtliche Konsequenzen, etwa im Hinblick auf Haftung, Rechte und Pflichten sowie die Geltendmachung des Vermächtnisses.
Die Regelungen zum Vermächtnis finden sich in den §§ 1939, 2147 ff. BGB.
II. Systematische Einordnung
Das Vermächtnis ist im System des Erbrechts als ein Gestaltungsmittel des Erblassers einzuordnen, das unterhalb der Erbeinsetzung steht. Es erlaubt dem Erblasser, bestimmten Personen einzelne Vermögensvorteile zuzuwenden, ohne ihnen die Stellung eines Erben zuzuteilen.
Zitat
§ 1939 BGB:
“Der Erblasser kann durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (Vermächtnis).”
Dabei ist es Ausdruck der Testierfreiheit des Erblassers und ergänzt die Universalsukzession des Erben durch Einzelzuweisungen.
Das Vermächtnis ist eines der möglichen inhaltlichen Elemente einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag). Es ist ein Mittel, um den Nachlass differenziert und flexibel aufzuteilen, etwa wenn der Erblasser einzelne Gegenstände, Geldbeträge oder Nutzungsrechte (z. B. Wohnrecht) zuwenden möchte, ohne eine Person als Erbe zu bestimmen.
Das Vermächtnis begründet ein schuldrechtliches Forderungsverhältnis zwischen dem Vermächtnisnehmer und dem Beschwerten (meist dem Erben). Es ist damit kein dinglicher Anspruch und keine unmittelbare Teilhabe am Nachlass, sondern ein Anspruch auf Leistung aus dem Nachlass.
III. Voraussetzungen eines wirksamen Vermächtnisses
1. Allgemeine Voraussetzungen
Ein Vermächtnis kann durch eine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) zugewandt werden, §§ 1939, 1941 BGB. In einem gemeinschaftlichen Testament kann das Vermächtnis wechselbezüglich bestimmt werden, § 2270 II BGB.
Es entsteht mit dem Erbfall, § 2176 BGB und ist auflösend bedingt durch Ausschlagung (§ 2180 BGB). Vermächtnisnehmer oder Bedachter ist derjenige, dem der Vermögensvorteil zugewendet wird (§§ 1939, 2147 S. 1 BGB). Beschwerter ist derjenige, der das Vermächtnis erfüllen muss. Gemäß § 2147 S. 2 BGB ist der Beschwerte der Erbe, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Zu beachten ist dabei auch die Auslegungsregel des § 2087 II BGB. Wenn nur einzelne Gegenstände zugewendet werden, ist demnach im Zweifel ein Vermächtnis und kein Erbe anzunehmen. Daneben kann hier auch § 2169 BGB relevant werden. § 2169 I Hs. 1 BGB stellt den Grundsatz auf, dass das Vermächtnis fremder Gegenstände unwirksam ist. Eine Ausnahme davon besteht gemäß § 2169 I Hs. 2 BGB, wenn der Erblasser dem Bedachten den Gegenstand auch für den Fall zuwenden wollte, dass er nicht zur Erbschaft gehört, § 2169 I Hs. 2 BGB. Liegt ein solches „Verschaffungsvermächtnis“ vor, ist der Vermächtnisgegenstand dem Bedachten durch Abschluss entsprechender Erwerbsgeschäfte (nach §§ 398, 929 ff., 873, 925 BGB) gemäß § 2170 BGB zu „verschaffen“. Begrenzt wird dieses Vermächtnis durch § 2170 II BGB: Demnach ist gemäß § 2170 II 1 BGB in den Fällen, in denen der Beschwerte zur Verschaffung außerstande ist, verpflichtet, den Wert zu ersetzen. Gleiches gilt nach § 2170 II 2 BGB, wenn die Verschaffung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist.
Vernetztes Lernen
Hier ist eine Parallele zu den Regelungen zur Unmöglichkeit in § 275 BGB zu sehen.
2. Gesetzliche Vermächtnisse
Neben diesen gewillkürten Vermächtnissen gibt es noch gesetzliche Vermächtnisse. Diese Vermächtnisse entstehen kraft Gesetzes und erfordern keine explizite Anordnung durch den Erblasser.
Dazu gehören § 1932 BGB und § 1969 BGB. § 1932 BGB regelt den Voraus des Ehegatten. Näheres dazu findest du in diesem Artikel.
Merke
Der “Voraus” nach § 1932 BGB ist zu unterscheiden vom Vorausvermächtnis nach § 2150 BGB!
Daneben findet sich in § 1969 BGB die Regelung des “Dreißigster”. Hier finden gemäß § 1969 II BGB die Regelungen über Vermächtnisse entsprechende Anwendung. Demnach ist der Erbe gemäß § 1969 I 1 BGB verpflichtet, Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit des Todes des Erblassers zu dessen Hausstand gehören und von ihm Unterhalt bezogen haben, in den ersten 30 Tagen nach dem Eintritt des Erbfalls in demselben Umfang, wie der Erblasser es getan hat, Unterhalt zu gewähren und die Benutzung der Haushaltsgegenstände zu gestatten. Dies gilt aber nur so weit, wie der Erblasser keine davon abweichende Anordnung durch letztwillige Verfügung getroffen hat, § 1969 I 2 BGB.
3. Vorausvermächtnis, § 2150 BGB
In § 2150 BGB ist das sogenannte Vorausvermächtnis geregelt.
Definition
Das einem Erben zugewendete Vermächtnis (Vorausvermächtnis) gilt als Vermächtnis auch insoweit, als der Erbe selbst beschwert ist.
Beispiel
„Sohn A soll meine Violine bekommen. Neben dieser Violine im Wert von 100.000 € gehört ein Bankguthaben von 100.000 € zum Nachlass. Erben sind A und B je zur Hälfte.”
Wer erhält das Bankguthaben?
Handelt es sich um ein Vorausvermächtnis, ist es vorab zu erfüllen. Anschließend ist der Nettonachlass zu teilen. A würde also die Hälfte des Bankguthabens, also 50.000 €, erhalten.
Handelt es sich um eine Teilungsanordnung i.S.d. § 2048 S. 1 BGB, erhält jeder Erbe wertmäßig die Hälfte des Nachlasses, also 100.000 €. Bei der Auseinandersetzung des Nachlasses erhält A die Geige und B das Bankguthaben.
Was von beiden Möglichkeiten gewollt ist, ist im Wege der Auslegung zu bestimmen: Sollte A gegenüber B bevorzugt werden und die Violine zusätzlich zu seinem Erbteil erhalten? Falls dies der Fall ist, ist ein Vorausvermächtnis im Sinne des § 2150 BGB anzunehmen. Oder wollte der Erbl. beide Söhne gleich behandeln und nur die Erbauseinandersetzung regeln (etwa um möglichen Streit bezügl. der Violine vermeiden)? Dann wäre eine Teilungsanordnung im Sinne des § 2048 S. 1 BGB anzunehmen.
IV. Rechtsfolgen und Anspruch aus Vermächtnis
Wenn eine Person durch Vermächtnis bedacht und der Erbfall gemäß § 2176 BGB eingetreten ist, erwirbt der Bedachte gegen den Beschwerten einen Anspruch nach § 2174 BGB. Vermächtnisnehmer sind damit Nachlassgläubiger im Sinne des § 1967 II BGB. Der Erbe ist Nachlassschuldner des Anspruchs aus Vermächtnis gemäß § 1967 I BGB.
Für Leistungsstörungen des Anspruchs gelten die Vorschriften des Schuldrecht AT. Dabei verdrängt aber § 2171 BGB die Regelung des § 311a BGB in den Fällen der (anfänglichen) Unmöglichkeit bei Eintritt des Erbfalls. Zu beachten sind ebenfalls die §§ 2182 und 2183 BGB. Diese enthalten Spezialregelungen für Rechts- und Sachmängel von Gegenständen, die im Rahmen des Vermächtnisses zugewendet werden.
Zitat
§ 2182 I BGB:
“Ist ein nur der Gattung nach bestimmter Gegenstand vermacht, so hat der Beschwerte die gleichen Verpflichtungen wie ein Verkäufer nach den Vorschriften des § 433 Abs. 1 Satz 1, der §§ 436, 452 und 453. Er hat den Gegenstand dem Vermächtnisnehmer frei von Rechtsmängeln im Sinne des § 435 zu verschaffen. § 444 findet entsprechende Anwendung.”
Daraus ergeben sich für den Beschwerten die Pflichten,
dem Vermächtnisnehmer die Sache verschaffen und übereignen (§ 433 I 1 BGB) und
die Sache frei von Rechtsmängeln verschaffen (§ 435 BGB).
Zusätzlich findet § 444 BGB „entsprechende Anwendung“, was bedeutet, dass ein Haftungsausschluss des Beschwerten wegen Mängeln ausscheidet, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat.
Daneben enthält § 2183 BGB Besonderheiten für die Haftung für Sachmängel. Wenn demnach eine nur nach der Gattung bestimmte Sache vermacht wird, kann der Vermächtnisnehmer gemäß § 2183 S. 1 BGB bei Mangelhaftigkeit der Sache vom Beschwerten die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Hat der Beschwerte den Mangel arglistig verschwiegen, kann der Vermächtnisnehmer anstelle der Lieferung einer mangelfreien Sache Schadensersatz statt der Leistung ohne Fristsetzung verlangen. Nach Absatz 3 finden auf diese Ansprüche die Vorschriften zur Sachmangelhaftung (§§ 434 ff. BGB) entsprechende Anwendung
Der Erbe haftet grundsätzlich für die Erfüllung der Vermächtnisse nur mit dem Nachlass, solange seine Haftung noch beschränkbar ist. Ist der Nachlass für die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten nicht ausreichend, so werden die Nachlassgläubiger und die Pflichtteilsberechtigten vor den Vermächtnisnehmern befriedigt (§ 2189 BGB). Soweit der Nachlass für die Befriedigung aller Vermächtnisnehmer nicht ausreicht, werden die Vermächtnisse nach § 2188 BGB anteilsmäßig gekürzt.