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Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

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Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Legitimer Zweck
Geeignetheit
Erforderlichkeit
Angemessenheit
Abwägung
Art. 20 GG
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Prüfungspunkte

    • 1. Legitimer Zweck

    • 2. Geeignetheit

    • 3. Erforderlichkeit

    • 4. Angemessenheit

I. Einleitung

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist ein zentrales Grundprinzip des öffentlichen Rechts und dient der Abwägung staatlicher Eingriffe gegenüber den Rechten der Bürger. Er ist ein elementarer Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und wird vor allem im Verfassungs- und Verwaltungsrecht angewendet. Der Grundsatz stellt sicher, dass staatliche Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, stets in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen müssen und so nicht stärker eingegriffen werden kann, als es für die staatliche Maßnahme erforderlich ist. So können die aus Freiheiten und Interessen entstehenden Konflikte in Ausgleich gebracht werden. Er ist für jede hoheitliche Gewalt verbindlich.

II. Prüfungspunkte

Die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besteht aus vier Punkten:

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1. Legitimer Zweck

Die Prüfung beginnt mit der Benennung des Zwecks. Es ist danach zu fragen, welches Ziel die staatliche Maßnahme erreichen soll. Dieser Zweck muss legal sein. Verwaltung und Rechtsprechung sind dabei an die Gesetze gebunden, wohingegen die Gesetzgebung auch Ziele verfolgen kann, welche nicht ausdrücklich in der Verfassung geregelt sind.

Beispiel

Ein legitimer Zweck ist der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Ein nicht legitimer Zweck ist die Unterdrückung bestimmter politischer Meinungen.

2. Geeignetheit

Im nächsten Schritt ist zu überprüfen, ob die staatliche Maßnahme geeignet ist.

Definition

Die Maßnahme ist geeignet, wenn sie die Erreichung des Ziels wenigstens fördert.

Der relevante Zeitpunkt ist der Zeitpunkt des Ergreifens oder des Erlasses der Maßnahme. Wenn sich die Umstände zu einem anderen Zeitpunkt ändern, hat dies keinen Einfluss auf die Beurteilung der Geeignetheit.

Beispiel

Die Einführung einer Maskenpflicht kann geeignet sein, die Ausbreitung einer Infektionskrankheit zu verhindern. Die Einführung einer Helmpflicht wäre dagegen ungeeignet.

Klausurtipp

Hier wird nahezu nie ein Schwerpunkt liegen, weshalb grundsätzlich eine kurze Feststellung ausreichend ist.

3. Erforderlichkeit

Weiterhin muss die Maßnahme erforderlich sein.

Definition

Das gewählte Mittel ist erforderlich, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, die denselben Erfolg mit gleicher Sicherheit erzielen.

Zum Beispiel: Statt eine Demonstration vollständig zu verbieten, könnte eine Verlegung oder zeitliche Einschränkung der Demonstration erforderlich sein, wenn dies ausreicht, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu verhindern.

An dieser Stelle musst du ergründen, welche Mittel theoretisch zur Verfügung stehen würden. Bezüglich aller dieser Mittel ist dann zu ergründen, welches bei gleicher Effektivität den geringsten Eingriff darstellt. Du vergleichst also anhand dieser Aspekte, ob es gegenüber dem gewählten Mittel eine gleich geeignete, mildere Option gegeben hätte.

Nur wenn mehrere gleich effektive und gleichermaßen milde Mittel vorhanden sind, besteht zwischen diesen ein freier Entscheidungsspielraum der Behörde.

Klausurtipp

Hier ist Kreativität gefragt, da die Alternativen, zumindest nicht alle, regelmäßig nicht als Hinweis im Sachverhalt angelegt sind.

4. Angemessenheit

Zuletzt muss die Maßnahme auch angemessen im engeren Sinne sein.

Definition

Die Maßnahme ist angemessen, wenn der beabsichtigte Zweck nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs steht.

Klausurtipp

Hier liegt der Schwerpunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung und in den meisten Fällen auch einer der wesentlichen oder der wesentliche Schwerpunkt der Klausur.

Hier sind alle Aspekte des Sachverhalts aufzugreifen und zu verarbeiten. Versuche eine sinnvolle Gesamtstruktur für deine Argumentation zu bauen und zusammenhängende Punkte im Kontext darzustellen. Vergiss dabei nie das Ziel deiner Prüfung: Es ist anhand einer Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu klären, ob die Maßnahme angemessen zur Erreichung des Zwecks ist. Dabei sind auch die Ergebnisse der vorausgegangenen Prüfungspunkte einzubeziehen.

Du musst also in deiner Prüfung die betroffenen Rechtsgüter und deren Betroffenheit auf beiden Seiten herausarbeiten und dann eine Abwägung anhand aller Gesamtumstände vornehmen. Die wesentlichen Aspekte sind:

  • Der Rang der Rechtsgüter,

  • die Intensität der Gefährdung des zu schützenden Rechtsguts und

  • die Schwere der Beeinträchtigung des Rechtsguts, in das eingegriffen wird.

Klausurtipp

Achte darauf, dass du alle Sachverhaltsangaben verarbeitest. Denke immer daran: Es steht nichts ohne Grund im Sachverhalt!

Merke

Herr X besitzt ein Einfamilienhaus in einem historischen Stadtviertel. Er beschließt, die Fassade seines Hauses in grellen Farben und einem modernen Stil zu renovieren, was deutlich vom traditionellen Erscheinungsbild der umliegenden Gebäude abweicht. Die Stadtverwaltung erlässt jedoch eine Bauordnung, die den Erhalt des historischen Stadtbildes vorschreibt, und fordert Herrn X auf, die Renovierung in Übereinstimmung mit den Richtlinien durchzuführen. Herr X sieht in dieser Anordnung einen Verstoß gegen sein Grundrecht auf Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG und entscheidet, rechtlich dagegen vorzugehen.

Legitimer Zweck

Der Erhalt eines ästhetisch einheitlichen und historischen Stadtbildes ist ein legitimes öffentliches Interesse.

Geeignetheit

Die Maßnahme, die Fassadengestaltung zu regulieren, ist geeignet, um das Ziel des Erhalts des Stadtbildes zu erreichen.

Erforderlichkeit

Es könnte geprüft werden, ob es mildere Mittel gibt, die das historische Stadtbild erhalten und dennoch den Spielraum des Eigentümers in der Gestaltung seines Eigentums wahren. Ein milderes Mittel könnte sein, nur wesentliche Elemente der Fassade wie die Form und die Materialien vorzuschreiben, aber Herrn X in der Farbwahl mehr Freiheit zu lassen.

Angemessenheit

Hier erfolgt die Abwägung zwischen dem Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 GG) und dem niederrangigen öffentlicher Belang eines ästhetischen Stadtbilds, der im Zusammenhang mit der Stadtplanung, Bauvorschriften und der Denkmalpflege relevant wird. Das Eigentumsrecht hat grundsätzlich ein höheres Gewicht als die städtebauliche Ästhetik. Die Frage ist, ob der Eingriff in das Eigentumsrecht in diesem Fall verhältnismäßig ist. Eine zu strenge Regulierung der Gestaltung würde das Grundrecht auf Eigentum unverhältnismäßig einschränken, da das Ziel der Stadtverwaltung (Erhalt der Ästhetik) zwar legitim, aber nicht von solch hohem Gewicht ist, um einen so gravierenden Eingriff zu rechtfertigen.

Merke

  • Die dauerhafte Videoüberwachung eines Hochsicherheitsbereichs (z. B. Flughäfen) wäre angemessen, da der Schutz vor Anschlägen ein überragendes öffentliches Interesse darstellt.

  • Die kurzzeitige Festnahme eines potentiell gefährlichen Fußballhooligans kann angemessen sein, wenn dies eine Ausschreitung bei einem Spiel verhindert und dadurch viele Personen geschützt werden. Hier stehen sich als Rechtsgüter die Grundrechte des Hooligans und die der anderen Zuschauer gegenüber.

  • Ein Verbot einer Demonstration könnte angemessen sein, wenn die Gefahr besteht, dass die öffentliche Sicherheit erheblich gefährdet wird (z. B. bei gewalttätigen Auseinandersetzungen). Der Eingriff wäre gerechtfertigt, wenn die Gefahr unter Berücksichtigung aller Umstände sehr groß ist.

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