Constellatio Logo Icon
InhalteFeaturesLernpfadePreisBlogNewsÜber unsAnmelden

Öffentliches Recht

/

Staatsorganisationsrecht

/

Gesetzgebung

Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes

Teilgebiet

Staatsorganisationsrecht

Thema

Gesetzgebung

Tags

Verfassungsmäßigkeit
Gesetzgebungsverfahren
Gesetzgebungskompetenz
Bestimmtheitsgrundsatz
Rückwirkungsverbot
Rückwirkung
Ewigkeitsgarantie
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Art. 1 GG
Art. 20 GG
Art. 38 GG
Art. 42 GG
Art. 70 GG
Art. 74 GG
Art. 76 GG
Art. 77 GG
Art. 78 GG
Art. 79 GG
Art. 82 GG
Art. 84 GG
Art. 87a GG
Art. 103 GG
Art. 104a GG
Art. 109 GG
Art. 115 GG
Art. 71 GG
Art. 72 GG
Art. 73 GG
§ 45 GO-BT
§ 76 GO-BT
§ 78 GO-BT
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Formelle Verfassungsmäßigkeit

    • 1. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes 

    • 2. Gesetzgebungsverfahren

      • a) Einleitungsverfahren

      • b) Hauptverfahren

      • c) Ordnungsgemäße Beratung 

        • aa) Wirksamer Gesetzesbeschluss

        • bb) Ordnungsgemäße Beteiligung des Bundesrates 

      • d) Abschlussverfahren

  • III. Materielle Verfassungsmäßigkeit 

    • 1. Speziellere Vorschriften des GG

    • 2. Die Grundrechte 

    • 3. Die Staatsstrukturprinzipien

      • a) Der staatsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz

    • 4. Die Ewigkeitsgarantie, Art. 79 III GG

I. Einleitung


Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes gehört zu den zentralen Themen des Staatsorganisationsrechts und ist zugleich eine unverzichtbare Grundlage für das Verständnis des gesamten öffentlichen Rechts, denn das Grundgesetz bindet gemäß Art. 20 III GG die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung. Ein Gesetz kann also nur dann rechtswirksam sein, wenn es sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht mit dem Grundgesetz in Einklang steht.


In Klausuren wird dir die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes regelmäßig im Rahmen von Normenkontrollverfahren oder einer Verfassungsbeschwerde begegnen. Auch in verwaltungsrechtlichen Klausuren ist eine inzidente Prüfung von Bundesgesetzen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz möglich.


Die Prüfung gliedert sich in zwei Teile: Zunächst ist zu fragen, ob das Gesetz formell verfassungsgemäß zustande gekommen ist, insbesondere unter Beachtung der Gesetzgebungskompetenz und des verfassungsrechtlich vorgegebenen Gesetzgebungsverfahrens. Sodann ist zu prüfen, ob das Gesetz auch inhaltlich, also materiell, mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist, insbesondere im Hinblick auf Grundrechte und sonstige Verfassungsprinzipien.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Ein Bundesgesetz ist also verfassungsgemäß, wenn es formell und materiell verfassungsgemäß ist.


II. Formelle Verfassungsmäßigkeit

Die Prüfung der formellen Verfassungsmäßigkeit gliedert sich in die Unterpunkte Zuständigkeit und Verfahren.

1. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes 

Als Erstes ist die Zuständigkeit, also die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das Gesetz zu prüfen.

Dies richtet sich nach den Art. 70 ff. GG. Der Ausgangspunkt ist Art. 70 GG, welcher die grundsätzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern aufstellt.

Zitat

“(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.

(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.”

Im Grundsatz haben demnach nach Art. 70 I GG die Länder die Gesetzgebungskompetenz, solange nicht durch das GG etwas anderes bestimmt ist. Art. 70 II GG regelt dazu, dass sich die Abgrenzung der Zuständigkeit, also wann der Bund und nicht die Länder die Zuständigkeit haben, nach den Vorschriften über die ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebung ergibt.

Die ausschließliche Gesetzgebung findet sich in Art. 71, 73 GG und die konkurrierende Gesetzgebung in Art. 72, 74 GG.
Daneben existieren noch weitere Zuständigkeitsregeln für die Gesetzgebungskompetenz. Für genauere Informationen siehe hier.

2. Gesetzgebungsverfahren

Im zweiten Schritt muss das Gesetz im Rahmen eines rechtmäßigen Gesetzgebungsverfahrens beschlossen worden sein. Das Gesetzgebungsverfahren wird hier an dieser Stelle nur oberflächlich dargestellt. 

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Für genaue Ausführungen siehe hier.

a) Einleitungsverfahren

Das Gesetzgebungsverfahren beginnt mit dem Einleitungsverfahren.
Ausgangspunkt ist dabei die Frage, welche Organe oder Institutionen überhaupt berechtigt sind, einen Gesetzesvorschlag einzubringen.
Nach Art. 76 I GG können Gesetzesvorlagen durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht werden. Ergänzend regelt § 76 I GO-BT, dass Gesetzesanträge aus dem Bundestag entweder von einer Fraktion oder von mindestens fünf Prozent der Abgeordneten unterzeichnet sein müssen.

b) Hauptverfahren

Nach dem Einleitungsverfahren folgt das Hauptverfahren. 

Dieses besteht aus der ordnungsgemäßen Beratung durch den Bundestag, dem Gesetzesbeschluss und der ordnungsgemäßen Beteiligung des Bundesrates.

c) Ordnungsgemäße Beratung 

Nach Stellungnahme des Bundesrates oder der Bundesregierung (je nachdem, wer die Gesetzesinitiative hatte) berät der Bundestag gemäß §§ 78 ff. GO-BT in drei Lesungen über die Gesetzesvorlage. 

aa) Wirksamer Gesetzesbeschluss

Gemäß Art. 77 I 1 GG beschließt der Bundestag über die Gesetzesvorlage. Dabei ist in der Regel eine einfache Mehrheit ausreichend, die Art. 42 II 1 GG vorgesehen ist. Nach Art. 77 I 2 GG muss der Präsident des Bundestages das angenommene Gesetz anschließend unverzüglich an den Bundesrat weiterleiten.

bb) Ordnungsgemäße Beteiligung des Bundesrates 

Für die ordnungsgemäße Beteiligung des Bundesrates kommt es darauf an, ob es sich um ein Einspruchs- oder ein Zustimmungsgesetz handelt.

Zustimmungsbedürftige Gesetze bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrates, ohne diese kommt das Gesetz nicht zustande (Art. 77 II GG). Bei Einspruchsgesetzen hingegen kann der Bundesrat lediglich Einspruch gegen das Gesetz einlegen, der jedoch vom Bundestag zurückgewiesen werden kann (Art. 77 III, IV GG).

d) Abschlussverfahren

Zuletzt folgt das Abschlussverfahren.
Ein Bundesgesetz, das gemäß den Vorgaben des Grundgesetzes zustande gekommen ist, wird gemäß Art. 82 I 1 GG vom Bundespräsidenten ausgefertigt und anschließend im Bundesgesetzblatt verkündet. Voraussetzung für die Ausfertigung ist die vorherige Gegenzeichnung, die nach Maßgabe von Art. 58 S. 1 GG durch den Bundeskanzler oder den zuständigen Bundesminister zu erfolgen hat.

III. Materielle Verfassungsmäßigkeit 

Nach der Feststellung, dass das Gesetz formell verfassungsgemäß ist, ist zuletzt zu prüfen, ob es auch in materieller Hinsicht verfassungsgemäß ist. Das ist der Fall, wenn es nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Dazu zählen alle ausdrücklich im Grundgesetz genannten Vorschriften.

Dabei sind ebenfalls über Art. 20 GG die Grundsätze der dort genannten Staatsstrukturprinzipien Rechtsstaat, Demokratie, Republik, Bundesstaat und Sozialstaat geschützt. Daneben kommt vor allem auch den Grundrechten eine gesteigerte Bedeutung zu.

1. Speziellere Vorschriften des GG

Als höherrangiges materielles Recht kommen alle ausdrücklich im Grundgesetz genannten Vorschriften in Betracht.

2. Die Grundrechte 

Bei den Vorschriften des Grundgesetzes kommt den Grundrechten die größte Bedeutung zu. 

Wenn ein Verstoß durch das Gesetz gegen ein Grundrecht möglich erscheint, ist zu prüfen, ob ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts besteht und dieser verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein könnte. 

3. Die Staatsstrukturprinzipien

Die Staatsstrukturprinzipien umfassen das Rechtsstaatsprinzip, Demokratieprinzip, Republikprinzip, Bundesstaatsprinzip und das Sozialstaatsprinzip. Genaueres zu den Staatsstrukturprinzipien findest du in den jeweiligen Artikeln.  

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

a) Der staatsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz

Im Rahmen der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes spielt das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende staatsrechtliche Bestimmtheitsgebot eine besondere Rolle.
Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber, Normen so klar und präzise zu fassen, dass Bürger und Verwaltung die Rechtsfolgen vorhersehen können. Er wurzelt im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG und konkretisiert das Vertrauensschutz- und gebot der Rechtssicherheit: 

Staatliches Handeln darf nur auf einer Norm beruhen, die Inhalt, Zweck und Grenzen der Eingriffsbefugnis erkennbar macht. Der Grad der Konkretisierung richtet sich dabei nach der Regelungsmaterie: Je intensiver der Eingriff in Rechtspositionen, desto höher das Bestimmtheitsniveau. Zu unbestimmte Normen sind verfassungswidrig oder bedürfen verfassungskonformer Auslegung, um die Vorhersehbarkeit staatlicher Maßnahmen zu gewährleisten.

Beispiel

Ein Bundesgesetz bestimmt: „Wer in der Nähe einer kritischen Infrastruktur in unangemessener Weise demonstriert, kann mit Freiheitsstrafe bestraft werden.“

Diese Formulierung wäre problematisch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz: Der Begriff der „unangemessenen Weise“ ist unklar und lässt offen, welches Verhalten konkret strafbar sein soll. Weder Bürger noch Behörden können daher mit hinreichender Sicherheit erkennen, was erlaubt oder verboten ist. Ein solches Gesetz würde gegen Art. 20 III GG verstoßen, weil es dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit nicht genügt. Nur wenn der Gesetzgeber klar definiert, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen eine Demonstration strafbar ist, wäre die Norm verfassungsgemäß.

b)

Daneben ist auch das Rückwirkungsverbot relevant.
Das Rückwirkungsverbot folgt, wie das Bestimmtheitsgebot, aus dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz nach Art. 20 III GG. Man unterscheidet zwei Fallgruppen: 

  • Eine echte Rückwirkung (Gesetz wirkt auf bereits abgeschlossene Tatbestände) ist grundsätzlich unzulässig, weil sie erworbene Rechtspositionen nachträglich entwertet. Zulässig bleibt sie nur ausnahmsweise, etwa bei Geringfügigkeit der Beeinträchtigung oder zwingenden Gründen des Gemeinwohls. 

  • Eine unechte Rückwirkung (Gesetz knüpft an gegenwärtige Dauersachverhalte an oder verschiebt Fälligkeits- beziehungsweise Abwicklungsmodalitäten) ist demgegenüber regelmäßig zulässig, solange das schutzwürdige Vertrauen des Betroffenen nicht das öffentliche Interesse an der Neuregelung überwiegt. Maßgeblich sind dabei die Intensität des Eingriffs, die Vorhersehbarkeit der Änderung und etwaige Übergangsregelungen. 

Beispiel

Ein Bundesgesetz regelt im Jahr 2025 rückwirkend, dass bestimmte staatliche Subventionen, die Unternehmen bereits im Jahr 2023 aufgrund klarer Rechtslage erhalten haben, nun als rechtswidrig gelten und vollständig zurückgezahlt werden müssen.
Dies stellt eine echte Rückwirkung dar, da ein bereits abgeschlossener Sachverhalt (die Auszahlung und Verwendung der Subventionen) im Nachhinein entwertet wird. Ein solches Gesetz wäre in der Regel verfassungswidrig, weil die Unternehmen auf den Fortbestand der damaligen Rechtslage vertrauen durften und ihre wirtschaftlichen Dispositionen entsprechend getroffen haben. Nur wenn etwa zwingende Gründe des Gemeinwohls (z. B. gravierende Missbrauchsfälle, die dem Gesetzgeber zuvor nicht bekannt waren) vorliegen, könnte die Rückwirkung ausnahmsweise gerechtfertigt sein.
Hingegen wäre es eine unechte Rückwirkung, wenn das Gesetz im Jahr 2025 regelt, dass künftig strengere Bedingungen für laufende Subventionsprogramme gelten, die auch auf aktuelle Anträge Anwendung finden. In diesem Fall wären die Unternehmen zwar betroffen, aber nicht schutzlos überrascht, da sich die Neuregelung nicht auf einen vollständig abgeschlossenen Sachverhalt rückwirkend auswirkt.

Vernetztes Lernen

Im Strafrecht gilt wegen Art. 103 II GG ein absolutes Rückwirkungsverbot (nulla poena sine lege).

4. Die Ewigkeitsgarantie, Art. 79 III GG

Daneben ist immer auch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG zu berücksichtigen.

Zitat

Art. 79 III GG:
“Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.”

Die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG stellt sicher, dass bestimmte fundamentale Prinzipien der Verfassung, insbesondere die Gliederung des Bundes in Länder, die Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung sowie die in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätze einer Änderung grundsätzlich entzogen sind. Ein Gesetz ist demnach verfassungswidrig, wenn es gegen diese unabänderlichen Prinzipien verstößt.

5.

Immer wenn ein Verstoß des gegenständlichen Gesetzes gegen eine andere grundgesetzliche Regelung geprüft wird, ist dies am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen. Es ist also zu prüfen, ob ein legitimer Zweck vorliegt, die Regelung geeignet, erforderlich und angemessen ist. 

Flag
Flag
Background lines

Bereit, Jura digital zu lernen?

Mach dir dein eigenes Bild unseres Digitalen Compagnons und erlebe, mit wie viel Freude man Jura im Jahr 2025 lernen kann.

Kostenlos ausprobieren

Ohne Zahlungsdaten