I. Einleitung
Die ZPO und damit das gesamte Verfahrensrecht im Zivilprozess ist geprägt von verschiedenen Verfahrensgrundsätzen. Diese sind in der Klausur meistens nicht zu thematisieren - sie helfen aber, die Systematik und den Hintergrund verschiedener Regelungen zu verstehen.
II. Grundsätze
1. Dispositionsmaxime
Die Dispositionsmaxime besagt, dass die Parteien über Beginn, Umfang und Ende des Rechtsstreits entscheiden.
Merke
Der Gegensatz ist die Offizialmaxime (oder: Amtsverfahren). Diese gilt insbesondere im Strafrecht.
Dieser Grundsatz zeigt sich z. B. darin, dass der Prozess durch Erhebung einer Klage eingeleitet wird (§ 253 ZPO) und es verschiedene Möglichkeiten für die Parteien gibt, den Prozess zu beenden (§§ 269, 306, 307 ZPO).
Es gibt aber auch Ausnahmen von diesem Grundsatz:
Gemäß § 139 ZPO hat der Richter eine richterliche Hinweispflicht, wenn Parteien sachdienliche Anträge nicht stellen. Das bedeutet, dass das Gericht die Parteien aktiv unterstützt - im Ergebnis bleibt es aber dabei, dass die Parteien die Anträge stellen müssen.
Bei Vorliegen überparteilicher Interessen werden die Handlungsmöglichkeiten der Parteien eingeschränkt -so z. B. im Mietrecht (§§ 308a I, 721 ZPO) oder im Familienrecht (§ 113 IV Nr. 6 FamFG).
2. Beibringungsgrundsatz (Verhandlungsgrundsatz)
Grundsätzlich werden im Prozess nur die Tatsachen berücksichtigt, die von den Parteien in den Prozess eingebracht werden. Dies ist eine Konsequenz der Privatautonomie, wonach die Parteien selbst entscheiden können sollen, über welchen Sachverhalt das Gericht entscheidet. Das bedeutet, dass das Gericht eine Tatsache auch nur dann eine eingebrachte Tatsache anzweifeln darf, wenn diese von der jeweils anderen Seite angezweifelt wurde.
Merke
Das Gegenteil davon ist die Inquisitionsmaxime (oder: Untersuchungs-/Amtsermittlungsgrundsatz). Hiernach wird im Strafverfahren von Amts wegen die Tatsachengrundlage erforscht.
So ist privates Wissen des Richters unerheblich - der Richter darf aber in verschiedenen Fällen von Amts wegen Beweismittel für eine von den Parteien vorgebrachte Tatsache heranziehen (z. B.: §§ 142 - 144, 448 ZPO - nicht: Zeugenbeweis).
Die Parteien müssen sich aber nicht auf konkrete Rechtsnormen berufen - die rechtliche Würdigung des vorgebrachten Sachverhalts ist Aufgabe des Gerichts.
3. Mündlichkeit
Gemäß § 128 I ZPO wird mündlich verhandelt. Nur das, was in der mündlichen Verhandlung vorgebracht wird, darf als Grundlage für die Entscheidung herangezogen werden.
Andererseits wird die reine Mündlichkeit an vielen Stellen eingeschränkt. So findet etwa die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung meist durch Schriftsätze statt (§§ 129 I, 282 II ZPO) und auch das Verfahren selbst enthält schriftliche Bestandteile (§§ 273, 275, 276 ZPO). Außerdem kann das Gericht auch einzeln Entscheidungen ohne mündliche Verhandlung treffen, wie der § 128 in den Absätzen 2 - 4 zeigt.
4. Unmittelbarkeit
Die Verhandlung, also die mündliche Verhandlung sowie die Beweisaufnahme, müssen vor dem erkennenden Gericht stattfinden (§ 128 I ZPO regelt dies etwa implizit), damit sich die Richter, die im Ergebnis über die Sache entscheiden, einen eigenen Eindruck von der Sache machen können. Hierzu gibt es verschiedene Ausnahmen - diese verteilen sich über verschiedene Normen der ZPO (z. B.: §§ 355 I 2, 361, 372 II ZPO).
5. Öffentlichkeit des Verfahrens
Grundsätzlich sind Gerichtsverfahren öffentlich - dies ist in § 169 GVG auch explizit geregelt. Nur in besonderen Fällen, in denen die Privatsphäre geschützt werden soll, wird eine Ausnahme von diesem Grundsatz gemacht, wie zum Beispiel in Familiensachen (§ 170 GVG).
6. Rechtliches Gehör
Art. 103 GG des Grundgesetzes bestimmt, dass „jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör“ hat. Jede Partei muss die Möglichkeit haben, die für sie relevanten Tatsachen und Rechtsansichten vorzubringen. § 321a ZPO gibt den Parteien insoweit auch einen prozessualen Schutz an die Hand.
7. Beschleunigungsgrundsatz
Nach dem Beschleunigungsgrundsatz verstößt eine überlange Verfahrensdauer gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes sowie das dahinterliegende Rechtsstaatsprinzip (Art. 2 I GG, 6 EMRK). Faktisch dauern natürlich dennoch viele Verfahren länger, als es die Parteien gerne hätten - aber Gerichte sind wenigstens dazu verpflichtet, den Rechtsstreit zeitnah beizulegen.
Merke
§ 198 GVG enthält eine Regelung zur Entschädigung von „Opfern“ überlanger Verfahren.
8. Anspruch auf ein faires Verfahren
Aus dem Rechtsstaatsprinzip lässt sich ein Anspruch auf ein faires Verfahren ableiten, dessen Inhalt insbesondere ist, dass das Gericht zur Objektivität und Neutralität verpflichtet ist.