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Die einzelnen Grundrechte

Art. 9 GG (Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit)

Teilgebiet

Grundrechte

Thema

Die einzelnen Grundrechte

Tags

Bürgerrecht
Vereinigung
privatrechtliche Vereinigungen
öffentlich-rechtliche Vereinigungen
Vereinsverbot
Organisationen
Verfassungsimmanente Schranke
Art. 9 GG
Art. 21 GG
Art. 19 GG
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Vereinigungsfreiheit, Art. 9 I GG

    • 1. Schutzbereich

      • a) Persönlicher Schutzbereich

      • b) Sachlicher Schutzbereich

    • 2. Eingriff

    • 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

      • a) Einschränkungsmöglichkeit

      • b) Verfassungsmäßige Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

  • III. Koalitionsfreiheit, Art. 9 III GG

    • 1. Schutzbereich

      • a) Persönlicher Schutzbereich

      • b) Sachlicher Schutzbereich

    • 2. Eingriff

    • 3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

      • a) Einschränkungsmöglichkeit

      • b) Verfassungsmäßige Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

I. Einleitung

Die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 I GG gewährleistet die Möglichkeit, sich in Vereinigungen zusammenzuschließen, um gemeinsame Interessen zu verfolgen und ihre Meinungen und Ziele gemeinschaftlich auszutauschen und zu artikulieren. Dies fördert die Pluralität und den demokratischen Diskurs innerhalb der Gesellschaft. Diese Freiheit ist zudem ein wichtiger Ausdruck persönlicher Autonomie und sozialer Teilhabe, da sie sowohl individuelle Interessen schützt als auch die Organisation gesellschaftlicher Gruppen fördert.

Dabei ist Art. 9 GG zu unterteilen in Absatz 1, welcher allen Deutschen das Recht garantiert, Vereine und Gesellschaften zu bilden (Vereinigungsfreiheit) und Absatz 3, welcher die sogenannte Koalitionsfreiheit enthält.

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II. Vereinigungsfreiheit, Art. 9 I GG

1. Schutzbereich

a) Persönlicher Schutzbereich

Der persönliche Schutzbereich des Art. 9 I GG umfasst alle Deutschen und ist damit ein Bürgerrecht. Das Grundrecht steht damit ausschließlich deutschen Staatsangehörigen sowie denjenigen Personen zu, die die rechtliche Stellung eines Deutschen nach Art. 116 GG besitzen. Ausländische Staatsangehörige und Staatenlose sind nicht erfasst, können jedoch über die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG oder durch völkerrechtliche Regelungen vergleichbare Rechte geltend machen. EU-Ausländer sind (je nach Ansicht) ebenfalls vom Schutzbereich erfasst.

Träger des Grundrechts sind sowohl die Mitglieder als auch die Vereinigung selbst (nicht über Art. 19 III GG, sondern direkt).

Merke

Nicht vom persönlichen Schutzbereich umfasst sind politische Parteien. Für diese besteht mit Art. 21 GG eine Sonderregelung. Ebenfalls nicht erfasst sind Religionsgemeinschaften. Für diese findet sich in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV eine Sonderregelung.

b) Sachlicher Schutzbereich

Definition

Verein im Sinne des Art. 9 I GG ist jede privatrechtliche Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit von Personen und Gemeinschaften auf längere Zeit zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Auf die Rechtsform kommt es dabei nicht an.

Beispiel

Kulturvereine; Fördervereine; Sportvereine; Berufsverbände, die nicht öffentlich-rechtlich organisiert sind ; Studentenvereinigungen oder Fachschaften an Hochschulen; Freizeit- und Hobbyvereine

Die Vereinigungsfreiheit gewährleistet die positive Freiheit (vor allem Gründung und Beitritt), sowie die negative Freiheit, Vereinigungen fernzubleiben oder aus ihnen auszutreten.

Geschützt ist also der gesamte zeitliche Ablauf von der Gründungsphase, über die laufenden Geschäfte bis hin zur Auflösung.

Problem

Öffentlich-rechtliche Vereinigungen

Die Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Vereinigungen in den Schutzbereich des Art. 9 I GG ist umstritten.

  • Eine Mindermeinung befürwortet die Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Vereinigungen in den Schutzbereich des Art. 9 I GG, wenn sie neben hoheitlichen auch private Funktionen ausüben. Argumentiert wird, dass auch öffentlich-rechtliche Vereinigungen ein Interesse an interner Autonomie und Selbstverwaltung haben.

  • Die herrschende Meinung verneint die Einbeziehung öffentlich-rechtlicher Vereinigungen in den Schutzbereich. Argumentiert wird, dass öffentlich-rechtliche Vereinigungen durch staatlichen Hoheitsakt gegründet werden und sich oft durch Zwangsmitgliedschaften auszeichnen. Die Vereinigungsfreiheit setzt jedoch einen freiwilligen Zusammenschluss voraus. Zudem existieren sie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen und nicht durch den freien Willen der Mitglieder. Daher fehlt es auch an der für Art. 9 I GG typischen privaten Selbstorganisation.

  • Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung öffentlich-rechtliche Vereinigungen grundsätzlich vom Schutzbereich ausgenommen.

Beispiel

Berufskammern (Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern etc.), Genossenschaften, Zweckverbände oder soziale Einrichtungen

2. Eingriff

Bei der Prüfung des Eingriffs bestehen keine Besonderheiten. Ein Eingriff in Art. 11 I GG ist demnach gegeben, wenn die Freizügigkeit beschränkt oder ihre Ausübung unmittelbar rechtlich sanktioniert wird.

Beispiel

Verbot einer Vereinigung, Auflösungsverfügung, Einschränkung der Mitgliedschaft, Einschränkungen der Vereinsaktivitäten

In der Regel stellen gesetzliche Ausgestaltungen und Bereitstellungen von Vereinigungstypen keine Eingriffe dar, da sie vielmehr die Handlungsoptionen von Vereinigungen erweitern und sie nicht beschränken. Sie schaffen damit die Grundlage dafür, dass Vereinigungen sich rechtlich organisieren und effektiv tätig werden können.

Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen gesetzliche Regelungen, die Vereinigungen beschränken oder belasten, als Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit gewertet werden können, wenn diese zu einer Beschränkung der Rechte führen (z. B. Einschränkung der Gründungsfreiheit). Ob dies der Fall ist, hängt von der konkreten Ausgestaltung und den Auswirkungen der Regelung ab.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

a) Einschränkungsmöglichkeit

In Art. 9 I GG findet sich dem Wortlaut nach kein Gesetzesvorbehalt. In Art. 9 II GG werden Vereinigungen genannt, welche verboten sind.

Zitat

Art. 9 II GG:

Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.

Nach allgemein vertretener Ansicht stellt dies dogmatisch eine Einschränkungsmöglichkeit und keine Begrenzung des Schutzbereichs dar.

Es können also Vereinigungen verboten werden, wenn (alternative Voraussetzungen):

  • die Zwecke der Vereinigung oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen

Hiermit sind nur die allgemeinen Strafvorschriften gemeint, also alle Strafvorschriften, die nicht speziell gegen die Vereinigungsfreiheit gerichtet sind

  • sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet

Der Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung ist dabei hier enger zu verstehen als bei Art. 2 I GG und meint die Grundsätze der freiheitlich demokratischen Grundordnung (vergleiche hier auch Art. 21 II GG).

  • oder sie sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet

Das Verbot von Vereinigung ist damit eine verfassungsunmittelbare Schranke, da sich die Einschränkungsmöglichkeit direkt aus dem Grundrecht selbst ergibt und nicht einer weiteren gesetzlichen Grundlage bedarf.

Aus Gründen der Rechtssicherheit gilt eine Vereinigung, die die Voraussetzungen des Art. 9 II GG erfüllt, nicht automatisch aufgrund des Verfassungsrechts als verboten, sondern erst nach einer Entscheidung durch eine zuständige staatliche Stelle. Die Zuständigkeiten ergeben sich aus dem Vereinsgesetz (VereinsG) sowie spezialgesetzlichen Regelungen.

Das Verhalten von einzelnen Mitgliedern ist nur entscheidend, wenn es der Vereinigung zuzurechnen ist, also wenn die Vereinigung das Verhalten billigt oder veranlasst hat. Grundsätzlich kommt es nur auf die Vereinigung selbst an.

Außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 9 II GG besteht eine verfassungsimmanente Schranke und damit nur eine Einschränkbarkeit durch kollidierendes Verfassungsrecht.

b) Verfassungsmäßige Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

Hier bestehen keine Unterschiede zur gewohnten Prüfung. Es ist also in den Fällen der Einschränkbarkeit eine Abwägung anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmen.

III. Koalitionsfreiheit, Art. 9 III GG

In Art. 9 GG findet sich neben der Vereinigungsfreiheit in Art. 9 I GG in Art. 9 III GG die Koalitionsfreiheit.

Sie garantiert jedermann und allen Berufen das Recht, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden. Dieses Grundrecht sichert somit die kollektive Selbstbestimmung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und bildet die Grundlage für die Tarifautonomie in Deutschland.

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1. Schutzbereich

a) Persönlicher Schutzbereich

Bei Art. 9 III GG handelt es sich um ein Jedermannsrecht.

b) Sachlicher Schutzbereich

Definition

Eine Koalition im Sinne von Art. 9 III GG ist eine freiwillige, auf Dauer angelegte Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern, deren Hauptzweck die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder ist.

Beispiel

Diese Vereinigungen sind in der Regel Gewerkschaften auf Seiten der Arbeitnehmer und Arbeitgeberverbände auf Seiten der Arbeitgeber.

Das Bundesverfassungsgericht hat dafür Kriterien entwickelt, um sicherzustellen, dass nur solche Vereinigungen den besonderen Schutz der Koalitionsfreiheit genießen, die tatsächlich in der Lage sind, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu beeinflussen. Diese sind:

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Geschützt wird zum einen die individuelle Koalitionsfreiheit, also der Schutz des Einzelnen, in positiver Form (die Freiheit der Gründung, des Beitritts und der Betätigung) und in negativer Form (Freiheit auszutreten oder fernzubleiben). Weiterhin ist auch die kollektive Koalitionsfreiheit geschützt, also die Koalition an sich.

Merke

Art. 9 III GG hat nicht nur Bedeutung als staatliches Abwehrrecht, sondern auch in Form der mittelbaren Drittwirkung, vor allem zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern/Arbeitgeberverbänden.

2. Eingriff

Bezüglich der Prüfung des Eingriffs bestehen keine Besonderheiten. Es ist wie gewohnt anhand des modernen Eingriffsbegriffs zu prüfen.

Merke

Auch hier gilt, dass Regelungen zu Ausgestaltungen grundsätzlich keinen Eingriff in Art. 9 III GG darstellen. Wenn diese aber den Kernbereich der Koalitionsfreiheit berühren oder den Gewährleistungsumfang beschränken, stellt auch dies einen Eingriff dar.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

a) Einschränkungsmöglichkeit

Umstritten ist, ob die Einschränkungsmöglichkeit der Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 II GG auch für Art. 9 III GG gilt.

  • Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass die in Art. 9 II GG genannten Schranken auch für die Koalitionsfreiheit gelten. Als Argument wird eine Vermeidung von Wertungswidersprüchen angeführt. Es wäre inkonsistent, wenn Vereinigungen, die nach Art. 9 II GG verboten sind, dennoch unter dem Schutz des Art. 9 III GG stehen könnten.

  • Die herrschende Meinung lehnt die Anwendung von Art. 9 II GG auf Art. 9 III GG dagegen ab. Argumentiert wird mit der systematischen Stellung. Die Koalitionsfreiheit wurde vom Gesetzgeber bewusst nach der Regelung des Art. 9 II GG untergebracht. Hier kann auch ein Vergleich zu den Grundrechten aus Art. 5 III GG gezogen werden, bei denen ebenfalls aufgrund systematischer Auslegung die Schrankentrias des Art. 5 II GG nicht für Art. 5 III GG gilt. Zudem findet sich im Wortlaut auch keine ausdrückliche Verweisung. Weiterhin sei die uneingeschränkte Koalitionsfreiheit eine Voraussetzung für funktionierende Tarifverhandlungen und den sozialen Frieden.

Somit bestehen für Art. 9 III GG nur verfassungsimmanente Schranken und damit ist nur die Möglichkeit einer Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht.

b) Verfassungsmäßige Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

Hier bestehen keine Unterschiede zur gewohnten Prüfung. Es ist also in den Fällen der Einschränkbarkeit eine Abwägung anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmen.

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