I. Einleitung
Art. 13 I GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung und gewährleistet dem Einzelnen dadurch einen Rückzugsraum, in dem er vor staatlicher Einflussnahme sicher ist, und sichert die private Lebensgestaltung ab. Art. 13 GG hat eine hohe Bedeutung im Spannungsfeld zwischen individuellen Grundrechten und staatlichen Interessen, etwa im Bereich der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr. Dieses Spannungsverhältnis macht das Grundrecht nicht nur praktisch relevant, sondern auch zu einem wichtigen Thema für Klausuren.
II. Schutzbereich

1. Persönlicher Schutzbereich
Bei der Kunstfreiheit handelt es sich mangels Einschränkung im Wortlaut um ein Jedermannsrecht. Umfasst sind also alle unmittelbaren Besitzer einer Wohnung.
Problem
Hausbesetzer/Unrechtmäßige Besitzer
Umstritten ist, ob der persönliche Schutzbereich auch Personen, die unbefugt in eine Wohnung eingedrungen sind und diese besetzen, wie etwa Hausbesetzer.
Nach einer Ansicht genießen Hausbesetzer keinen Schutz aus Art. 13 I GG. Argumentiert wird zum einen, dass es auf die Rechtmäßigkeit des Besitzes ankomme und somit keine schutzwürdige Verbindung zur Wohnung bestehe. Zum anderen würde sonst gegen die Systematik des Grundgesetzes verstoßen, da ein Grundrecht nicht als „Schutzschild“ für rechtswidriges Verhalten verwendet werden darf.
Nach der Gegenansicht fallen auch Hausbesetzer in den Schutzbereich von Art. 13 I GG. Diese Ansicht argumentiert, dass es auf die tatsächliche Nutzung eines Wohnraums als Rückzugsort, unabhängig von der rechtlichen Berechtigung, ankomme.
Die besseren Argumente sprechen für die erste Ansicht, welche auch die herrschende Meinung ist.
2. Sachlicher Schutzbereich
Art. 13 I GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Definition
Wohnung im Sinne des Art. 13 I GG ist jeder Raum, den der Einzelne der allgemeinen Zugänglichkeit entzieht und zum Ort seines privaten Lebens und Wirkens bestimmt.
Das Ziel der Norm ist, dem Einzelnen einen elementaren Lebensraum zu sichern, in dem man in Ruhe gelassen wird, ihm also eine Art Rückzugsraum zu bewilligen.
Problem
Büro- und Geschäftsräume
Umstritten ist, ob auch Betriebs- und Geschäftsräume in den Schutzbereich des Art. 13 I GG fallen.
Nach einer Ansicht fallen Betriebs- und Geschäftsräume nicht in den Schutzbereich des Art. 13 I GG. Ein Argument ist, dass der Begriff „Wohnung“ auf einen privaten Lebensbereich verweise. Zudem wird mit Systematik und Zweck argumentiert. Art. 13 I GG schützt die Privatheit und persönliche Entfaltung. Betriebs- und Geschäftsräume sind hingegen Orte wirtschaftlicher Betätigung und unterliegen bereits anderen Grundrechten, wie der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) oder der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG).
Nach der Gegenansicht fallen auch Betriebs- und Geschäftsräume in den Schutzbereich des Art. 13 I GG. Argumentiert wird mit dem Schutz vor staatlicher Willkür, da auch Betriebs- und Geschäftsräume Orte sein können, an denen eine Person vor staatlicher Einflussnahme geschützt werden muss (z. B. vor unangemeldeten Kontrollen oder Durchsuchungen) Ein weiteres Argument ist die besondere Schutzbedürftigkeit, da in diesen Räumlichkeiten oft sensible Daten und Unterlagen vorhanden sind.
Die zweite Ansicht hat die stärkeren Argumente und stellt die herrschende Meinung dar, weshalb du dieser in der Klausur folgen solltest.
Art. 13 I GG steht allgemein in einem engen Zusammenhang mit Art. 2 I GG, da sie gemeinsam die private Lebenssphäre des Einzelnen vor staatlichen Eingriffen schützen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit ermöglichen.
III. Eingriff
Bei der Prüfung des Eingriffs bestehen bei Art. 13 GG einige Besonderheiten zur grundsätzlichen Prüfung des Eingriffs. Hier ist schon auf der Ebene des Eingriffs nach der Art des Eingriffs zu differenzieren, da diese Auswirkungen auf die weitere Prüfung haben. Möglich sind Eingriffe durch Durchsuchung, akustische Überwachung oder sonstige Eingriffe.
1. Durchsuchung
Definition
Eine Durchsuchung im Sinne von Art. 13 GG ist das zielgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen, Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts in einer Wohnung, um etwas aufzuspüren, was der Wohnungsinhaber von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will. Dabei wird in die räumliche Privatsphäre des Betroffenen eingegriffen, indem Wohnräume gegen seinen Willen betreten und durchsucht werden.
Ein Beispiel dafür ist eine Wohnungsdurchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln oder zur Festnahme von Personen im Rahmen der Strafverfolgung
2. Akustische Überwachung
Definition
Die akustische Überwachung der Wohnung, häufig als "großer Lauschangriff" bezeichnet, ist das heimliche Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen oder Geräuschen innerhalb einer Wohnung durch den Einsatz technischer Mittel.
Ein Beispiel dafür ist, wenn in der Wohnung eines mutmaßlichen Bandenchefs eine Wanze installiert wird, um Gespräche über geplante Drogenschmuggel-Operationen abzuhören.
3. Sonstige Eingriffe
Definition
Sonstige Eingriffe sind alle Eingriffe in Art. 13 I GG, die nicht Durchsuchung oder akustische Überwachung sind. Die sind insbesondere das körperliche Eindringen und die dingliche Inanspruchnahme der Wohnung.
Zum Beispiel: Polizeibeamte dringen in eine Wohnung ein, um einen Brand zu löschen oder eine andere unmittelbare Gefahr für Leib und Leben abzuwenden.
Problem
Online Durchsuchung
Die Online-Durchsuchung fällt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht in den Schutzbereich von Artikel 13 I GG, da diesem Grundrecht ein raumbezogener Schutz der Privatheit zugrunde liegt. Zwar ist für die Anwendbarkeit von Art. 13 I GG kein physisches Eindringen in die Wohnung erforderlich, wie der systematische Vergleich mit Art. 13 III GG zeigt, dennoch setzt der Schutzbereich einen klaren räumlichen Bezug voraus. Eine Online-Durchsuchung greift jedoch unabhängig vom Standort des betroffenen informationstechnischen Systems in dessen Vertraulichkeit ein. Der Standort des Systems, etwa eines Laptops oder Smartphones, ist für die Maßnahme häufig irrelevant und in vielen Fällen nicht einmal erkennbar. Da die spezifische Gefährdung durch die Infiltration des Systems die räumlich abgegrenzte Privatsphäre der Wohnung unberührt lässt, ist Art. 13 I GG nicht betroffen. Der Schutz gegen solche Maßnahmen ist daher dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG), insbesondere dem Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, zuzuordnen.
IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
1. Einschränkungsmöglichkeit
Die Einschränkungsmöglichkeiten (Gesetzesvorbehalt) des Art. 13 I GG in den Art. 13 II bis VII GG können auf den ersten Blick unübersichtlich sein. Grund dafür ist, dass Art. 13 GG verschiedene Gesetzesvorbehalte für die verschiedenen Eingriffsformen aufstellt. Zudem bestehen auch Regelungen außerhalb von Art. 13 GG, welche zu berücksichtigen sind.

a) Art. 13 II GG - Durchsuchungen
Zitat
Art. 13 II GG:
“Durchsuchungen dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die in den Gesetzen vorgesehenen anderen Organe angeordnet und nur in der dort vorgeschriebenen Form durchgeführt werden.”
In Art. 13 II GG findet sich ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt für Durchsuchungen. Demnach besteht grundsätzlich ein Richtervorbehalt. Bei Gefahr im Verzug können auch andere in den Gesetzen vorgesehenen Organe diese anordnen und durchführen.
Merke
Wenn ein Gesetz auch für Fälle fehlender Gefahr kein Erfordernis einer richterlichen Anordnung voraussetzt, ergibt sich die Voraussetzung durch verfassungsrechtliche Auslegung aus Art. 13 II GG. Durch die Möglichkeit der verfassungskonformen Auslegung ist das Gesetz auch nicht allein wegen dieses Umstands verfassungswidrig.
b) Art. 13 III bis V GG - akustische Überwachung
In Art. 13 III bis VI GG finden sich Gesetzesvorbehalte für Eingriffe durch akustische Überwachung.
Es ist dabei wiederum zu differenzieren, ob der Eingriff zur Strafverfolgung oder zur dringenden Gefahrenabwehr erfolgt.
aa) Art. 13 III GG - Strafverfolgung
Art. 13 III GG regelt den Gesetzesvorbehalt für akustische Überwachung zur Strafverfolgung. Demnach ist in der Regel eine Anordnung durch 3 Richter erforderlich. Bei Gefahr im Verzug reicht die Anordnung durch einen Richter aus. Voraussetzung ist zudem, dass die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos wäre.
Definition
Gefahr im Verzug ist gegeben, wenn eine zeitliche Verzögerung, die durch das Einholen einer richterlichen Anordnung entstehen würde, den Erfolg der Durchsuchung wesentlich beeinträchtigen oder vereiteln könnte.
bb) Art. 13 IV, V GG - Dringende Gefahrenabwehr
Art. 13 IV GG regelt, dass zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur aufgrund richterlicher Anordnung eingesetzt werden dürfen. Bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme auch durch eine andere gesetzlich bestimmte Stelle angeordnet werden.
Art. 13 IV GG erlaubt den Einsatz technischer Mittel in Wohnungen, wenn dies ausschließlich dem Schutz der in der Wohnung eingesetzten Personen dient. Die Anordnung erfolgt durch eine gesetzlich bestimmte Stelle. Erkenntnisse aus dieser Maßnahme dürfen nur für die Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr genutzt werden, und dies auch nur nach einer vorherigen richterlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit. Bei Gefahr im Verzug muss die richterliche Entscheidung unverzüglich nachgeholt werden.
c) Art. 13 VII GG - Sonstige Eingriffe
Art. 13 VII GG enthält zwei verschiedene Einschränkungsmöglichkeiten. Gemäß Art. 13 VII Hs. 1 GG sind sonstige Eingriffe nur gerechtfertigt, wenn sie zur Abwehr einer allgemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für Einzelpersonen erfolgen. Dabei handelt es sich um eine verfassungsunmittelbare Schranke. Es bedarf also keiner einfachgesetzlichen Grundlage, sondern nur einer allgemeine Gefahr oder Lebensgefahr für einzelne Personen. Weiterhin können sie gemäß Art. 13 VII Hs. 2 GG aufgrund eines Gesetzes erlaubt werden, wenn dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung drohen, insbesondere bei Raumnot, Seuchengefahr oder zum Schutz gefährdeter Jugendlicher. Hierbei handelt es sich um einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt.
d) Art. 17a II GG - Soldaten und Zivildienstleistende
Neben den Regelungen des Art. 13 GG selbst ist Art. 17a II GG in Fällen, in denen Soldaten oder Zivildienstleistende betroffen sind, zu beachten.
Zitat
Art. 17a II GG:
„Gesetze, die der Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung dienen, können bestimmen, daß die Grundrechte der Freizügigkeit (Artikel 11) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13) eingeschränkt werden.“
e) Betriebs- und Geschäftsräume
Wie oben festgestellt, sind nach der herrschenden Meinung auch Betriebs- und Geschäftsräume vom Schutzbereich erfasst. Nach ebenfalls herrschender Meinung gilt auch für diese ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt. Eingriffe sind demnach zulässig, wenn die Räume zum Zwecke der Besichtigung und Prüfung während der gewöhnlichen Geschäftszeiten betreten werden. Die betretenen Räume müssen dabei auch allgemein für andere Personen zugänglich sein. Dies muss auf eine gesetzlichen Grundlage gestützt sein und das Gesetz muss den Zweck, den Gegenstand und den Umfang der Beeinträchtigung regeln.
Beispiel
Die Finanzbehörde ist gemäß § 193 I AO befugt, Geschäftsräume zu betreten, um steuerliche Sachverhalte zu prüfen.
Behörden können gemäß § 52 BImSchG Betriebsräume betreten, um die Einhaltung von Auflagen zur Emissionsbegrenzung zu kontrollieren.
2. Verfassungsmäßige Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit
Bei der Prüfung der verfassungsmäßigen Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit bestehen keine Besonderheiten.