I. Einleitung
In der wirtschaftlichen Praxis kommt es häufig vor, dass ein Unternehmen ein anderes „kauft“ oder ein Unternehmen vom Inhaber auf dessen Erben übergeht. Aber nicht nur aufgrund der hohen praktischen Relevanz, sondern auch weil die rechtliche Umsetzung komplex ist, eignen sich solche Unternehmensübertragungen für Klausuren. Ein wichtiger Aspekt, der die Komplexität ausmacht, ist, dass an Unternehmensübertragungen nicht nur zwei Personen - Käufer/Verkäufer, Erbe/Erblasser - beteiligt sind, sondern mittelbar eine Vielzahl anderer Personen wie Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden und viele mehr. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage, was ein „Unternehmen“ eigentlich ist. Denn es gibt einerseits die betreibende (juristische) Person und andererseits die Werte, die diesem Unternehmen gehören, wie Maschinen, Software oder Grundstücke.
II. Arten der Unternehmensübertragung
1. Unternehmenskauf
Der Kauf eines Unternehmens kann auf zwei Wegen erfolgen: durch einen Asset-Deal (§ 433 BGB) oder durch einen Share-Deal (§ 453 BGB).

a) Asset-Deal (§ 453 I 1 Alt. 2 BGB)
Der Sachkauf eines Unternehmens wird in der Praxis „Asset Deal“ genannt, da nicht der Unternehmensträger, sondern die „Assets“, die Werte und Sachgegenstände des Unternehmens erworben werden. Dabei wird der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer (alle) Einzelgegenstände zu übereignen. Es erfolgt keine einheitliche Übertragung, sondern jeder Vermögensgegenstand wird einzeln übertragen. Diese wechseln dann also von einem Unternehmensträger auf den anderen Unternehmensträger. Nicht übertragbare Sachen wie das Knowhow etc. können nicht im klassischen Sinne "übertragen" werden. Der Verkäufer ist in diesem Fall verpflichtet, dem Erwerber die erforderlichen Informationen zu verschaffen.
Merke
Dabei können sich besondere Formerfordernisse ergeben, abhängig davon, welche Gegenstände übertragen werden. Die Übertragung von Grundstücken muss z. B. gemäß § 311b I BGB in Schriftform erfolgen.
Klausurtipp
Beachte hierbei, dass bei der Übertragung der einzelnen Assets, also der Übereignung der einzelnen Sachen (§ 90 BGB), stets der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz gewahrt werden muss.
Dabei wird sowohl das Anlagevermögen (also die (Sach-)Werte, die dem Unternehmen dauerhaft zu dienen bestimmt sind) als auch das Umlaufvermögen (also solche (Sach-)Werte, die zur kurzfristigen Verarbeitung oder zum Verbrauch bestimmt sind) veräußert.
Werden sämtliche oder nahezu alle Assets verkauft, sodass man nach einer Auslegung des Rechtsgeschäfts nach §§ 133, 157 BGB, von dem Verkauf des Unternehmens sprechen kann, liegt ein Unternehmenskauf nach § 453 I 1 Alt. 2 BGB vor, der wie ein Sachkauf behandelt wird.
Merke
Der Erwerb eines einzelkaufmännischen Unternehmens kann lediglich im Wege eines Asset-Deals erfolgen.
b) Share-Deal (§ 453 BGB)
Eine andere Möglichkeit ist der Rechtskauf, der auch „Share Deal“ ( § 453 I 1 Alt. 1 BGB) genannt wird, da nicht die einzelnen Gegenstände, sondern die „Shares“, also die Anteile an einem Unternehmensträger, wie einer GmbH oder AG, erworben werden. Die Gegenstände des Unternehmens verbleiben daher beim gleichen Unternehmensträger. Die Erfüllung erfolgt hier durch die Abtretung nach §§ 413, 398 BGB.
Merke
Auch hier können sich Formerfordernisse ergeben, die abhängig davon sind, an welcher Art von Unternehmensträger Anteile erworben werden. Anteile an einer GmbH müssen z. B. gemäß § 15 IV GmbHG in notarieller Form übertragen werden.
Bezüglich der Mängelhaftung sind im Rahmen eines Share-Deals Besonderheiten zu beachten. Der Mängelbegriff aus § 434 BGB ist nicht uneingeschränkt anwendbar. Grundsätzlich haftet der Verkäufer nur für den Bestand des Rechts (Veritätshaftung). Das Kaufobjekt "Recht" ist geprägt von der Unsicherheit über die Bonität, womit die Werthaltigkeit nicht zu den "üblichen Beschaffenheiten" im Sinne des objektiven Mangelbegriffs nach § 434 I Var. 2, III 1 Nr. 2 BGB gehört. Daher ist nur der subjektive Mangelbegriff anwendbar. Daraus folgt, dass keine allgemeine Bonitätshaftung im Rechtskauf besteht.
Problem
Werden jedoch die beherrschenden Anteilquoten verkauft (h.M.: mehr als 75 %), liegt ein Unternehmenskauf nach § 453 I 1 Alt. 2 BGB vor, der wie ein Sachkauf behandelt wird. Hierbei sind dann Gewährleistungsrechte auch für die Mangelhaftigkeit des Unternehmens an sich denkbar.
Hier stellt sich die Frage, ob Umsatz- und Ertragszahlen vom Beschaffenheitsbegriff nach § 434 I Var. 1, II 1 Nr. 1 BGB umfasst sind. Grundsätzlich begründen unmittelbare Faktoren einer Sache einen Mangel. Entsprechend dem weiten Mangelbegriff, welcher von der herrschenden Meinung angenommen wird, sind nicht nur Faktoren, die der Sache selbst anhaften, als Beschaffenheit anzusehen, sondern auch lediglich mittelbar der Sache anhaftende Eigenschaften, wenn diese eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweisen. Daher sind auch die Umsatz- und Ertragszahlen von der Beschaffenheit nach § 434 I Var. 1, II 1 Nr. 1 BGB erfasst.
2. Unternehmensübertragung auf Zeit
a) Pacht
Ein Unternehmen kann auch gepachtet werden (§§ 581 ff. BGB). Dabei überlässt der eine Unternehmensträger dem Pächter entsprechend der Vereinbarung des Pachtvertrages das (Anlage-)Vermögen und die Werte/Gegenstände des Unternehmens; Eigentümer bleibt der „alte“ Unternehmensträger, nur das Umlaufvermögen wird übertragen. Bei Vertragsende sind all diese „Werte“ zurückzugeben und der Pächter profitiert nicht davon, wenn das Unternehmen seinen Wert gesteigert hat.
Merke
Natürlich können auch abweichende Vereinbarungen getroffen werden. Aber ohne Weiteres ist erst einmal von einem „reinen“ Pachtvertrag auszugehen.
b) Nießbrauch
Der Unternehmensträger kann aber einer anderen Person auch ein Nießbrauchrecht an seinem (Anlage-)Vermögen einräumen (§ 1085 S. 1 BGB). Der Unternehmensnießbrauch gewährt dem Nießbraucher im Ergebnis ein absolutes Recht auf Gebrauchendürfen der Aktivwerte und substanzlosen inneren Vermögenswerte, ohne jedoch vollständig Rechtsinhaber zu werden. Dem Nießbraucher geht es grundsätzlich darum, auch das unternehmerische „know-how“ (sogenannte „good-wills“) nutzen zu dürfen, also z. B. Personal, Kundenstamm, guter Ruf, Geschäftskontakte. Diese sind nämlich nicht rechtlich individualisierter und der nicht mit einem Nießbrauch belastbar. Nur wenn sich auf eine solche Nutzungsbefugnis geeinigt wurde, wird regelmäßig ein „echter Unternehmensnießbrauch“ vorliegen.
Gegebenenfalls muss der (echte) Unternehmensnießbrauch vom "uneigentlichen Nießbrauch“ und „Ertragsnießbrauch“ abgegrenzt werden.
Der „uneigentliche Nießbrauch“ bedeutet die Übertragung aller Aktiva des Unternehmens, sodass der Berechtigte im Außenverhältnis zum Unternehmensnachfolger wird. Er wird also Inhaber aller Sachen und Rechte. Diese Rechtsposition wird im Innenverhältnis, also schuldrechtlich, korrigiert. Zudem wird vereinbart, dass nach Ablauf einer bestimmten Zeit eine Rückübertragung stattfindet.
Der „Ertragsnießbrauch“ hat zur Folge, dass der Besteller im Innenverhältnis Unternehmensinhaber bleibt, dem Nießbraucher jedoch die Unternehmenserträge zustehen. Der Nießbraucher erhält keine dinglichen Rechte an den betrieblichen Gegenständen, sondern alleine schuldrechtliche Ansprüche.
Nach § 22 II HGB gilt auch für den Nießbrauch § 22 I HGB. Außerdem gilt § 25 I 1 HGB nach allgemeiner Auffassung auch für den vorübergehenden Erwerb durch Nießbrauch, Pacht oder Treuhand.
c) Treuhand
Ein Unternehmen kann auch einer anderen Person/Unternehmensträger (in der Regel einschließlich des gesamten Vermögens) zur Treuhand übertragen werden.
III. Haftung bei Firmenfortführung
1. Grundproblematik
Bei der Unternehmensüberlassung, insbesondere dem Unternehmenskauf, stellt sich nicht nur die Frage, wie Vermögen übergeht (oder die Anteile daran), sondern auch, was mit bestehen Verträgen, Forderungen und Verpflichtungen geschieht. Denn diese können anders als Sachen nicht einfach durch den Eigentümer respektive den Unternehmensträger übereignet werden.
a) Vertragsübernahme
Eine Vertragsübernahme bei Unternehmensübertragungen kraft Gesetz gibt es nicht. Allerdings können natürlich alle Parteien - also der alte Unternehmensträger, der neue Unternehmensträger sowie die dritte Partei - einen Vertrag schließen, wonach der Vertrag übergehen soll. Der Nachteil für die Parteien der Übertragung ist dabei, die dritte Partei miteinbeziehen zu müssen.
b) Schuldübernahme
Verpflichtungen des alten Unternehmensträgers können auf den neuen Unternehmensträger kraft vertraglicher Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB) übertragen werden. Auch hier stellt sich aber das Problem, dass die dritte Partei - hier der Schuldner - gemäß § 415 BGB miteinbezogen werden muss.
c) Forderungsübernahme
Die Forderungsübernahme ist in diesem Bereich der „einfachste“ Fall, denn der alte Unternehmensträger kann dem neuen Unternehmensträger einfach die Forderung abtreten (§§ 398 ff. BGB) ohne dass der Schuldner dem zustimmen oder überhaupt davon wissen muss.
2. Haftung
Das HGB hat für die Übernahmekonstellation geregelt, unter welchen Bedingungen der neue Unternehmensträger für Verbindlichkeiten des alten Unternehmensträgers haftet und wann ihm dessen Forderungen zustehen, ohne dass es dafür einer vertraglichen Regelung bedarf. Dies betrifft den Komplex der Firmenfortführung bei Inhaberwechsel eines Unternehmens (§§ 25 ff. HGB)
Lies dir diesen Artikel durch, um die einzelnen Normen kennenzulernen.
3. Schuldrechtliche Rückübertragungsansprüche
Zunächst könnten sich Rückübertragungsansprüche aus Vertrag ergeben. Gegebenenfalls ist eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen.
Hat das Unternehmen Rechtsmängel, so können sich aus § 437 Nr. 2 BGB in Verbindung mit §§ 346 I, 323 I oder 326 V auch Rücktrittsrechte ergeben.
Zu bedenken ist zudem ein möglicher Herausgabeanspruch aus § 812 I 1 Fall 1 BGB, wenn der Unternehmenskaufvertrag als Rechtsgrund wegen Nichtigkeit wegfällt.
Im Rahmen der Insolvenzanfechtung gemäß §§ 129 ff. InsO sind nach Rechtsprechung zumindest die pfändbaren Teile zurückzugewähren.