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Verfügungen in der Ehe

Stellvertretung unter Ehegatten, § 1357 BGB

Teilgebiet

Familienrecht

Thema

Verfügungen in der Ehe

Tags

Stellvertretung
Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs
Mitverpflichtung
Mitberechtigung
Verpflichtungsermächtigung
Getrenntleben
Ehegattenvertretung
Gesamtgläubiger
Mitgläubiger
Dingliche Wirkung
Verfügungsgeschäft
Verpflichtungsgeschäft
Haushaltsgegenstände
Familienrechtliche Stellvertretung
Publizitätsprinzip
§ 1357 BGB
§ 1303 BGB
§ 1360 BGB
§ 1412 BGB
§ 1568 BGB
§ 428 BGB
§ 432 BGB
§ 491 BGB
§ 492 BGB
§ 355 BGB
§ 164 BGB
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Voraussetzungen

    • 1. Bestehen einer wirksamen Ehe 

    • 2. Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs 

      • a) Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs, §§ 1360, 1360a BGB

      • b) Angemessenheit 

    • 3. Kein Ausschluss

      • a) § 1357 III BGB

      • b) § 1357 II BGB

      • c) § 1357 I 2 lzt. Hs. BGB

  • III. Rechtsfolgen

I. Einleitung

Nach § 1357 BGB ist jeder Ehegatte grundsätzlich berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten abzuschließen. Dies betrifft vor allem alltägliche Anschaffungen wie Haushaltswaren oder Lebensmittel. Entscheidend ist dabei, dass die eingegangenen Verpflichtungen dem Familienunterhalt dienen und in einem angemessenen Rahmen bleiben. Die gesetzliche Regelung ermöglicht damit eine Art Stellvertretung unter Ehegatten, bei der die Zustimmung des anderen Ehegatten nicht für jeden einzelnen Vertrag im Voraus eingeholt werden muss, sofern die Voraussetzungen von § 1357 BGB erfüllt sind. Diese gesetzliche Mitverpflichtungsermächtigung nennt man auch die "Schlüsselgewalt" Mit den Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 1357 BGB beschäftigt sich dieser Artikel.

II. Voraussetzungen

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Zitat

§ 1357 I 1 BGB:

“Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen.”


Damit ergeben sich aus dem Wortlaut des § 1357 I 1 BGB folgende Voraussetzungen für eine Mitberechtigung:

1. Bestehen einer wirksamen Ehe 

Zunächst muss eine wirksame Ehe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehen. Dies beurteilt sich nach den §§ 1303 ff. BGB.

2. Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs 

Als zweite Voraussetzung muss ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs vorliegen. Dies unterteilt sich wiederum in zwei Voraussetzungen. Ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs und der Angemessenheit.

a) Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs, §§ 1360, 1360a BGB

Ob ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs vorliegt, beurteilt sich nach dem äußeren Familienzuschnitt, also den tatsächlichen Lebensverhältnissen. Der Begriff des Lebensbedarfs bezieht sich auf die §§ 1360, 1360a BGB und damit auf das Unterhaltsrecht.

Beispiel

Ehepaar A und B lebt mit ihren zwei Kindern in einer bescheidenen Mietwohnung und führt einen eher sparsamen Lebensstil. A kauft ohne Absprache mit B eine luxuriöse Designercouch für 8.000 €, weil er meint, dass eine hochwertige Couch zum gemeinsamen Wohnen dazugehört.
Hier stellt sich die Frage, ob dieses Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs im Sinne von §§ 1360, 1360a BGB zählt. Da der äußere Familienzuschnitt, also die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Familie, eher bescheiden ist und das Geschäft über das übliche Maß hinausgeht, wäre es kein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs.

Nicht erfasst werden grundsätzlich Rechtsgeschäfte, welche nur in die Sphäre eines Ehegatten fallen, also den anderen Ehegatten in keiner Weise betreffen.

b) Angemessenheit 

Die Angemessenheit beurteilt sich am Maßstab, ob eine vorherige Verständigung zwischen den Ehegatten grundsätzlich nicht notwendig ist.

Klausurtipp

Du kannst die zwei Voraussetzungen (Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs und Angemessenheit) auch zusammen als einen Prüfungspunkt prüfen, da sich die Voraussetzungen häufig nicht klar voneinander abgrenzen lassen.

Merke

Ein Rechtsgeschäft ist angemessen im Sinne des § 1357 I BGB, wenn es sich um ein Geschäft handelt, das regelmäßig unabhängig von einer Dringlichkeit von einem Ehegatten selbstständig erledigt wird.

Nach herrschender Meinung fallen auch Rechtsgeschäfte, die dem Verbraucherschutz unterliegen (z. B. Verbraucherdarlehen nach §§ 491 ff. BGB), in den Anwendungsbereich des § 1357 I 1 BGB. Sind die Voraussetzungen des § 1357 BGB erfüllt, werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet. Zudem genügt es, wenn die Formvorschriften der §§ 492, 355 BGB nur gegenüber dem handelnden Ehegatten eingehalten werden und ihm die Widerrufsbelehrung nach § 355 BGB erteilt wurde.

Problem

Können Versicherungsverträge unter § 1357 BGB fallen?

  • E.A.: Nach einer Ansicht können bestimmte Versicherungsverträge (z. B. Kranken-, Haftpflicht- oder Hausratversicherungen) unter § 1357 BGB fallen, wenn sie der alltäglichen Daseinsvorsorge dienen und den äußeren Familienzuschnitt widerspiegeln.

  • Nach einer anderen Ansicht sind Versicherungsgeschäfte in der Regel keine Geschäfte des täglichen Lebens, sondern langfristige, wirtschaftlich bedeutsame Entscheidungen, die nicht typischerweise in den Aufgabenbereich der ehelichen Lebensgemeinschaft fallen, womit § 1357 BGB ausscheidet.

  • Nach Ansicht des BGH können Versicherungsverträge unter bestimmten Umständen in den Anwendungsbereich des § 1357 Abs. 1 BGB fallen. Entscheidend sei dabei der Bezug des Geschäfts zum Lebensbedarf der Familie. Ob es sich um ein solches Geschäft handelt, müsse im Einzelfall geprüft werden. In einer Entscheidung stellte der BGH fest, dass der Abschluss einer Vollkaskoversicherung für ein Familienfahrzeug ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie im Sinne des § 1357 I BGB sein kann. Ebenso kann die Kündigung eines solchen Vertrags darunterfallen. 

  • In der Klausur solltest du der Ansicht des BGH folgen und am Einzelfall prüfen, ob ein ausreichender Bezug zum Lebensbedarf besteht.

3. Kein Ausschluss

Zuletzt dürfen keine Ausschlussgründe für eine Mitberechtigung einschlägig sein.

Dabei können verschiedene Ausschlussgründe in Betracht kommen.

a) § 1357 III BGB

Nach § 1357 III BGB gilt Absatz 1 nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben. Nach herrschender Meinung reicht dafür schon ein getrennter Haushalt in einer gemeinsamen Wohnung. Wichtig ist, dass ein beiderseitiger Wille besteht, keine gemeinsame häusliche Lebensführung zu haben. 

Beispiel

Ehepaar A und B lebt nach einer Trennung weiterhin in derselben Wohnung, führt jedoch getrennte Haushalte. A kauft ohne Absprache mit B auf Kredit eine neue Waschmaschine für 800 €, da die alte defekt ist.
Da die Ehegatten zwar noch unter einem Dach wohnen, aber wirtschaftlich getrennte Haushalte führen, findet § 1357 I BGB keine Anwendung. B wird daher nicht automatisch Mitverpflichtete aus dem Kaufvertrag. A muss die Waschmaschine allein bezahlen.

b) § 1357 II BGB

Nach § 1357 II 1 BGB können die Ehegatten die Berechtigung nach Absatz 1 ausschließen oder beschränken. Dies ist aber nur möglich, wenn dafür ein ausreichender Grund besteht. Besteht ein solcher nicht, hat das Familiengericht die Beschränkung oder den Ausschluss auf Antrag aufzuheben (§ 1357 II 1 2. Hs. BGB).


Wichtig ist dabei auch, dass gemäß § 1357 II 2 BGB eine Beschränkung oder Ausschließung im Innenverhältnis nur nach Maßgabe des § 1412 BGB im Außenverhältnis wirksam wird. § 1412 BGB regelt, dass Ehegatten, die ihren Güterstand durch Ehevertrag geändert oder aufgehoben haben, sich gegenüber Dritten nur unter bestimmten Bedingungen darauf berufen können. Bei einem Rechtsgeschäft zwischen einem Ehegatten und einem Dritten nur dann, wenn der Dritte den Ehevertrag kannte oder ihn grob fahrlässig nicht kannte (Nr. 1) oder bei einem rechtskräftigen Urteil gegen einen Ehegatten nur, wenn der Dritte bei Eintritt der Rechtshängigkeit vom Ehevertrag wusste oder ihn grob fahrlässig nicht kannte (Nr. 2).

c) § 1357 I 2 lzt. Hs. BGB

Zuletzt kann auch ein Ausschluss nach § 1357 I 2 lzt. Hs. BGB vorliegen. Demnach treten die Rechtsfolgen des § 1357 I 1 BGB nicht ein, wenn sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. 

Dies ist vor allem der Fall, wenn der den Vertrag abschließende Ehegatte klar zum Ausdruck bringt, dass er alleiniger Vertragspartner werden möchte. 

III. Rechtsfolgen

Zitat

§ 1357 I 2 BGB:

 

Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.

Rechtsfolge bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1357 I 1 BGB ist, dass der andere Ehegatte mitberechtigt (Alt. 1) und mitverpflichtet (Alt. 2) wird. Es handelt sich dabei dogmatisch um eine gesetzliche Mitverpflichtungsermächtigung.

Problem

Art der Mitberechtigung als Rechtsfolge gemäß § 1357 I 2 Alt. 1 BGB 

Umstritten ist, welche Art der Mitberechtigung dogmatisch nach § 1357 I 2 Alt. 1 BGB entsteht.

  • Nach einer Ansicht werden die Ehegatten zu Mitgläubigern im Sinne des § 432 BGB. Dies würde zur Folge haben, dass mit befreiender Wirkung nur an beide Ehegatten gemeinsam geleistet werden kann. Argumentiert wird hier mit dem Schutz der Ehe.

  • Die herrschende Meinung nimmt als Rechtsfolge eine Gesamtgläubigerschaft gemäß § 428 BGB an. In diesem Fall könnte mit befreiender Wirkung auch an nur einen der Ehegatten geleistet werden. Hauptargument dieser Ansicht ist der Schutz des Schuldners. In der Klausur solltest du dieser Ansicht folgen.

Von der dinglichen Wirkung umfasst sind auch sekundäre Gläubigerrechte, also solche, die einem Gläubiger nicht unmittelbar aus der Hauptforderung zustehen, sondern aus der Abwicklung oder Sicherung eines Schuldverhältnisses ergeben und damit oft der Durchsetzung oder Sicherung der Primärforderung dienen.

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