Im diesem Kapitel wird die Sicherungsabtretung - also die Abtretung als Mittel zur Absicherung einer anderen Forderung - dargestellt.
I. Rechtsnatur und Bedeutung
Die Sicherungsabtretung ist, wie die Abtretung sonst auch, ein Verfügungsgeschäft. Neben diese Abtretung im Außenverhältnis tritt im Innenverhältnis ein schuldrechtlicher Sicherungsvertrag, welche die Handlungsmöglichkeiten im Innenverhältnis begrenzen soll. Zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber entsteht damit ein Treuhandverhältnis.
Merke
Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn die Abtretung mit Entfall des Sicherungszwecks auflösend bedingt ist. Da diese auflösende Bedingung in der Praxis eine Ausnahme ist, ist ein besonderer Begründungsaufwand erforderlich.

II. Abtretungsvorgang
Die Sicherungsabtretung setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen. Der Abtretung gemäß §§ 398 ff. BGB und dem Sicherungsvertrag.
1. Abtretung, §§ 398 ff. BGB
Für die Abtretung gelten die allgemeinen Regeln zur Abtretung. Den Lexikonartikel zur Abtretung findest du hier.
2. Sicherungsvertrag
Der Sicherungsvertrag ist die zusätzliche Komponente, welche aus der „normalen“ Abtretung gerade die Sicherungsabtretung schafft.
a) Gegenstand des Sicherungsvertrags
Ein Sicherungsvertrag ist die vertragliche Übereinkunft darüber, dass die Abtretung eine bestimmte Forderung besichern soll. Der Sicherungsvertrag ist zugleich Rechtsgrund für die Sicherungsabtretung. Ohne wirksamen Sicherungsvertrag kann die Forderung gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB herausgegeben werden.
b) Unterscheidung zwischen Außen- und Innenverhältnis
Während die Abtretung das Außenverhältnis darstellt (rechtliches „Können“) und dem Zessionar die volle Verfügungsmacht über die Forderung gibt, stellt der Sicherungsvertrag das Innenverhältnis (rechtliches „Dürfen“) dar.
Zwar ist eine Weiterübertragung aufgrund der vollumfänglichen Inhaberstellung des Zessionars möglich (Außenverhältnis), jedoch widerspricht dies in der Regel dem Sicherungsvertrag (Innenverhältnis). Entfällt der Sicherungszweck nämlich endgültig (etwa durch Bezahlung der gesicherten Forderung), so muss der Zessionar die Forderung wieder an den Zedenten zurück abtreten. Ist dies nicht möglich, so besteht ein vertraglicher Schadensersatzanspruch aus Sicherungsvertrag (§§ 280 ff. BGB) des Zedenten gegen den Zessionar (Innenverhältnis).
Merke
Ausnahmsweise kann die Weiterübertragung in Einklang mit dem Sicherungsvertrag stehen, wenn der Zedent/Sicherungsnehmer dem Zessionar/Dritten die Pflichten aus dem Sicherungsvertrag weiter auferlegt und so gewährt bleibt, dass der „ursprüngliche“ Forderungsinhaber/Sicherungsgeber seine Forderung zurückverlangen kann.
c) Inhaltskontrolle
Der Sicherungsvertrag unterliegt der Inhaltskontrolle gemäß §§ 134, 138 und 125 BGB. Da die Sicherungsabtretung auch formularmäßig erfolgen kann, ist auch die AGB-Kontrolle gemäß §§ 305 ff., insbesondere § 307 I BGB, zu bedenken.
Merke
Die Sicherungsabtretung ist ein legitimes Mittel zur Kreditsicherung, zumal die Privatautonomie grundsätzlich den Parteien gestattet „unfaire“ Verträge abzuschließen. Deshalb erfordert die Annahme einer Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) oder Unangemessenheit (§ 307 BGB) einen erheblichen Mehraufwand, der jedoch durch die Anwendung von Fallgruppen vermindert wird.
aa) Übersicherung
Zu unterscheiden ist die anfängliche und die nachträgliche Übersicherung.
aaa) Anfängliche Übersicherung
Steht schon bei Vertragsschluss fest, dass im Verwertungsfall ein auffälliges Missverhältnis zwischen realisierbarem Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung bestehen wird, so ist der Sicherungsvertrag gemäß § 138 I wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
bbb) Nachträgliche Übersicherung
Bei nachträglicher Übersicherung entsteht erst im Laufe der Zeit ein Missverhältnis zwischen dem realisierbaren Wert der Sicherheit und der gesicherten Forderung. Das kann einerseits dadurch passieren, dass der Kredit teilweise zurückgezahlt wurde, ohne dass im Gegenzug Sicherheiten freigegeben wurden. Denkbar ist andererseits aber auch, dass der Wert der Sicherheiten sich im Laufe der Zeit erhöht hat, ohne dass sich der Kreditrahmen erweitert hat. Hier verhilft der Sicherungsvertrag zur Lösung: Die Sicherungen, die das legitime Interesse des Sicherungsnehmers an Absicherung übersteigen, müssen rückübertragen werden (siehe dazu: „Rückübertragung“).
ccc) Ab wann liegt Übersicherung vor?
Wann letztlich eine Übersicherung vorliegt, erlaubt keine Pauschalisierung, sondern erfordert die Feststellung im Einzelfall. Als Faustregel gilt, dass der Sicherungsnehmer dann ausreichend abgesichert ist, wenn der Sicherungswert zwei Drittel des Nominalwerts der Forderungen beträgt. Dann besteht jedenfalls eine widerlegliche Vermutung für die Übersicherung.
Bedenke dabei jedoch, dass die Verwertung der Sicherheiten oftmals niedriger ausfällt als der Nennwert der Forderung.
Klausurtipp
Lässt sich der Sicherungsnehmer Forderungen in Höhe von 150.000 € (150 %) abtreten, um eine Forderung in Höhe von 100.000 € (100 %) abzusichern, dann liegt eine Übersicherung vor, soweit der Gegenbeweis nicht gelingt.
bb) Schuldnerknebelung
Diese insbesondere für das Factoring und die Globalzession relevante Fallgruppe sieht dann eine mögliche Sittenwidrigkeit vor, wenn der Sicherungsnehmer so in die Unternehmensführung (zum Beispiel durch Abtretungsverbote) eingreift, dass der Schuldner/Sicherungsgeber seine Freiheit zur wirtschaftlichen Unternehmensführung verliert. Der Sicherungsvertrag ist dann gemäß § 138 I BGB nichtig.
cc) Verleitung zum Vertragsbruch
Auch diese Fallgruppe ist insbesondere für das Factoring und die Globalzession interessant: Der Sicherungsvertrag ist wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 I BGB nichtig, wenn die Abtretung solcher Forderungen vorgesehen ist, welche branchenüblich auch von einem verlängertem Eigentumsvorbehalt erfasst sind (siehe zu diesem Problem auch den Beispielsfall zum Verhältnis von Globalzession und verlängertem Eigentumsvorbehalt). Indem der Schuldner also wegen dieses Sicherungsvertrags seine Forderung nicht im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehalts abtreten kann, wird er durch den Sicherungsnehmer zum Vertragsbruch verleitet.
d) Rückübertragung
Entfällt der Sicherungszweck endgültig (z. B.: vollständige Darlehensrückzahlung) ergibt sich aus dem Sicherungsvertrag zudem die Pflicht zur Rückübertragung (auch „Freigabe“) der Forderung. Entsprechend besteht bei Teilwegfall des Sicherungszwecks auch die Pflicht zur Teilfreigabe.
Aufgrund der treuhänderischen Bindung des Sicherungsnehmers ist eine ausdrückliche Vereinbarung hierfür nicht erforderlich.
Im seltenen Fall einer auflösend bedingten Sicherungsabtretung besteht kein obligatorischer Anspruch auf Rückübertragung, sondern die Forderung geht durch Eintritt der auflösenden Bedingung (§ 158 BGB) von selbst wieder auf den Zedenten über.
Merke
Es kann sogar sein, dass die Freigabe stillschweigend durch die Erfüllung der gesicherten Forderung erfolgte. Zur Feststellung ist eine Auslegung des Parteiwillens erforderlich.
III. Wirkung der Sicherungsabtretung
Besonderheiten ergeben sich im Vergleich zur „normalen“ Abtretung, insbesondere hinsichtlich Zwangsvollstreckung und Insolvenz.
1. Zwangsvollstreckung
Sofern der Sicherungsfall noch nicht eingetreten ist, kann der Zedent gegen die Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern des Zessionars mit einer Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO vorgehen.
Der Zessionar kann genauso durch Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO gegen die Zwangsvollstreckung der Gläubiger des Zedenten vorgehen.
2. Insolvenz
Kommt es zur Insolvenz des Zessionars, besteht ein Aussonderungsrecht des Zedenten gemäß § 47 InsO. Gemäß § 47 S. 1 InsO wird die Forderung also nicht Teil der Insolvenzmasse, sondern der Zessionar darf ungeachtet der insolvenzrechtlichen Bestimmungen vollstrecken (§ 47 S. 2 InsO).
Ist der Zedent insolvent, so hat der Zessionar (nur) das Recht auf Absonderung gemäß § 51 Nr. 1 InsO. Nach § 166 II InsO darf der Insolvenzverwalter die Forderung einziehen oder verwerten.
IV. Globalzession
Ausführungen zu der im Kreditsicherungsrecht relevanten Globalzession findest du im allgemeinen Schuldrecht.
V. Rechtsstellung des Drittschuldners
Für die Rechtsstellung des Drittschuldners, also demjenigen, der Schuldner des Zedenten beziehungsweise der abgetretenen Forderung ist, gelten die allgemeinen Regeln der §§ 407 ff. BGB.
Ausführungen hierzu findest du im Artikel zur Abtretung.