Constellatio Logo Icon
InhalteFeaturesKarteikartenPreisBlogNewsÜber unsAnmelden

Zivilrecht

/

Schuldrecht AT

/

Schadensersatz

Schadensersatz statt der Leistung wegen Nicht-/Schlechterfüllung

Teilgebiet

Schuldrecht AT

Thema

Schadensersatz

Tags

Schadensersatz
Frist
Differenzmethode
Surrogationsmethode
§ 280 BGB
§ 281 BGB
§ 286 BGB
Gliederung
  • I. Einführung

  • II. Voraussetzungen

    • 1. Vorab: Abgrenzung Schadensersatz statt vs. neben der Leistung

    • 2. Schuldverhältnis

    • 3. Pflichtverletzung

      • a) Teilleistung (§ 281 I 2 BGB)

      • b) Unerhebliche Pflichtverletzung (§ 281 I 3 BGB)

    • 4. Fristsetzung (§ 281 I 1 BGB)

      • a) Voraussetzungen einer wirksamen Fristsetzung

        • aa) Zeitpunkt der Fristsetzung

        • bb) Nennung eines konkreten Zeitraums

        • cc) Angemessenheit der Frist

        • dd) Erfolglosigkeit der Frist

        • ee) Fristsetzung vs. Mahnung

      • b) Entbehrlichkeit der Fristsetzung (§ 281 II BGB)

        • aa) Ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung (Fall 1)

        • bb) Besondere Umstände (Fall 2)

        • cc) Verzicht auf die Fristsetzung

    • 5. Vertretenmüssen

  • III. Rechtsfolgen

    • 1. Schadensersatz

    • 2. Erlöschen des Erfüllungsanspruchs (§ 281 IV BGB)

    • 3. Rückforderung des Geleisteten (§ 281 V BGB)

  • IV. Sonderprobleme

    • 1. Leistungsberechtigung des Schuldners nach Fristablauf

    • 2. „Hängepartie“ des Schuldners

    • 3. Nicht-/Schlechtleistung bis zum Fristablauf

    • 4. Schadensersatz statt der Leistung bei gegenseitigen Verträgen

    • 5. Vorzeitiger Deckungskauf

I. Einführung

§§ 280 I, III, 281 BGB regeln einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Störung von Leistungspflichten trotz Erbringbarkeit der Leistung.

Merke

Für alle anderen Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung - also bei Nichterbringbarkeit der Leistung aufgrund von Unmöglichkeit - sind die §§ 280 I, III, 283 BGB oder § 311a II BGB als Anspruchsgrundlagen einschlägig.

II. Voraussetzungen

Soweit es um die Tatbestandsvoraussetzungen geht, die sich aus § 280 I BGB ergeben, kannst du dir den entsprechenden Artikel durchlesen. An dieser Stelle vertiefen wir nur die spezifischen Voraussetzungen der §§ 280 II, 281 BGB.

Merke

Wie im Artikel zu § 280 I BGB ausgeführt, orientieren wir uns hier an der „integrierten“ Prüfung der §§ 280 I, III, 281 BGB.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

1. Vorab: Abgrenzung Schadensersatz statt vs. neben der Leistung

Zunächst musst du feststellen, dass du hier einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung prüfst. Dabei hilft dir die Kontrollfrage, die du aus dem Artikel zu § 280 I BGB kennst:

Würde die geltend gemachte Schadensposition durch ordnungsgemäße (Nach-)Erfüllung entfallen?

2. Schuldverhältnis

Hier bestehen keine Besonderheiten in der Prüfung im Verhältnis zu § 280 I BGB.

3. Pflichtverletzung

§ 281 I 1 BGB spezifiziert, worin eine Pflichtverletzung besteht, nämlich in der:

  • (behebbaren) Nichtleistung (Fall 1). Eine Nichtleistung liegt vor, wenn die vereinbarte Leistung vollständig nicht erbracht wurde.

  • (behebbaren) Schlechtleistung (Fall 2). Eine Schlechtleistung liegt vor, wenn der Schuldner eine Leistung erbracht hat, diese aber nicht der vertragsgemäßen Leistung entspricht.

a) Teilleistung (§ 281 I 2 BGB)

Teilleistungen (§ 266 BGB) berechtigen nur dann zum Schadensersatz statt der ganzen Leistung, wenn der Gläubiger an der Teilleistung kein Interesse hat.

Beispiel

Der Gläubiger kann die Leistung nur in Gänze verwenden, weil sie aus zwei aufeinander abgestimmten Produkten besteht.

Ist dies der Fall, erhält der Gläubiger entsprechend auch sein komplettes Erfüllungsinteresse ersetzt, Zug um Zug gegen Rückgabe der Teilleistung (§ 281 V BGB i.V.m. §§ 346 ff. BGB).

Andernfalls muss der Gläubiger die Teilleistung behalten und kann nur „kleinen“ Schadensersatz wegen der fehlenden Teilleistung verlangen. Er bemisst sich danach, welchen Wert die fehlende Teilleistung für den Gläubiger (und nicht etwa objektiv) hat. Auch die Kosten eines Deckungskaufs für die fehlende Teilleistung werden vom kleinen Schadensersatz erfasst. 

Merke

Auf den ersten Blick könnte man denken, dass die Regelung des § 281 I 2 BGB gegen den Wortlaut des § 266 BGB verstößt, da nach diesem der Schuldner grundsätzlich nicht zu Teilleistungen berechtigt ist. Der Unterschied liegt aber in der Gewichtung der Interessen. § 266 schützt den Gläubiger davor, eine Teilleistung annehmen zu müssen, die nicht dem Vertrag entspricht. § 281 I 2 BGB gibt dem Gläubiger demgegenüber die Möglichkeit, Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu verlangen, wenn die erbrachte Teilleistung für ihn keinen Nutzen hat. Damit wird der Schutz des Gläubigers darum ergänzt, dass eine Teilleistung für ihn praktisch wertlos ist.

§ 266 BGB und § 281 I 2 BGB widersprechen sich also nicht, sondern ergänzen sich.

b) Unerhebliche Pflichtverletzung (§ 281 I 3 BGB)

Auch wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist (§ 281 I 3 BGB) kann der Gläubiger nur kleinen Schadensersatz verlangen.  

Definition

Eine Pflichtverletzung ist unerheblich, wenn dem Gläubiger zugemutet werden kann, ein mangelhaftes Leistungsobjekt zu behalten, weil „das Leistungsinteresse des Gläubigers im Grunde nicht gestört ist“.

Beispiel

Mangelbeseitigung kostet weniger als 5 % des Kaufpreise

4. Fristsetzung (§ 281 I 1 BGB)

Der Gläubiger muss dem Schuldner eine Frist zur „Leistung oder Nacherfüllung“ gesetzt haben. Die Fristsetzung hat die Funktion, dem Schuldner zu verdeutlichen, dass der Gläubiger nur noch bis zum Ablauf der Fristen zuwarten will, bevor er Schadensersatz geltend macht. Zudem soll dem Schuldner zugleich eine Chance zu geben, die verpasste Leistungserfüllung nachzuholen.

Definition

Eine Fristsetzung im Sinne des § 281 I 1 BGB ist eine bestimmte und eindeutige Aufforderung des Gläubigers an den Schuldner, innerhalb einer (bestimmten) Frist zu leisten. Sie ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung.

Die Freisetzung muss inhaltlich „richtig“ sein. Der Gläubiger darf also weder mehr verlangen als ihm zusteht, noch etwas anderes. Tut er dies, hat die Fristsetzung keine Wirkung. Die Fristsetzung ist eine geschäftsähnliche, unwiderrufliche Handlung, deren Rechtsfolgen auch gegen den Willen des Erklärenden eintreten. 

Beachte aber, dass der Fristablauf noch nicht zum Erlöschen des Erfüllungsanspruchs führt. Da sie dem Erklärenden insofern noch keine Nachteile bringt, ist sie auch durch beschränkt Geschäftsfähige wirksam (§ 107 BGB analog).

a) Voraussetzungen einer wirksamen Fristsetzung

aa) Zeitpunkt der Fristsetzung

Die Fristsetzung ist frühestens „nach dem Eintritt der Fälligkeit“ möglich (§ 286 I 1 BGB analog). Allerdings kann sie mit Handlungen des Gläubigers verbunden werden, die die Fälligkeit begründen, wie der Abruf der Ware.

bb) Nennung eines konkreten Zeitraums

Die Nennung eines konkreten Zeitraums ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder vergleichbare Formulierungen deutlich macht, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung steht. 

cc) Angemessenheit der Frist

Die Frist soll einem sorgfältigen Schuldner eine letzte Gelegenheit zur Vertragserfüllung eröffnen: Wer die Leistung schon weitgehend vorbereitet hat, soll alle zur Vertragserfüllung erforderlichen Handlungen binnen der gesetzten Frist bei gehöriger Anstrengung vornehmen können. Die Setzung einer unangemessen kurzen Frist ist nicht unwirksam, sondern setzt eine angemessene Frist in Lauf.

dd) Erfolglosigkeit der Frist

Die Frist ist erfolglos bestimmt, wenn der Leistungserfolg nicht fristgerecht eintritt.

Merke

Es geht um den Leistungserfolg und nicht die Leistungshandlung

ee) Fristsetzung vs. Mahnung

Eine wirksame Fristsetzung enthält eine ernsthafte Leistungsaufforderung und ist damit steht auch immer eine Mahnung im Sinne des § 286 I 1 BGB.

Merke

Eine Fristsetzung ist aber immer ein „Mehr“ einer Mahnung, denn eine Mahnung führt lediglich dazu, dass der Gläubiger den Verzögerungsschaden geltend machen kann (§§ 280 I, II, 286 BGB), während die Fristsetzung dazu führt, dass der Gläubiger den Vertrag durch Rücktritt oder die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung komplett stornieren und sämtliche Schäden ersetzt verlangen kann.

b) Entbehrlichkeit der Fristsetzung (§ 281 II BGB)

In Einzelfällen ist eine Fristsetzung gemäß § 281 II BGB entbehrlich.

aa) Ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung (Fall 1)

Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Dafür genügt aber („ernsthaft und endgültig“) ein bloßes Bestreiten der Verpflichtung noch nicht. Vielmehr muss die Verweigerung „das letzte Wort“ des Schuldners darstellt und es als ausgeschlossen erscheint, dass der Schuldner sich von einer Fristsetzung noch umstimmen lässt.

Merke

Ein unberechtigtes Verlangen des Schadensersatzes statt der Leistung kann eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung im Sinne der §§ 281 II Fall 1, 323 II Nr. 1 BGB darstellen. Ein berechtigtes Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung würde die Rechtsfolgen des § 281 IV, V BGB (Erlöschen des Schuldverhältnisses) auslösen. Indem die andere Partei also unberechtigt Schadensersatz verlangt und dadurch nach § 281 IV BGB die Bindungswirkung des Schuldverhältnisses aufheben möchte, erklärt sie daher auch konkludent (objektivierte Auslegung, §§ 133, 157 BGB) die endgültige Verweigerung, die geschuldete Leistung zu erbringen.

bb) Besondere Umstände (Fall 2)

Besondere Umstände, die die Fristsetzung entbehrlich machen, sind solche, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

Beispiel

Arglistiges Verhalten des Schuldners, drohende weitere Schäden, Ware wird wegen Verzögerung unverkäuflich

cc) Verzicht auf die Fristsetzung

Ein Schuldner kann freilich auch privatautonom auf vertraglicher Basis auf das Fristsetzungserfordernis verzichten.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 309 Nr. 4 BGB an den § 281 II BGB, der eine AGB-rechtliche Unwirksamkeit eines solchen Verzichts bestimmt.

5. Vertretenmüssen

Hier gilt die Regelung des § 280 I 2 BGB. Das Vertretenmüssen des Schuldners wird vermutet, dieser kann sich allerdings exkulpieren.

Merke

Zeitlicher Bezugspunkt des Vertretenmüssens im Rahmen von §§ 280 I, III, 281 BGB

  • T.v.A.: Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Nichtleistung im Fälligkeitszeitpunkt. Dafür spricht, dass schon die Nichterfüllung bei Fälligkeit die initiale Pflichtverletzung darstellt. Die Fristsetzung dient lediglich der Abwehr des bereits im Kern entstandenen Schadensersatzanspruchs.

  • A.A.: Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Nichtleistung im Zeitpunkt des Fristablaufs. Dafür spricht, dass erst der Fristablauf zur Schadensersatzpflicht führt.

  • Beide Ansichten sind vertretbar und werden auch vertreten.

III. Rechtsfolgen

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

1. Schadensersatz

Der Schadensersatzanspruch entsteht mit Ablauf der Frist und richtet sich grundsätzlich nach den §§ 249 ff. BGB. Beachte aber, dass sich der Anspruch (abweichend vom Grundsatz der Naturalrestitution) von Anfang an nur auf Geld richtet. Eine Naturalrestitution (§ 249 I BGB) bestünde darin, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Die Erfüllung schließt aber den Anspruch auf die Leistung aus, sobald der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangt, § 281 IV BGB.

2. Erlöschen des Erfüllungsanspruchs (§ 281 IV BGB)

Durch das Verlangen des Gläubigers auf Schadensersatz statt der Leistung erlischt der Leistungsanspruch automatisch. Er muss sich also entscheiden, ob er den Schadensersatz oder die Erfüllung geltend machen will.

Merke

Das Verlangen ist eine geschäftsähnliche Handlung, daher erlischt der Primäranspruch auch gegen den Willen des Erklärenden. Dadurch, dass hiernach also ohne weiteres Zutun des Gläubigers der Anspruch erlischt, handelt es sich dabei um eine rechtlich nachteilige Handlung, die ein Minderjähriger grundsätzlich nicht vornehmen kann (§ 107 BGB analog).

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 107 BGB an den § 281 IV BGB, um dich an diesen Zusammenhang zu erinnern.

Die Rechtswirkung des § 281 IV BGB tritt auch ein, wenn kein Schaden (Rechtsfolge!) vorliegt. Es genügt das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs. Oft kann zum Zeitpunkt der Geltendmachung noch gar nicht bestimmt werden, ob und in welcher Höhe der Gläubiger einen Schaden erlitten hat. Liegen jedoch auch die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vor, hat das dann unberechtigte Verlangen keine Gestaltungswirkung; Der Primäranspruch erlischt nicht.

3. Rückforderung des Geleisteten (§ 281 V BGB)

Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, erhält der Schuldner seinerseits einen Anspruch auf Rückforderung des Geleisteten, ohne dass er den Rücktritt erklären muss.

Merke

Es handelt sich hierbei auch nicht um ein Rücktrittsrecht, sondern lediglich um eine Verweisung auf die Rechtsfolgen der §§ 346 ff. BGB (Rechtsfolgenverweis).

IV. Sonderprobleme

1. Leistungsberechtigung des Schuldners nach Fristablauf

Merke

Leistungsberechtigung des Schuldners nach Fristablauf im Rahmen des § 281 I BGB

  • Die Fristsetzung hat keine Gestaltungswirkung, sondern eröffnet nur Gestaltungsrechte. Bis zum Eintritt der Wirkung des § 281 IV BGB kann der Schuldner daher noch leisten. 

  • Contra: Die Fristsetzung gewährt dem Schuldner eine letzte Chance, die Gegenleistung zu verdienen. Diese Chance hat der Schuldner nicht genutzt. Daher hat er auch keine Leistungsberechtigung mehr. Hiergegen spricht jedoch die Regelung des § 281 IV BGB.

2. „Hängepartie“ des Schuldners

Der Fristablauf lässt die Leistungspflicht des Schuldners nicht entfallen - dies tut erst das Verlangen des Gläubigers (§ 281 IV BGB). Dies führt für den Schuldner zu dem (durch das Gesetz nicht aufgelösten) Problem, dass er sich um die Leistungserbringung bemühen muss, obwohl er weiß, dass sich seine Anstrengungen als sinnlos erweisen werden, sobald der Gläubiger zurücktritt oder seinen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung geltend macht. Dem Gläubiger steht bis zu seiner Entscheidung ein Wahlrecht zu.

3. Nicht-/Schlechtleistung bis zum Fristablauf

Im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung sind zwei zeitliche Phasen der Nichterfüllung der Leistung zu unterscheiden:

  • Der Schuldner leistet bei Fälligkeit nicht oder nicht wie geschuldet

  • Der Schuldner leistet nach Fälligkeit bis zum Fristablauf nicht oder nicht wie geschuldet.

Dabei stellt sich die Frage, ob es sich um mehrere Pflichtverletzungen mit eigenständiger Haftung und eigenständiger Prüfung des Vertretenmüssen handelt oder ob beide Phasen einheitlich zu betrachten sind.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Problem

Isolierte oder einheitliche Betrachtungsweise der Nicht- oder Schlechtleistung im Fälligkeitszeitpunkt und bei Fristablauf.

  • Isolierte Betrachtungsweise: Es handelt sich um zwei unterschiedliche Pflichtverletzungen, für die der Schuldner sich jeweils gesondert exkulpieren muss, wenn er der Haftung entgehen will.

  • Einheitliche Betrachtungsweise: Beide Phasen sind einheitlich zu betrachten. Der Schuldner verletzt „permanent“ seine Leistungspflicht und haftet nur dann nicht, wenn er sich für den gesamten Zeitraum von Fälligkeit bis zum Fristablauf exkulpieren kann.

  • Die isolierte Betrachtungsweise wird vorwiegend vertreten. Denn es ist nicht einzusehen, wieso der Schuldner, wenn er sich für die Nichtleistung zum Fälligkeitszeitpunkt exkulpieren kann, dennoch für den gesamten Zeitraum haften muss.

4. Schadensersatz statt der Leistung bei gegenseitigen Verträgen

Eine wichtige und klausurrelevante Konstellation ist die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung bei gegenseitigen Verträgen. 

Dann besteht die Frage, wie der Anspruch des Gläubigers zu bemessen ist. Denn es gibt zwei Möglichkeiten, wie der Gläubiger vorgehen kann:

  • Er erbringt seine Gegenleistung und macht das volle Erfüllungsinteresse in Höhe des Wertes der nichterfüllten Leistung geltend (Surrogationsmethode). Der Erfüllungsanspruch wird durch den Wertersatzanspruch „surrogiert“.

  • Er erbringt seine Gegenleistung nicht und verlangt die Differenz zwischen seinem Erfüllungsinteresse und dem Wert seiner Gegenleistung (Differenzmethode)

Durch die Differenztheorie wird der Schaden anhand zweier Rechnungsposten berechnet, während die Surrogationsmethode versucht, sich dem realen Zustand anzunähern, der bei ordnungsgemäßer Leistung vorgelegen hätte.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Nach herrschender Meinung besteht ein Wahlrecht des Gläubigers zwischen diesen beiden Alternativen. Dem steht auch § 281 IV BGB nicht entgegnen. Dieser regelt, dass der Anspruch auf die Leistung entfällt, wenn der Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird. Das bedeutet aber nicht, dass der Gläubiger nicht seine Leistung erbringen darf. Dieser kann ein berechtigtes Interesse daran haben, seine Gegenleistung zu erbringen - dies gilt vor allem dann, wenn die Gegenleistung in einer Sachleistung besteht.

Beispiel

Beispiel 1 (Tauschgeschäft)

Tausch eines Grüneberg (Wert: 100 Euro) gegen ein Lehrbuch im Wert von 80 Euro. Der Grüneberg geht durch Verschulden des Schuldners unter. Welche Ansprüche hat der Gläubiger?

  • Surrogationsmethode: Schadensersatz in Höhe von 100 Euro, Zug um Zug gegen Übereignung des Lehrbuchs.

  • Differenzmethode: Schadensersatz in Höhe von 20 Euro.

Beispiel 2 (Sachleistung wird nicht erfüllt)

Der Schuldner liefert dem Gläubiger eine Kaufsache nicht (Kaufpreis 18.000 €, Wert 20.000 €).

  • Surrogationsmethode: Anspruch des Gläubigers auf Wertersatz in Höhe von 20.000 €, Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 18.000 €

  • Differenzmethode: Schadensersatz in Höhe des Wertes zwischen Kaufpreis und Wert, mithin 2.000 €

Beispiel 3 (Zahlungsverpflichtung wird nicht erfüllt)

Schuldner zahlt trotz Fristsetzung den Kaufpreis nicht (Kaufpreis 20.000 €, Wert der Sache 18.000 €).

  • Surrogationsmethode: Anspruch des Gläubigers auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 20.000 €, Zug um Zug gegen Übereignung der Kaufsache im Wert von 18.000 €.

  • Differenzmethode: Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen dem geschuldeten Kaufpreis und dem Wert der Sache in Höhe von 2.000 €.

Beispiel 4 (Sachleistung wird nicht erfüllt, Preis ist bereits gezahlt)

Der Schuldner liefert die Kaufsache im Wert von 20.000 € nicht. Der Kaufpreis beträgt 18.000 € und wurde vom Gläubiger bereits bezahlt

  • Surrogationsmethode: Der Gläubiger hat einen Anspruch auf Zahlung des Wertes der Kaufsache in Höhe von 20.000 €

  • Differenzmethode: Um die Wertdifferenz zwischen der Kaufsache und dem bereits gezahlten Kaufpreis zu verlangen, muss der Gläubiger zunächst vom Kaufvertrag zurücktreten und den Kaufpreis in Höhe von 18.000 € zurückverlangen gemäß § 346 I BGB. Diesen Anspruch kann er dann mit dem Anspruch auf Wertersatz für die Kaufsache in Höhe von 20.000 € verrechnen.

5. Vorzeitiger Deckungskauf

Ein weiterer Sonderfall ist, dass der Gläubiger einen Deckungskauf tätigt, um sich anderweitig mit der Kaufsache einzudecken und dafür jedoch nicht den Fristablauf abwartet:

  • Leistet der Schuldner innerhalb der Frist, ist der Tatbestand der §§ 280 I, III, 281 BGB nicht erfüllt, da die Frist nicht „erfolglos abgelaufen“ ist (§ 281 I 1 BGB). Somit besteht kein Schadensersatzanspruch des Gläubigers hinsichtlich des Deckungskaufs. Er bleibt somit auf diesen Kosten „sitzen“.

  • Leistet der Schuldner nicht, ist der Tatbestand des § 280 I, III, 281 BGB erfüllt. Fraglich ist nun, ob die Pflichtverletzung des Schuldners kausal zum Schaden des Gläubigers in Gestalt der Kosten für den Deckungskauf geführt hat. Dies ist zu bejahen, wenn man insoweit auf den Zeitpunkt der Fälligkeit abstellt. Sie ist aber zu verneinen, wenn man auf den Zeitpunkt des Fristablaufs abstellt. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Gläubiger den Deckungskauf bereits getätigt. Der Wortlaut des § 281 I 1 BGB spricht aber dafür, dass der Zeitpunkt der Fälligkeit maßgeblich nicht („… soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht erbringt …“). Somit besteht hier ein kausaler Schaden, den der Gläubiger ersetzt verlangen kann.

Flag
Flag
Background lines

Bereit, Jura digital zu lernen?

Mach dir dein eigenes Bild unseres Digitalen Compagnons und erlebe, mit wie viel Freude man Jura im Jahr 2025 lernen kann.

Kostenlos ausprobieren

Ohne Zahlungsdaten