Constellatio Logo Icon
InhalteFeaturesKarteikartenPreisBlogNewsÜber unsAnmelden

Zivilrecht

/

Kreditsicherungsrecht

/

Personalsicherheiten

Regress unter mehreren Sicherungsgebern

Teilgebiet

Kreditsicherungsrecht

Thema

Personalsicherheiten

Tags

Kollision von Sicherheiten
Personalsicherheiten
Bürgschaft
§ 774 BGB
§ 426 BGB
§ 412 BGB
§ 401 BGB
Gliederung
  • I. Regress unter Bürgen (§§ 774 II, 426 BGB)

    • 1. Rechtslage ohne § 774 II BGB

    • 2. Rechtslage nach §§ 774 II, 426 BGB

    • 3. Höhe der Ausgleichung

  • II. Bürgschaft und Schuldbeitritt

    • 1. Problemaufriss

    • 2. Lösung

  • III. Kollision von Bürgschaft und (Real)-Sicherheit(en)

  • IV. „Weglauf der Sicherungsgeber“

  • V. Regress unter Sicherungsgebern verschiedener Realsicherheiten

Ist eine Forderung durch mehrere Sicherungsgeber mehrfach abgesichert, so stellt sich die Frage, wer in welcher Höhe gegen den Schuldner Regressansprüche hat.

I. Regress unter Bürgen (§§ 774 II, 426 BGB)

Mehrere Bürgen (=Mitbürgen) sind gemäß § 769 BGB, sofern nichts Abweichendes vereinbart ist, Gesamtschuldner. Gemäß § 421 S. 1 BGB kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Bürgen ganz oder teilweise fordern. Jeder Bürge kann die Leistung ganz oder teilweise erbringen.

1. Rechtslage ohne § 774 II BGB

Zentral ist die Vorschrift des § 774 II BGB, dessen Bedeutung jedoch erst klar wird, wenn die Vorschrift weggedacht wird: Befriedigt ein Mitbürge den Gläubiger, so ginge die gesicherte Forderung nach § 774 I 1 BGB auf den Mitbürgen über. Mit der Forderung gingen dann nach §§ 774 I 1, 412, 401 BGB die Ansprüche des Gläubigers gegen die anderen Bürgen auf den leistenden Mitbürgen über. Derjenige, der den Gläubiger also zuerst befriedigt, könnte bei dem/den anderen Bürgen in voller Höhe Regress nehmen. Es droht ein „Wettlauf der Sicherungsgeber“.

2. Rechtslage nach §§ 774 II, 426 BGB

Denken wir § 774 II BGB nun wieder hinzu: § 774 II BGB ordnet explizit an: 

Zitat

Mitbürgen haften einander nur nach § 426 BGB.

So wird der Wettlauf der Sicherungsgeber vermieden. Sie sind gemäß §§ 774 II, 426 I BGB im Verhältnis zueinander nur Teilschuldner gemäß § 420 BGB. Wer den Gläubiger zuerst befriedigt, kann bei den anderen Bürgen nur teilweise Regress nehmen.

Hinsichtlich der Legalzession nach §§ 774 II, 426 II 1 BGB bedeutet das, dass sie Forderung nur soweit auf den Leistenden über, als er von den übrigen Mitbürgen nach § 426 I BGB Ausgleichung verlangen kann.

3. Höhe der Ausgleichung

Ist die Bürgschaft unbeschränkt, so findet die Ausgleichung im Zweifel so statt, dass am Ende alle Bürgen zu gleichen Teilen belastet werden, § 426 I 1 BGB. Das gilt auch für identische Höchstbetragsbürgschaften, § 426 I 1 BGB.

Bei unterschiedlichen Höchstbetragsbürgschaften erfolgt die Belastung im Innenverhältnis proportional zum übernommenen Risiko im Außenverhältnis. Grund hierfür ist, dass die Risikobereitschaft im Außenverhältnis auch die Risiken und finale Belastung im Innenverhältnis bestimmt.

Beispiel

  • A und B haben gegenüber G gebürgt. Befriedigt ein Bürge den G ganz oder teilweise, kann der beim Anderen in Höhe der Hälfte der Zahlung Regress nehmen.

  • A hat in Höhe von 600.000 € gebürgt und B in Höhe von 300.000 €. Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass A im Außenverhältnis ein doppelt so hohes Risiko wie B eingegangen ist. A trägt daher 2/3 und B 1/3 des Gesamtrisikos.  Zahlt A an G 600.000€, so kann er von B 200.000 € verlangen. Zahlt A an G 300.000 €, so kann er von B 100.000 € verlangen. Zahlt B an G 300.000 €, so kann er von A 200.000 € verlangen.

II. Bürgschaft und Schuldbeitritt

Ähnlich wie der Mitbürgenregress ist auch der Regress zwischen Bürgen und Schuldbeitretenden zu behandeln.

1. Problemaufriss

Leistet der Mitschuldner, geht die Hauptforderung gemäß § 426 II 1 BGB in der Regel voll auf den Mitschuldner über und mit ihr gemäß §§ 426 II 1, 412, 401 BGB auch die Bürgschaftsforderung des Bürgen gegenüber G.

Leistet der Bürge, so geht die Hauptforderung nach § 774 I 1 BGB stets voll auf den Bürgen über und mit der Hauptforderung gemäß §§ 774 II, 426 II 1, 412, 401 BGB analog auch der Anspruch des G gegen den Mitschuldner. Auch hier droht also ein „Wettlauf der Sicherungsgeber“.

2. Lösung

Um diesen Wettlauf der Sicherungsgeber zu vermeiden, ist § 774 II BGB analog anzuwenden.

Die Höhe der Ausgleichung erfolgt wie bei Mitbürgen, also gemäß § 426 I 1 BGB im Zweifel zu gleichen Anteilen oder bei unterschiedlichen Haftsummen im Außenverhältnis proportional zum übernommenen Risiko. 

III. Kollision von Bürgschaft und (Real)-Sicherheit(en)

Leistet der Bürge, kommt es zur Legalzession der Hauptforderung gemäß § 774 I BGB, welche gemäß §§ 412, 401 BGB auch die Hypothek und das Pfandrecht erfasst.

Leistet der Eigentümer der Realsicherheit, kommt es zur Legalzession der Hauptforderung gemäß §§ 1143 I, 1225 S. 1 BGB, welche gemäß §§ 412, 401 BGB auch die Bürgschaft erfasst. 

Auch hier droht ein „Wettlauf der Sicherungsgeber“. Um diesen Wettlauf zu vermeiden, ist § 774 II BGB analog anzuwenden. Die Höhe der Ausgleichung erfolgt wie bei Mitbürgen.

Übrigens: Diese Vorgehensweise entspricht der heute ganz herrschenden Meinung.

Problem

Wettlauf der Sicherungsgeber

Fraglich ist, wie der Ausgleich zwischen zwei Sicherungsgebern aufzulösen ist, wenn der eine den Gläubiger befriedigt und vollen Regress beim anderen Sicherungsgeber nehmen will.

  • M.M.: Keine Korrektur erforderlich | Argument: Gegen eine Korrektur des Ergebnisses und somit für einen unbeschränkten Regress des Leistenden spricht, dass dies schlicht die gesetzliche Folge ist. Es gibt keine grundsätzlichen oder Billigkeitsargumente von dem insoweit geltenden „Prioritätsprinzip“ abzuweichen, das auch an anderer Stelle des Gesetzes (bspw. §§ 879, 1209 BGB) gilt. Außerdem ist der Anreiz einer schnellen Befriedigung des Gläubigers auch gewollt. | Gegenargument: Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass es eben doch unbillig ist, wenn der Sicherungsgeber voll haften muss, der zufälligerweise nicht als Erster geleistet hat.

  • T.v.A.: Privilegierung des Bürgen | Argument: Es wird auch vertreten, dass der Bürge voll privilegiert wird und umfassenden Regress bei den sonstigen Sicherungsgebern nehmen kann. Dies könnte auf § 776 BGB gestützt werden, dem eine grundlegende Bevorzugung von (persönlich haftenden) Bürgen entnommen werden kann, der aufgrund eben dieser persönlichen Haftung ein stärkeres Risiko trägt als der dingliche Sicherungsgeber, der nur mit einem konkreten Gegenstand haftet. | Gegenargument: Hiergegen spricht, doch, dass § 776 BGB nur das Verhältnis zwischen Bürge und Gläubiger regelt und keine allgemeingültige Aussage darüber trifft, dass der Bürge insgesamt bevorzugt werden soll im Verhältnis zu anderen Sicherungsgebern. Im Übrigen ist sich der Sicherungsgeber, der persönlich haftet, über diese Rechtsfolge im Klaren und ist sie auch freiwillig eingegangen. Der Verlust insbesondere eines Grundstücks bei der Zwangsvollstreckung in eine dingliche Sicherheit ist im Übrigen nicht minder existenzgefährdend. Eine generelle Besserstellung des Bürgen aufgrund einer „altruistischeren“ Position ist ebenfalls kein Argument, da auch andere Sicherungsgeber aus den gleichen Motiven heraus handeln wie ein Bürge.

  • H.M.: Anteiliger Ausgleich | Argument: Ein interessengerechter Ausgleich ist nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass ein anteiliger Ausgleich zwischen verschiedenen Sicherungsgebern geschaffen wird, indem man die Grundsätze der Gesamtschuld gemäß §§ 421 ff. BGB anwendet. Man kann das Verhältnis zwischen verschiedenen akzessorischen Sicherungsgebern insoweit als gesamtschuldähnliches Verhältnis ansehen, das insbesondere die analoge Anwendung des Gesamtschuldnerregresses gemäß §§ 774 II, 426 I BGB analog rechtfertigt. Auch Bürge und dinglicher Sicherungsgeber stehen sich wirtschaftlich betrachtet nahe: Denn auch der dingliche Sicherungsgeber wird versuchen, durch eine Geldzahlung die Zwangsvollstreckung abzuwenden. §§ 774 II, 1225 S. 2 BGB, die jeweils auf die Gesamtschuld verweisen, sind hiernach ein allgemeines Rechtsprinzip, das ausdrückt, dass ein Ausgleich zwischen mehreren Sicherungsgebern gewollt ist.



Bearbeite zu diesem Problem Fall 6 im Kreditsicherungsrecht, um die Konstellation nachzuvollziehen.

IV. „Weglauf der Sicherungsgeber“

Beim Zusammentreffen einer akzessorischen Sicherheit (Beispiel: Bürgschaft) und einer nicht akzessorischen Sicherheit (Beispiel: Sicherungsübereignung) entsteht ein ähnliches Problem wie beim „Wettlauf der Sicherungsgeber“:

Während der zahlende Bürge wegen des Forderungsübergangs mitsamt Übergang der nicht akzessorischen Sicherheit gemäß §§ 774, 412, 401 BGB analog ein Interesse an der Begleichung der Hauptforderung hat, hat der Sicherungsgeber der nicht akzessorischen Sicherheit mangels gesetzlichen Forderungsübergang kein Interesse an der Begleichung. Begleicht der Sicherungsgeber der nicht akzessorischen Sicherheit die Forderung, hat er also keinen Rückgriff gegen den Bürgen. Um dieses als „Weglauf der Sicherungsgeber“ bezeichnete und interessenwidrige Zufallsergebnis zu vermeiden, kommt eine analoge Anwendung des § 426 BGB in Betracht.

Zwar lässt sich gegen die analoge Anwendung einwenden, dass zwischen akzessorischen Sicherungsgeber und nicht akzessorischem Sicherungsgeber keine Gleichstufigkeit (und somit auch keine Gesamtschuld) mit der Begründung vorliegt, dass der Sicherungsgeber einer nicht akzessorischen Realsicherheit nur hinsichtlich der Sache haftet, der Bürge jedoch die Zahlung einer Geldsumme in Form einer persönlichen (!) Haftung schuldet.

Dass hier jedoch kein Systembruch stattfindet, beweist § 1225 S. 2 BGB, welcher für die Realsicherheit des Pfandrechts über § 774 BGB die Anwendbarkeit der §§ 421 ff. BGB vorsieht.

Im Ergebnis besteht also nebst planwidriger Regelungslücke (= drohender „Weglauf der Sicherungsgeber“) auch eine vergleichbare Interessenlage (= Ähnlichkeit von Bürgschaft und Realsicherheit). Die analoge Anwendung von § 426 BGB ist also anzustrengen.

Bearbeite zu diesem Problem Fall 4 im Kreditsicherungsrecht, um die Konstellation nachzuvollziehen.

V. Regress unter Sicherungsgebern verschiedener Realsicherheiten

Eine weitere prüfungsrelevante Konstellation ist, dass zwei unterschiedliche Realsicherheiten aufeinandertreffen. Mehr dazu findest du in diesem Artikel im Sachenrecht.

Flag
Flag
Background lines

Bereit, Jura digital zu lernen?

Mach dir dein eigenes Bild unseres Digitalen Compagnons und erlebe, mit wie viel Freude man Jura im Jahr 2025 lernen kann.

Kostenlos ausprobieren

Ohne Zahlungsdaten