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Deliktsarten

Regelbeispiele

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Regelbeispiele
Tatbestandsähnlichkeit
Qualifikation
Strafzumessung
Grunddelikt
Erfolgsqualifikation
§ 22 StGB
§ 23 StGB
§ 242 StGB
§ 243 StGB
§ 263 StGB
Gliederung
  • I. Allgemeines

  • II. Prüfung des verwirklichten Regelbeispiels

  • III. Prüfung des “versuchten” Regelbeispiels

    • 1. Grunddelikt ist versucht, das Regelbeispiel ist verwirklicht

      • a) Normalfall

      • b) Sonderfall: Zeitliche Zäsur zwischen Regelbeispiel und Grunddelikt

    • 2. Grunddelikt ist versucht, das Regelbeispiel ist nicht vollständig verwirklicht

    • 3. Grunddelikt ist vollendet, das Regelbeispiel ist nicht vollständig verwirklicht

Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Regelbeispielen. Regelbeispiele spielen in Examensklausuren oftmals eine große Rolle. Das liegt daran, dass sie in der Prüfung besonders gehandhabt werden müssen. So müssen etwa ein besonderer Prüfungsstandort berücksichtigt werden und zudem gibt es mehrere Probleme in Kombination mit dem Versuch.

I. Allgemeines

Regelbeispiele gehören nicht zum Tatbestand einer Norm. Sie sind Abwandlungen nicht tatbestandlicher Art. Anders als Abwandlungen tatbestandlicher Art (Qualifikationen, Privilegierungen), werden sie in der Prüfung nicht dem objektiven Tatbestand zugeordnet, sondern werden nach der Schuld gesondert als Strafzumessungsaspekt geprüft. Wird ein Regelbeispiel nämlich erfüllt, wirkt sich das straferhöhend aus.

Beispiel

  • § 243 I 1, 2 Nr. 1-7 StGB

  • § 263 III 1, 2 Nr. 1-5 StGB

Der folgende Artikel stellt das grundlegende Konzept der Regelbeispiele anhand des § 243 I 1, 2 Nr. 1 StGB dar, der auch die höchste Examensrelevanz hat.

II. Prüfung des verwirklichten Regelbeispiels

Regelbeispiele werden in der Literatur unterschiedlich behandelt. Aufgrund der besonders von der Rechtsprechung vertretenen Ansicht der Tatbestandsähnlichkeit bietet sich aber ein mit den Grundtatbeständen vergleichbarer Prüfungsaufbau an. Dieser wird in den sogenannten Quasi-Tatbestand und den Quasi-Vorsatz untergliedert.

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Im Quasi-Tatbestand müssen die objektiven Merkmale des Regelbeispiels gleich dem Grundtatbestand definiert und subsumiert werden. Im Rahmen des Quasi-Vorsatzes werden die §§ 15, 16 StGB zugunsten des Täters analog angewendet. Das bedeutet, dass der Täter auch hinsichtlich der Verwirklichung des Regelbeispiels (quasi-)vorsätzlich handeln muss. Fahrlässigkeit genügt mit Blick auf § 15 StGB nicht. Diese Analogie privilegiert den Täter folglich, sodass kein Verstoß gegen den Grundsatz des Verbots der täterbelastenden Analogie zu befürchten ist.

Klausurtipp

Auch wenn es kleinlich wirkt, sollte dem Prüfer in der Klausur in jedem Fall klargemacht werden, dass die Unterschiede hinsichtlich des Regelbeispiels und des Grunddelikts beherrscht werden.

III. Prüfung des “versuchten” Regelbeispiels

Grundsätzlich ist der Versuch eines Regelbeispiels nicht strafbar, weil das Regelbeispiel anders als eine Qualifikation keinen eigenständigen Tatbestand im Sinne des § 22 StGB aufweist (“zur Verwirklichung des Tatbestands ansetzt”). Dennoch sind drei Konstellationen denkbar, die Grunddelikt, Regelbeispiel und Versuch kombinieren.

Vernetztes Lernen

Hier können wunderbar Parallelen zur Kombination von Versuch und Erfolgsqualifikation gezogen werden. Auch im Rahmen der Erfolgsqualifikationen sind drei Konstellationen denkbar, die sehr den hier aufgeführten Konstellationen ähneln.

Anders als bei den Erfolgsdelikten geht es im Rahmen der Regelbeispiele aber darum, ob ein Regelbeispiel seine Indizwirkung entfaltet und ein besonders schwerer Fall angenommen werden kann. Denkbar sind folgende Konstellationen:

1. Grunddelikt ist versucht, das Regelbeispiel ist verwirklicht

a) Normalfall

Ist das Grunddelikt versucht und das Regelbeispiel verwirklicht, liegt in der Regel unproblematisch ein Versuch des Diebstahls in besonders schwerem Fall vor (§§ 242 I, II, 22, 243 I 1, 2 Nr. 1-7 StGB). Das liegt daran, dass durch das Verwirklichen des Regelbeispiels meistens auch zum Grunddelikt unmittelbar angesetzt wird. In diesem Fall ist zunächst der Versuch des Grunddelikts und anschließend das “vollendete” Regelbeispiel zu prüfen.

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Beispiel

T braucht neue Möbel und überlegt sich, nachts in den IKEA um die Ecke einzubrechen. Er will sich zwei neue Lampen mitnehmen. T macht sich nachts an einem Seitenfenster des IKEA zu schaffen und es gelingt ihm, mit einem Brecheisen das Fenster aufzuhebeln, hinter dem er sich die Beleuchtungsabteilung vorstellt. Nachdem T durch das Fenster eingestiegen ist, wird er von einer Polizeistreife erwischt und verhaftet, noch bevor er die Lampen aus der Beleuchtungsabteilung entwenden kann.

Diese Konstellation ist für die Annahme eines versuchten besonders schweren Diebstahls (§§ 242 I, II 22, 243 I 1, 2 Nr. 1 StGB) unproblematisch. Das Regelbeispiel ist verwirklicht, weil T mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug in ein Gebäude eingedrungen ist. T hat zum Diebstahl unmittelbar angesetzt, weil er bereits in der Beleuchtungsabteilung war und keine wesentlichen Zwischenschritte mehr bis zur Wegnahme ersichtlich sind.

b) Sonderfall: Zeitliche Zäsur zwischen Regelbeispiel und Grunddelikt

Eine Sonderkonstellation besteht, wenn zwischen verwirklichtem Regelbeispiel und Versuch des Grunddelikts eine zeitliche Zäsur steht.

Beispiel

T will ein teures großes Gemälde aus dem Haus des O stehlen, während dieser im Urlaub ist. Dafür bricht er die verschlossene Seitentür des Hauses mit einer Brechstange auf. T will drei Tage später mit einem großen Bulli vorfahren und das Gemälde mitnehmen. Bevor T am dritten Tag zur Tat schreiten kann, wird er von der zwischenzeitlich informierten Polizei bei sich zu Hause festgenommen.

Aufgrund der zeitlichen Zäsur zwischen Verwirklichung des Regelbeispiels (Aufbrechen der Seitentür) und der eigentlichen tatbestandlichen Handlung des Diebstahls (Wegnahme) stellt sich die Frage, ob die Verwirklichung des Regelbeispiels immer auch das unmittelbare Ansetzen zur Tat darstellt. Diese Frage ist umstritten.

Problem

Strafbarkeit bei verwirklichtem Regelbeispiel, aber zeitlicher Zäsur zum Grunddelikt:

  • Nach einer Ansicht soll die Verwirklichung des Regelbeispiels stets das unmittelbare Ansetzen zur Grundtat darstellen. Regelbeispiele seien tatbestandsähnlich und damit als Teil des Grundtatbestandes zu werten.

  • Nach der herrschenden Meinung kann die Verwirklichung einer Strafzumessungsregel grundsätzlich nicht das unmittelbare Ansetzen zur Grundtat begründen, da Regelspiele nicht Teil des Grundtatbestandes sind.

  • Stellungnahme: Trotz Verwirklichung eines Regelbeispiels kann zumindest bei großer zeitlicher Zäsur kein unmittelbares Ansetzen zur Grundtat begründet werden. Es wäre unbillig, den Täter vor Eintritt in das Versuchsstadium des Grunddelikts bereits zu bestrafen, weil eine konkrete Gefährdung für das Rechtsgut, das durch das Grunddelikt geschützt wird, nicht vorliegt und sich auch die subjektive Entschlossenheit des Täters noch ändern kann.

Bei großer zeitlicher Zäsur liegt meist keine konkrete Gefährdung für das betroffene Schutzgut vor. Außerdem müssen in diesen Fällen auch aus Tätersicht noch wesentliche Zwischenschritte vorgenommen werden. Will der Täter aber direkt im Anschluss an die Verwirklichung des Regelbeispiels die Grundtat verwirklichen, muss genau geprüft werden, ob wesentliche Zwischenschritte aus Tätersicht gemacht werden müssen und eine hinreichende Gefährdung für das Rechtsgut, das durch das Grunddelikt geschützt wird, besteht. Häufig kann in diesem Fall dann auch ein unmittelbares Ansetzen zum Grunddelikt angenommen werden.

Klausurtipp

In dieser Konstellation muss im Prüfungspunkt des unmittelbaren Ansetzens zunächst festgestellt werden, dass zum Grunddelikt nicht unmittelbar angesetzt wurde. Sodann ist die Frage aufzuwerfen, ob das zeitlich vorgelagerte verwirklichte Regelbeispiel nicht das unmittelbare Ansetzen der Tat darstellen kann. Hier muss dann der Streit geprüft werden. Zu einer Prüfung des Regelbeispiels kommt es nicht mehr, wenn der oben dargestellten Argumentation gefolgt wird. Ansonsten müsste schon an dieser Stelle die Verwirklichung des Regelbeispiels inzident geprüft werden.

2. Grunddelikt ist versucht, das Regelbeispiel ist nicht vollständig verwirklicht

Beispiel

T braucht neue Möbel und überlegt sich, nachts in den IKEA um die Ecke einzubrechen. Er hat die Absicht, sich zwei neue Lampen mitzunehmenn. T macht sich nachts an einem Seitenfenster des IKEA zu schaffen, um mit einem Brecheisen das Fenster aufzuhebeln, hinter dem er sich die Beleuchtungsabteilung vorstellt. Noch bevor T das Fenster aufhebeln kann, wird er von einer Polizeistreife erwischt und verhaftet.

Im obigen Beispiel hat T durch den Versuch des Aufhebelns des Fensters unmittelbar zum Diebstahl (§ 242 I StGB) angesetzt. Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus §§ 242 I, II, 22 StGB. Weil T zur Realisierung seines Vorhabens in ein Gebäude mittels eines Werkzeugs eindringen wollte, das nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmt ist, wollte T auch das Regelbeispiel des § 243 I 1, 2 Nr. 1 Var. 1 StGB verwirklichen. Fraglich ist also, ob das Regelbeispiel seine Indizwirkung entfaltet und straferhöhend berücksichtigt werden kann, obwohl das Regelbeispiel nicht vollends verwirklicht wurde.

Problem

“Versuch” des Regelbeispiels

Umstritten ist, ob das Regelbeispiel straferhöhend berücksichtigt werden kann, obwohl es nicht vollständig verwirklicht wurde.

  • Die Rechtsprechung vertritt, dass das Regelbeispiel auch in einem solchen Fall seine Indizwirkung entfaltet. Es liege ein versuchter Diebstahl im besonders schweren Fall vor. Begründet wird das mit einer “Tatbestandsähnlichkeit” der Regelbeispiele, die den Versuch eines Regelbeispiels möglich machen.

  • Die herrschende Literatur nach soll ein Regelbeispiel hingegen nur dann seine Indizwirkung entfalten können, wenn dieses vollständig verwirklicht wurde. Ein Regelbeispiel weise keinen eigenständigen Qualifikationstatbestand auf, sondern sei lediglich eine Strafzumessungsregel.

  • Stellungnahme: Regelbeispiele sind ihrem Wortlaut nach schon keine eigenständigen Delikte, sondern kodifizierte Strafzumessungsregeln. Der Wortlaut des § 22 StGB setzt eindeutig eine “Tat” voraus; wer die Versuchsstrafbarkeit wegen einer “Tatbestandsähnlichkeit” übertragen will, verstößt gegen das Verbot der täterbelastenden Analogie.

Im Ergebnis wird also empfohlen, eine Versuchsstrafbarkeit der Regelbeispiele abzulehnen, wenn das Regelbeispiel nicht vollständig verwirklicht ist. Im Beispiel hat sich T also nur wegen versuchten Diebstahls strafbar gemacht.

Für die Prüfung bedeutet das:

  • Zunächst den Versuch des Grunddelikts prüfen

  • Direkt im Anschluss den Versuch des Regelbeispiels unter Darstellung des Streits ablehnen.

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3. Grunddelikt ist vollendet, das Regelbeispiel ist nicht vollständig verwirklicht

Beispiel

T braucht neue Möbel und überlegt sich, nachts in den IKEA um die Ecke einzubrechen. Er will sich zwei neue Lampen mitnehmen. T macht sich nachts an einem Seitenfenster des IKEA zu schaffen, um mit einem Brecheisen das Fenster aufzuhebeln, hinter dem er sich die Beleuchtungsabteilung vorstellt. Als T gerade dabei ist, das Fenster zu öffnen, bemerkt er, dass die Seitentür gar nicht verschlossen ist und betritt den IKEA ordnungsgemäß durch die Tür. T entwendet zwei Lampen und geht zufrieden nach Hause.

Auch in diesem Beispiel ist das Regelbeispiel nicht vollständig verwirklicht, sodass diese Konstellation grundsätzlich nicht anders behandelt werden kann als die zuvor dargestellte. Es liegt folglich nur ein vollendeter Diebstahl vor.

Für die Prüfung bedeutet das:

  • Zunächst das vollendete Grunddelikt prüfen

  • Direkt im Anschluss den Versuch des Regelbeispiels unter Darstellung des Streits ablehnen.

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Merke

Der Umgang mit Regelbeispielen ist nicht schwer zu verstehen, allerdings sollte die Systematik und die differierende Argumentation im Verhältnis zur Behandlung der Erfolgsqualifikationen beherrscht werden. Eine Eselsbrücke lässt sich aber dennoch gut bauen.

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