I. Einführung
1. Zentrale Rechtsfolgen
In den §§ 346 ff. BGB sind die Rechtsfolgen des Rücktritts geregelt. Kern der Regelungen ist, die Parteien so zu stellen, wie sie vor dem wechselseitigen Leistungsaustausch standen. Die Rechtsfolgen sollen aber nicht automatisch eintreten, sondern erst durch die Erklärung des Rücktritts (§ 349 BGB) durch den Berechtigten.
Zentrale Rechtsfolge ist, dass die Primärpflichten erlöschen, auch wenn dies ausdrücklich so nicht normiert ist. Ein wirksamer Rücktritt begründet eine rechtsvernichtende Einwendung gegen noch nicht erfüllte Primäransprüche. Das Schuldverhältnis selbst erlischt jedoch nicht, sondern wandelt sich in ein Rückgewährschuldverhältnis.
Merke
Diese Unterscheidung ist wichtig! Denn oft wird das Erlöschen der Primärleistungspflichten mit dem Erlöschen des Schuldverhältnisses gleichgesetzt. Die Umwandlung des Schuldverhältnisses hat vor allem Konsequenzen für die §§ 812 ff. BGB, die aufgrund dieser Tatsache nicht anwendbar sind, da trotz Rücktritt der Rechtsgrund nicht entfällt.

§§ 346 f. BGB gewähren beiden Parteien (also Rücktrittsberechtigtem und Rücktrittsgegner) die folgenden Ansprüche.

2. Terminologie
Schuldner (oder: Rückgewährschuldner) im Sinne der §§ 346 ff. BGB ist, wer etwas zurückzugewähren, respektive (wertmäßig) zu ersetzen hat. Gläubiger (oder: Rückgewährgläubiger) ist, wer den entsprechenden Anspruch aufgrund des Rücktritts hat.
Dabei ist zu beachten, dass bei einem wechselseitigen Vertrag auch der Rücktrittsberechtigte Schuldner in diesem Sinne sein kann, je nach Bezugspunkt des Rückgewährschuldverhältnisses.
Merke
Der jeweilige Schuldner trägt die Leistungsgefahr für seine jeweilige Rückabwicklungspflicht, denn auch wenn er nicht leisten kann, muss er gemäß § 346 II BGB Wertersatz leisten. Ausnahme: § 346 III 1 Nr. 3 BGB. Mehr zum Begriff der Gefahrenverteilung findest du hier.
3. Anwendbarkeit der §§ 346 ff. BGB
Die §§ 346 ff. BGB sind einerseits anwendbar, wenn eine der Vertragsparteien zurücktritt. Sie gelten aber auch dann, wenn an anderen Stellen des BGB auf sie verwiesen wird.
Beispiel
Erstattung des Minderbetrags bei der Minderung (§§ 441 IV, 638 IV BGB), Rückgewähr der Gegenleistung bei Unmöglichkeit der Leistung (§ 326 IV BGB), Rückgewähr der mangelhaften Leistung bei Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangt (§ 281 V BGB), Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Ersatzlieferung (§§ 439 V, 635 IV BGB).
II. Rechtsfolgen
1. § 346 I Fall 1 BGB: Rückgewähr empfangener Leistungen
Empfangene Leistungen sind gemäß § 346 I BGB zurückzugewähren, soweit sie in Natur zurückgewährt werden können.
Beispiel
Eigentum kann durch Rückübereignung zurückgewährt werden, eine Dienstleistung, die eben gerade in der Vornahme einer Handlung besteht, kann nicht „zurückgeleistet“ werden.
Ist dies nicht möglich, ist gemäß § 346 II BGB Wertersatz zu leisten.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 275 I BGB an den § 346 II BGB, um dich an den Zusammenhang zwischen diesen Normen zu erinnern.
a) Rückgewähr bei Vornahme von Änderungen
Problem
Rückgewähr gemäß § 346 I BGB bei Vornahme von Änderungen
M.M.: Das Rücktrittsfolgenrecht soll den status quo ante herstellen. Daher müssen auch zwischenzeitlich vorgenommene Änderungen rückgängig gemacht werden.
H.M.: Dem Schuldner sollen keine Pflichten auferlegt werden, die einer Schadensersatzverpflichtung gleichkommen. Soweit Änderungen vorgenommen werden, ist daher gemäß § 346 II 1 Nr. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Die Norm ist insoweit eindeutig und regelt den Wertersatz unabhängig davon, ob die Leistung rückgängig zu machen ist oder nicht.
b) Rückgewähr bei Belastungen
Problem
Rückgewähr gemäß § 346 I BGB bei Belastungen
Soweit eine Belastung rückgängig gemacht werden kann, ist dies zu tun. Der Rückgewährschuldner schuldet dann Rückgewähr und Nutzungsherausgabe gemäß § 346 I BGB statt Wertersatz gemäß § 346 II BGB. Denn eine Belastung einer Sache ist auch eine Nutzung dieser Sache, die herauszugeben ist. Nur wenn die Belastung nicht rückgängig zu machen (also unmöglich) ist, greift § 346 II BGB.
2. § 346 I Fall 2 BGB: Herausgabe gezogener Nutzungen
Der Gläubiger muss die Nutzungen herausgeben, die er aus dem Objekt des Rückgewährschuldverhältnisses gezogen hat - dabei ist zu beachten, dass „herausgeben“ sich nicht nur auf dir Rückgewähr des Objekts in Natur, sondern auch auf die Leistung von Wertersatz bezieht.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir die §§ 100, 99 BGB an den § 346 I BGB, um dich daran zu erinnern, die Voraussetzungen und die Definition des Begriffes der Nutzungen zu prüfen.
Der Wert einer Nutzung ist nach Ansicht des BGH wie folgt zu bestimmen: „Der Wert gezogener Gebrauchsvorteile berechnet sich anhand der zeitanteiligen linearen Wertminderung der Sache im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer.“
Klausurtipp
Wenn die genaue Wertbestimmung in der Klausur zu problematisieren ist, wird dir der Sachverhalt entsprechende Hinweise geben.
Beachte dabei, dass es dabei hinsichtlich des Wertes der Nutzungen nicht um Wertersatz im Sinne des § 346 II 1 Nr. 1 BGB geht, sondern dass die Nutzung, die herauszugeben ist, nun mal einen Wert hat, der nicht physisch herauszugeben ist, sondern abgeschöpft wird.
Beispiel
Ist ein Bauwerk 100 Jahre nutzbar, beträgt der Wertersatz für 1 Jahr Nutzung 1 % der (eventuell geminderten) Gegenleistung.
3. § 346 II BGB: Wertersatz
Gemäß § 346 II BGB wird Wertersatz geschuldet, wenn die Rückgewähr oder Herausgabe unmöglich ist.

a) § 346 II 1 Nr. 1 BGB
Nr. 1 bezieht sich auf die Unmöglichkeit der Herausgabe der empfangenen Leistung (also § 346 I 1 Fall 1 BGB).
Beispiel
Dienst- oder Werkleistung, Gebrauchsüberlassung
b) § 346 II 1 Nr. 2 BGB
Beachte hier (siehe oben), dass diese Norm unabhängig davon greift, ob die Herausgabe selbst unmöglich geworden ist.
Problem
Darf der Rückgewährschuldner, der gemäß § 346 II Nr. 2 BGB Wertersatz zu leisten hat, die Veränderung rückgängig machen, um seiner Wertersatzhaftung zu entgehen? Das Gesetz selbst sagt nichts dazu, aber ein eventuelles Interesse des Rückgewährgläubigers, statt seiner erbrachten Leistung Geldersatz zu erhalten, ist nicht schützenswert.
c) § 346 II 1 Nr. 3 Hs. 1 BGB
§ 346 II 1 Nr. 3 BGB ist als Auffangvariante zu § 346 I 1 Alt. 2 BGB zu verstehen und umfasst alle Werteinbußen, die nicht schon von dieser Fallgruppe umfasst werden: Abnutzung durch bestimmungsgemäße Verwendung wird schon nach § 346 I 1 Fall 2 BGB abgegolten.
Klausurtipp
„Untergang“ meint nicht nur die physische Zerstörung einer Sache oder das Erlöschen eines Rechts, sondern jegliche Unmöglichkeit der Rückgewähr, wie zum Beispiel bei Verlust oder Diebstahl.
d) § 346 II 1 Nr. 3 Hs. 2 BGB
§ 346 II 1 Nr. 3 Hs. 2 betrifft nicht Gebrauchsrisiken als solche, sondern nur den durch die erstmalige Ingebrauchnahme entstandenen Wertverlust (wie zum Beispiel den „Zulassungsschaden“ bei erstmaliger Zulassung eines Pkw).
e) Berechnung des Wertersatzes (§ 346 II 2 BGB)
§ 346 II 2 BGB bestimmt, dass bei der Berechnung des Wertersatzes der Wert der im Vertrag bestimmten Gegenleistung zugrunde zu legen ist.
Problem
Wertbestimmung im Rahmen des § 346 II 2 BGB bei Abweichung von Wert und Gegenleistung
H.M.: Gemäß § 346 II 2 BGB ist der Wert Gegenleistung zugrunde zu legen. Die Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis beendet nicht die Bindung an die von den Parteien privatautonom getroffene Entscheidung über das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung.
M.M.: § 346 II 2 BGB spricht nur davon, den Wert der Gegenleistung „zugrunde zu legen“ - Bei einem Unterschied zwischen Wert und Höhe der Gegenleistung muss davon abweichend aber der Wert der Sache ersetzt werden. Denn bei einer Rückabwicklung in Natur müsste der Beklagte die Sache selbst zurückübereignen. Außerdem müsste der Schuldner im Rahmen des § 285 BGB bei Weiterveräußerung der Sache auch insoweit den Erlös auskehren, als er die Gegenleistung übersteigt.
Für die herrschende Meinung spricht, dass der Gläubiger der Leistung nicht schutzwürdig ist, da er zusätzlich zum Wertersatz gemäß §§ 280 I, III, 281 BGB wegen einer Verletzung der Rückgabepflicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis Schadensersatz verlangen kann. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen dem Wert der Sache, die nicht in natura herausgegeben werden kann und dem davon abweichenden Kaufpreis, den er gemäß § 346 II 2 BGB ersetzt erhält. Umgekehrt gilt aber: Ist der Wert der Sache geringer als die Gegenleistung, sodass kein Schaden bestünde (der Gläubiger erhält ja dann „mehr“ als ihm in natura zustünde), ist die Gegenleistung als Ausgangspunkt gemäß § 441 II BGB analog auf die Höhe des Wertes zu mindern.
f) Entfallen der Wertersatzpflicht (§ 346 III BGB)

aa) § 346 III 1 Nr. 1 BGB
Die Wertersatzpflicht aus § 346 II 1 Nr. 2 entfällt, „wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat“.
Nach herrschender Meinung „zeigt“ sich ein Mangel erst, wenn der Rückgewährschuldner davon erfährt; fahrlässige Unkenntnis schadet nicht.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 346 II 1 Nr. 2 BGB an den § 346 III 1 Nr. 1 BGB, um dich an die Verbindung dieser Tatbestandsvarianten zu erinnern.
bb) § 346 III 1 Nr. 2 Fall 1 BGB
Die Wertersatzpflicht aus § 346 II 1 Nr. 3 entfällt, „soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat“. Da es um ein Fehlverhalten des Gläubigers geht, bestimmt sich das „Vertretenmüssen“ nicht nach § 276 BGB. Zu vertreten hat der Rückgewährgläubiger Umstände, für die er im Sinne des §§ 323 VI Fall 1, 326 II 1 Fall 1 BGB „verantwortlich“ ist.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 346 II 1 Nr. 3 BGB an den § 346 III 1 Nr. 2 Fall 1 BGB, um dich an die Verbindung dieser Tatbestandsvarianten zu erinnern.
cc) § 346 III 1 Nr. 2 Fall 2 BGB
Die Wertersatzpflicht aus § 346 II 1 Nr. 3 entfällt, „soweit der Schaden bei ihm [dem Rückgewährgläubiger] gleichfalls eingetreten wäre“.
Merke
Ein Unwetter zerstört das zurück zu gewährende Wochenendhaus.
dd) § 346 III 1 Nr. 3 BGB
Die Wertersatzpflicht aus § 346 II 1 Nr. 3 BGB entfällt, „wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim [Rücktritts-]Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.“
Beispiel
Ein zurückzugewährendes Kfz wurde bei einem Unfall durch Alleinverschulden des Unfallverursachers beschädigt oder zerstört.
aaa) Anwendungsbereich
§ 346 III 1 Nr. 3 BGB beschränkt sich grundsätzlich nicht auf bestimmte gesetzliche Rücktrittsrechte. Bei folgenden Rücktrittsrechten besteht jedoch ein Problem:
§ 313 III 1 BGB: Bei einem Rücktrittsrecht aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage ist die Störung keiner der Parteien zuzurechnen. Somit passt § 346 II 1 Nr. 3 BGB hier nicht und daher wird § 313 III 1 BGB hier auch nicht angewandt.
§§ 438 IV 3, 634a IV 3 BGB: Der Verkäufer/Werkunternehmer kann vom Vertrag zurücktreten, wenn der Käufer die Kaufpreiszahlung verweigert, wenn seine Mängelrechte gemäß § 218 I BGB verjährt sind. In diesen Fällen greift § 346 III 1 Nr. 3 BGB zugunsten des Käufers/Bestellers.
Klausurtipp
Über den Wortlaut hinaus wird § 346 III 1 Nr. 3 BGB erweiternd ausgelegt und auch auf vertragliche Rücktrittsrechte angewendet (Teleologische Extension).
bbb) Haftungsmilderung
Die Wertersatzpflicht entfällt nur, wenn er nicht „diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt“.
Definition
Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten (diligentia quam in suis) verletzt, wer die zurückzugebende Sache nachlässiger behandelt als eigene Sachen.
Aber: § 277 BGB limitiert die Haftungsprivilegierung: Der Rücktrittsberechtigte „ist von der Haftung wegen grober Fahrlässigkeit nicht befreit“.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 277 BGB an den § 346 III 1 Nr. 3 BGB, um dich an diesen Zusammenhang zu erinnern.
ccc) Relevanter Zeitraum
Umstritten ist, ob die Ausnahme von der Wertersatzpflicht einen eingeschränkten zeitlichen Anwendungsbereich hat. Dabei kann unterschieden werden zwischen der Phase vor Kenntnis des Rücktrittsgrundes und der Phase danach.
Problem
Relevanz der Kenntnis des Kündigungsgrundes im Rahmen des § 346 III 1 Nr. 3 BGB
Erfasst die Haftungsmilderung nur den Zeitraum (1) vor Kenntnis des Rücktrittsgrundes oder (2) auch noch danach?
Für eine Haftungsmilderung nur vor Kenntnis des Rücktrittsgrundes spricht, dass nur wer nicht weiß, dass er eine Sache zurückgewähren muss, sie wie seine anderen Sachen behandeln darf. Sobald er seine Rückgewährpflicht kennt, muss er sich darauf einstellen und mit der Sache sorgfältig umgehen.
Käme es auf den Zeitpunkt der Kenntnis an, könnte der Rücktrittsberechtigte die Gefahrtragung nur dadurch vermeiden, dass er die Sache sofort nach Kenntnis des Rücktrittsgrundes zurückgewährt, und zwar auch dann, wenn der Rücktrittsgegner seinerseits die Rückgewähr des Kaufpreises verweigert. Ohne Rückerhalt des Kaufpreises ist ihm aber die Rückgewähr der erhaltenen Leistung nicht zuzumuten. Dies entspricht im Übrigen auch dem Gesetzeswortlaut, der insofern keine Einschränkung vorsieht.
ee) §§ 323 VI Fall 2, 326 II Fall 2 BGB
Die Wertersatzpflicht entfällt, wenn nach Annahmeverzug des Rückgewährgläubigers (bezüglich der zurückzugewährenden Leistung) ein vom Rückgewährschuldner nicht zu vertretender Umstand eintritt. Denn hätte der Rückgewährgläubiger die Sache rechtzeitig zurückgenommen, wäre Erfüllung (§ 362 BGB) eingetreten; eine Leistungsstörung wäre gar nicht mehr denkbar.
Merke
Insofern liegt eine vergleichbare Interessenlage vor und mangels Regelung besteht eine planwidrige Regelungslücke. Dies rechtfertigt die Analogie.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir die §§ 323 VI Fall 2, 326 II Fall 2 BGB an den § 346 III BGB, um dich an die analoge Anwendung dieser Normen zu erinnern.
ff) Herausgabe einer Bereicherung
Wenn einer der Tatbestände des § 346 III 1 Nr. 3 BGB gegeben ist und die Pflicht zum Wertersatz entfällt, ist gemäß § 346 III 2 BGB dennoch eine „verbleibende Bereicherung herauszugeben“.
Beispiel
War das Rückgewährobjekt versichert, ist der Anspruch gegen den Versicherer an den Rückgewährgläubiger abzutreten.
4. Schadensersatz (§ 346 IV BGB)
a) Regelung
§ 346 IV BGB regelt einen Schadensersatzanspruch aufgrund einer Pflichtverletzung aus dem Rückgewährschuldverhältnis. Es geht hier also nicht um das ursprüngliche Schuldverhältnis, sondern darum, ob der (Rückgewähr-)Schuldner im Rahmen der Rückabwicklung eine Pflichtverletzung begangen hat.
Merke
Du musst also an dieser Stelle inzident die §§ 280 ff. BGB durchprüfen.
Beispiel
Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatzanspruch aufgrund von Nichtleistung im Rückgewährschuldverhältnis ist §§ 346 IV, 280 I, III, 281 BGB. Hier sind dann die bekannten Voraussetzungen des Anspruchs aus §§ 280 I, II, 281 BGB zu prüfen.
Da der Rückgewährschuldner das Empfangene in dem Zustand zurückzugewähren hat, in dem er es empfangen hat, verletzt er die Pflicht aus § 346 I BGB, wenn er es gar nicht oder nur verschlechtert zurückgewährt.
b) Zeitpunkt der Pflichtverletzung
Fraglich ist, inwiefern der Zeitpunkt, an dem die schadensersatzbegründende Handlung eintritt, sich auf das Vertretenmüssen des Rückgewährschuldners auswirkt.

aa) Pflichtverletzung nach Rücktrittserklärung
Unproblematisch ist hierbei der Fall, dass der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand erst nach der Rücktrittserklärung auftritt. In diesem Fall ist das Rückgewährschuldverhältnis bereits entstanden, und die Beteiligten müssen sorgfältig mit den entsprechenden Gegenständen umgehen. Insofern haftet der Schuldner nach „normalen“ Maßstäben, also § 276 BGB.
bb) Pflichtverletzung nach Kenntnis des Rücktrittsgrundes und vor Rücktrittserklärung
In dieser Phase besteht noch kein Rückabwicklungsschuldverhältnis. Dennoch weiß der Rückgewährschuldner, dass er die empfangene Sache möglicherweise wird zurückzugeben müssen und er diese insofern für den Rückgewährgläubiger verwahrt. Daher hat er auch schon in diesem Zeitpunkt Nebenpflichten (§ 241 II BGB) und daher Sorgfaltspflichten zu beachten.
cc) Pflichtverletzung bei fahrlässiger Unkenntnis des Rücktrittsgrundes und vor Rücktrittserklärung
Auch hier besteht kein Rückabwicklungsschuldverhältnis. Der Schuldner hätte aber wissen können (fahrlässige Unkenntnis), dass ein solches aufgrund eines bestehen Rücktrittsgrundes möglicherweise entstehen wird. Hier wird teilweise vertreten, dass grobe Fahrlässigkeit erforderlich ist, um eine Nebenpflichtverletzung gemäß § 241 II BGB zu begründen. Im Einklang mit den Gesetzgebungsmaterialien sind hier jedoch „normale“ Sorgfaltspflichten im Einklang mit § 276 I BGB zu beachten.
dd) Pflichtverletzung ohne Kenntnis des Rücktrittsgrundes und vor Rücktrittserklärung
In dieser Phase durfte der Schuldner darauf vertrauen, dass die empfangene Sache endgültig bei ihm verbleiben würde. Er durfte also mir ihr nach Belieben verfahren und haftet dem Rückgewährgläubiger bei einem später möglicherweise entstehenden Rückgewährschuldverhältnis nicht.
5. Ersatz von Nutzungen und Verwendungen (§ 347 BGB)
a) Ersatz erzielbarer Nutzungen (§ 347 I BGB)
Nach § 346 I BGB müssen nur Nutzungen herausgegeben bzw. ersetzt werden, die der Empfänger tatsächlich gezogen hat. Für erzielbare, aber nicht gezogene Nutzungen haftet der Rückgewährschuldner nur nach § 347 I BGB.
b) Ersatz von Aufwendungen (§ 347 II BGB)
Gemäß § 347 II BGB sind dem Schuldner seine Aufwendungen zu ersetzen. Die Norm unterscheidet dabei zwischen notwendigen Verwendungen (§ 347 II 1 BGB) und anderen Aufwendungen (§ 347 II 2 BGB).
Definition
Verwendungen im Sinne des § 347 II BGB sind objektbezogene Aufwendungen. Diese sind notwendig, wenn sie zur Erhaltung oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Sache objektiv erforderlich sind und nicht Sonderzwecken des Besitzers dienen.
§ 347 II 2 BGB bezieht sich somit auf solche Aufwendungen, die den Gläubiger bereichern würden.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 996 BGB an den § 347 II 2 BGB zitieren, da in beiden Normen die subjektive Brauchbarkeit für den Rückgewährgläubiger das entscheidende Abgrenzungskriterium ist.
III. Kollision von Schadensersatz statt der Leistung und Rücktrittsfolgen
Das Rücktrittsfolgenrecht (§§ 346 f. BGB) soll den status quo ante (der vor dem Leistungsaustausch bestand) wiederherstellen (negatives Interesse). Der Schadensersatz statt der Leistung soll vermögensmäßig den status ad quem (der bei pflichtgemäßem Verhalten bestünde) herstellen (positives Interesse).
Grundregel: Das Rücktrittsfolgenrecht (das ohne Vertretenmüssen des Rücktrittsgegners eingreift) wird durch das verschuldensabhängige Schadensersatzrecht korrigiert. Soweit also das Schadensersatzersatzrecht dem Gläubiger mehr zuspricht als das Rücktrittsrecht, hat das Schadensersatzrecht „das letzte Wort“.