I. Einleitung
Die Gleichheitsgrundrechte bilden neben den Freiheitsgrundrechten die zweite Kategorie von Grundrechten.
Sie konkretisieren das Prinzip der Gleichheit und verbieten es, dass der Staat Einzelne oder Gruppen ungerechtfertigt besser oder schlechter behandelt. Der allgemeine Gleichheitssatz findet sich in Art. 3 Abs. 1 GG und schreibt vor, dass „alle Menschen vor dem Gesetz gleich“ sind. Diesem Grundsatz kommt, sowohl für die Praxis als auch für die Klausur, große Bedeutung zu. Ergänzt wird er durch spezielle Gleichheitsrechte, wie das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG, welches Ungleichbehandlungen aufgrund bestimmter Merkmale, wie Geschlecht, Abstammung oder Religion, untersagt.
Merke
Beachte auch die Konkurrenzen der Gleichheitssätze. Wenn der allgemeine Gleichheitsgrundsatz geprüft wird, ist zuvor auszuschließen, dass ein spezieller Gleichheitssatz einschlägig ist, da diese als lex specialis vorrangig zu prüfen sind.
Es gibt zwei Varianten der Prüfung von Gleichheitssätzen, je nach Zielrichtung: Gleichbehandlung und Ungleichbehandlung. Konkret dürfen
wesentlich gleiche Sachverhalte nicht wesentlich ungleich behandelt werden und
wesentlich ungleiche Sachverhalte dürfen nicht wesentlich gleich behandelt werden.
II. Variante 1: Ungleichbehandlung

Der Obersatz lautet: “Der Akt der öffentlichen Gewalt könnte Art. 3 I GG (oder einen anderen Gleichheitssatz) verletzen."
Dies ist der Fall, wenn eine unzulässige Ungleichbehandlung vorliegt.
1. Ungleichbehandlung von wesentlichen gleichen Sachverhalten
Zunächst müsste eine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte vorliegen.
a) Bildung von Vergleichsgruppen
Dafür sind Vergleichsgruppen zu bilden. Das gewählte Vergleichskriterium muss möglichst eng und damit konkret sein. Es muss der “kleinste gemeinsame Nenner” als Oberbegriff und Vergleichskriterium gefunden werden.
Beispiel
Bsp. 1: Ein Steuerzahler ist ledig und zahlt eine höhere Einkommensteuer als ein Ehepaar, das durch das Ehegattensplitting steuerlich begünstigt wird. Beide Gruppen verdienen Einkommen und unterliegen der Einkommensteuer.
Bsp. 2: Nur Männer werden zur Wehrpflicht herangezogen, während Frauen nicht einberufen werden. Beide Gruppen sind Staatsbürger, die prinzipiell zum Schutz des Staates beitragen könnten.
b) Feststellung der Ungleichbehandlung
Im zweiten Schritt ist eine Ungleichbehandlung dieser wesentlich gleichen Sachverhalte festzustellen.
Beispiel
Bsp. 1: Unterschiedliche Steuerbelastung von ledigen und verheirateten Steuerzahlern.
Bsp. 2: Nur Männer werden zur Wehrpflicht herangezogen.
c) Gleicher Träger von Staatsgewalt
Die Ungleichbehandlung muss auch durch denselben Träger von Staatsgewalt erfolgen.
Beispiel
Ein Lehrer an einer privaten Schule verdient weniger Gehalt als ein Lehrer an einer staatlichen Schule, obwohl sie dieselbe Qualifikation und Berufserfahrung haben. Hier erfolgt die Ungleichbehandlung nicht durch den gleichen Träger der Staatsgewalt, da ein privater Arbeitgeber nicht Teil der Staatsgewalt ist.
2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Die Ungleichbehandlung ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn ein zulässiges Differenzziel und Differenzkriterium gegeben sind und zwischen diesen ein sachgerechtes Verhältnis besteht.
a) Zulässiges Differenzziel
Zunächst müsste ein zulässiges Differenzziel bestehen.
Definition
Das zulässige Differenzziel liegt in dem legitimen Zweck, den der Staat mit einer Ungleichbehandlung verfolgen will.
Beispiel
Der Gesetzgeber darf in Steuergesetzen unterschiedliche Regelungen für Verheiratete und Ledige vorsehen, wenn dies der Förderung der Ehe und des Familienlebens dient. Das Differenzziel (Förderung der Ehe) ist legitim und verfassungsrechtlich anerkannt (vgl. Art. 6 GG).
b) Zulässiges Differenzkriterium
Dann ist zu prüfen, ob ein zulässiges Differenzkriterium vorliegt.
Definition
Das zulässige Differenzkriterium liegt in dem Merkmal, nach dem der Staat eine Ungleichbehandlung vornimmt.
Beispiel
Eine Differenzierung zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich bestimmter Arbeitsrechte könnte zulässig sein, wenn das Kriterium der Arbeitszeit in sachlichem Zusammenhang mit dem Differenzziel steht (z. B. Kostenersparnis bei Sozialversicherungsbeiträgen). Das Differenzkriterium ist in diesem Fall die Arbeitszeit, die in direktem Zusammenhang mit der Regelung steht.
c) Sachgerechtes Verhältnis zwischen Ziel und Kriterium
Zuletzt ist dann fraglich, ob zwischen Ziel und Kriterium ein sachgerechtes Verhältnis besteht.
d) Klassische Willkürformel
Nach der klassischen Willkürformel darf kein sachfremdes oder willkürliches Verhältnis zwischen Ziel und Kriterium bestehen.
e) Neue Formel des BVerfG
Die neue Formel des BVerfG berücksichtigt insbesondere die Art und das Ausmaß der Ungleichbehandlung und stellt je strengere Anforderungen an die Rechtfertigung, desto schwerwiegender die Ungleichbehandlung ist. Dies ist im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen.
Klausurtipp
Es reicht, wenn du in der Klausur (wenn überhaupt) die Existenz der Willkürformel kurz erwähnst, da diese durch die neue Formel ersetzt wurde. Du brauchst aber nicht weiter auf sie einzugehen, sondern kannst deiner Prüfung die neue Formel des BVerfG zugrunde legen.
III. Variante 2: Gleichbehandlung

1. Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte
Hier bestehen keine Unterschiede zur Prüfung der Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte.
a) Bildung von Vergleichsgruppen
b) Feststellung der Gleichbehandlung
c) Gleicher Träger von Staatsgewalt
Beispiel
Eine Schule führt Abschlussprüfungen durch, bei denen alle Schüler die gleichen Prüfungsbedingungen haben. Dies betrifft sowohl Schüler ohne besondere Lernbeeinträchtigungen als auch Schüler mit diagnostizierten Lernbehinderungen oder anderen besonderen pädagogischen Bedürfnissen (z. B. Legasthenie, ADHS).
Die Prüfungen werden in einem einheitlichen Format (schriftlich und in einer festgelegten Zeit) für alle Schüler abgehalten, ohne dass den Schülern mit Lernbehinderungen besondere Anpassungen (z. B. mehr Zeit oder alternative Prüfungsformen) zugestanden werden.
Dies stellt eine Gleichbehandlung (gleiche Prüfungsanforderungen) wesentlich ungleicher Sachverhalte (Schüler mit und ohne Lernbeeinträchtigungen) dar. Diese erfolgt auch durch dieselbe Schule und damit den gleichen Träger von Staatsgewalt.
2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Die Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung erfolgt ebenfalls nach dem gleichen Schema wie bei der Prüfung der Ungleichbehandlung.
Der einzige Unterschied besteht darin, dass bei der Gleichbehandlung ein größerer Handlungsspielraum des Staates besteht und damit die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung und damit die Verhältnismäßigkeit geringer sind. Grund dafür ist, dass die Gleichbehandlung das Ziel der Gleichheitsgrundsätze ist.
Definition
Maßstab der Rechtfertigung ist, ob die Gleichbehandlung für die Betroffenen “unerträglich” ist.
Im Gegensatz dazu reicht bei der Ungleichbehandlung ein einfaches Überwiegen einer Seite im Rahmen der Abgrenzung.