I. Einleitung
Das Prozessrecht bietet den Parteien verschiedene Möglichkeiten durch Prozesshandlungen den Prozess ohne ein Urteil zu beenden. Für Klausuren bieten sich solche Prozesshandlungen an, da sie die Klausur verlängern aber auch eine (mitunter komplizierte) Inzidenzprüfung erfordern können. Allgemein gilt, dass Konstellationen, die vom gesetzlichen Regelfall, hier: einem Urteil, abweichen, gerne geprüft werden und daher besondere Aufmerksamkeit erfordern.
Zur speziellen Konstellation des Versäumnisurteils, siehe diesen Artikel.
II. Klagerücknahme (§ 269 ZPO)
Durch die Klagerücknahme entfällt die Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes rückwirkend (§ 269 III 1 ZPO). Hierdurch wird also keine Entscheidung in der Sache getroffen - sodass eine erneute Klageerhebung möglich ist.
Grundsätzlich kann der Kläger die Klage frei zurücknehmen - hat sich der Beklagte allerdings schon zur Hauptsache eingelassen, benötigt der Kläger seine Zustimmung (§ 269 II ZPO).
Merke
Beachte aber auch § 279 II 4 ZPO: Reagiert der Beklagte nicht, kann seine Zustimmung fingiert werden.
III. Verzicht (§ 306 ZPO)
Beim Klageverzicht gemäß § 306 ZPO „verzichtet“ der Kläger auf die Geltendmachung seines Anspruchs und es ergeht ein klageabweisendes Urteil, wenn der Beklagte dies beantragt. Dann ist aufgrund der Rechtskraft des Urteils keine weitere Klage möglich.
Merke
Da der Kläger insoweit unterliegt, werden ihm gemäß § 91 ZPO die Kosten auferlegt.
IV. Anerkenntnis (§ 307 ZPO)
Der Beklagte erkennt den vom Kläger geltend gemachten Anspruch an, sodass bei Zulässigkeit der Klage - ohne Schlüssigkeitsprüfung - ein Anerkenntnisurteil zulasten des Beklagten ergeht.
Merke
Da der Beklagte insoweit unterliegt, werden ihm gemäß § 91 ZPO die Kosten auferlegt. Eine Ausnahme gilt gemäß § 93 ZPO im sogenannten Fall des „sofortigen Anerkenntnisses“.
V. Erledigungserklärung
Die Erledigungserklärung ist darauf gerichtet, dass sich der Streitgegenstand „erledigt“ hat und der Prozess daher nicht weitergeführt werden muss.
1. Übereinstimmende Erledigungserklärung
Durch die übereinstimmende Erledigungserklärung beider Parteien entfällt die Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes rückwirkend (§ 269 III 1 ZPO analog).
Das Gericht entscheidet dann nicht mehr über die Klage, sondern lediglich über die Kostentragung für den Prozess (§ 91a ZPO). Es muss die Parteien die Kosten des Verfahrens tragen, die nach dem bisherigen Sach- und Streitstand verloren hätte.
Merke
Die Existenz der übereinstimmenden Erledigungserklärung ergibt sich einerseits aus dem Dispositionsgrundsatz, aber hat in § 91a ZPO eeine gesetzliche Regelung gefunden.
Klausurtipp
§ 91a ZPO ist ein klassischer Klausuraufhänger! Gefragt werden wird danach, wer die Kosten tragen muss. In diesem Rahmen prüfst du dann den bisherigen Sach- und Streitstand, d.h.: die Zulässigkeit der Klage sowie den materiellen Anspruch im Rahmen der Begründetheit.
2. Einseitige Erledigungserklärung
Wenn die Erledigung nur einseitig erklärt wird, handelt es sich um eine (grundsätzlich zulässige) privilegierte Klageänderung (§§ 264 Nr. 2, 362 ZPO).
Die Klage richtet sich dann nicht mehr auf die Geltendmachung des Anspruchs, sondern darauf, dass festgestellt werden soll, dass sich die Hauptsache erledigt hat.
Merke
Es kommt auf die Erledigung während des Prozesses an. Wäre die Sache schon von Beginn an erledigt gewesen, müsste die Klage als unbegründet abgewiesen werden.
Beispiel
Ausgangsfall: K klagt gegen Werkunternehmer W auf Reparatur seines Pkw Zug um Zug gegen Zahlung eines vereinbarten Festpreises. Nach Prozessbeginn wird der Pkw bei K von Unbekannten gestohlen.W widerspricht der Erledigungserklärung mit der Behauptung, der Werkvertrag sei nie geschlossen worden; die Klage sei daher von vornherein unbegründet gewesen. K begehrt nun Feststellung, dass sich die Klage erledigt hat. Hat W Recht, wird die Klage abgewiesen, hat K Recht, wird das Feststellungsurteil in seinem Sinne getroffen.
a) Prüfung
Bei der Entscheidung kommt es daher auf das Folgende an:
War der Streitgegenstand bereits vor der Erledigung rechtshängig?
Ist ein erledigendes Ereignis eingetreten?
War die Klage von Anfang an (also im Zeitpunkt der Klageerhebung) zulässig und begründet?
Merke
Da die Klage rechtshängig bleibt und „nur“ der Antrag ausgetauscht wird, erfolgt auch die Kostenverteilung nach der „allgemeinen“ Regel des § 91 ZPO und nicht wie bei der übereinstimmenden Erledigungserklärung nach § 91a ZPO.
Klausurtipp
Die einseitige Erledigungserklärung ist ein guter Klausuraufhänger, da sie das „normale“ Prüfschema von Zulässigkeit und Begründetheit um einige Sonder(aufbau)probleme ergänzt, da du innerhalb der Begründetheit inzident die Zulässigkeit und Begründetheit der Ursprungsklage prüfst:

b) Sonderprobleme
Ein beliebter Ansatzpunkt für die Prüfung einer einseitigen Erledigungserklärung sind solche rechtlichen Konstrukte, bei denen die Voraussetzungen für eine Rechtsfolge bereits in der Vergangenheit liegen, die Folge selbst aber erst zu einem weiteren Zeitpunkt (zum Teil auch rückwirkend ausgelöst wird, indem der Berechtigte eine Erklärung abgibt - dies betrifft insbesondere Gestaltungsrechte und Einreden.
Beispiel
Der Beklagte erklärt während des Prozesses die Aufrechnung, durch welche die Gegenforderung gemäß § 389 BGB ex tunc erlischt. Wenn man hinsichtlich des erledigenden Ereignisses auf den Zeitpunkt der Erklärung abstellt, ist die Feststellungsklage begründet. Stellt man jedoch auf die rechtliche Wirkung ab (ex tunc!), ist die Feststellungsklage unbegründet, da die ursprüngliche Klage aufgrund der nie bestehenden Forderung von Anfang an unbegründet war. Beide Ansichten werden vertreten, aber der BGH stellt auf den Erklärungszeitpunkt ab.
Die Verjährungsfrist des Klageanspruchs verjährt vor Beginn des Prozesses. Der Beklagte macht die Einrede aber erst während des Prozesses geltend. Wenn man hinsichtlich des erledigenden Ereignisses auf den Zeitpunkt der Erklärung abstellt, ist die Feststellungsklage begründet. Stellt man jedoch auf die rechtliche Wirkung ab (dem Ablauf der Verjährungsfrist), ist die Feststellungsklage unbegründet, da die ursprüngliche Klage aufgrund der nie bestehenden Forderung von Anfang an unbegründet war. Beide Ansichten werden vertreten, aber der BGH stellt auf den Erklärungszeitpunkt ab.
VI. Prozessvergleich
Der Prozessvergleich ist eine Möglichkeit für die Parteien übereinstimmend den Prozess zu beenden und dennoch eine „Entscheidung“ zu erreichen, indem ein vollstreckbarer Titel (§ 794 I Nr. 1 ZPO) geschaffen wird. Der Vergleich kann außerdem als Anspruchsgrundlage für neue Leistungspflichten dienen, sofern solche vereinbart werden.
Der Prozessvergleich setzt lediglich voraus, dass das streitige Verfahren anhängig und noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist.
Merke
Gemäß der Theorie der Doppelnatur ist der Prozessvergleich einerseits Prozessvertrag und somit Prozesshandlung und andererseits ein materielles Rechtsgeschäft im Sinne des § 779 BGB. Er folgt also einerseits prozessualen Regeln und andererseits materiell-rechtlichen Regeln und muss beiden Anforderungen entsprechen. So gelten etwa einerseits die Unwirksamkeitsgründe oder Widerrufsmöglichkeiten des BGB (§§ 104 ff. BGB) und andererseits muss der Vergleich in formeller Hinsicht bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien vor dem Richter erklärt und ordnungsgemäß protokolliert werden (§ 160 III Nr. 1 ZPO). Diese richterliche Protokollierung ersetzt im Übrigen auch gemäß § 127a BGB etwaige Formvorschriften, die nach materiellem Recht vorausgesetzt werden würden (z. B. § 311b BGB).

Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 127a BGB an den § 160 ZPO zitieren, um dich an die formersetzende Funktion des gerichtlichen Protokolls zu erinnern.