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Verschuldenshaftung

Produzentenhaftung

Teilgebiet

Deliktsrecht

Thema

Verschuldenshaftung

Tags

Deliktsrecht
Schadensersatz
Produzentenhaftung
§ 823 BGB
Gliederung
  • I. Grundsatz

  • II. Hintergrund

  • III. Anspruch aus § 823 I BGB

    • 1. Verletzung eines Rechts oder Rechtsguts

    • 2. Verhalten des Anspruchsgegners

    • 3. Haftungsbegründende Kausalität

    • 4. Rechtswidrigkeit

    • 5. Verschulden

    • 6. Schaden

    • 7. Haftungsausfüllende Kausalität

I. Grundsatz

Die Produzentenhaftung stellt eine besondere Konstellation im Rahmen der deliktischen Haftung nach § 823 I BGB dar. Es handelt sich damit um eine Verschuldenshaftung, die jedoch einige Besonderheiten aufweist. 

Merke

Die Produzentenhaftung ist nicht mit der Produkthaftung nach § 1 I 1 ProdHaftG zu verwechseln! In der Klausur sind häufig beide nebeneinander zu prüfen.

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II. Hintergrund

Hintergrund der Produzentenhaftung mit ihren Besonderheiten ist, dass derjenige, der durch ein Produkt geschädigt wird, gegen den Hersteller mangels Vertragsbeziehung keine Schadensersatzansprüche aus §§ 280 ff. BGB hat. Deliktische Ansprüche gegen den Hersteller scheitern außerdem oft am Verschuldenserfordernis im Rahmen der §§ 823 I, II BGB oder an der Exkulpationsmöglichkeit nach § 831 I 2 BGB. Um dem Geschädigten dennoch einen Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller zu gewähren, hat der BGH die Produzentenhaftung geschaffen. Die Rechtsprechung reagiert auf den unzureichenden Schutz des Abnehmers seit dem sogenannten Hühnerpestfall mit spezifischen Verkehrssicherungspflichten und einer partiellen Beweislastumkehr

Beispiel

Hühnerpestfall

Die Hühner auf der Hühnerfarm des A wurden von Tierarzt T mit einem Impfstoff des Herstellers H gegen Hühnerpest geimpft. Der Impfstoff war nicht steril, weshalb die geimpften Hühner an Hühnerpest verendeten. 

Muss der Impfstoffhersteller H dem A Schadensersatz leisten?

Lösung

Ein Schadensersatzanspruch des A gegen H aus §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB scheitert daran, dass zwischen A und H kein Kaufvertrag bestand und der Kaufvertrag im Verhältnis zwischen T und H auch keinen Vertrag zugunsten des A als Endabnehmer im Sinne des § 328 BGB darstellt.
Auch handelt es sich mangels überschaubaren Personenkreises um keinen Kaufvertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Ein Schadensersatzanspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 I BGB in Verbindung mit den Grundsätzen einer Drittschadensliquidation scheidet ebenfalls aus, da Tierärzte in der Regel keine Hühner halten und es damit an einer zufälligen Schadensverlagerung fehlt. 

Ein Schadensersatzanspruch des A gegen H aus § 1 I 1 ProdHaftG scheitert daran, dass die Hühner nicht für den privaten Gebrauch bestimmt waren und damit gemäß § 1 I 2 ProdHaftG keine Sachbeschädigung vorliegt. 

A könnte gegen H einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 I BGB haben. Dieser setzt die rechtswidrige und schuldhafte Verletzung eines Rechts oder Rechtsguts des A voraus. Das Eigentum des A an den Hühnern wurde verletzt. Dies ist dadurch geschehen, dass H einen nicht sterilen und damit fehlerhaften Impfstoff in den Verkehr gebracht hat. Da es sich um eine mittelbare Verletzung handelt, bereiten die Anspruchsvoraussetzungen Rechtswidrigkeit und Verschulden Schwierigkeiten.

III. Anspruch aus § 823 I BGB

Die Produzentenhaftung wird in der Klausur im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs aus § 823 I BGB relevant. Dieser ist nach dem gewohnten Prüfschema aufzubauen.

1. Verletzung eines Rechts oder Rechtsguts

Zunächst ist die Verletzung eines Rechts oder Rechtsguts erforderlich.

2. Verhalten des Anspruchsgegners

Die Produzentenhaftung knüpft daran an, dass ein Produktfehler besteht. Das Verhalten des Schädigers im Sinne des § 823 I BGB besteht darin, dass der Hersteller eine Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem er ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr bringt.

Definition

Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch durch durchschnittliche Benutzer nicht betriebssicher ist.

Im Verantwortungsbereich des Produzenten können folgende Fehler vorkommen:

  • Konstruktionsfehler: Es handelt sich um Fehler in der Bauweise, die allen Produkten anhaften.

  • Fabrikationsfehler: Fehler in der Fertigung einzelner Produkte.

  • Instruktionsfehler: Fehlende/unzureichende Hinweise auf Gefahren.

  • Produktbeobachtungsfehler: Fehlende/unzureichende Produktbeobachtung und/oder Reaktion auf Gefahren. Ist ein Produkt schon auf dem Markt, muss sich der Produzent laufend über die Verwendungsfolgen informieren. Ihn treffen gegebenenfalls Aufklärungs-, Warn- und Rückrufpflichten. Die Produktbeobachtungspflicht kann sogar Zubehör umfassen, welches von Dritten produziert wird. Hierfür ist erforderlich, dass es sich um übliches Zubehör handelt, welches vom Hersteller empfohlen wird oder, soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Fremdzubehör in Kombination mit dem eigenen Produkt Gefahren für den Benutzer bringt. Dann besteht eine Pflicht zur Überprüfung fremder Erzeugnisse. 

Merke

Der Geschädigte muss beweisen, dass ein Produktfehler vorlag, der aus der Sphäre des Herstellers stammt und eine Rechts- oder Rechtsgutsverletzung verursacht hat. 

Im Rahmen der Produzentenhaftung wird dann vermutet, dass ein objektiv verkehrssicherungspflichtwidriges Verhalten des Produzenten vorliegt. Damit besteht eine Beweislastumkehr. 

Definition

Beweislastumkehr bedeutet, dass der Geschädigte bestimmte Voraussetzungen nicht zu beweisen hat und dass stattdessen von deren Vorliegen ausgegangen wird. Beweisbelastet ist der Anspruchgegner.

Grund der Beweislastumkehr ist, dass der Produzent näher dran ist, den Sachverhalt aufzuklären und die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, weil er die Produktionssphäre überblickt und den Herstellungsprozess organisiert. Sie erstreckt sich außerdem auf die Ursächlichkeit des verkehrspflichtwidrigen Verhaltens für den Fehler.

Der Produzent kann sich allerdings entlasten. Gelingt ihm der Entlastungsbeweis, ist der Anspruch zu verneinen. Hierfür muss der Produzent beweisen, dass die gesamte Produktion lückenlos organisiert und überwacht wurde, um Fehler auszuschließen (ordnungsgemäße Organisation). Bei Fabrikationsfehlern muss erwiesen sein, dass der Fehler trotz aller zumutbaren Vorkehrungen unvermeidbar war (sogenannter Ausreißer).

3. Haftungsbegründende Kausalität

Das verkehrspflichtwidrige Verhalten des Herstellers und damit auch der Produktfehler muss kausal für die Rechts- oder Rechtsgutsverletzung gewesen sein. Hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität genügt hierbei ein Anscheinsbeweis. 

Merke

Im Rahmen des Anscheinsbeweises muss der konkrete Geschehensablauf nicht festgestellt werden, weil von einem nach allgemeiner Lebenserfahrung typischen Hergang ausgegangen werden kann.

Es reicht damit aus, nachzuweisen, dass derartige Fehler typischerweise Rechts- und Rechtsgutsverletzungen der eingetretenen Art hervorrufen und dass kein atypischer Kausalverlauf vorliegt.

4. Rechtswidrigkeit

Sofern ein Produzent für eines seiner Produkte haften soll, liegt eine lange Kausalkette zwischen der Handlung und der Verletzung. Es handelt sich um eine mittelbare Verletzung, weshalb die Rechtswidrigkeit nach der Lehre vom Erfolgsunrecht nicht ohne Weiteres als indiziert angesehen werden kann. Vielmehr setzt die Rechtswidrigkeit voraus, dass der Hersteller gegen eine Verkehrssicherungspflicht verstoßen hat. 

Der Hersteller hat die Pflicht, Konstruktions- und Fabrikationsfehler so gut es geht auszuschalten. Außerdem hat er die Pflichten zur Information über die Gefahren aus der Verwendung und die Möglichkeit der Verhinderung dieser Gefahren (Instruktionspflicht) und die Pflicht zur Beobachtung der Produkte und einer entsprechenden Reaktion bei Gefahren (Produktbeobachtungspflicht).

Da der Geschädigte jedoch nur schwerlich nachweisen kann, dass ein Verstoß gegen eine solche Pflicht besteht, erstreckt sich die Beweislastumkehr auch auf die Rechtswidrigkeit. Sofern ein Produktfehler vorliegt, wird widerleglich vermutet, dass der Hersteller gegen eine Verkehrssicherungspflicht verstoßen und damit rechtswidrig gehandelt hat. Im Ergebnis bedeutet dies eine Rückkehr zur Lehre vom Erfolgsunrecht.

5. Verschulden

Auch der Nachweis eines Verschuldens des Herstellers würde dem Geschädigten Probleme bereiten. Die Beweislastumkehr umfasst aus diesem Grund ebenfalls ein Verschulden des Produzenten. Es wird ein Organisationsverschulden des Herstellers vermutet. Auch hier ist ein Entlastungsbeweis möglich. Der Hersteller muss darlegen, dass ihn kein Verschulden trifft. 

6. Schaden

Der Geschädigte muss einen Schaden erlitten haben. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze des § 823 I BGB und des Schadensrechts.

7. Haftungsausfüllende Kausalität

Außerdem muss Kausalität zwischen der Rechts- oder Rechtsgutsverletzung und dem eingetretenen Schaden bestehen. Auch hier gelten die allgemeinen Grundsätze.

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