I. Einleitung
Parteien bilden das zentrale Bindeglied zwischen Gesellschaft und Staat: Sie bündeln politische Willensbildung, strukturieren Wahlentscheidungen und vermitteln zwischen Bürgern sowie staatlichen Institutionen. In Demokratien sind sie unverzichtbar, um Programme zu entwickeln, Kandidaten aufzustellen und Mehrheiten im Parlament zu organisieren. Ihre Bedeutung erstreckt sich dabei nicht nur auf den Wahlkampf, sondern auf den kontinuierlichen Prozess der öffentlichen Meinungsbildung und politischen Entscheidungsfindung.
II. Rechtsnatur von Parteien
Was eine Partei ist, regelt § 2 I PartG:
Zitat
§ 2 I PartG:
“Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein.”
Eine Partei ist also eine am Verfassungsleben beteiligte Vereinigung. Im Innenverhältnis ist sie aber nach allgemeiner Ansicht der Rechtsprechung und Literatur als privatrechtlicher Verein ausgestaltet.
III. Gründung und Organisation
Die Gründung politischer Parteien ist in Art. 21 I 2 GG als frei garantiert. Ein staatliches Zulassungs- oder Genehmigungsverfahren existiert nicht. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Parteien ohne staatliche Kontrolle an der politischen Willensbildung mitwirken können.
Nach § 2 I PartG ist eine Partei ein Zusammenschluss von Bürgern mit hinreichender organisatorischer Struktur, ausreichender Mitgliederbasis und erkennbarer Öffentlichkeitswirkung, der dauerhaft Einfluss auf die politische Willensbildung nimmt und insbesondere auf Bundestags- oder Landtagswahlen ausgerichtet ist.
Für die formelle Entstehung müssen die Gründer einen eindeutigen Willen zur Parteibildung dokumentieren, eine Satzung und ein Programm beschließen sowie einen Vorstand wählen und dies protokollieren. Die Organe sind in § 8 PartG geregelt. Eine automatische Übermittlung der Gründungsunterlagen an den Bundeswahlleiter ist nicht erforderlich. Wenn die Partei an einer Wahl teilnehmen möchte, muss sie dies spätestens 97 Tage vor dem Wahltermin schriftlich anzeigen (§ 18 II BWahlG). In diesem Zusammenhang prüft der Bundeswahlausschuss, ob die Vereinigung als Partei gemäß § 2 PartG anzusehen ist.
Parteien geben sich gemäß Art. 21 I 3 GG eine eigene, demokratischen Grundsätzen entsprechende Satzung, die nach § 6 II PartG bestimmte Mindestinhalte, etwa zur innerparteilichen Willensbildung und Vorstandsbestellung, aufweisen muss. Sie werden rechtlich in der Regel als nichtrechtsfähige Vereine nach § 54 BGB organisiert. Demgegenüber ist eine Eintragung als rechtsfähiger Verein (§ 21 BGB) möglich, aber nicht erforderlich und in der Praxis selten.
Merke
Das PartG ist lex specialis zu den Vereinsvorschriften des BGB, weshalb diese ergänzend angewendet werden. Zudem regelt § 37 PartG, dass § 54 II BGB auf Parteien keine Anwendung findet.
Eine gesetzlich feste Mindestmitgliederzahl ist nicht vorgeschrieben. Allerdings muss die Partei über genügend Mitglieder und organisatorische Stabilität verfügen, um ernsthaft auf die politische Willensbildung einwirken zu können. Für bundesweit tätige Parteien wird in der Wahlpraxis ein Richtwert von etwa 500 Mitgliedern als Nachweis politischer Ernsthaftigkeit herangezogen. Unabhängig von der Gesamtmitgliederzahl muss der Vorstand gemäß § 11 I 2 PartG stets aus mindestens drei Personen bestehen.
IV. Rechte und Aufgaben der Parteien
Die an Parteien vom Grundgesetz übertragenen Rechte sind in Art. 21 GG normiert und werden durch die einfachgesetzlichen Regelungen des PartG weiter ausgestaltet.
Art. 21 GG weist den Parteien eine zentrale Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes zu. Parteien bündeln Interessen, stellen Kandidaten zur Wahl und prägen die öffentlichen Debatten. Damit diese Funktion nicht von strukturellen Vorteilen Einzelner verzerrt wird, wird zugleich die Chancengleichheit der Parteien garantiert: Gesetzgeber und staatliche Organe müssen allen Parteien vergleichbare Zugangsmöglichkeiten zu Wählern eröffnen. Das Konzept der Chancengleichheit der Parteien wird vom BVerfG vor allem aus dem Demokratieprinzip, dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Wahlrechtsgrundsätzen hergeleitet. Aus diesem Gleichheitsgebot folgt auch der Anspruch auf Neutralität der Bundesregierung im Wahlkampf. Demnach dürfen Regierungsressourcen nicht zugunsten bestimmter Parteien eingesetzt werden.
Beispiel
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum sogenannten „Rote Karte für die AfD“-Fall (BVerfG, Urt. v. 27.02.2018 – 2 BvE 1/16):
In diesem Fall hatte der damalige Bundesinnenminister auf der offiziellen Homepage seines Ministeriums eine Erklärung veröffentlicht, in der er die Partei AfD scharf kritisierte und ihr sinnbildlich die „rote Karte“ zeigte.
Das Bundesverfassungsgericht stellte klar, dass Regierungsmitglieder zwar ihre Politik verteidigen und auf Angriffe reagieren dürfen, wird dabei jedoch die amtliche Kommunikationsinfrastruktur, wie eine Ministeriumswebsite, genutzt, gelten erhöhte Anforderungen an Sachlichkeit und Neutralität. Die beanstandete Erklärung überschritt diese Grenzen, weil sie einseitig parteipolitisch geprägt war und die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzte.
Damit verdeutlicht die Entscheidung, dass Regierungsäußerungen zwar zulässig sind, ihre Nutzung staatlicher Ressourcen aber nicht zu einer parteipolitischen Instrumentalisierung führen darf.
Um den Wettbewerb materiell abzusichern, sieht das Parteiengesetz in §§ 18 ff. PartG eine Wahlkampfkostenerstattung vor. Erstattungsfähige Ausgaben werden demnach Stimmenanteilen anteilig refinanziert und gleichen finanzielle Ungleichheiten dadurch teilweise aus. Schließlich schützt das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte „Parteienprivileg“ die verfassungsrechtliche Stellung einer Partei bis zu einem förmlichen Verbot nach Art. 21 II GG: Erst ein entsprechender BVerfG‑Beschluss darf ihre Rechte vollständig entziehen. So entsteht ein kohärenter Schutzrahmen, der Beteiligung, Gleichheit und Funktionsfähigkeit des parteienstaatlichen Systems zugleich sichert.
V. Mitgliedschaft und Parteiausschluss
a) Parteimitgliedschaft der Abgeordneten
Abgeordnete sind in der Regel Mitglieder einer politischen Partei.
In der Literatur wird betont, dass die Parteizugehörigkeit keinesfalls die verfassungsmäßige Unabhängigkeit der Abgeordneten beeinträchtigt. Vielmehr geht mit dem freien Mandat aus Art. 38 I 2 GG ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Status einher. Demnach dürfen Abgeordnete nicht an Aufträge oder Weisungen der Partei gebunden sein, sondern sind „nur ihrem Gewissen unterworfen“. Dies schließt eine formale Mitgliedschaft in einer Partei nicht aus, sondern betont die freiheitliche Basis der Mitgliedschaft trotz parteiorientierter politischer Praxis.
b) Parteiausschluss eines Mitglieds
Ein Thema, welches regelmäßig Gegenstand von Klausuren ist, ist der Ausschluss eines Parteimitglieds, meist eines Abgeordneten.
Zitat
§ 10 IV PartG:
“Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.”
Nach § 10 IV PartG kann „ein Mitglied nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt“.
Diese Vorschrift schützt die Mitgliedschaft als Grundlage innerparteilicher Mitwirkung und verhindert willkürliche Parteiausschlüsse.
aa) Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 IV PartG

aaa) Vorsätzlicher Satzungsverstoß oder erheblicher Ordnungsverstoß
Ein Ausschluss setzt entweder einen vorsätzlichen Verstoß gegen irgendeine Bestimmung der Parteisatzung voraus oder einen erheblichen Verstoß gegen fundamentale programmatische Grundsätze oder die Ordnung der Partei.
Unter Grundsätzen sind explizite Kernbestandteile des Parteiprogramms zu verstehen, nicht jede Meinungsabweichung in Tagesfragen.
Beispiel
Satzungsverstöße können z. B. fehlende Loyalität, Veröffentlichung vertraulicher Vorgänge oder Nichtbefolgung satzungsgemäßer Beitragspflichten sein (z. B. Zahlung von Mitgliedsbeiträgen). Auch allgemeine Loyalitätspflichten gehören zur Partei-Ordnung (z. B. Öffentliches Verächtlichmachen zentraler Forderungen des Parteiprogramms).
bbb) Schwerer Schaden
Weiterhin muss das Verhalten einen schweren Schaden für die Partei verursachen. In der Regel handelt es sich dabei nicht um einen materiellen, sondern um einen Imageschaden, etwa durch Glaubwürdigkeits- oder Ansehensverluste in der Öffentlichkeit.
Ein bloß parteischädigendes Verhalten ohne Außenwirkung genügt dabei jedoch nicht. Erst wenn das Fehlverhalten von Angehörigen der Partei wahrgenommen und der Partei zugerechnet wird, tritt der Ausschlussgrund ein.
Merke
Vorsätzlicher Satzungsverstoß und erheblicher Ordnungsverstoß stehen gleichrangig nebeneinander (es muss also nur eine der Alternativen als Tatbestandsvoraussetzung erfüllt sein), in beiden Fällen muss jedoch der schwere Schaden hinzutreten, um den Ausschluss zu rechtfertigen.
Beispiel
Ein langjähriges Parteimitglied der Partei X gründet eine eigene politische Initiative, die öffentlich und wiederholt die Kernpositionen der Partei X diffamiert. Zudem ruft es Parteimitglieder dazu auf, bei der nächsten Bundestagswahl nicht für die eigene Partei, sondern für eine konkurrierende Partei zu stimmen. Das Mitglied nutzt dabei seine Parteifunktionen und interne Kommunikationskanäle, was zu erheblichem Vertrauensverlust und einem spürbaren Rückgang an Unterstützung in der Wählerschaft führt.
In diesem Fall könnte die Partei nach § 10 IV PartG ein Ausschlussverfahren einleiten, weil das Mitglied vorsätzlich gegen die parteieigene Ordnung handelt, damit die Grundsätze der Partei erheblich verletzt, und der Partei durch die Abwerbung von Mitgliedern und Wahlstimmen schweren Schaden zufügt.
ccc) Besonderheiten bei Abgeordneten
Im Falle von Abgeordneten kann deren Parlaments-Abstimmungsverhalten unter bestimmten Umständen Ausschlussgrund sein (wenn das Verhalten erheblich gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und der Partei schweren Schaden zufügt (§ 10 IV PartG), siehe oben), da sie sich bei der Kandidatur dem Parteiprogramm verpflichtet haben und daraufhin gewählt wurden.
Art. 38 I 2 GG schützt das freie Mandat und untersagt Weisungen im parlamentarischen Abstimmungsverhalten. Ein Parteiausschluss zielt an sich nicht auf das Mandat, sondern auf die Mitgliedschaft ab. Damit wird aber auch mittelbar das freie Mandat beeinträchtigt, da Abgeordnete typischerweise auf eine Parteimitgliedschaft angewiesen sind (vor allem für die Wiederwahl ist eine Mitgliedschaft relevant, jedenfalls in Bezug auf die Ressourcen der Partei für den Wahlkampf sowie die Außenwirkung des jeweiligen Kandidaten). Der Schutzbereich ist also eröffnet, aber der Eingriff kann gerechtfertigt sein, wenn die Voraussetzungen des § 10 IV PartG eingehalten und verhältnismäßig angewandt werden. Hauptsächlich wahrt § 10 IV PartG die innerparteiliche Demokratie als Teil der Verfassungsordnung und balanciert Vereinsautonomie und Grundrechtskontrolle
Ändert die Partei ihre Beschlusslage nach der Wahl, kann ein Abgeordneter nicht dafür belangt werden, dass er sich an das Programm hält, welches zum Zeitpunkt der Wahl bestand.
bb) Verfahrensrechtliche Ausgestaltung
aaa) Schiedsgerichtliche Entscheidung (§ 14 IV PartG)
Zuständig ist das nach Partei-Schiedsgerichtsordnung bestimmte Schiedsgericht. Zudem muss eine Berufung an eine höhere Instanz gewährleistet sein (§ 10 V 2 PartG), und Entscheidungen sind schriftlich zu begründen.
bbb) Vorläufiger Ausschluss (§ 10 V 4 PartG)
In dringenden und schwerwiegenden Fällen kann der Parteivorstand ein Mitglied bis zur endgültigen Entscheidung von der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte suspendieren. Diese Eilmaßnahme ist ebenfalls gerichtlich oder schiedsgerichtlich überprüfbar, wobei Verhältnismäßigkeit und Chancengleichheit hier besondere Bedeutung haben.
VI. Parteienfinanzierung
Die Parteienfinanzierung fußt auf Art. 21 I 4 GG, der Parteien verpflichtet, die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel jährlich offenzulegen. Einen Schwerpunkt bildet der Rechenschaftsbericht nach §§ 23 ff. PartG, in dem alle Einnahmen und Ausgaben umfassend darzulegen sind.
Spenden über 35.000 € sind namentlich zu melden und als Bundestagsdrucksache zu veröffentlichen, während sämtliche Einzelspenden ab 10.000 € im Bericht besonders ausgewiesen werden müssen.
Die Eigenfinanzierung erfolgt durch Mitgliedsbeiträge und Mandatsträgerabgaben (§ 27 PartG) sowie durch Spenden (§ 25 PartG), ergänzt um staatliche Teilfinanzierung, deren Höhe sich nach den Wahlergebnissen und dem Volumen der selbst erwirtschafteten Einnahmen (relative Obergrenze) richtet und durch eine absolute Obergrenze für alle Parteien limitiert wird.
Die staatlichen Mittel werden jährlich an einen Preisindex angepasst und sind Gegenstand einer Prüfung durch den Bundestagspräsidenten, der die Berichte nach Sichtung veröffentlicht und der Kontrolle durch Rechnungshof und Öffentlichkeit zuführt.