I. Einführung
Ist die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft, so kann der Käufer zunächst die Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB verlangen. Die Nacherfüllung wird dir also in fast jeder mängelrechtlichen Konstellation begegnen. Daher ist es sehr wichtig, dass du die Grundsätze dieser Normen beherrschst.
Die Übersicht zu den weiteren Käuferrechten findest du hier. § 439 BGB enthält aber auch eine Vielzahl unterschiedlicher Ansprüche:

1. Vorrang der Nacherfüllung
Der „Nacherfüllungsanspruch“ muss in der Regel vor allen anderen Rechten, also Rücktritt/Minderung oder Schadens-/Aufwendungsersatz geltend gemacht werden, denn diese erfordern gemäß §§ 323 I, 281 I 1 BGB den Ablauf einer angemessenen Frist.
Bevor diese Frist abläuft, hat der Verkäufer die Chance zur zweiten Andienung.
Merke
Die eigentlich geläufige Bezeichnung als „Recht zur zweiten Andienung“ ist etwas irreführend, da es sich hierbei nicht um ein Recht im technischen Sinne handelt, sondern eher um eine rechtliche Gegebenheit.
2. Prüfschema

3. Wahlrecht des Käufers, § 439 I BGB
Der Käufer kann gemäß § 439 I BGB wählen zwischen
der Beseitigung des Mangels (Nachbesserung)
und der Lieferung einer mangelfreien Sache (Nachlieferung)
Hierbei handelt es sich um eine elektive Konkurrenz, sodass das Wahlrecht des Käufers erst dann endet, wenn der gewählte Anspruch erfüllt wurde.
Merke
Die Mindermeinung, welche eine Wahlschuld annimmt, führt konsequenterweise dazu, dass das Wahlrecht des K schon dann endet, wenn er die Art der Nacherfüllung einmal gewählt hat.

4. Rechtsnatur
Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers steht im Synallagma mit dem Anspruch auf Kaufpreiszahlung des Verkäufers.
Er ist zudem ein „verhaltener Anspruch“, sodass der Nacherfüllungsanspruch erst mit der Geltendmachung fällig und erfüllbar wird. Eine Geltendmachung setzt wiederum voraus, dass der Käufer sich zwischen Mangelbeseitigung und Nachlieferung entschieden hat.
Vor Ausübung des Wahlrechts sind Mahnung und Fristsetzung daher auch wirkungslos, da sie sich auf keinen konkreten Anspruch beziehen.
5. Nacherfüllungsort
Der Käufer hat dem Verkäufer die mangelhafte Kaufsache am Nacherfüllungsort zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen, § 439 V BGB. Erfolgt das Bereitstellen nicht oder am falschen Ort, so ist die Fristbestimmung des Käufers unwirksam - eine Fristbestimmung im Sinne der §§ 281 I 1, 323 I BGB könnte somit auch nicht „erfolglos“ ablaufen. Der Käufer hat sodann keine Sekundärrechte.
Komplizierter ist aber, wo sich eigentlich dieser Nacherfüllungsort befindet: Das Kaufrecht (§§ 433 ff. BGB) sieht keine eigenen Regelungen über den Nacherfüllungsort vor. Systematisch ist daher auf die Regelung des allgemeinen Schuldrechts, also § 269 I BGB, zurückzugreifen. Gemäß § 269 I BGB ist in erster Linie die Parteivereinbarung entscheidend.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 269 I BGB an den § 439 V BGB, um dich an den systematischen Zusammenhang zwischen dem Kaufrecht und der Regelung zum Erfüllungsort im allgemeinen Schuldrecht zu erinnern.
Fehlt eine solche Vereinbarung, so ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere auf die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Erst hilfsweise ist der Erfüllungsort der Ort, an welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder die gewerbliche Niederlassung hatte.
Nach Art. 14 I lit. c) WKRL muss die Nacherfüllung jedoch ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen. Daher urteilte der EuGH, dass die Nacherfüllung am Belegenheitsort (also dem Ort, an dem sich die Kaufsache derzeit befindet) vorzunehmen ist, wenn eine Nacherfüllung am Geschäftsort des Verkäufers für den Käufer eine erhebliche Unannehmlichkeit bedeutet.
Beispiel
Eine Ware ist besonders schwer, zerbrechlich oder unhandlich oder der besondere Nutzungszweck (z. B. Einbauküche) ist gar nicht oder nur mit besonderer Spedition möglich.
6. Kosten der Nacherfüllung
Gemäß § 439 II BGB hat der Verkäufer die für die Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen zu tragen.
Obwohl § 439 II BGB nicht wie eine Anspruchsgrundlage, sondern wie eine Kostenzuweisungsregel formuliert ist, handelt es sich bei § 439 II BGB um eine „richtige“ Anspruchsgrundlage. In der Klausur dürfte ein solcher Hinweis dann relevant sein, wenn der Käufer unter § 439 II BGB fallende Kosten (etwa des Transports der Sache zum Verkäufer) zunächst selbst getragen hat. Wäre § 439 II BGB bloß Kostenzuweisungsregel, dann erhielte K diese Kosten nicht aus § 439 II BGB ersetzt.
Klausurtipp
Du darfst den Ersatz dieser Kosten also nicht als Teil des Nacherfüllungsanspruchs bejahen, sondern musst eben (wenn auch eine kurze) eigene Prüfung des Anspruchs aus §§ 437 Nr. 1, 439 II BGB vornehmen.
§ 439 II BGB erfasst übrigens auch die verschuldensunabhängigen Sachverständigenkosten, die einem Käufer entstehen, um die Ursache des Mangelsymptoms aufzufinden, damit dann die Frage der Zurechnung des Mangels geklärt werden kann. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass die Nacherfüllung unentgeltlich erfolgen muss. § 439 II BGB erfasst daher auch verschuldensunabhängig die erforderlichen Rechtsanwaltskosten.
7. Selbstvornahme des Käufers
Umstritten ist, ob der Käufer die Kosten der Selbstvornahme der Nacherfüllung vom Verkäufer erstattet bekommen kann.
Problem
Anspruchsgrundlage für die Kosten der Selbstvornahme des Käufers
Als Anspruchsgrundlage bietet sich § 326 II 2 BGB analog an.
Der BGH lehnt diesen Anspruch jedoch im Ergebnis ab, denn erstens würde dadurch die „Chance zur zweiten Andienung“ des Verkäufers ausgehöhlt. Ferner der Katalog des § 437 BGB abschließend, sodass ungeschriebene Sekundärrechte im Kaufrecht nicht vorgesehen sind. Insbesondere gesetzliche Aufwendungsansprüche, wie z. B. §§ 677 ff., 812 ff. BGB sollen ausgeschlossen sein.
Ein Teil der Literatur bejaht hingegen den Anspruch aus § 326 II 2 BGB analog, denn wenn § 326 II 2 BGB für die vom Käufer zu vertretende Unmöglichkeit im Erfüllungsstadium Rechtsfolgen vorsieht, dann müssen diese auch für den Nacherfüllungsanspruch gelten. Außerdem würde der Käufer unbillig auf den Kosten sitzen bleiben, zumal die Selbstvornahme dem Verkäufer Kosten einspart. Jedenfalls würde § 326 II 2 BGB keinen Kostenersatz gewähren, sondern nur die bei V vorhandenen Vermögensvorteile abschöpfen.
Klausurtipp
Unbekannte Analogien sollten in der Klausur hilfsweise eher abgelehnt werden. Auch hier empfiehlt es sich, der h.M. zu folgen, also den Anspruch gemäß § 326 II 2 BGB analog abzulehnen.
II. Beseitigung des Mangels als Nachbesserung, § 439 I Fall 1 BGB
Gemäß § 439 I Fall 1 BGB kann der Käufer die Nachbesserung, also die Beseitigung des Mangels verlangen.
1. Art der Mangelbeseitigung
Hat der Käufer die Mangelbeseitigung gewählt und ist die Mangelbeseitigung auf verschiedene Arten durchführbar, so kann der Verkäufer entscheiden, auf welche Art und Weise er den Mangel qualitativ beseitigt. Nach § 439 I Fall 1 BGB kann der Käufer nämlich nur über das „Ob“ der Mängelbeseitigung, nicht aber über das „Wie“ entscheiden.
2. Umfang der Mängelbeseitigung
Hat sich der Mangel seit Gefahrübergang verschlimmert oder sogar auf andere Teile der Kaufsache ausgedehnt, so sind daraus resultierende Verschlechterungen auch zu beheben. Grund hierfür ist Art. 13 I WKRL, welcher vorsieht, dass der Verkäufer den vertragsgemäßen Zustand herstellen und nicht nur den Mangel beseitigen muss (europarechtskonforme Auslegung).
III. Nachlieferung als Ersatzlieferung, § 439 I Fall 2 BGB
Der Käufer kann sich auch für die Nachlieferung, also die Ersatzlieferung gemäß § 439 I Fall 2 BGB entscheiden.
1. Möglichkeit
Beim Stückkauf führt die Lieferung einer anderen Sache nicht zur Erfüllung der Nacherfüllungsverpflichtung. Ein Teil der Literatur schließt daher pauschal gemäß § 275 I BGB den Nacherfüllungsanspruch beim Stückkauf aus.
Der BGH bezweifelt dies jedoch in einer Entscheidung, da der pauschale Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs im Wortlaut des § 439 I BGB keine Stütze findet. Die nach früherem Recht bestehende Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf, wonach der Käufer nur im letzteren Falle die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen konnte (§ 480 I 1 BGB a. F.) ist im neuen Recht aufgegeben worden. Das Ergebnis wäre, dass der Vorrang des Anspruchs auf Nacherfüllung beim Stückkauf von vornherein entfiele. Das widerspräche jedoch dem gesetzgeberischen Willen: Dem Käufer wird es in erster Linie darum gehen, überhaupt eine mangelfreie Sache zu erhalten. Dieses Käuferinteresse kann daher in den meisten Fällen auch beim Stückkauf durch Lieferung einer anderen gleichartigen Sache befriedigt werden.
Ob eine Ersatzlieferung möglich ist, ist durch Auslegung des Willens beider Vertragsparteien zu ermitteln, wobei entscheidend ist, ob die Vertragsparteien nach ihrem erkennbaren Willen und Vertragszweck die Leistung als austauschbar angesehen haben (weil sie durch eine gleichartige und gleichwertige Leistung ersetzt werden kann, vgl. § 91 BGB).
Andernfalls ist der Ausschluss der Leistung wegen Unmöglichkeit gemäß § 275 I BGB anzunehmen.
Beispiel
Kauf im SB-Markt: Da eine konkrete Sache gekauft wird, liegt zwar ein Stückkauf vor. Bei ersetzbaren (=vertretbaren) Sachen entspricht die Nachlieferung jedoch dem beiderseitigen Parteiinteresse.
Kauf eines Gebrauchtwagens: Die Nachlieferung entspricht in der Regel nicht dem Interesse beider Parteien. Ein Gebrauchtwagen wird so gekauft, wie er besichtigt wurde und ist durch seinen Zeitpunkt so individuell, dass er nicht ersetzbar ist.
Kauf eines Neuwagens: Nachlieferung eines Fahrzeugs derselben Modellreihe entspricht dem Interesse beider Parteien. Fand bis zur Realisierung des Nacherfüllungsanspruchs ein Modellwechsel statt, ist das für den Käufer positiv, könnte aber dem Interesse des Verkäufers widersprechen. Da es dem Verkäufer aber wohl nur in der Regel auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten ankommt, kann bei erheblichem Minderwert des ursprünglichen Wagens vertretbar sein, dass eine Zuzahlung erforderlich ist.
Klausurtipp
Diese Ausführungen sind jedoch keine Einladung, bei jeder potentiell unmöglichen Nacherfüllung seitenweise zu prüfen, ob nicht doch ausnahmsweise eine Nacherfüllung möglich ist. Mit der eben diskutierten Problematik solltest du dich nur auseinandersetzen, falls der Sachverhalt oder die Fallfrage konkret darauf abstellen.
2. Rückgewähr der mangelhaften Sache
Verlangt der Käufer die Ersatzlieferung, so kann der Verkäufer gemäß § 439 I BGB die Rückgabe der mangelhaften Sache nach §§ 346 - 348 BGB verlangen.
Gemäß § 439 VI 2 BGB hat der Verkäufer die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen. Es besteht also auch eine Rücknahme- und Abholpflichtpflicht des Verkäufers. Diese wird insbesondere dann relevant, wenn die mangelhafte Sache für beide Parteien wertlos ist oder der Käufer den Verwendungsersatz gemäß § 347 II 1 BGB verlangt. Dann kann ein solcher Anspruch nämlich auch im Interesse des Käufers sein, da er die Sache auch loswerden möchte, insbesondere, falls es sich um sperrige Gegenstände handelt.
Merke
Dieses Interesse unterstützt auch Art. 14 II 2 Warenkauf-RL, wobei der Wortlaut in deutscher Fassung nicht ganz deutlich ist und Erwägungsgrund 59 nur eine Rückgabepflicht ohne Rücknahmepflicht erwähnt. Die englische Fassung „shall take back“ betont noch deutlicher die Rückgabepflicht, welcher sich der deutsche Gesetzgeber mit § 439 VI 2 BGB anschließen wollte.
Verschlechtert sich die Kaufsache oder geht die Kaufsache unter, so schuldet der Käufer gemäß
§§ 439 VI 1, 346 IV, 280 I, III, 281/282 BGB gegebenenfalls Schadensersatz oder
Wertersatz gemäß §§ 439 VI 1, 346 II 1 Nr. 3 BGB.
Merke
Bedeutungsvoll wird hier § 346 III 1 Nr. 3 BGB, sodass eine Wertersatzpflicht gegebenenfalls sogar entfällt, wenn die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
Wegen des Verweises in § 439 VI BGB auf die §§ 346 - 348 BGB ist das Verständnis des Rücktritts- und Rücktrittsfolgenrechts notwendig, um mit dem § 439 VI BGB umzugehen - lies dir zum Verständnis die entsprechenden Artikel durch.
3. Eigenständige Mangelbeseitigung durch den Verkäufer
Beseitigt der Verkäufer den Mangel ohne Einverständnis des Käufers, obwohl der Käufer sich eigentlich für die Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache entschied, so kann der Käufer weiterhin die Ersatzlieferung verlangen. Das Festhalten des Käufers am wirksam ausgeübten Recht auf Ersatzlieferung verstößt nämlich nicht gegen Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.
IV. Aus- und Wiedereinbaukosten, § 439 III BGB
Gemäß § 439 III BGB kann der Käufer vom Verkäufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten mangelfreien Sache ersetzt verlangen.
Hierbei handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Anspruch, der auf jeder Handelsstufe und einheitlich für Verbraucher und Unternehmer gilt (Systematik - „allgemeines“ Kaufrecht!).
Einzig ausschlaggebend ist gemäß § 439 III BGB nur, dass die mangelhafte Sache eingebaut oder angebracht wurde, bevor der Mangel offenbar wurde. Dies meint die positive Kenntnis des Käufers, sodass eine grob fahrlässige Unkenntnis des Mangels unschädlich ist.
1. Anwendbarkeit
§ 439 III BGB betrifft alle Fälle der Nacherfüllung, also nicht nur die Ersatzlieferung, sondern auch die Mangelbeseitigung. Voraussetzung ist dabei stets, dass der Käufer die Sache bestimmungsgemäß verwendet hat, also nicht zweckentfremdet hat.
§ 439 III BGB setzt jedoch nicht voraus, dass der Käufer die Sache bei sich selbst eingebaut oder angebracht hat. § 439 III BGB erfasst also auch den Regress des Werkunternehmers gegen seinen Materiallieferanten oder Händler. Unseren Artikel zum kaufrechtlichen Regress findest du hier.
Problematisch ist, ob die Kosten für Aus- und Wiedereinbau verlangt werden können, falls die Nacherfüllung selbst unmöglich ist.
Beispiel
U verlegte bei K mangelhafte Fliesen, welche jetzt nicht mehr erhältlich sind, sodass die Nacherfüllung gemäß § 275 I BGB wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen ist.
Grundsätzlich setzt der Aufwendungsersatzanspruch aus § 439 III BGB voraus, dass ein Nacherfüllungsanspruch besteht („im Rahmen der Nacherfüllung“, § 439 III BGB).
§ 275 I BGB schließt die Leistungspflicht jedoch nur aus, „soweit“ die Leistung unmöglich ist.
Soweit der Aus- und Einbau also möglich ist, ergibt sich ein Anspruch daher nicht aus § 439 III BGB in direkter Anwendung, sondern aus § 439 III BGB analog.
2. Rechtsfolge
§ 439 III BGB gewährt dem Käufer einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen
Problematisch ist, ob ein Materiallieferant, gegen den sich der Anspruch richtet, statt Aufwendungsersatz zu leisten, den Aus- und Wiedereinbau beim Endkunden des Käufers selbst vornehmen kann, um Kosten einzusparen. Das Recht beziehungsweise die Chance „zur zweiten Andienung“ umfasst jedoch nur die Nachbesserung und Nachlieferung. Besteller wollen in der Regel nur mit dem selbst gewählten Werkunternehmer, genauer gesagt ihrer eigenen Vertragspartei zu tun haben.
Merke
Spiegelbildlich ist noch ungeklärt, ob der Käufer statt Aufwendungsersatz auch den Aus- und Wiedereinbau durch den Verkäufer verlangen kann. Wortlaut und Systematik sprechen wohl dagegen.
3. Auf- und Abbau
Fraglich ist, ob § 439 III BGB auch die Aufwendungen für den Auf- und Abbau (etwa eines Regals oder einer Küche „von der Stange“) erfasst.
Verbraucher sollen vor finanziellen Risiken geschützt werden, die sie davon abhalten könnten, ihre Ansprüche geltend zu machen. Ihnen dürfen keine Kosten aufgebürdet werden, sie wegen der Sachmängel selbst anfallen. § 439 III BGB ist deshalb analog anzuwenden, zumal es keinen Unterschied machen darf, ob der erhöhte Aufwand aus dem Einbau oder Anbringen einer Sache resultiert oder aus dem Aufbau einer Sache.
V. Ausschluss der Nacherfüllung
Die Nacherfüllung kann auch ausgeschlossen sein.
1. Unmöglichkeit der Nacherfüllung
Ist die von K gewählte Art der Nacherfüllung unmöglich, so ist der Anspruch gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen.
a) Unersetzbare Sache mit Mängeln
Beispiel
Unersetzbare Sache mit Mängeln:
Hier ist die Lieferung derselben Sache nicht möglich und die Lieferung einer anderen Sache nicht vertragsgemäß. Der Anspruch auf Nacherfüllung beschränkt sich daher ipso iure auf die andere Art der Nacherfüllung, nämlich auf die Mangelbeseitigung.
b) Unersetzbare Sache mit irreparablen Mängeln
Beispiel
Unersetzbare Sache mit irreparablen Mängeln:
Hier ist die Mangelbeseitigung, sowie die erneute Lieferung derselben Sache nicht möglich, zudem die Lieferung einer anderen Sache nicht vertragsgemäß.
Beide Arten der Nacherfüllung sind daher unmöglich und somit gemäß § 275 I BGB ausgeschlossen.
K kann ohne Fristsetzung sofort die Mängelrechte nach §§ 437 Nr. 2, 3 BGB (insbesondere Rücktritt, Minderung, Schadens- und Aufwendungsersatz) geltend machen.
2. Verweigerung der Nacherfüllung, § 275 II BGB
Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn der Aufwand des Verkäufers zur Nacherfüllung für den Käufer von unverhältnismäßig geringem Nutzen ist.
3. Verweigerung der Nacherfüllung, § 439 IV BGB
Der Verkäufer kann nicht nur gemäß § 275 II BGB, sondern auch nach § 439 IV BGB die Leistung verweigern. Voraussetzung für § 439 IV BGB ist, dass die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung für den Verkäufer nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Dabei ist zwischen der absoluten und der relativen Unverhältnismäßigkeit zu unterscheiden:
Relative Unverhältnismäßigkeit: im Vergleich mit der anderen Art der Nacherfüllung (Mangelbeseitigung gegen Ersatzlieferung)
Absolute Unverhältnismäßigkeit: Vergleich mit dem Interesse des Käufers an der Nacherfüllung an sich (Nacherfüllung gegen keine Nacherfüllung).
a) Absolute Unverhältnismäßigkeit
Wie auch in § 275 II BGB ist das Leistungsinteresse des Käufers der Bezugspunkt für die Unverhältnismäßigkeit. § 439 IV BGB sieht jedoch eine niedrigere Schwelle vor:
Merke
§ 275 II BGB: „Grobes Missverhältnis“ zwischen Kosten und Leistungsinteresse (Beispiel: Die Nacherfüllung ist für den Verkäufer besonders aufwendig, für den Käufer aber nicht besonders wichtig)
§ 439 IV BGB: „Unverhältnismäßige“ Kosten. Beispiel: Die Fliesen zu entfernen und neue einzubauen ist zu teuer und darf daher verweigert werden, auch wenn der Käufer ein Interesse daran hat
Das Verhältnis der Nacherfüllungskosten zum vereinbarten Kaufpreis ist irrelevant, sodass ein günstiger Kaufpreis nicht zur Annahme eines geringeren Leistungsinteresses des Käufers führen darf.
Vielmehr sind die Kosten der Nacherfüllung mit dem Wert der Sache im mangelfreien Zustand oder dem objektiven Minderwert zu vergleichen.
Die Kosten der Nacherfüllung sind dann jedenfalls unverhältnismäßig, wenn sie
150 % des Werts der Sache im mangelfreien Zustand oder
200 % des mangelbedingten Minderwerts
übersteigen.
Sind beide Arten der Nacherfüllung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden, so kann der Verkäufer gemäß § 439 IV 3 Hs. 2 BGB die Nacherfüllung komplett (also Mangelbeseitigung und Ersatzlieferung) verweigern. Verweigert der Verkäufer deshalb die Nacherfüllung, so kann der Käufer ohne Fristsetzung sofort die übrigen Mängelrechte der § 437 Nr. 2 & Nr. 3 BGB geltend machen.
b) Relative Unverhältnismäßigkeit
Die relative Unverhältnismäßigkeit betrifft die Frage, ob die gewünschte Art der Nacherfüllung im Vergleich mit der anderen Art der Nacherfüllung unverhältnismäßige Kosten verursacht.
Merke
Deshalb auch „relative“ Unverhältnismäßigkeit, da die Unverhältnismäßigkeit nicht „absolut“ zu beiden Alternativen der Nacherfüllung beurteilt wird, sondern nur „relativ“ zur Alternative.
Die teurere Art der Nacherfüllung ist nicht automatisch unverhältnismäßig. Auch hier ist eine Abwägung erforderlich zwischen:
dem Interesse des Verkäufers an einer Kosteneinsparung
und dem Interesse des Käufers, die gewählte Art der Nacherfüllung (und nicht die Alternative) zu erhalten.
§ 439 IV 2 BGB gibt („insbesondere“, also nicht abschließend) drei Kriterien vor:
Wert der Sache in mangelfreiem Zustand
Bedeutung des Mangels
Rückgriffmöglichkeit auf andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile
Merke
§§ 275 II, III BGB und § 439 IV BGB schließen nur die Nacherfüllungspflicht des Verkäufers aus, nicht jedoch seine Nacherfüllungschance. Verweigert der Verkäufer die Nacherfüllung nicht, obwohl er es dürfte, so erwirbt der Käufer zunächst keine Sekundärrechte. Vielmehr muss er auf den Ablauf einer angemessen gesetzten Frist warten.

VI. Verantwortlichkeit des Käufers
1. § 323 VI BGB analog
Ist der Käufer für den Mangel alleine oder weit überwiegend verantwortlich, so schließt § 323 VI BGB in analoger Anwendung den Nacherfüllungsanspruch aus. § 323 VI BGB ist nämlich Ausdruck eines auch hier anwendbaren allgemeinen Rechtsgedankens.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 323 VI BGB an den § 439 BGB zitieren, um dich an die Bedeutung der Verantwortlichkeit des Schuldners im Kontext des Nacherfüllungsanspruchs zu erinnern.
2. § 254 BGB
Ist der Käufer für den Mangel mitverantwortlich und sein Anspruch nicht schon gemäß § 323 VI Fall 1 BGB ausgeschlossen, siehe oben, so muss er nach dem Rechtsgedanken des § 254 BGB zumindest einen Teil der Nacherfüllungskosten tragen.
3. Verantwortung für die Unmöglichkeit oder Erschwerung der Nacherfüllung
§§ 323 VI analog, 254 BGB sind auch dann anwendbar, falls der Käufer die Unmöglichkeit oder Erschwerung der Nacherfüllung zu verantworten hat.
4. Verantwortung für die Verschlimmerung
Ist der Käufer für eine Verschlimmerung des Mangels nach (fiktivem) Gefahrübergang verantwortlich und liefert der Verkäufer Ersatz, muss der Käufer nach §§ 439 VI 1, 346 II 1 Nr. 3 BGB Wertersatz leisten.
In Fällen der Mangelbeseitigung ist §§ 439 VI 1, 346 II 1 Nr. 3 BGB analog anzuwenden. Die vorliegende Risikoverteilung kann nämlich nicht davon abhängen, ob der Käufer die Ersatzlieferung oder die Nachbesserung wählte.
VII. Störungen der Nacherfüllung
Auch die Durchführung der Nacherfüllungspflicht kann Störungen unterliegen, die wiederum Sekundäransprüche nach sich ziehen kann.
1. Verzögerte Nacherfüllung
Wird die Ersatzsache erst nach Fristablauf geliefert oder der Mangel erst nach Fristablauf beseitigt, so kann der Käufer gemäß §§ 280 I, II, 286 BGB den Ersatz des Verzögerungsschadens verlangen. Dieser Anspruch unterliegt nicht der Verjährung gemäß § 438 BGB, sondern der Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB. § 437 BGB ist gar nicht erst anwendbar, da dieser nicht auf § 286 BGB verweist.
2. Mangelhafte Nacherfüllung
Ist die ersatzweise gelieferte Sache mangelhaft oder scheitert die Mangelbeseitigung, so kann der Käufer wegen des ursprünglichen Mangels alle Rechte aus § 437 BGB geltend machen. Daneben hat der Käufer wegen der mangelhaften Nacherfüllung abermals Rechte aus § 437 BGB. Diese Rechte unterliegen dann der Verjährung gemäß § 438 BGB, beginnen also erst nach § 438 II BGB mit der Ablieferung der mangelhaften Ersatzsache oder mit dem Scheitern der Nachbesserung.
3. Unterlassene Nacherfüllung
Liefert der Verkäufer gar keinen Ersatz oder wird die Mangelbeseitigung gar nicht erst versucht, so kann der Käufer alle Rechte aus § 437 BGB geltend machen. Zudem hat der Käufer wegen der unterlassenen Nacherfüllung etwaige Ansprüche aus §§ 280 - 286 BGB, welche der Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB unterliegen. Hier hat der Käufer kaufrechtliche und allgemeine Ansprüche, da sein ehemaliger Anspruch auf Nacherfüllung nicht erlischt und die unterlassene Nacherfüllung selbst eine Pflichtverletzung ist.