I. Einführung
Die wichtigsten Leistungsmodalitäten sind in §§ 266-274 BGB geregelt:
Teilleistungen, § 266 BGB;
Leistungen Dritter, §§ 267 f. BGB;
Leistungsort, §§ 269 f. BGB;
Leistungszeit, §§ 271 f. BGB;
II. Teilleistungen
Für einen Gläubiger ist eine „Schuldzerstückelung“ in der Regel lästig. Daher räumt ihm § 266 BGB ein Wahlrecht ein. Er kann Teilleistungen zurückweisen, er kann sie aber auch akzeptieren. Eine Ausnahme gilt für Verbraucherdarlehen: Bei diesen darf der Darlehensgeber Teilzahlungen nicht zurückweisen (§ 497 III 2 BGB).
Weist der Gläubiger eine Teilleistung zurück, gerät er nicht in Annahmeverzug. Vielmehr kann er nach §§ 323, 326 V vom Vertrag zurücktreten und nach §§ 280, 281, 311a II 3 Schadensersatz statt der Leistung wegen vollständiger Nichterfüllung verlangen.
Merke
Eine „Teilleistung“ im Sinne des § 266 BGB liegt nur vor, soweit die Gesamtleistung (noch) geschuldet ist. Bietet S bei teilweiser Unmöglichkeit an, was ihm noch möglich ist, bietet er keine Teilleistung im Sinne von § 266 BGB an, sondern die gesamte wegen § 275 I BGB allein noch geschuldete Restleistung.
III. Leistungen durch Dritte, § 267 BGB
Sofern der Schuldner nicht in Person zu leisten hat, kann auch ein Dritter die Leistung bewirken. Dem Gläubiger ist es regelmäßig gleichgültig, von wem er die Leistung erhält. Ihn interessiert nur, dass er sie erhält. Wird die Leistung durch einen Dritten bewirkt, erlischt der Anspruch des Gläubigers nach §§ 362 I, 267 I 1 BGB.
Die Einwilligung des Schuldners ist nicht erforderlich. Der Gläubiger kann die Leistung aber ablehnen, wenn der Schuldner widerspricht (§ 267 II BGB). Lehnt der Gläubiger die Leistung gem. § 267 II BGB ab, kommt er dadurch nicht in Annahmeverzug nach §§ 293 ff. BGB.
Merke
§ 267 BGB greift nur ein, wenn der Zuwendende eine eigene Tilgungsbestimmung trifft. Übermittelt er eine Tilgungsbestimmung des Schuldners, ist er lediglich dessen Bote (Beispiel: Ausführung eines Überweisungsauftrags durch die Bank).
IV. Leistungsort
Definition
Der Leistungsort beschreibt den Ort, an dem die Leistungshandlung vorzunehmen ist und nicht, wo der Leistungserfolg eintreten soll.
Die Bestimmung des Leistungsortes wird vor allem im Zusammenhang mit der Erfüllung und Konkretisierung nach § 243 II BGB relevant. Damit Erfüllung oder Konkretisierung eintreten kann, muss der Schuldner unter anderem am richtigen Ort leisten. Welche Handlungen geschuldet sind, bestimmt sich primär nach den vertraglichen Vereinbarungen und hilfsweise nach den gesetzlichen Bestimmungen. Zu differenzieren ist ferner danach, ob der Gläubiger der Leistungshandlung anwesend oder abwesend ist. Ist der Gläubiger abwesend, hängen die erforderlichen Handlungen davon ab, ob eine Hol-, Bring- oder Schickschuld vorliegt. Mehr dazu findest du bei den Leistungsgegenständen und der Unmöglichkeit.
Merke
Synonym zum Leistungsort werden auch Handlungsort und Erfüllungsort gebraucht. Davon zwingend zu unterscheiden ist der Erfolgsort. Dieser beschreibt, wo der Leistungserfolg eintritt bzw. eintreten soll.
Leistungsort: Wo die Leistungshandlung vorgenommen wird bzw. vorzunehmen ist.
Erfolgsort: Wo der Leistungserfolg eintritt bzw. eintreten soll.
1. Regel-Ausnahme
a) Regel
Leistungsort ist grundsätzlich der Wohn-/Geschäftssitz des Schuldners (§ 269 I BGB). Entscheidend kommt es auf den Wohn-/Geschäftssitz an, den der Schuldner zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses innehat.
Merke
Wenn der Leistungserfolg auch am Wohnsitz des Schuldners eintreten soll, liegt eine sogenannte Holschuld vor.
b) Ausnahme
Ausnahmsweise ist der Wohn-/Geschäftssitz des Gläubigers der Leistungsort. Eine solche „Bringschuld“ kann durch die Parteien vereinbart werden oder sich aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses ergeben, vergleiche § 269 I BGB am Anfang. Beispiel: Lieferung von Heizöl.
Merke
Dass der Schuldner die Versandkosten trägt, führt allein nicht zu einer Bringschuld, vielmehr liegt dann in der Regel eine Schickschuld vor, vgl. § 269 III BGB.
2. Rechtsfolgen von Schick- und Bringschuld
a) Schickschuld
Definition
Bei einer Schickschuld schuldet der Schuldner nicht den Transport der vertragsgemäßen Ware, sondern die Auslieferung an den Transporteur (vgl. § 447 I BGB).
Das heißt, er trägt weder die Verspätungsgefahr noch die Verlustgefahr. Da der Schuldner den Transport nicht schuldet, haftet er auch nicht nach § 278 BGB für das Fehlverhalten des Transporteurs.
b) Bringschuld
Definition
Bei der Bringschuld schuldet der Schuldner den Transport und die Übergabe der vertragsgemäßen Ware.
Soweit er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit eines Transporteurs bedient, haftet er für dessen Fehlverhalten nach § 278 BGB.
Da der Schuldner erst mit der Übergabehandlung alles seinerseits erforderliche getan hat, trägt er die Verspätungs- und Verlustgefahr.
3. Geldschuld (§ 270 BGB)
Nach § 270 I BGB hat der Schuldner dem Gläubiger Geld im Zweifel an dessen Wohnsitz zu übermitteln. Es handelt sich hierbei lediglich um eine materielle Auslegungsregel. Nach § 270 IV BGB gilt, dass die Vorschriften über den Leistungsort unberührt bleiben. Aus diesem Grund ist die Geldschuld wegen § 269 I BGB (Leistungsort ist Wohnsitz des Schuldners) in der Regel keine Bringschuld.
a) Schickschuld
Da der Leistungsort nach §§ 270 IV, 269 I BGB in der Regel beim Schuldner liegt, das Geld aber nach § 270 I BGB dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln ist, ist die Geldschuld eine Schickschuld.
Der Schuldner schuldet nicht den Transport selbst, sondern nur die Auslieferung an den Transporteur (vgl. § 447 I BGB). Er trägt nicht die Verspätungsgefahr.
Merke
Fehlverhalten von Banken ist dem Schuldner nicht nach § 278 BGB zuzurechnen.
b) Qualifizierte Schickschuld
Da der Schuldner aber nach § 270 I BGB die Verlustgefahr trägt, handelt es sich bei der Geldschuld um eine qualifizierte Schickschuld. Nach anderer Auffassung handelt es sich bei der Geldschuld um eine qualifizierte Bringschuld, bei der der Schuldner neben der Verlustgefahr auch die Verspätungsgefahr trägt (mehr dazu findest du in Fall 9 im Schuldrecht).

V. Leistungszeit (§ 271 BGB)
1. Fälligkeit und Erfüllbarkeit
Definition
Die Fälligkeit bestimmt, ab welchem Zeitpunkt ein Gläubiger die Leistungshandlung verlangen kann.
Die Erfüllbarkeit regelt, ab welchem Zeitpunkt der Schuldner die Leistung bewirken darf.
Merke
Eine fällige Schuld ist immer erfüllbar. Wer leisten muss, darf auch leisten.
2. Fälligkeit
a) Eintritt der Fälligkeit
Nach § 271 I BGB richtet sich die Fälligkeit primär nach den Parteivereinbarungen, sekundär nach den Umständen. Hilfsweise wird die Leistung „sofort“ fällig.
Beispiel
Soll der Schuldner auf Abruf leisten, begründet erst der Abruf die Fälligkeit.
Beim Verbrauchsgüterkauf kann der Gläubiger die Leistungen unverzüglich verlangen (§ 475 I BGB), sofern weder eine Zeit bestimmt ist noch sich aus den Umständen ergibt.
b) Rechtsfolgen der Fälligkeit
Die Fälligkeit
bewirkt den Beginn der Verjährung (vgl. §§ 199 f. BGB),
bestimmt den frühesten Zeitpunkt, ab dem sich der Schuldner vertragswidrig verhalten kann und
den frühesten Zeitpunkt, ab dem eine Forderung aufgerechnet werden kann.
3. Erfüllbarkeit
Eine fällige Schuld kann stets erfüllt werden.
Sofern ein Fälligkeitstermin nicht bestimmt ist, kann im Zweifel nach § 271 II BGB auch vor Fälligkeit erfüllt werden.
Beispiel
Unverzinsliches Darlehen, § 488 III 3 BGB
Bei einem verzinslichen Darlehen dagegen greift die Auslegungsregel des § 271 II BGB nicht ein. Daher kann erst bei Fälligkeit zurückgezahlt werden, andernfalls entgingen dem Gläubiger für die Restlaufzeit die vereinbarten Zinsen.
Merke
Die Erfüllbarkeit ist in folgenden Fällen relevant:
Erfüllung (§ 362) tritt nur ein, wenn die Forderung erfüllbar ist.
Aufrechnung setzt voraus, dass die Hauptforderung erfüllbar ist.
Gläubigerverzug setzt voraus, dass die Forderung erfüllbar ist.
Konkretisierung nach § 243 II, dass die Forderung erfüllbar ist.
4. Verhaltene Ansprüche
Definition
Verhaltene Ansprüche sind Ansprüche, auf die der Schuldner entgegen § 271 II BGB erst auf Verlangen des Gläubigers leisten darf. Bis zu diesem Zeitpunkt sind sie nicht erfüllbar.
a) Gesetzliche Anordnung
Das Gesetz ordnet verhaltene Ansprüche an, wenn deren Erfüllung für den Gläubiger zu Rechtsnachteilen führen kann.
Beispiel
Stellvertretendes Commodum, § 285 BGB: Erhält der Gläubiger das Surrogat, mindert sich ein eventueller Schadensersatzanspruch nach § 285 II BGB. Ferner bleibt er nach § 326 III 1 BGB ganz oder teilweise zur Gegenleistung verpflichtet. Diese Rechtsnachteile sollen dem Gläubiger nicht gegen seinen Willen aufgedrängt werden.
Geschäftsanmaßung: Macht der Geschäftsherr Ansprüche aus § 687 II 1 BGB geltend, ist er dem Geschäftsführer nach §§ 687 II 2, 684 S. 1 BGB
Rückgabe einer hinterlegten Sache, §§ 695, 696 S. 2 BGB
Weitere Fälle: § 259 II, 260 II, 416 III 1, 629, 630 S. 2 BGB
b) Vertragliche Vereinbarung
Verhaltene Ansprüche können auch vertraglich begründet werden, wenn der Gläubiger die Leistung erst ab einem bestimmten Zeitpunkt oder unter bestimmten Umständen abnehmen will oder kann.
Beispiel
Ein Fensterbauer soll seine Arbeit erst nach Fertigstellung des Rohbaus aufnehmen.