Gemäß § 56 HGB gilt derjenige, der in einem Laden oder offenen Warenlager angestellt ist, zu Verkäufen und Empfangnahmen als ermächtigt, die in einem derartigen Laden oder Warenlage gewöhnlich geschehen.
I. Vorab: Grundsätzliches
In der Regel sind diejenigen, die in einem Laden oder Warenlager tätig sind, schon durch eine Handlungsvollmacht gemäß § 54 I HGB ermächtigt. Fehlt aber die Erteilung der Handlungsvollmacht gemäß § 54 I HGB ausnahmsweise, so wäre eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht durchaus denkbar. Vorrangig gilt aber zunächst § 56 HGB, denn dieser ist lex specialis zu den Rechtsscheinvollmachten. Sinn und Zweck des § 56 HGB ist demnach, dem Kunden die Nachforschung zu ersparen, ob und wie der Angestellte zum Abschluss der gewöhnlichen Geschäfte tatsächlich ermächtigt ist.
Äußerst kompliziert und daher klausurträchtig ist die Frage nach der Rechtsnatur des § 56 HGB.
Zwar verleitet der Wortlaut „gilt als ermächtigt“ zur Annahme, § 56 HGB wäre eine gesetzliche Vertretungsmacht oder unwiderlegliche Vermutung einer Vertretungsmacht.
Richtigerweise hat § 56 HGB jedoch zwei Funktionen, einerseits als widerlegliche Vermutung, dass eine Handlungsvollmacht erteilt wurde und andererseits als Rechtsschein zugunsten des Kunden, falls die Vermutung widerlegt wurde.
Merke
Die Frage nach der Rechtsnatur kann in der Regel dahinstehen, denn erstens kann die vermutete Vollmacht meistens nicht entkräftet werden. Zweitens ist gemäß § 54 III HGB analog die Regelung des § 56 HGB nur bei Gutgläubigkeit des Dritten anzuwenden.
II. Die Voraussetzungen im Einzelnen
1. „angestellt“
§ 56 HGB erfordert zunächst, dass der Handelnde angestellt ist.
Definition
Angestellt ist, wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsinhabers beim Verkauf mitwirkt.
Für die Anstellung ist es daher irrelevant, ob das zugrundeliegende Beschäftigungsverhältnis wirksam oder gar tatsächlich existiert.
2. „Laden oder Warenlager“
„Laden oder Warenlager“ ist funktionell zu verstehen, weshalb auch die Verkaufsfläche unter freiem Himmel oder der Verkaufsraum in einer Großhandlung umfasst ist. Jedenfalls sollte nicht am Bild des „Tante-Emma-Laden“ festgehalten und eher ein entwicklungsoffenes Verständnis gezeigt werden.
3. „Verkauf“
Zwar erwähnt § 56 HGB nur den „Verkauf“, jedoch wird auch die Übereignung im Rahmen des Vollzugsgeschäfts umfasst. Ohne diese teleologische Extension würde sonst mangels Eigentumsübertragung der Käufer den Geschäftsinhaber auf Übereignung des Eigentums aus dem vertraglichen Anspruch gemäß § 433 I 1 BGB verklagen, was unnötig kompliziert wäre.
Nicht vom Wortlaut und dem Anwendungsbereich der Norm umfasst ist jedoch der Ankauf von Waren, also die Vollmachterteilung auf Käuferseite.

Auch eine analoge Anwendung ist ausgeschlossen, denn zum einen umfasst die Ladenanstellung nicht typisiert die Ermächtigung zum Ankauf und zum anderen sind die Ankaufbedingungen anders als bei einem Verkaufsprozess regelmäßig nicht vom Geschäftsinhaber vordefiniert, sodass man auch nicht von einer vergleichbaren Interessenlage ausgehen kann.
Merke
Eine Korrektur dieses Ergebnisses ist durchaus im Rahmen einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht möglich! Siehe dazu diesen Artikel.
4. Kaufmannseigenschaft des Geschäftsinhabers
Ferner muss der Geschäftsinhaber bei systematischer Auslegung grundsätzlich auch Kaufmann sein. Eine analoge Anwendung des § 56 HGB bietet sich jedoch für Kleingewerbetreibende und Freiberufler dennoch an, denn auch hier ist der Rechtsverkehr schutzbedürftig.
5. Schutzbedürftigkeit des Dritten
Ferner ist § 54 III HGB entsprechend anzuwenden, sodass ein Dritter, der die fehlende Handlungsvollmacht kannte oder kennen musste, sich nicht auf § 56 HGB berufen kann.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere den § 54 III HGB an den § 56 HGB, um dich an dessen Anwendbarkeit zu erinnern.
Der Geschäftsinhaber kann also z.B. durch Hinweisschilder darauf aufmerksam machen, dass die Angestellten tatsächlich nicht über Waren disponieren können, sondern lediglich beratend tätig sind.