Auch in Klausuren mit kaufrechtlichem Schwerpunkt musst du auf Anspruchsgrundlagen außerhalb des Kaufrechts eingehen, soweit diese naheliegend erscheinen und die passende Rechtsfolge haben. Aufgrund der speziellen Regelungen der §§ 434 ff. BGB gibt es aber verschiedene Fälle, in denen andere Anspruchsgrundlagen durch das Kaufrecht verdrängt werden - sie stehen insoweit in Gesetzeskonkurrenz.

I. Allgemeines Leistungsstörungsrecht
Die kaufrechtlichen §§ 434 ff. BGB und die allgemeinen Regelungen zum Leistungsstörungsrecht stehen in Gesetzeskonkurrenz.
1. Grundsatz: Abhängigkeit vom Gefahrenübergang
Sobald das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht eingreift (Gefahrübergang), so haben die §§ 434 ff. BGB Vorrang gegenüber dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht.
Merke
Teilweise wird das allgemeine Leistungsstörungsrecht in die kaufrechtlichen Sonderregelungen einbezogen, insbesondere beim Rücktritt und Schadensersatz (§§ 437 Nr. 2, Nr. 3 BGB) einbezogen.
Vor Gefahrübergang ist das allgemeine Leistungsstörungsrecht hingegen unmittelbar anwendbar und ein Rückgriff auf die §§ 434 ff. BGB ausgeschlossen.
Das allgemeine Leistungsstörungsrecht ist auch dann (alleine) anwendbar, wenn der Käufer die Annahme wegen eines Sachmangels verweigerte und daher ein Gefahrübergang nicht stattfand.
2. Einrede des nicht erfüllten Vertrages
Die Gesetzeskonkurrenz erstreckt sich hingegen nicht auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrags aus § 320 BGB. Indem der Nacherfüllungsanspruch nämlich an die Stelle des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs tritt, ist er zur Kaufpreisforderung synallagmatisch.
Der Käufer kann also die Zahlung so lange verweigern, als er noch die Nacherfüllung verlangen und so seinen (Nacherfüllungs-)Anspruch durchsetzen kann.
Merke
Eine schwache Gegenauffassung argumentiert hingegen, dass wegen der fehlenden Verweisung des § 437 BGB auf § 320 BGB diese Einrede nicht anwendbar wäre, aber alleine wegen der fehlenden Verweisung auf die vollständige Unabwendbarkeit zu schließen, genügt nicht als tragendes Argument.
3. Culpa in Contrahendo, §§ 311 II, 280 I, 241 II BGB
Ein Anspruch gemäß §§ 311 II, 280 I, 241 II BGB wegen fahrlässiger Falsch- oder Nichtangabe einer Beschaffenheit (also der Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungs- und Informationspflicht) ist nach Gefahrübergang wegen der besonderen Ausgestaltung der Sekundärrechte grundsätzlich ausgeschlossen. Nicht nur würde die „Chance zur zweiten Andienung“ (§ 439 I BGB) wegen der nicht erforderlichen Fristsetzung umgangen, sondern auch die verkürzten Verjährungsregeln des § 438 I Nr. 3 BGB nicht gelten. Auch §§ 442 I 2 BGB würde hinsichtlich der groben fahrlässigen Unkenntnis umgangen werden. Zuletzt wird auch § 377 HGB umgangen, da auch bei Verletzung der Rügeobliegenheit ein Anspruch aus c.i.c. möglich wär.
Merke
Der Verkäufer ist allerdings dann nicht durch diese Regelungen schutzbedürftig, falls er den Verkäufer arglistig täuscht.
4. Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 I BGB
Ein Sach- oder Rechtsmangel führt nicht zur Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 I BGB. Die Vorschriften über die Haftung für Mängel gehen als speziellere Regelungen vor. Dies gilt auch bei einem Haftungsausschluss oder auch nach Verjährung der Gewährleistungsansprüche.
II. Anfechtung, § 142 I BGB
Ist die Kaufsache mangelhaft, so könnte, soweit eine Anfechtung erklärt wurde, der Kaufvertrag gemäß §§ 142 I, 119 II BGB als nichtig anzusehen sein, denn erstens ist ein Mangel der Kaufsache eine verkehrswesentliche Eigenschaft gemäß § 119 II BGB und zweitens ist es für den Verkäufer oft wirtschaftlich vorteilhafter, sich durch die Anfechtung von den kaufrechtlichen Sekundärpflichten (insbesondere Schadensersatz) zu lösen.
Hierfür ist jedoch nach dem Zeitpunkt der Anfechtung und dem Erklärenden zu differenzieren.

1. Anfechtung gemäß § 119 II BGB
a) Anfechtung nach Gefahrübergang durch den Käufer
Die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtum durch den Käufer nach Gefahrübergang ist ausgeschlossen. Die §§ 437 - 442 BGB verdrängen die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtum.
Dafür spricht, dass eine Anfechtung
dem Verkäufer die „Chance zur zweiten Andienung“ entzieht,
§ 438 I Nr. 3 BGB mit seinen kürzeren Verjährungsfristen umgeht,
§ 442 I 2 BGB umgeht, da der Käufer auch bei grob fahrlässiger Unkenntnis anfechten kann und
§ 377 HGB umgeht, sodass der Käufer auch bei Verletzung der Rügeobliegenheit anfechten kann.
Merke
§§ 437 - 442 BGB erfassen nur negative Abweichungen der Ist- von der Sollbeschaffenheit. Die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtum ist nur insoweit ausgeschlossen, als der Käufer sich über die Vertragsgemäßheit des Kaufgegenstands, also seine Mangelfreiheit, irrt. Irrt der Käufer sich über verkehrswesentliche Eigenschaften, welche der Verkäufer nicht schuldet, kann er wegen Eigenschaftsirrtum gemäß §§ 142 I, 119 II BGB anfechten.
b) Anfechtung schon vor Gefahrübergang durch den Käufer
Wäre eine Anfechtung zulässig, könnte sich der Käufer auch bei grob fahrlässiger Verkennung eines Mangels vom Kaufvertrag lösen. § 442 I 2 BGB schließt jedoch bei grober Fahrlässigkeit (vorbehaltlich Hs. 2) sämtliche Käuferrechte aus, und zwar in analoger Anwendung auch schon vor Gefahrübergang.
Die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums ist daher schon vor Gefahrübergang ausgeschlossen.
c) Anfechtung durch den Verkäufer
Soweit der Verkäufer über einen Mangel irrt, ist die Anfechtung ausgeschlossen. Ansonsten würde die Anfechtung dem Käufer die Mängelrechte entziehen.
Soweit der Verkäufer sich über werterhöhende Eigenschaften irrt, kann er nach ganz herrschender Auffassung anfechten. Dagegen dürfte jedoch sprechen, dass der Unterwertverkauf ein (vertrags-)typisches Verkäuferrisiko ist.
2. Sonstige Anfechtungsgründe, §§ 119 I, 120, 123 BGB
Hinsichtlich der anderen Anfechtungsgründen §§ 119 I, 120, 123 BGB gelten keine Einschränkungen. Sowohl Käufer als auch Verkäufer können uneingeschränkt anfechten. Die Gründe, die hier zur Anfechtbarkeit des Kaufvertrages führen, haben nichts mit der Mangelhaftigkeit der Kaufsache zu tun, sodass hier schon inhaltlich ganz andere Aspekte geregelt werden.
III. Deliktsrecht, §§ 823 ff. BGB
Das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht schließt deliktsrechtliche Ansprüche nicht aus, auch wenn für das Deliktsrecht nicht die verkürzte Verjährung gemäß § 438 BGB gilt.
Werden schon bestehende Rechte oder Rechtsgüter des Eigentümers geschädigt, so kann ein Schaden nur an den bestehenden Rechten/Rechtsgütern angenommen werden.
Beispiel
Eine bereits mangelhafte Sache wird übereignet, sodass der mangelbedingte Minderwert nicht nach § 823 I BGB ersetzt wird. Eine darüber hinausgehende Zerstörung der Kaufsache oder Schäden an anderen Rechten oder Rechtsgütern des Käufers („Weiterfresserschäden“) können unter Umständen nach § 823 I BGB liquidiert werden.
In diesem Kontext gibt es auch das Problem des sogenannten „Weiterfresserschadens“, das wir hier dargestellt haben.
IV. Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Der Kaufvertrag stellt einen „Auftrag“ im Sinne des § 677 BGB dar, sodass Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ausscheiden.
V. Kondiktionsrecht, §§ 812 ff. BGB
Ein wirksamer Kaufvertrag stellt einen Rechtsgrund gemäß § 812 BGB dar, sodass Ansprüche aus Leistungskondiktion ausgeschlossen sind. Dies gilt auch bei einer mangelhaften Kaufsache, denn der Kaufvertrag bildet auch für die mangelhafte Kaufsache einen Rechtsgrund.
1. Mengenabweichungen
Bei Mengenabweichungen ist danach zu differenzieren, ob eine Zuviel- oder Zuweniglieferung vorliegt.
a) Zuweniglieferungen
Die Zuweniglieferung ist eine Abweichung der subjektiven Anforderungen gemäß § 434 II BGB, sodass bereicherungsrechtliche Ansprüche nach dem oben gesagten ausgeschlossen und stattdessen die kaufrechtlichen Mangelvorschriften anwendbar sind.
b) Zuviellieferung
Die Zuviellieferung weicht nicht von den subjektiven Anforderungen (§ 434 II BGB) ab, sodass die §§ 434 ff. nicht vorrangig sind - man hat keinen Mangelanspruch, weil man zu viel erhält. Der Verkäufer kann das Zuvielgelieferte gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB kondizieren, da der Kaufvertrag für die zu viel gelieferte Menge (auf die ja gerade kein Anspruch bestand) keinen Rechtsgrund darstellt.
2. Aliudlieferung
Die Aliudlieferung ist gemäß § 434 V BGB ein Sachmangel, sodass die §§ 434 ff. BGB das Kondiktionsrecht verdrängen. Wird jedoch ein höherwertiges Aliud geleistet, so kann der Verkäufer die Tilgungsbestimmung anfechten und das Aliud kondizieren, wenn er die vertraglich geschuldete Kaufsache anbietet.
3. Rückgewähranspruch (§ 439 V BGB)
Der Rückgewähranspruch des Verkäufers im Rahmen der Nachlieferung gemäß §§ 439 V, 346 ff. BGB verdrängt den Kondiktionsanspruch nach § 812 I S. 2 Fall 1 BGB.
4. Kosten der Nacherfüllung
Der Käufer kann die Kosten der Nacherfüllung gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB (condictio indebiti) zurückverlangen, falls er in Unkenntnis der Kostentragungspflicht des Verkäufers (§ 439 II BGB) ein Entgelt für die Nacherfüllung leistete.