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Objektiver Tatbestand

Kausalität im Strafrecht

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Objektiver Tatbestand

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Conditio-sine-qua-non-Formel
Alternative Kausalität
Kumulative Kausalität
Überholende Kausalität
Regressverbot
Reserveursachen
Hypothetische Kausalität
Fahrlässigkeitsdelikt
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§ 222 StGB
Gliederung
  • I. Allgemeines

    • 1. Conditio-sine-qua-non-Formel

    • 2. Prüfung der Kausalität

      • a) Vollendetes Begehungsdelikt

      • b) Versuchtes Begehungsdelikt

  • II. Arten der Kausalität

    • 1. Mehrere Personen

      • a) Alternative Kausalität

      • b) Kumulative Kausalität

    • 2. Hypothetische Kausalität

  • III. Grundsätze und Ausnahmen der Kausalität

    • 1. Kein Regressverbot

      • a) Gesetzte Bedingungen bleiben kausal

      • b) Überholende Kausalität

    • 2. Gleichwertigkeit der gesetzten Bedingungen

    • 3. Reserveursachen und hypothetische Geschehensabläufe

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Kausalität. Die Kausalität ist regelmäßiger Prüfungspunkt eines Deliktes und sehr klausurrelevant. Insbesondere die problematischen Ausnahme-Fallgruppen bieten sich für Examensklausuren an.

I. Allgemeines

Die Kausalität gehört zum Tatbestand des Erfolgsdeliktes. Das bedeutet, dass die Kausalität immer dann geprüft werden muss, wenn der Tatbestand eines Deliktes einen bestimmten Erfolg voraussetzt. Setzt das Delikt keinen tatbestandlichen Erfolg, sondern nur eine strafbare Handlung voraus (handelt es sich also um ein Tätigkeitsdelikt), wird die Kausalität nicht geprüft.

1. Conditio-sine-qua-non-Formel

Die Kausalität wird mithilfe der Conditio-sine-qua-non-Formel bestimmt, was mit “Bedingung, ohne die nicht-Formel” wortwörtlich übersetzt werden kann. Durch sie wird sichergestellt, dass die Handlung des Täters auch ursächlich für den eingetretenen Erfolg ist.

Definition

Kausal ist jede Handlung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Art entfiele.

Durch die weit gefasste Conditio-sine-qua-non-Formel ist beinahe jede Handlung des Täters kausal, die im Zusammenhang mit dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolges steht. Wäre die Kausalität allein ausschlaggebend für die Frage, ob eine Person kausal für den Eintritt eines tatbestandlichen Erfolges geworden ist, wäre auch die Mutter eines Mörders kausal für den Tod eines anderen Menschen (hätte die Mutter den Mörder nicht in die Welt gesetzt, wäre der Tod der anderen Person in der konkreten Gestalt nicht eingetreten). Um die Kausalität einzugrenzen, wurde die Lehre von der objektiven Zurechnung entwickelt. Den Artikel zur objektiven Zurechnung findest du hier.

Vernetztes Lernen

Die Conditio-sine-qua-non-Formel wird auch im Zivilrecht verwendet. Im Deliktsrecht wird die weit gefasste Kausalität auch Äquivalenz genannt. Die Äquivalenz wird aber anders als im Strafrecht nicht durch das Erfordernis der objektiven Zurechenbarkeit, sondern die Adäquanzprüfung eingeschränkt.

2. Prüfung der Kausalität

a) Vollendetes Begehungsdelikt

Die Kausalität ist bei vollendeten Erfolgsdelikten immer im objektiven Tatbestand zu prüfen. Bei Begehungsdelikten, die einen tatbestandlichen Erfolg voraussetzen, wird die Kausalität nach der Prüfung der Tathandlung und des Taterfolgs angesprochen. Die Kausalität stellt folglich die Verknüpfung zwischen Tathandlung und Taterfolg dar.

b) Versuchtes Begehungsdelikt

Die Kausalität ist beim versuchten Begehungsdelikt im subjektiven Tatbestand - dem Tatentschluss - zu prüfen. Der Täter muss also aus seiner Sichtweise den tatbestandlichen Erfolg kausal herbeiführen wollen. Das folgt daraus, dass der Erfolg beim versuchten Delikt gerade nicht eingetreten, die Tat also nicht vollendet ist. Auch wenn der Erfolg eingetreten ist, dieser dem Täter im objektiven Tatbestand aber nicht kausal oder objektiv zurechenbar zugerechnet werden kann, wird die Prüfung eines Versuchs erforderlich sein.

Beispiel

T will O töten. T schießt dem O nachts auf einem einsamen Waldweg aus einem Gebüsch heraus in den Rücken. O wird knapp verfehlt, stürzt aber vor Schreck und bleibt regungslos auf dem Boden liegen. T flüchtet in dem Glauben, den O getötet zu haben. O rappelt sich auf und rennt dem P in die Arme. Dieser tötet den O mit einem Messer, weil er den gut betuchten O berauben will.

T ist nicht für den Tod des O kausal geworden, weil ein Fall der überholenden Kausalität (dazu gleich mehr) vorliegt. Dennoch könnte er wegen versuchten Totschlags strafbar sein. T stellte sich vor, dass er den Tod des O kausal durch seinen Schuss in den Rücken hervorgerufen hat. Er wollte den Tod des O folglich in Kenntnis aller objektiven Tatbestandsmerkmale kausal hervorrufen.

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Die gleiche Konstellation kann auch beim untauglichen Versuch auftreten. Ist der Erfolg eingetreten, das Tatobjekt aber untauglich, ist die Handlung des Täters nicht kausal geworden. Weil der untaugliche Versuch strafbar ist, muss auch hier eine Versuchsprüfung stattfinden, in der sich der Täter vorstellt, den Erfolg kausal hervorzurufen.

II. Arten der Kausalität

Die Kausalität kann in verschiedenen Arten auftreten. Die Art der zu prüfenden Kausalität hängt einerseits von der Anzahl der beteiligten Personen und andererseits von der Deliktsart ab. Wenn nur eine Person bei der Erfolgsherbeiführung mitwirkt, ist grundsätzlich die “normale” Conditio-sine-qua-non-Formel nach obiger Definition einschlägig.

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1. Mehrere Personen

Wirken beim Herbeiführen eines tatbestandlichen Erfolges mehrere Personen mit, sind die alternative und die kumulative Kausalität zu unterscheiden. Beide Kausalitätsarten führen zu dem Ergebnis, dass der Erfolg kausal auf die Handlung der beteiligten Personen zurückgeführt werden kann.

a) Alternative Kausalität

Die alternative Kausalität zeichnet sich dadurch aus, dass zwei Personen unabhängig voneinander Bedingungen setzen, die schon für sich genommen den Erfolg kausal herbeigeführt hätten.

Definition

Die alternative Kausalität liegt vor, wenn mehrere unabhängig voneinander gesetzte Bedingungen den Erfolg gleichzeitig verursachen, wobei jede für sich zur Erfolgsherbeiführung ausgereicht hätte.

Beispiel

T1 und T2 wollen ihre Lehrerin O töten. T1 und T2 schütten beide unabhängig voneinander in einem unbeobachteten Moment eine tödliche Menge Gift in die auf dem Pult stehende Kaffeetasse der O. O stirbt.

Im obigen Beispiel ist nicht mehr feststellbar, welches Gift genau die Lehrerin tötete. Somit wären nach der conditio-sine-qua-non-Formel eigentlich beide Handlungen nicht kausal - denn selbst, wenn die jeweilige Handlung hinweggedacht werden würde, bliebe der Erfolg durch die andere Gift-Verabreichung bestehen. Insofern wird die Formel im Zusammenhang mit Fällen der alternativen Kausalität modifiziert angewendet.

Merke

In Fällen alternativer Kausalität wird die Conditio-sine-qua-non-Formel dahingehend modifiziert, dass jede der Handlungen, die alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, als ursächlich angesehen wird. 

Insofern sind beide Handlungen für den Tod der O kausal, da der Erfolg dann entfiele, wenn beide Handlungen hinweggedacht werden; nicht aber, wenn nur eine der beiden Handlungen hinweggedacht wird.

b) Kumulative Kausalität

Die kumulative Kausalität zeichnet sich im Gegensatz zur alternativen Kausalität dadurch aus, dass mehrere voneinander unabhängig gesetzte Bedingungen den Erfolg nur durch ein Ineinandergreifen hervorrufen können.

Definition

Die kumulative Kausalität liegt vor, wenn mehrere Täter unabhängig voneinander Bedingungen setzen, die jede für sich betrachtet nicht, jedoch im Zusammenhang betrachtet den Erfolg herbeiführen.

Beispiel

T1 und T2 wollen ihrer verhassten Lehrerin O eine “Abreibung” verpassen und schütten jeweils unabhängig voneinander eine nicht tödliche Menge Gift, die zu starkem Durchfall führt, in die Kaffeetasse der O. O stirbt an der im Zusammenspiel tödlichen Menge Gift.

Im obigen Beispiel wurde der Erfolg nur dadurch herbeigeführt, weil die beiden unabhängig voneinander gesetzten Bedingungen im Zusammenspiel tödlich wirkten. Dennoch sind nach der Conditio-sine-qua-non-Theorie beide kausal für den Tod der O.

Merke

Zwar sind sowohl T1 und T2 kausal für den Tod geworden, eine Strafbarkeit aus Vorsatzdelikt kann aber noch an der objektiven Zurechnung, jedenfalls aber am subjektiven Tatbestand scheitern.

2. Hypothetische Kausalität

Eine besondere Art der Kausalität liegt bei den unechten Unterlassungsdelikten vor. Hier wird die sogenannte hypothetische Kausalität geprüft. Das liegt daran, dass bei Vorliegen eines Unterlassens die Nichtvornahme der gebotenen und für den Täter real möglichen Handlung kausal für den Erfolgseintritt sein muss.

Definition

Die hypothetische Kausalität liegt vor, wenn die gebotene und für den Täter real mögliche Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

Beim fahrlässigen unechten Unterlassungsdelikt muss nur darauf geachtet werden, dass an die Tathandlung, die später als objektiver Pflichtverstoß qualifiziert wird, angeknüpft werden muss, ohne dass im Rahmen der hypothetischen Kausalität bereits von einer Pflichtwidrigkeit gesprochen wird. Denn die Prüfung der Pflichtwidrigkeit ist der Kausalität nachgeschaltet. Während die hypothetische Kausalität irgendein Handeln oder Unterlassen dem Erfolg kausal zuordnet, muss im Rahmen der objektiven Fahrlässigkeit geprüft werden, ob dieses kausale Handeln oder Unterlassen auch objektiv pflichtwidrig und vorhersehbar war. Die Kausalität stellt also die Verbindung zwischen dem (späteren) Pflichtverstoß durch aktives Tun oder durch Unterlassen und dem tatbestandlichen Erfolg dar.

Vernetztes Lernen

Oben Gesagtes spiegelt sich auch durch einen anderen Prüfungsstandort der objektiven Zurechnung bei Fahrlässigkeitsdelikten durch aktives Tun und fahrlässigen unechten Unterlassungsdelikten wider. Hier wird die objektive Zurechnung anders als bei Vorsatzdelikten nicht direkt nach der (hypothetischen) Kausalität geprüft, sondern erst nach der Prüfung der objektiven Fahrlässigkeit. Genaueres erfährst du hier.

III. Grundsätze und Ausnahmen der Kausalität

Im Rahmen der Feststellung der Kausalität gibt es aufgrund der Komplexität der denkbaren Kausalitätszusammenhänge einige Ausnahmen und Besonderheiten zu beachten. Insbesondere bei dem Zusammenwirken mehrerer Personen muss eine Unterbrechung des Kausalverlaufs in Betracht gezogen werden.

1. Kein Regressverbot

a) Gesetzte Bedingungen bleiben kausal

Grundsätzlich gilt, dass es bei der Prüfung der Kausalität kein Regressverbot gibt. Das bedeutet, dass eine Handlung auch dann kausal bleibt, wenn an die Handlung des Täters eine weitere Handlung des Täter, des Opfers oder eines Dritten anknüpft.

Beispiel

T will O töten. T schießt dem O nachts auf einem einsamen Waldweg aus einem Gebüsch heraus in den Rücken. O wird an der Schulter getroffen, stürzt und bleibt schwer verletzt liegen. T flüchtet in dem Glauben, den O getötet zu haben. P kommt zufällig vorbei, erkennt die Situation und verpasst dem am Boden liegenden O den “Gnadenschuss”.

Im obigen Beispiel bleibt T kausal für den Tod des O. P knüpft nur an die vorgefundene und von T geschaffene Situation an, sodass die Ersthandlung bis zum Erfolgseintritt fortwirkt. Das liegt daran, dass die Kausalität - wie dargestellt - sehr weit reicht.

Merke

Beachtet werden muss die objektive Zurechnung, die durch das Dazwischentreten eines Dritten ausgeschlossen werden kann und folglich als Einschränkung der Kausalität dient. Besonderes Beispiel ist der sogenannte “Jauchegruben-Fall”, der sich dadurch auszeichnet, dass erst eine zweite Handlung des Täters selbst den Tatbestand herbeiführt. Dieser Fall muss in der Fallgruppe des atypischen Kausalverlaufs angesprochen werden. Näheres kannst du dir im Artikel der objektiven Zurechnung durchlesen.

b) Überholende Kausalität

Im Rahmen der Feststellung der Kausalität muss aber die sogenannte überholende Kausalität beachtet werden. Sie ist an strenge Voraussetzungen geknüpft und muss genau von dem Grundsatz “Kein Regressverbot” abgegrenzt werden. Die überholende Kausalität meint die vollständige Unterbrechung der ursprünglichen Ursachenkette der Ersthandlung, durch Setzen einer neuen Kausalkette. Das bedeutet, dass die überholende Kausalität gerade keinen Fall des Grundsatzes “Kein Regressverbot” darstellt, weil die ursprünglichen Ursachen in keiner Weise fortwirken.

Beispiel

T will O töten. T schießt dem O nachts auf einem einsamen Waldweg aus einem Gebüsch heraus in den Rücken. O wird knapp verfehlt, stürzt aber vor Schreck und bleibt regungslos auf dem Boden liegen. T flüchtet in dem Glauben, den O getötet zu haben. O rappelt sich auf und rennt dem P in die Arme. Dieser tötet den O mit einem Messer, weil er den gut betuchten O berauben will.

Das obige Beispiel zeigt, dass die Ursachenkette der Ersthandlung durch die Flucht des T vollständig beseitigt wird und dadurch nicht auf den letztendlichen Erfolgseintritt fortwirkt. Allein die Eröffnung der neuen durch P gesetzten Ursachenkette bedingt den Tod des O.

Merke

Knüpft die Zweithandlung des Täters, des Opfers oder eines Dritten an die Ersthandlung an, bleibt der Täter der Ersthandlung kausal und es liegt kein Fall der überholenden Kausalität vor.

2. Gleichwertigkeit der gesetzten Bedingungen

Allgemein gilt, dass alle Ursachen gleichwertig sind. Aufgrund der weit gefassten Conditio-sine-qua-non-Formel sind auch entfernte Ursachen kausal für den Erfolgseintritt.

Beispiel

T schaut eines Abends einen sehr ausgefallenen Tatort im TV. Er wird durch das Vorgehen des Tatort-Täters derart “inspiriert”, dass er sich ein Beispiel nimmt und seinen verhassten Konkurrenten O auf die gleiche Weise tötet wie der Tatort-Täter das Tatort-Opfer.

Der ausgestrahlte Tatort und seine Schauspieler werden somit kausal für die Nachahmung der Tat und damit für den Tod des O.

3. Reserveursachen und hypothetische Geschehensabläufe

Grundsätzlich gilt zudem, dass Reserveursachen und hypothetische Geschehensabläufe unbeachtlich sind. Der Täter bleibt weiter kausal.

Beispiel

T fährt auf der Ortsstraße mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit und fährt den O, der gerade einen Fußgängerüberweg kreuzt, tot. Hätte der T den O nicht totgefahren, wäre dieser noch am selben Tag in das Flugzeug nach London gestiegen, das auf dem Überflug abstürzte. O wäre ohnehin auf diesem Flug gestorben, weil es keine Überlebenden gab.

Das obige Beispiel zeigt, dass hypothetische Geschehensabläufe nichts an der Kausalität des T ändern. T wurde kausal für den Tod, auch wenn O später ohnehin gestorben wäre.

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