Zentral für den Inhaberwechsel und die Fortführung der Firma ist die Weichenstellung, ob der Firmenübergang kraft rechtsgeschäftlichen Erwerbs (§ 25 HGB), durch eine Erbschaft (§ 27 HGB) oder die Entstehung einer Personengesellschaft erfolgte. Diese Normen schützen das Vertrauen des Rechtsverkehrs darin, dass ein unter einer konkreten Firma betriebenes Unternehmen für Verpflichtungen in Haftung genommen wird, ohne dass es darauf ankommt, wer Unternehmensträger ist.
Merke
Das ist natürlich ungenau. Denn der Unternehmensträger ist die Rechtsperson, die haftet. Es geht aber um die Haftungskontinuität aus Beziehungen zu einem Unternehmen, denn den Vertragspartnern ist regelmäßig egal, ob hinter einem Unternehmen die A-GmbH oder die B-GmbH steckt.
I. Inhaberwechsel unter Lebenden, § 25 HGB
§ 25 I 1 HGB behandelt die Haftungsfragen früherer Verbindlichkeiten des Firmeninhabers, während § 25 I 2 HGB einen möglichen Forderungsübergang thematisiert.
Merke
Für Arbeitsverhältnisse geht § 613a BGB als speziellere Norm dem § 25 HGB vor.
1. Haftung für Verbindlichkeiten, § 25 I 1 HGB
§ 25 I 1 HGB zeigt eine enge Verbindung zwischen der Firma und dem der Firma zugrunde liegenden Handelsgeschäft: Wird die Firma durch den Erwerber des Unternehmens fortgeführt, haftet er für die im Betrieb begründeten Verbindlichkeiten fort.
Der Wortlaut des § 25 I 1 HGB offenbart die zu prüfenden Voraussetzungen für einen Übergang der Haftung auf den Erwerber bei Fortführung der Firma.


Beispiel
Holzhändler Settembrini hat sich für den Kauf von Kirschholz beim Bankier Kesselmeyer hoch verschuldet und verkauft schweren Herzens sein Handelsgeschäft.
Hans Castorp erwirbt das Handelsgeschäft des Settembrini unter der Firma „Settembrini Holzhandel e. K.“ und entschließt sich wegen des vertrauenden Kundenstammes, die Firma fortzuführen.
Zwar hat ein Vertrag grundsätzlich nur relative Verpflichtungswirkung, jedoch kann ohne wirksame, eingetragene und bekanntgemachte Vereinbarung gemäß § 25 II HGB der Bankier Kesselmeyer auch gegen Hans Castorp (§ 25 I 1 HGB) vorgehen.
Beachte insoweit, dass die Firma nicht wort- und buchstabengetreu übernommen werden muss, sofern der ursprüngliche Firmenkern beibehalten wird (z. B.: Die Ergänzung eines Zusatzes "Nachfolge" ist unschädlich).
Merke
Das dem Erwerb zugrunde liegende Rechtsgeschäft über das Unternehmen muss nicht wirksam sein. Entscheidend ist der tatsächliche Fortbestand der Firma bzw. des Geschäfts.
Wichtig: Es kommen unterschiedliche Erwerbsarten in Frage. Das Unternehmen muss nicht gekauft, sondern es kann z. B. auch gepachtet oder im Nießbrauch überlassen werden. Wichtig ist allerdings der Wechsel des Rechtsträgers. Erforderlich ist also ein sogenannter asset deal. Ein share deal, bei dem der Rechtsträger gleich bleibt, ist nicht von § 25 HGB umfasst.
Rechtsfolge des § 25 I 1 HGB ist die unbeschränkte und persönliche (!) Haftung des Erwerbers „für alle im Betriebe des Handelsgeschäfts begründeten Verbindlichkeiten“. Es erfolgt also ein gesetzlicher Schuldbeitritt des Erwerbers - § 25 I 1 HGB ist somit nicht Anspruchsgrundlage, sondern Haftungserweiterungsnorm für einen überhaupt bestehenden Anspruch. Diese Rechtsfolge kann verhindert werden durch eine Vereinbarung im Sinne des § 25 II HGB, die zeitgleich mit dem Übernahmerechtsgeschäft abgeschlossen wird.
Dabei ist es irrelevant, ob die Haftung aus Vertrag herrührt oder nicht. Auch die deliktische Haftung ist somit umfasst, sofern ein hinreichender sachlicher Zusammenhang zum Betrieb gegeben ist.
Für die Frage, ob die Verbindlichkeit im Betrieb des Handelsgewerbes begründet wurde, kann die Vermutung des § 344 HGB herangezogen werden. Kann diese Vermutung nicht widerlegt werden, so ist die Verbindlichkeit als im Betrieb des Handelsgewerbes begründet anzusehen.
Eine Mitteilung muss aus Gründen der Verkehrssicherheit und zur Rechtsklarheit unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, erfolgen. Zudem lässt der klare Wortlaut des § 25 II HGB darauf schließen, dass eine anderweitige positive Kenntnis des Gläubigers nicht zum Entfallen der Haftung ausreicht.
Merke
Denkbar ist übrigens auch, dass der Erwerber, der eine Schuld des Veräußerers begleicht, einen Ausgleichsanspruch gegen den Veräußerer gemäß §§ 421, 426 I BGB (Gesamtschuld) hat. Erforderlich ist in der Klausurbearbeitung die Herleitung der Gesamtschuld durch Argumentation im Einzelfall!
2. Forderungsübergang, § 25 I 2 HGB
Nun treffen den Erwerber eines Handelsgeschäfts bei Firmenfortführung nicht nur die negativen Folgen des § 25 I 1 HGB, denn falls in die Fortführung der Firma eingewilligt wurde, gelten die im Betrieb begründeten Forderungen, die nicht gemäß § 398 BGB abgetreten wurden, zugunsten des Schuldners als auf den Erwerber übergegangen.

Die Voraussetzungen zum Forderungsübergang entsprechen maßgeblich § 25 I 1 HGB, jedoch kommt noch die Einwilligung des bisherigen Firmeninhabers bzw. dessen Erben hinzu.
Nicht nur die Gläubiger des Unternehmens, sondern auch die Schuldner des unter der erworbenen Firma laufenden Unternehmens müssen davor geschützt werden, wenn sie im gewohnten Geschäftsgang an den neuen Inhaber zahlen. Die Schuldner werden daher gemäß § 25 I 2 HGB auch dann frei, wemm sie an den Erwerber leisten, obwohl die Forderungen nicht vom Veräußerer abgetreten wurden. § 407 I BGB schützt hingegen den Schuldner in den Fällen, in denen die Forderungen an den Erwerber (tatsächlich) abgetreten wurden.
Ausweislich des Wortlauts „gelten“ und „den Schuldnern gegenüber“ wird der Forderungsübergang nur fingiert. Die Forderungen gehen jedoch nicht tatsächlich über. Hierfür spricht neben dem Wortlaut auch der Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich der Schuldnerschutz. Dadurch, dass aber auch wirklich nur der Schuldnerschutz bezweckt wird und die Forderungen nicht tatsächlich übergehen, begründet § 25 I 2 HGB kein Forderungsrecht des Erwerbers. In dieser Hinsicht ist also der Veräußerer noch Forderungsinhaber, sofern natürlich keine Abtretung gemäß § 398 BGB stattfand. Das zeigt sich auch darin, dass die Schuldner nach herrschender Meinung befreiend an den Veräußerer zahlen dürfen.
Aus der Systematik des § 25 II HGB ergibt sich, dass § 25 II HGB sich auch auf § 25 I 2 HGB bezieht. Auch für § 25 I 2 HGB gilt, dass die anderweitige positive Kenntnis des Schuldners von der wahren Rechtslage nichts ändert, wenn die Vereinbarung weder eingetragen und bekanntgemacht noch dem Schuldner mitgeteilt wurde.
Zwar kann nach allgemeinen Grundsätzen etwas anderes gelten, falls die Leistung an den Erwerber treuwidrig i.S.d. § 242 BGB ist. Dabei ist jedoch der Ausnahmecharakter dieser Konstruktion nicht zu verkennen, denn grundsätzlich ist der Veräußerer nicht schutzwürdig. Diesem obliegt es nämlich nach § 25 II HGB, für klare Verhältnisse zu sorgen.

Merke
Natürlich wäre das Ergebnis etwa „schräg“, wenn der Erwerber den Forderungserlös behalten darf, obwohl er gar nicht Forderungsinhaber wird. Zur Erinnerung: Der Forderungsübergang wird nur zugunsten des Forderungsschuldners fingiert. Daher hat der Veräußerer als eigentlicher Forderungsinhaber, wenn tatsächlich keine Abtretung (§ 398 BGB) stattfand, einen Herausgabeanspruch gem. § 816 II BGB gegen den Erwerber in Höhe des Forderungserlöses.
Denkbar ist übrigens auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 I BGB, wenn der Erwerber durch die Entgegennahme der Zahlung eine Pflicht aus dem Unternehmenskauf verletzte.
3. Stellung des Veräußerers
Spiegelbildlich zur Haftung des Erwerbers stellt sich in der Klausur zwingend die Frage: Was passiert mit dem Veräußerer? Ein häufiger Fehler ist die Annahme, der Veräußerer sei mit dem Verkauf des Unternehmens „aus dem Schneider“.
Das Gegenteil ist der Fall: Der gesetzliche Schuldbeitritt des Erwerbers (§ 25 I 1 HGB) führt nicht zu einer befreienden Schuldübernahme für den Veräußerer. Vielmehr haften Erwerber und Veräußerer nun nebeneinander als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB für vor dem Geschäftsübergang begründete Verbindlichkeiten. Der Gläubiger kann sich also aussuchen, wen er in Anspruch nimmt.
Um den früheren Inhaber jedoch nicht ewig für Verbindlichkeiten haften zu lassen, auf deren Tilgung er keinen Einfluss mehr hat, greift die Enthaftung nach § 26 HGB.
Die Haftung des Veräußerers für Altverbindlichkeiten erlischt, wenn sie nicht vor Ablauf von fünf Jahren geltend gemacht werden. Was mit "geltend machen" gemeint ist, enthält § 26 I 1 Hs. 1 HGB
II. Inhaberwechsel von Todes wegen, § 27 HGB
§ 27 HGB ordnet den Gleichlauf zu § 25 I HGB an, wenn der Inhaberwechsel durch Erbfall erfolgt.
Die Erben werden also gemäß § 25 I 1 HGB Schuldner und gemäß § 25 I 2 HGB auch zugunsten des Dritten/Schuldners als Gläubiger fingiert.

Beachte die Dreimonatsfrist gemäß § 27 II HGB. Die Haftung des Erben kann nämlich ausgeschlossen sein, falls der Erbe die Geschäftstätigkeit innerhalb dieser Dreimonatsfrist einstellt. Die Frist beginnt mit Kenntnisserlangung von der Erbschaft und nicht automatisch beim Erbfall.
Problem
Haftung gemäß § 27 II HGB bei nachträglicher Firmenänderung
Wenn der Erbe sofort die Firma ändert, haftet er gar nicht erst nach § 27 I HGB weil § 25 I HGB nicht greift. Was passiert jedoch, wenn er innerhalb der dreimonatigen Frist die Firma ändert?
H.M.: Die nachträgliche Änderung der Firma reicht nicht für eine Einstellung der Haftung gemäß § 27 II HGB. Begründet wird diese Auffassung damit, dass die Einstellung einen deutlichen Akt nach außen voraussetzt.
M.M.: Dagegen spricht der Wortlaut der Norm, der die Firmenfortführung nicht als Voraussetzung nennt.
Problem
Haftung gemäß § 27 II HGB bei Veräußerung des Geschäfts durch den Erben
Greift § 27 II HGB auch dann, wenn innerhalb der 3-Monats-Frist das Unternehmen durch den Nachfolger veräußert wird?
T.v.A.: Auch eine Veräußerung ist eine Einstellung im Sinne des § 27 II HGB, da sich die Fortführung auf die Erben bezieht und nach einer Veräußerung die Geschäfte eben durch eine andere Person fortgeführt werden. Altgläubiger werden durch § 25 HGB geschützt; ein Anspruch gegen den Erwerber besteht.
H.M.: Eine Veräußerung ist keine Einstellung des Geschäfts und somit greift § 27 II HGB nicht. Eine Einstellung erfordert einen sichtbaren Akt nach außen, der nicht vorliegt, wenn die Geschäfte einfach durch eine andere Person fortgeführt werden.
Ferner gelten für die Erben grundsätzlich auch die Regeln des Erbrechts, insb. §§ 1942 ff., 1922 I BGB und §§ 1967 ff. BGB. Die Haftung gemäß § 27 HGB tritt neben die Erbenhaftung.
III. „Eintritt“ in das Geschäft eines Einzelkaufmanns, § 28 HGB
Beim Eintreten in das Geschäft eines Einzelkaufmanns (auch: GmbH!) wird daraus automatisch, also ohne weiteren Rechtsakt, eine Personenhandelsgesellschaft.
Welche Art der Personengesellschaft entsteht, hängt von der Haftung des eintretenden Gesellschafters ab:
Haftet der Eintretende persönlich und unbeschränkt, dann entsteht eine oHG gemäß §§ 105 ff. HGB.
Soll der Eintretende nur bis zur Höhe seiner Einlage haften, ist er Kommanditist; die KG entsteht mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags (§§ 161 ff. HGB). Die Haftungsbeschränkung wirkt gegenüber Dritten jedoch erst ab Eintragung im Handelsregister (§ 176 HGB).
§ 28 I 1 HGB ordnet dann an, dass die durch den Beitritt entstandene Personenhandelsgesellschaft für die Altverbindlichkeiten des Einzelkaufmanns haftet. Diese Regelung entspricht daher § 25 I 1 HGB.
§ 28 I 2 HGB fingiert zugunsten und gegenüber Schuldnern, dass die im Betriebe des Einzelkaufmanns begründeten Forderungen auf die Gesellschaft übergegangen sind. Diese gesetzliche Fiktion entspricht damit § 25 I 2 HGB.
Auch für § 28 I HGB ist die mögliche Unwirksamkeit einer abweichenden Vereinbarung gemäß § 28 II HGB zu beachten. Hier lässt sich das oben Ausgeführte zu § 25 II HGB sinngemäß übertragen.



