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Herausgabeanspruch aus § 985 BGB

Teilgebiet

Mobiliarsachenrecht

Themen

EBV, Ansprüche aus dem EBV

Tags

EBV
Herausgabe
§ 985 BGB
§ 986 BGB
§ 1000 BGB
§ 1006 BGB
§ 1227 BGB
Gliederung
  • I. Voraussetzungen

    • 1. Anspruchsteller = Eigentümer

    • 2. Anspruchsgegner = Besitzer

    • 3. Kein Recht zum Besitz, § 986 BGB

      • a) § 986 I 1 Alt. 1 BGB

        • aa) Recht zum Besitz aus Anwartschaftsrecht

        • bb) Recht zum Besitz aus Zurückbehaltungsrecht

      • b) § 986 I 1 Alt. 2 BGB

    • 4. Zurückbehaltungsrecht (§ 1000 BGB)

Der § 985 BGB gibt dem Eigentümer einen Herausgabeanspruch gegen den Besitzer. Er wird auch als Vindikationsanspruch (rei vindicatio) bezeichnet. Er richtet sich sowohl auf die Herausgabe beweglicher als auch unbeweglicher Sachen. So kurz wie der Wortlaut der Norm ist, so komplex ist er in seinen Details:

I. Voraussetzungen

Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB setzt das Bestehen einer Vindikationslage voraus. Außerdem darf der Anspruch nicht ausgeschlossen sein, weil dem Besitzer ein Recht zum Besitz zusteht oder weil das Herausgabeverlangen rechtsmissbräuchlich erscheint.

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1. Anspruchsteller = Eigentümer

Die erste Voraussetzung des Vindikationsanspruchs ergibt sich aus der Aktivlegitimation des Eigentümers. Damit muss der Anspruchsteller Eigentümer der Sache sein. Wenn es zum Prozess kommt, ist der maßgebliche Moment für die Beurteilung der Eigentumslage die Rechtshängigkeit; danach erfolgende Eigentumsübertragungen sind unschädlich (§§ 265, 266 ZPO).

An dieser Stelle ist in der Regel umfassend die Eigentumslage zu prüfen. § 985 BGB stellt häufig den Aufhänger für eine Sachenrechtsklausur dar. Sollte der Sachverhalt keine Anhaltspunkte zu den Eigentumsverhältnissen enthalten oder die Eigentumslage laut Sachverhalt unklar sein, ist auf die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB zurückzugreifen.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland erlaubt ist, kannst du dir den § 1006 BGB neben den § 985 BGB kommentieren. Beachte aber, dass dieser nur im Ausnahmefall greifen wird.

Der Anspruch aus § 985 BGB kann keinesfalls vom Eigentum getrennt werden, sondern ist untrennbar mit diesem verbunden. Der Anspruch entsteht für jeden Eigentümer automatisch mit dessen Eigentumserwerb. Aus diesem Grund ist eine Abtretung des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB auch nicht möglich. 

Klausurtipp

Sofern es in der Klausurkonstellation nicht der Eigentümer, sondern der Pfandrechtsinhaber einen Anspruch geltend macht, sind über § 1227 BGB die §§ 985 ff. BGB anwendbar. Aktivlegitimiert im Rahmen des §§ 1227, 985 BGB ist der Pfandrechtsinhaber.

Es kommt dann auf die Pfandrechtsinhaberschaft und nicht das Eigentum an.

Gleiches gilt nach §§ 1065, 985 ff. BGB für den Nießbrauch.

2. Anspruchsgegner = Besitzer

Passivlegitimiert, also der richtige Anspruchsgegner, ist der gegenwärtige Besitzer der Sache. Das gilt für alle Arten von Besitz, also Fremd- oder Eigenbesitz, Teil- oder Vollbesitz, Allein- oder Mitbesitz, Erbenbesitz sowie nach heute einheitlicher Meinung neben dem unmittelbaren auch der mittelbare Besitz.

Merke

Für die Passivlegitimation des mittelbaren Besitzers spricht, dass sich ein unmittelbare Besitzer andernfalls einfach seiner Verpflichtung entziehen könnte, indem er das Herausgabeobjekt miet- oder leihweise einem Dritten überlassen würde. Daher muss sich der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB auch gegen den mittelbaren Besitzer richten können, da andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde.

Sofern sich der Anspruch gegen den mittelbaren Besitzer richtet, ist § 986 I 2 BGB zu beachten. Hiernach kann der Eigentümer, der einen unmittelbaren unberechtigten Besitzer in Anspruch nimmt, Herausgabe an den berechtigten mittelbaren Besitzer oder an sich selbst verlangen.

3. Kein Recht zum Besitz, § 986 BGB

Der Vindikationsanspruch ist nach § 986 BGB ausgeschlossen, wenn der Besitzer ein Recht zum Besitz inne hat. 

a) § 986 I 1 Alt. 1 BGB

Nach § 986 I 1 Alt. 1 BGB kann der Besitzer die Herausgabe der Sache verweigern, wenn er dem Eigentümer gegenüber zum Besitz berechtigt ist. Er kann ihm ein eigenes Besitzrecht entgegenhalten. 

Merke

Angesichts des Wortlauts der Norm („verweigern“) könnte man annehmen, dass das Recht zum Besitz eine Einrede des Besitzers begründet. Dem ist aber nicht so! Es handelt sich um eine Einwendung, die den Anspruch ausschließt und nicht geltend gemacht werden muss.

Das Besitzrecht kann obligatorischer (schuldrechtlicher) Natur sein. In Frage kommen also alle Vertragstypen, wie zum Beispiel die Folgenden:

Beispiel

  • Mietvertrag

  • Pachtvertrag

  • Leihvertrag

  • Verwahrungsvertrag

  • Kaufvertrag

  • Berechtigte GoA (bis zum Herausgabeverlangen des Eigentümers)

Hierbei ist zu beachten, dass ein solches Besitzrecht aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse nur relativ wirkt. Es hilft dem Besitzer also nur weiter, wenn der Vertrag, aus dem sich das Besitzrecht ergibt, gerade mit dem Eigentümer besteht.

Beispiel

Fall

E ist Eigentümer eines Constellatio - Hoodies. Dieser wird ihm in der Unibib von Dieb D gestohlen. D leiht den gestohlenen Hoodie seiner Schwester S. 

Kann E von S aus § 985 BGB Herausgabe des Hoodies verlangen?

Lösung

E hat einen Vindikationsanspruch auf Herausgabe des Hoodies aus § 985 BGB gegen S, wenn eine Vindikationslage zwischen E und S besteht. Hierzu muss E Eigentümer des Hoodies und S Besitzerin des Hoodies ohne Recht zum Besitz nach § 986 I 1 BGB sein.

E ist Eigentümer des Hoodies. S ist unmittelbare Besitzerin des Hoodies im Sinne des § 854 I BGB. Fraglich ist, ob sie gemäß § 986 I 1 Alt. 1 BGB zum Besitz berechtigt ist. In Betracht kommt ein obligatorisches Besitzrecht aus dem Leihvertrag gemäß § 598 BGB. Der Leihvertrag besteht jedoch im Verhältnis der S zu D. Aufgrund seiner relativen Wirkung, verleiht er der S kein Recht zum Besitz gegenüber E, der nicht Vertragspartei ist. 

Damit besteht der Anspruch des E gegen S aus § 985 BGB.

aa) Recht zum Besitz aus Anwartschaftsrecht

Ob das Anwartschaftsrecht ein dingliches Recht zum Besitz nach § 986 I 1 Alt. 1 BGB begründen kann, ist umstritten.

Problem

Recht zum Besitz aus Anwartschaftsrecht

Nach einer Ansicht begründet das Anwartschaftsrecht ein dingliches Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer. Aufgrund der mit dem Anwartschaftsrecht einhergehende Besitzübertragung werde schon ein Recht auf Besitz und Nutzung übertragen.

Dies wird damit begründet, dass ein Anwartschaftsrecht nur sinnvoll sei, wenn es dem Erwerber bereits eine dinglich gesicherte Befugnis verleiht.

Es bestehe ein praktisches Bedürfnis für die Anerkennung des Anwartschaftsrechts als Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I 1 BGB.

Nach anderer Ansicht folgt aus dem Anwartschaftsrecht noch kein Recht zum Besitz, da es lediglich eine Erwerbsposition an der Sache und nicht den Besitz an ihr schütze.

Für diese Ansicht spricht die Tatsache, dass das Anwartschaftsrecht nicht davon abhängt, ob man Besitz an einer Sache hat. Außerdem ist der Inhaber eines Anwartschaftsrechts nicht schutzlos gestellt. So steht etwa dem Vorbehaltskäufer (= Anwartschaftsrechtsinhaber), der nur noch eine Kaufpreisrate zu zahlen hat und damit kurz vor dem Eigentumserwerb steht, gegen den Vorbehaltsverkäufer (= Eigentümer) die dolo agit -Einrede aus § 242 BGB zu. 

bb) Recht zum Besitz aus Zurückbehaltungsrecht

Umstritten ist auch, ob ein Zurückbehaltungsrecht des Besitzers nach § 1000 S. 1 BGB gleichzeitig ein Recht zum Besitz nach § 986 I 1 BGB zu begründen vermag.

Problem

Recht zum Besitz aus Zurückbehaltungsrecht

Dagegen spricht jedoch zunächst der Wortlaut des § 1000 S. 1 BGB. Hiernach kann der Besitzer die Herausgabe der Sache verweigern, bis er Ersatz für seine Verwendungen erhalten hat. Entsprechend dem Wortlaut handelt es sich um eine Einrede. Im Gegensatz hierzu stellt § 986 I BGB eine Einwendung dar. 

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass streng genommen bereits der Anspruch nach § 985 BGB entfallen würde, wenn das Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 S. 1 BGB ein Recht zum Besitz begründen würde. Damit wäre aber eine Voraussetzung des § 1000 S. 1 BGB - in Gestalt der Herausgabepflicht des Besitzers - nicht erfüllt. Die Vornahme einer Verwendung durch den Besitzer würde damit die Vindikationslage nachträglich beseitigen. 

Dafür, dass § 1000 S. 1 BGB kein Recht zum Besitz begründet, spricht auch eine teleologische Auslegung der Normen. § 1000 S. 1 BGB soll das Vermögen des Verwenders schützen, während § 986 BGB das Besitzrecht schützen soll. Damit fallen die Zielrichtungen der Normen auseinander.

Insgesamt ist es also überzeugender, dass Zurückbehaltungsrecht nach § 1000 S. 1 BGB als selbstständiges Gegenrecht des Besitzers und nicht als Recht zum Besitz nach § 986 I 1 BGB anzusehen.

b) § 986 I 1 Alt. 2 BGB

Nach § 986 I 1 Alt. 2 BGB kann auch ein abgeleitetes Besitzrecht bestehen. Dies setzt voraus, dass der unmittelbare Besitzer sein Recht zum Besitz von einem mittelbaren Besitzer ableitet, der gegenüber dem Eigentümer zum Besitz berechtigt ist. 

Beispiel

Fall

E ist Eigentümer eines Constellatio - Hoodies. Er leiht den Hoodie seiner Freundin F. Deren Bruder B findet den Hoodie so cool, dass er ihn auch unbedingt ausleihen möchte. F ist einverstanden.

Hat E einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gegen B?

Lösung

E kann von B aus § 985 BGB die Herausgabe des Hoodies verlangen, wenn er Eigentümer des Hoodies und B dessen Besitzer ohne Recht zum Besitz nach § 986 I 1 BGB ist.

E ist Eigentümer des Hoodies. B ist dessen unmittelbarer Besitzer nach § 854 I BGB. B könnte jedoch nach § 986 I 1 BGB zum Besitz berechtigt sein. Ein eigenes Recht zum Besitz des B nach § 986 I 1 Alt. 1 BGB scheidet aus, da der Leihvertrag zwischen B und F nicht gegenüber E wirkt. 

Es ist jedoch zu beachten, dass B einen Leihvertrag mit F geschlossen hat, die wiederum selbst einen Leihvertrag mit E hat, kraft dessen sie nach § 598 BGB gegenüber E zum Besitz berechtigt ist. Damit besteht ein abgeleitetes Besitzrecht des B nach § 986 I 1 Alt. 2 BGB. 

E hat keinen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gegen B.

Neben den obligatorischen Besitzrechten kommen auch dingliche Besitzrechte in Betracht. Dingliche Besitzrechte wirken absolut und damit auch gegenüber dem Eigentümer.

Beispiel

  • Nießbrauch

  • Dienstbarkeit

  • Pfandrecht

  • Anwartschaftsrecht (streitig)

4. Zurückbehaltungsrecht (§ 1000 BGB)

Nachdem du die Voraussetzungen des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB bejaht hast, ist anschließend die Durchsetzbarkeit des Anspruchs zu prüfen. Der Anspruch ist nicht durchsetzbar, wenn der Besitzer eine Einrede geltend machen kann. Eine solche Einrede kann sich aus § 1000 S. 1 BGB ergeben. Dieser normiert das Zurückbehaltungsrecht des Besitzers. Er kann nach § 1000 S. 1 BGB die Herausgabe der Sache verweigern, bis er wegen der ihm zu ersetzenden Verwendungen befriedigt wird. 

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland erlaubt ist, kannst du dir die §§ 994 ff. BGB neben den § 1000 S. 1 BGB kommentieren, da diese die Grundlage für die Verwendungsersatzansprüche des Besitzers bilden. Außerdem kannst du dir den § 1000 S. 1 BGB neben dem § 985 BGB kommentieren, um das Zurückbehaltungsrecht des Besitzers nicht zu übersehen.

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