I. Haftung der Gesellschafter bei Personengesellschaften
Grundsätzlich gilt, dass Gesellschafter von Personengesellschaften persönlich, unbeschränkt, unmittelbar, primär, auf das Ganze und als Gesamtschuldner haften.

1. GbR, § 721 BGB
Gemäß § 721 BGB haften alle Gesellschafter der GbR unbeschränkt für deren Verbindlichkeiten, und zwar als Gesamtschuldner im Sinne des § 421 BGB.
Unseren Artikel zur gesamtschuldnerischen Haftung gemäß §§ 421 ff. findest du hier.
Die persönliche und gesamtschuldnerische Haftung kann nicht durch eine Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern ausgeschlossen werden, § 721 S. 2 BGB
Merke
Möglich bleibt dennoch eine entsprechende Vereinbarung mit dem jeweiligen Geschäftspartner, also nicht (nur) zwischen den Gesellschaftern. Der Geschäftspartner ist dann nämlich nicht Dritter im Sinne des § 721 S. 2 BGB.
Wird ein (einzelner) Gesellschafter in Anspruch genommen, so kann er gemäß § 721b I BGB neben den eigenen Einwendungen nur Einwendungen der Gesellschaft erheben. Die persönlichen Einwendungen eines anderen Gesellschafters kann er nicht erheben!
Gestaltungsrechte der Gesellschaft (Anfechtung, Aufrechnung et cetera) kann ein Gesellschafter nicht ausüben, § 721b II BGB. Als „minus“ kann der Gesellschafter jedoch die Leistung verweigern, wenn die Gesellschaft nicht von ihrem Gestaltungsrecht Gebrauch macht.
Beispiel
Sachverhalt
Der einzelvertretungsermächtigte A schließt namens der A&B GbR mit V einen Vertrag über die Lieferung eines Laserdruckers zum Preis von 1.000 €. Dieser wird zwar geliefert. Die A&B GbR macht zu Recht ein Leistungsverweigerungsrecht geltend und bezahlt nicht.
Kann V von B Zahlung von 1.000 € verlangen?
Lösung
A. Anspruchsgrundlage (z. B. Kaufvertrag gemäß §§ 433 II, 721 BGB)
I. Bestehen einer Gesellschaft ( + )
II. Verbindlichkeit der Gesellschaft
1. falls wirksamer Vertrag, z.B. § 433 II BGB ( + )
-> falls Zurechnung gemäß § 164 I 1 BGB
- eigene Willenserklärung
- "in fremden Namen“
- Vertretungsmacht? -> Einzelvertretungsmacht ( + )
2. kein Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft
III. B als Gesellschafter der A&B GbR
IV. Leistungsverweigerungsrecht des Gesellschafters, § 721b BGB
V. Ergebnis:
Zwar besteht ein Anspruch des V gegen B auf Zahlung von 1000 € aus Kaufvertrag gemäß §§ 433 II, 721 BGB, jedoch kann B die Zahlung gemäß § 721b BGB verweigern.
2. OHG, § 126 HGB
Gemäß § 126 HGB haften alle Gesellschafter unbeschränkt für Verbindlichkeiten der OHG, und zwar als Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff. BGB.
Diese Haftung kann nicht durch Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern ausgeschlossen werden, § 126 S. 2 HGB.
Ein Ausschluss der persönlichen Haftung ist durch Vereinbarung mit dem Geschäftspartner jedoch möglich, da der Geschäftspartner dann (wenn er also Teil der Vereinbarung der Haftungsbeschränkung ist) nicht „Dritter“ im Sinne des § 126 S. 2 HGB ist.
Wird ein Gesellschafter persönlich in Anspruch genommen, so kann er neben den eigenen Einwendungen nur die Einwendungen der Gesellschaft erheben, § 128 I HGB.
Die persönlichen Einwendungen anderer Gesellschafter kann er nicht erheben.
Gestaltungsrechte der Gesellschaft kann ein Gesellschafter nicht persönlich ausüben. Er kann als „minus“ gemäß § 128 II HGB jedoch die Leistung verweigern.
3. Inhalt der Haftung nach §§ 721 BGB, 126 HGB
Problematisch und ein Klassiker schlechthin ist die Frage, welchen Inhalt die Haftung eines GbR- beziehungsweise OHG-Gesellschafters genau hat.
Problem
Haftungsinhalt von Gesellschaftern einer Personengesellschaft
G verlangt von einem Gesellschafter die Nachbesserung einer Werkleistung, die der Gesellschafter persönlich aber gar nicht erbringen kann.
Erfüllungstheorie
Die Erfüllungstheorie orientiert sich streng an einer grammatischen Auslegung dergestalt, dass „Haften“ in §§ 721 BGB, 126 HGB „Schulden“ bedeutet, sodass ein Gesellschafter (gegebenenfalls mittels Dritter) nachbessern muss.
Haftungstheorie
Die Haftungstheorie bedient sich auch des Wortlauts, interpretiert diesen jedoch noch mal anders: „Haften“ in §§ 721 BGB, 126 HGB heißt „Einstehenmüssen“, sodass sich die Verpflichtung auf eine Geldleistung beschränkt.
Vermittelnde Ansicht (BGH)
Der BGH löst die Problematik vermittelnd, sodass die Verpflichtung zur Primärleistung nur dann besteht, „wenn die Erfüllung den Gesellschafter in seiner gesellschaftsfreien Privatsphäre nicht wesentlich mehr als eine Geldleistung beeinträchtigt.“
Die Ansicht erscheint vorzugswürdig, denn nur sie schafft einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse der Gesellschaftsgläubiger an einer vertragsgemäßen Erfüllung der Schuld und dem Interesse des persönlich haftenden Schuldners an der Freihaltung seiner Privatsphäre. Diese Ansicht erfordert also eine Abwägung zwischen diesen beiden Interessen.
Aus dem Grundsatz der akzessorischen Haftung folgt zudem, dass Veränderungen der Gesellschaftsverbindlichkeit sich auch auf die konkrete Gesellschafterschuld auswirken.
Beispiel
Wandelt sich ein Erfüllungsanspruch in einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §§ 280 I, III, 281 BGB um, so haftet der Gesellschafter auch nur noch auf dieses Interesse.
4. KG, §§ 161 ff. HGB
Gänzlich anders stellt sich die Haftung der KG-Gesellschafter dar, da einerseits der Komplementär persönlich voll haftet und der Kommanditist lediglich beschränkt haftet, § 161 I HGB.
a) Komplementäre, § 161 I HGB a.E.
Wie auch die OHG-Gesellschafter haften die Komplementäre den Gesellschaftsgläubigern unbegrenzt gemäß § 161 I HGB a.E.
b) Kommanditisten
Kommanditisten haften den Gesellschaftsgläubigern gemäß § 171 I Hs. 2 HGB nicht, soweit sie die Einlage geleistet haben. Grund hierfür ist, dass die Einlage nach Einzahlung Teil des Gesellschaftsvermögens ist und daher die Gläubiger Zugriff darauf haben.
Beachte: Eine wirksame Haftungsbeschränkung zugunsten des Kommanditisten erfordert gemäß § 176 I HGB, dass die Kommanditisteneigenschaft im Handelsregister eingetragen wurde oder zumindest dem Gläubiger bekannt ist.
Dasselbe gilt für den in eine bereits bestehende Handelsgesellschaft, in die ein Kommanditist eintritt, § 176 II HGB.
Klausurtipp
Die Leistung der Einlage ist der Regelfall und darf ohne entgegenstehende Sachverhaltsangaben unterstellt werden.
Ausnahmsweise lebt die Haftung des Kommanditisten wieder auf, falls:
die Einlage bisher nicht einbezahlt wurde, § § 171 I HS. 1 HGB,
die Einlage wieder zurückbezahlt wurde, § 172 IV 1 HGB,
in Fällen des § 172 IV 2 HGB (wohl nicht klausurrelevant).
Klausurtipp
Genau so solltest du auch in der Klausur vorgehen, falls es in der Klausur um die Kommanditistenhaftung geht. Zuerst stellst du den Grundsatz auf, dass Kommanditisten den Gesellschaftsgläubigern nicht persönlich haften. Danach prüfst du, ob nicht eine der eben aufgezählten Ausnahmen einschlägig ist. Sind auch keine der Ausnahmen einschlägig, könntest du über eine Analogie nachdenken, wobei du bei unbekannten Analogien generell zurückhaltend sein solltest.
Generell empfehlen wir dir, dass du die Vorschriften über die KG, also §§ 161 - 178 HGB, einmal durchliest oder zumindest überfliegst.
5. Klausuraufbau bei Personengesellschaften
Für Personengesellschaften empfiehlt sich nach den erfolgten Ausführungen der folgende Klausuraufbau:

II. Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten einer juristischen Person
Die Gesellschafter einer juristischen Person haften nicht für Verbindlichkeiten der juristischen Person. Grundsätzlich findet kein Durchgriff auf die Gesellschafter statt.
Den Gläubigern haftet ausschließlich die juristische Person mit ihrem Vermögen, §§ 13 II GmbHG, 1 I S. 2 AktG.
Eine Ausnahme bildet die sogenannte „Durchgriffshaftung“, welche sich in drei Fallgruppen aufteilen lässt:
Vermögensvermischung: Abgrenzung von Gesellschafts- und Privatvermögen wird durch die Gesellschafter erschwert, verschleiert oder unmöglich gemacht
Materielle Unterkapitalisierung: Das Stammkapital ist in Anbetracht des Gesellschaftszwecks zu niedrig
Existenzvernichtende Eingriffe: kompensationsloser und betriebsfremder Eingriff, welcher die Insolvenz der Gesellschaft entweder begründet oder zumindest vertieft.
Dogmatisch wird die „Durchgriffshaftung“ mit einer teleologischen Reduktion des § 13 II GmbHG beziehungsweise § 1 I S. 2 AktG begründet.
Klausurtipp
Das heißt, dass bei der Prüfung von Ansprüchen gegen einen Gesellschafter zunächst vom Grundsatz ausgegangen werden muss, dass kein Haftungsdurchgriff besteht. Sofern entsprechende Anhaltspunkte bestehen, kannst du dann darauf eingehen, dass ausnahmsweise eine Durchgriffshaftung infrage kommt, wenn eine der Fallgruppen einschlägig ist.