I. Einleitung
Bei nahezu allen Klausuren, die dir auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts begegnen, wird die Aufgabenstellung sein, die Erfolgsaussichten einer Klage (vor dem Verwaltungsgericht) zu prüfen. Bevor es um die einzelnen Klagearten im Verwaltungsrecht geht, beginnen wir hier mit dem Grundschema, wie eine Klage in der Verwaltungsgerichtsbarkeit aufgebaut ist. Dies soll dir einen allgemeinen Überblick über die Prüfungsschritte und deren Sinn verschaffen. Die Prüfung der sogenannten Erfolgsaussichten einer Klage, also ob diese zulässig ist und begründet ist, wird Grundlage der meisten Klausuren sein, in denen eine Klage eine Rolle spielt.

II. Obersatz
Der Obersatz der verschiedenen Klagearten im Verwaltungsprozess ist nach dem gleichen Muster wie bei allen anderen Klagearten im öffentlichen Recht zu bilden.
Zunächst muss die Klage zulässig sein.
Wenn dies der Fall ist, ist danach im Rahmen der Begründetheit zu untersuchen, inwieweit sich die materielle Rechtslage mit dem Klagebegehren deckt.
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Der perfekte (allgemein formulierte) Obersatz lautet also:
“Die Klage des X hat Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und soweit sie begründet ist.”
III. Zulässigkeit
Innerhalb der Zulässigkeit ist zunächst festzustellen, ob alle Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind.
Definition
Als Sachurteilsvoraussetzungen werden die Prüfungspunkte bezeichnet, die erfüllt sein müssen, damit eine Klage überhaupt vor Gericht gebracht werden kann.
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Der Obersatz der Zulässigkeit lautet demnach:
“Die Klage ist zulässig, wenn alle Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind.”
1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Merke
Die Prüfung des Verwaltungsrechtswegs wird hier der Übersichtlichkeit halber nicht in vollem Umfang dargestellt. Für eine ausführlichere Darstellung siehe hier.
Zunächst müsste innerhalb der Zulässigkeit überhaupt der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Das bedeutet, dass die Verwaltungsgerichte, welche zur speziellen Gerichtsbarkeit zählen, durch Zuweisung für die Klage zuständig sein müssen. Das kann über mehrere Wege der Fall sein, die wir nacheinander prüfen müssen.
Merke
Das Hauptaugenmerk liegt in fast allen Fällen auf der Prüfung der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO. Wenn keine instanzlichen Sonderzuweisungen zu einer bestimmten Gerichtsbarkeit ersichtlich sind, kann dies hier im verkürzten Gutachtenstil zügig festgestellt werden. Eine nicht gebotene, zu ausführliche Prüfung solcher Punkte kann dann sogar im Gegenteil sehr negativ gewertet werden.
a) Aufdrängende Sonderzuweisung
Im Rahmen der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist als Erstes zu untersuchen, ob eine aufdrängende Sonderzuweisung einschlägig sein könnte. Wenn dies der Fall ist, richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach der Sonderzuweisung und eine Prüfung anhand der Generalklausel entfällt.
Merke
Eine aufdrängende Sonderzuweisung schreibt einen bestimmten Rechtsweg vor, eine abdrängende Sonderzuweisung schließt einen Rechtsweg aus.
b) Generalklausel, § 40 I 1 VwGO
Falls keine aufdrängende Sonderzuweisung besteht, richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO.
Gemäß § 40 I 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art eröffnet.
Dies können wir in zwei Voraussetzungen unterteilen:
Das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit
Rechtsnatur nicht verfassungsrechtlicher Art.
aa) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn sich der Streitgegenstand der Klage als unmittelbare Folge öffentlichen Rechts darstellt. Um dies zu beurteilen, musst du den Streitgegenstand genau bestimmen.
Ob eine Norm öffentlich-rechtlich ist, wird nach der modifizierten Subjektstheorie bestimmt. Daneben gibt es weitere Theorien zur Bestimmung, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt.

bb) Nicht verfassungsrechtlicher Art
Definition
Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist nicht verfassungsrechtlicher Art, wenn nicht Verfassungsorgane über Verfassungsrecht streiten (sogenannte doppelte Verfassungsunmittelbarkeit).
Diese Voraussetzung wird in den seltensten Fällen problematisch sein und wenn, wirst du dies klar im Sachverhalt erkennen können.
c) Abdrängende Sonderzuweisung
Als letzter Schritt der Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist jetzt noch zu untersuchen, ob eine aufdrängende Sonderzuweisung (§ 40 II 1 VwGO) vorliegen könnte. Eine solche schließt einen bestimmten Rechtsweg aus.
So kann z.B. ein eigentlich nach der Generalklausel der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugeordneter Sachverhalt durch eine abdrängende Sonderzuweisung einer anderen Gerichtsbarkeit zugeordnet werden.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir § 217 I 4 BauGB an den § 40 II 1 VwGO zitieren, um dich zum einen daran zu erinnern, dass es sich bei § 40 II 1 VwGO um eine abdrängende Sonderzuweisung handelt und zum anderen um ggf. auf § 217 I 4 BauGB aufmerksam zu werden.
Merke
Eine aufdrängende Sonderzuweisung schreibt einen bestimmten Rechtsweg vor, eine abdrängende Sonderzuweisung schließt einen Rechtsweg aus.
2. Statthafte Klageart
Im Rahmen der statthaften Klageart ist festzustellen, welche der verwaltungsgerichtlichen Klagearten im vorliegenden Fall einschlägig sind. Dies richtet sich nach dem jeweiligen Begehren des Klägers, § 88 VwGO.

Ein Problem, dem du hier regelmäßig begegnen wirst, ist die Feststellung der Rechtsnatur der gegenständlichen Maßnahme, zumeist, ob ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 1 VwGO vorliegt. Denn anhand der Rechtsnatur der Maßnahme, in Verbindung mit der Richtung des Klägerbegehrens (Vornahme, Unterlassen oder Feststellung) und dem zeitlichen Aspekt einer eventuellen Erledigung lassen sich alle Klagearten im Verwaltungsprozess voneinander abgrenzen.
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Hier wird häufig der Schwerpunkt der Zulässigkeitsprüfung liegen. Bei anderen Zulässigkeitsproblemen handelt es sich meistens um Standardprobleme, die zudem häufig offensichtlich im Sachverhalt angelegt sind.
3. Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen
Die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen sind die Prüfungspunkte, die bei allen Klagearten gleich sind und immer zu prüfen sind.
a) Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO
aa) Beteiligtenfähigkeit, § 61 VwGO
Die möglichen Beteiligten im Verwaltungsprozess richten sich nach § 63 VwGO. Dieser nennt explizit
den Kläger (Nr. 1),
den Beklagten (Nr. 2),
Beigeladene (Nr. 3 i.V.m. § 65 VwGO) und
Vertreter des öffentlichen Interesses (Nr. 4 i.V.m § 36 VwGO, bzw. 35 VwGO beim BVerwG)
Diese können aber nur Beteiligte im Prozess sein, wenn sie im Sinne des § 61 VwGO beteiligtenfähig sind.
Beteiligtenfähig sind nach § 61 Nr. 1 VwGO natürliche und juristische Personen, nach § 61 Nr. 2 VwGO Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann und nach § 61 Nr. 3 VwGO Behörden, soweit das Landesrecht dies bestimmt.
bb) Prozessfähigkeit, § 62 VwGO
Die in § 62 VwGO geregelte Prozessfähigkeit bestimmt, wer wirksam Verfahrenshandlungen vornehmen kann. Nach § 62 I VwGO sind dies
die nach dem bürgerlichen Recht Geschäftsfähigen (Nr. 1) und
die nach bürgerlichem Recht in der Geschäftsfähigkeit Beschränkten, soweit sie durch Vorschriften des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens als geschäftsfähig anerkannt sind (Nr. 2).
Vereinigungen und Behörden sind nicht selbst prozessfähig, sondern werden gemäß § 62 III VwGO durch ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände vertreten.
b) Ordnungsgemäße Klageerhebung, §§ 81, 82 VwGO
Gemäß § 81 I VwGO ist die Klage schriftlich (eigenhändige Unterschrift oder qualifizierte Signatur) zu erheben und nach § 82 ist eine Begründung anzugeben.
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Auch hier sind Ausführungen zu machen, wenn sie angezeigt sind. In der Klausur werden dir an dieser Stelle nahezu ausschließlich Standardprobleme begegnen. Diese sollten dir bekannt sein und in der Klausur nicht viel Zeit kosten.
c) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
An einem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehlt es, wenn dieser kein schutzwürdiges Interesse hinsichtlich einer gerichtlichen Entscheidung hat.
Dies kann aus verschiedenen Gründen der Fall sein. Die relevantesten Fallgruppen sind dabei:
Der Kläger kann sein Ziel effektiver (also z.B. einfacher, schneller oder umfassender) als durch eine Klage erreichen
Wenn die Klage für den Kläger praktisch sinnlos ist, er also seine Rechtsposition nicht mehr verbessern kann (z.B. durch Erledigung).
Missbräuchliche Verwendung des Instruments der Klage durch den Kläger. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Kläger nur klagt, um dem Klagegegner zu schaden und nicht um eine eigene Rechtsposition zu verbessern
Verwirkung des Klagerechts durch Untätigbleiben
Merke
Eingehende Ausführungen sind hier nur vorzunehmen, wenn im Sachverhalt erkennbare Probleme angelegt sind. Ansonsten ist Kürze geboten! An diesen Stellen kannst du mit deiner Bearbeitung zeigen, dass du Problembewusstsein besitzt, indem du Ausführungen, die deine Lösung nicht weiterbringen, vermeidest.
4. Besondere Sachurteilsvoraussetzungen
Die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen sind innerhalb der Klagearten verschieden und richten sich danach, welche Klage zu prüfen ist. Große Unterschiede gibt es hier aber nicht und es sind klare Muster vorhanden, welche logisch nachvollzogen werden können.
Die jeweiligen besonderen Sachurteilsvoraussetzungen findest du in den individuellen Lexikonartikeln der einzelnen Klagearten:
IV. Die Begründetheit
Die Begründetheit betrifft die rechtliche Substanz und die materiell-rechtliche Grundlage der Klage. Hier wird geprüft, ob die behaupteten Ansprüche oder Rechtspositionen der klagenden Partei nach der materiellen Rechtslage bestehen. Dabei sind alle Umstände des Sachverhalts zu würdigen und inhaltlich sinnvoll in die Prüfung einzubeziehen.
Logischerweise baut die Prüfung der Begründetheit auf dem bereits im Rahmen der Zulässigkeit herausgearbeiteten Klagebegehren des Klägers (§ 88 VwGO) auf.
Wenn wir als Beispiel in der Zulässigkeit festgestellt haben, dass der Kläger den Erlass eines Verwaltungsaktes (§ 35 1 VwGO) begehrt, prüfen wir nun im Rahmen der Begründetheit unserer Verpflichtungsklage, ob rechtlich ein Anspruch des Klägers auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes gegen die Behörde besteht.
Die individuellen Prüfungen und Obersätze der Begründetheit findest du im Artikel zur jeweiligen Klageart.
V. Ergebnis
Zum Abschluss einer jeden Prüfung bedarf es natürlich auch hier eines Ergebnissatzes.
Hier gibt es aber zum Glück nicht viele verschiedene Möglichkeiten: Entweder ist die Klage zulässig und begründet oder sie ist zulässig, aber unbegründet.
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Theoretisch denkbar sind auch Fälle, bei denen bereits die Zulässigkeit nicht gegeben ist. Dies ist aber aus klausurtaktischen Gründen sehr selten und eine derartige Klausur wäre gerade als Examensklausur ein echter Exot - denn dann würde keine materiell-rechtliche Prüfung stattfinden.
Der klausurtaktische Aspekt ist hierbei aber praktisch auch der einzig Relevante, da bei einer unzulässigen Klage auf ein Hilfsgutachten zurückgegriffen würde und die Prüfung im Anschluss “normal” weitergeht.