Das Schuldrecht ist im zweiten Buch des BGB verortet und regelt die Schuldverhältnisse zwischen den Rechtssubjekten. Der allgemeine Teil ist konkret in den §§ 241 bis 432 BGB geregelt und macht daher die Begriffsbestimmung einzelner, immer wiederkehrender Begriffe notwendig.
I. Schuldverhältnis
Strikt zu trennen sind die Begriffe Schuldverhältnis im weiteren Sinne (i.w.S.) und Schuldverhältnis im engeren Sinne (i.e.S.)
1. Schuldverhältnis im weiteren Sinne
Definition
Das Schuldverhältnis im weiteren Sinne stellt die Gesamtheit der rechtlichen Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner dar.
Beispiel
Kauf-, Werk-, Mietverträge etc.
Schuldverhältnis im Sinne des §§ 241, 311 BGB
2. Schuldverhältnis im engeren Sinne
Definition
Das Schuldverhältnis im engeren Sinne bezeichnet aus Sicht eines Dritten einen einzelnen Bestandteil eines Schuldverhältnisses im weiteren Sinne, der sich aus Gläubigersicht als Forderung und aus Schuldnersicht als Verbindlichkeit/Verpflichtung darstellt.
Beispiel
Durch einen Kaufvertrag (Schuldverhältnis i.w.S.) entstehen vier Schuldverhältnisse i.e.S.:
Nach § 433 I 1 BGB wird der Verkäufer einer Sache durch den Kaufvertrag verpflichtet dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen.
Nach § 433 II BGB ist der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
II. Anspruch und Forderung
1. Anspruch
Unter einem Anspruch versteht man das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. Legaldefinition in § 194 I BGB).
2. Forderung
Unter einer Forderung versteht man einen schuldrechtlichen Anspruch (also ein Schuldverhältnis i.e.S.). Nach § 241 I 1 BGB ist der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern.
III. Leistungsbegriff
Nach § 241 I 1 BGB ist Leistung, was der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses von dem Schuldner zu fordern berechtigt ist - nach § 241 I 2 BGB auch ein Unterlassen oder ein Dulden.
1. Ambivalenz des Leistungsbegriffes
Als Leistung bezeichnet das Gesetz sowohl die Leistungshandlung als auch den Leistungserfolg.
Beispiel
In §§ 241 I 1, 362 BGB meint Leistung den Leistungserfolg
In §§ 269-271 BGB meint Leistung die Leistungshandlung
2. Verhaltens- und Erfolgspflichten
Während Verhaltenspflichten Pflichten beschreiben, die auf eine bestimmte Handlung oder ein sonstiges Verhalten gerichtet sind, sind Erfolgspflichten auf den Eintritt eines Erfolges gerichtete Pflichten.
Beispiel
Verhaltenspflicht: Ein Arbeitnehmer schuldet nach § 611a I 1 BGB die „Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit“ (kurz: insbesondere die Pflicht zu arbeiten), also ein bestimmtes Verhalten.
Erfolgspflicht: Ein Werkunternehmer schuldet nach § 631 I 1 BGB die Herstellung eines versprochenen Werkes, mithin einen Erfolg.
Merke
Die Differenzierung zwischen Verhaltens- und Erfolgspflichten ist zentral für das gesamte Leistungsstörungsrecht. Der Begriff der „Leistung“ muss im konkreten Kontext (Verhaltens- oder Erfolgspflicht) zutreffend interpretiert werden, um Leistungsstörungen richtig einordnen zu können.
IV. Nebenpflichten
Nebenpflichten „flankieren“ Leistungspflichten.
1. Leistungsbezogene Nebenpflichten
Aus § 242 BGB folgt die Leistungstreuepflicht, d.h. die Pflicht, alles zu unterlassen, was die ordnungsgemäße Abwicklung des Schuldverhältnisses beeinträchtigen könnte.
2. Negatorische Nebenpflichten
Nach § 241 II BGB kann das Schuldverhältnis jeden Teil zur Rücksicht auf die schon vorhandenen Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
Schutzpflichten sollen das Integritätsinteresse des Vertragspartners schützen. Wer sich auf rechtsgeschäftliche Kontakte einlässt, vertraut darauf, dass sein bereits vorhandener Vermögensstand unversehrt („intakt“) bleibt.
Pflichten haben im Übrigen eine Doppelnatur, wenn sie das Leistungs- und Integritätsinteresse schützen.
Beispiel
Beim Kauf einer Motorsäge soll die Bedienungsanleitung oder individuelle Einweisung nicht nur sicherstellen, dass die Motorsäge ordnungsgemäß funktioniert (Leistungsinteresse), sondern auch den Benutzer und Dritte vor Verletzungen schützen (Integritätsinteresse).