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Die einzelnen Grundrechte

Art. 4 GG (Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit)

Teilgebiet

Grundrechte

Thema

Die einzelnen Grundrechte

Tags

Jedermannsrecht
Glaubensfreiheit
Bekenntnisfreiheit
Religionsausübungsfreiheit
Gewissensfreiheit
Kriegsdienstverweigerung
Verfassungsimmanente Schranke
Religionsunterricht
Art. 4 GG
Art. 140 GG
Art. 137 WRV
§ 5 KErzG
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Schutzbereich

    • 1. Persönlicher Schutzbereich

    • 2. Sachlicher Schutzbereich

      • a) Religionsfreiheit, Art. 4 I Var. 1 und 3, II GG

        • aa) Glaubensfreiheit

        • bb) Bekenntnisfreiheit

        • cc) Religionsausübungsfreiheit

      • b) Gewissensfreiheit, Art. 4 I Var. 2 GG

      • c) Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung, Art. 4 III GG

  • III. Eingriff

  • IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

    • 1. Einschränkungsmöglichkeit

      • a) Religionsfreiheit

      • b) Gewissensfreiheit

      • c) Recht der Kriegsdienstverweigerung

    • 2. Verfassungsmäßige Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

I. Einleitung

Das Grundrecht der Religionsfreiheit ist in Art. 4 I Var. 1 und 3, II GG verankert und schützt die individuelle Freiheit des Einzelnen in religiösen und weltanschaulichen Angelegenheiten und garantiert die ungestörte Ausübung der Religion. Daneben enthält Art. 4 I Var. 2 GG das Grundrecht der Gewissensfreiheit. Weiterhin enthält Art. 4 III GG ein Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen.

Die Bedeutung von Art. 4 GG erstreckt sich sowohl auf das Individuum als auch auf die Gesellschaft insgesamt. Für den Einzelnen gewährleistet es die Freiheit, seinen Glauben und seine Überzeugungen ohne staatliche Einmischung zu bilden, zu äußern und zu praktizieren. Für die Gesellschaft fördert es ein Klima der Toleranz und des Pluralismus, indem es die Koexistenz verschiedener religiöser und weltanschaulicher Gemeinschaften ermöglicht.

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II. Schutzbereich

1. Persönlicher Schutzbereich

Bei den Grundrechten aus Art. 4 GG handelt es sich um Jedermannsrechte.

Auch juristische Personen und Vereinigungen können sich auf die Glaubensfreiheit berufen, wenn ihr Zweck darin besteht, ein religiöses oder weltanschauliches Bekenntnis zu pflegen oder zu fördern (sogenannte korporative Glaubensfreiheit). Dabei spielt die Rechtsform keine Rolle:

Geschützt sind sowohl juristische Personen des Privatrechts als auch nicht rechtsfähige Vereine sowie Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Letztere können gemäß Art. 137 V und VII WRV i.V.m. Art. 140 GG den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen. Trotz dieses öffentlich-rechtlichen Status sind sie keine Bestandteile des Staates, was durch Art. 137 I WRV i.V.m. Art. 140 GG ausdrücklich klargestellt wird.

Während juristische Personen des Privatechts im Anwendungsbereich des Art. 4 GG nur über Art. 19 III GG erfasst werden, sofern die Grundrechte ihrem Wesen nach anwendbar sind, sind die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften direkt vom persönlichen Schutzbereich erfasst.

Juristische Personen können sich jedoch nicht auf die Gewissensfreiheit berufen, da es sich um ein höchstpersönliches Recht handelt. Dies gilt daher auch für nicht rechtsfähige Vereine.

Problem

Minderjährige

Minderjährige sind grundsätzlich selbst Träger der Religionsfreiheit, unabhängig vom Willen der Eltern. Dies gilt bereits für Kinder ab 12 Jahren, die eine von den Eltern abweichende Religionszugehörigkeit besitzen können. Ab diesem Alter besteht ein Schutz vor “Umerziehung” durch die Eltern (§ 5 S. 2 KErzG). Mit dem Alter wächst die Fähigkeit des Kindes, eigenständig über religiöse Fragen zu entscheiden. Daher hat gemäß § 5 S. 1 KErzG ein Kind ab Vollendung des 14. Lebensjahrs die freie Entscheidung über die Wahl des religiösen Bekenntnisses.

2. Sachlicher Schutzbereich

a) Religionsfreiheit, Art. 4 I Var. 1 und 3, II GG

Art. 4 I Var. 1 und 3, II GG garantiert die Religionsfreiheit in umfassender Weise. Dabei handelt es sich um ein einheitliches Grundrecht, das die Glaubensfreiheit (Art. 4 I Var. 1 GG), die Bekenntnisfreiheit (Art. 4 I Var. 3 GG) als auch die Religionsausübungsfreiheit (Art. 4 II GG) umfasst. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass diese beiden Absätze in Bezug auf die Religionsfreiheit als untrennbare Einheit zu verstehen sind und gemeinsam den Schutzbereich der Religionsfreiheit definieren. Das Bundesverfassungsgericht und die herrschende Meinung in der Literatur betonen dabei auch, dass die Einheit von Art. 4 I, II GG funktional und in Bezug auf die Religionsfreiheit besteht, während die Gewissensfreiheit zwar Teil derselben Norm ist, aber ein anderer Schutzbereich eröffnet wird, weshalb dies als eigenständiges Grundrecht angesehen wird.

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aa) Glaubensfreiheit

Definition

Glaube ist die Überzeugung, die der Einzelne von der Stellung der Menschen in der Welt und seinen Beziehungen zu höheren Mächten und tieferen Seinsschichten hat.

Davon ist auch die negative Religionsfreiheit umfasst. Erfasst werden also nicht nur religiöse, sondern auch religionsfreie und religionsfeindliche Weltanschauungen (z. B. Recht der Schüler, dass Lehrer im Unterricht kein Kopftuch trägt).

Art. 4 GG gebietet zudem eine religiöse und weltanschauliche Neutralität des Staates. Dieses Neutralitätsgebot verpflichtet den Staat, in religiösen und weltanschaulichen Angelegenheiten unparteiisch zu bleiben und keine Religion oder Weltanschauung zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der Religionsfreiheit selbst, sowie aus dem Gebot der staatlichen Neutralität aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 136-139 WRV.

Allgemein schützt die Religionsfreiheit sowohl die innere Überzeugungsbildung (forum internum), als auch das Recht, entsprechend seiner inneren Überzeugung nach außen hin zu handeln (forum externum).

Beispiel

Eine Person entscheidet sich, einer Religion beizutreten, ihren Glauben zu ändern oder keinen Glauben zu haben (forum internum) und trägt in der Folge religiöser Symbole dieser Religion und führt Praktiken dieser Religion durch (forum externum).

Zudem ist auch kollektive Religionsfreiheit geschützt, also die Vereinigungsfreiheit als juristische Personen des öffentlichen Rechts (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV), sowie in anderen verselbstständigten Formen.

bb) Bekenntnisfreiheit

Definition

Bekenntnis ist jede Kundgabe der religiösen und weltanschaulichen Überzeugung nach Außen hin.

Damit werden nicht nur rein verbale Äußerungen erfasst, sondern auch nonverbale Handlungen, Gesten oder Symbole, durch die der Glaube oder eine bestimmte weltanschauliche Haltung für andere erkennbar wird. Entscheidend ist, dass das innere, persönliche Überzeugungsfundament nach außen tritt und somit in den sozialen oder öffentlichen Raum wirkt.

Zum Beispiel das Tragen religiöser Symbole oder Kleidungsstücke oder religiös motiviertes Verhalten in Alltagssituationen.

Definition

Eine Weltanschauung im Sinne von Art. 4 GG ist eine überindividuelle, umfassende Sichtweise auf die Welt und das Leben, die eine sinnstiftende Orientierung für das eigene Handeln bietet. Sie unterscheidet sich von der Religion dadurch, dass sie keinen transzendenten Bezug zu einer höheren, übernatürlichen Macht haben muss.

Beispiel

  • Humanismus

  • Marxismus oder andere politische Ideologien

  • Utilitarismus

cc) Religionsausübungsfreiheit

Definition

Religionsausübungsfreiheit schützt alle religiösen und weltanschaulichen Handlungen, die Ausdruck des Glaubens sind, unabhängig davon, ob sie kultischer, ritueller, organisatorischer oder sozialer Natur sind (z. B. Fasten während des Ramadan im Islam oder der Verzicht auf bestimmte Speisen während der Fastenzeit im Christentum).

Grundsätzlich können auch wirtschaftliche Tätigkeiten von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften unter den Schutzbereich des Art. 4 GG fallen, sofern diese Tätigkeiten funktional mit der Erfüllung des religiösen oder weltanschaulichen Selbstverständnisses verknüpft sind.

Beispiel

Der Betrieb eines kirchlichen Verlags, der religiöse Schriften und Materialien herausgibt

b) Gewissensfreiheit, Art. 4 I Var. 2 GG

Definition

Gewissensentscheidung ist jede ernstliche, an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend für sich innerlich erfährt, sodass er nicht ohne ernsthafte Gewissensnot gegen sie handeln könnte.

Dabei wird sowohl der innere Prozess der Gewissensbildung und -entscheidung, als auch das Recht auf Gewissensverwirklichung nach außen hin von der Gewissensfreiheit umfasst (ähnlich dem forum externum und internum der Religionsfreiheit). Die Gewissensentscheidung muss keinen Bezug zu einer Religion haben.

Merke

Beispiel 1:

Eine Ärztin lehnt es ab, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, weil sie diese mit ihrer individuellen moralischen Überzeugung nicht vereinbaren kann.

Beispiel 2:

Eine Person verweigert die Teilnahme an der Schlachtung von Tieren oder am Verzehr von Fleisch, weil sie davon überzeugt ist, dass es moralisch falsch ist, Tiere zu töten, und ein Handeln dagegen als Gewissensnot empfindet.

c) Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung, Art. 4 III GG

Artikel 4 III GG garantiert jedem Bürger das Grundrecht, den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern. Dieses Grundrecht ist eine spezifische Ausprägung der in Artikel 4 I Var. 2 GG geschützten Gewissensfreiheit und besitzt den Rang eines eigenständigen Grundrechts. Es schützt die innere, sittliche Überzeugung des Einzelnen, die Teilnahme an einem bewaffneten Konflikt als mit dem eigenen Gewissen unvereinbar anzusehen.

Nach herrschender Meinung ist nur die prinzipielle Kriegsdienstverweigerung geschützt und nicht die situationsbedingte, also wenn ein Bürger aufgrund seiner tief verwurzelten ethischen oder religiösen Überzeugung Gewalt grundsätzlich ablehnt.

Beispiel

Ein Soldat lehnt den Einsatz in einem bestimmten Konflikt ab, weil er diesen für politisch oder moralisch falsch hält, ist aber bereit, in anderen Kriegen oder Situationen Waffen zu benutzen. Dies wäre eine situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung und damit nicht geschützt.

Kriegsdienst umfasst dabei auch den Wehrdienst zu Friedenszeiten.

III. Eingriff

Bezüglich der Prüfung des Eingriffs bestehen keine Besonderheiten.

Beispiel

Verbot religiöser Kleidung oder Symbole; Einschränkungen bei religiösen Riten oder Praktiken; Beschränkung der organisatorischen Autonomie von Religionsgemeinschaften

IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

1. Einschränkungsmöglichkeit

Die Grundrechte aus Art. 4 I, II GG unterliegen mangels Gesetzesvorbehalt im Wortlaut nur verfassungsimmanenten Schranken.

Beispiel

Relevant werden hier häufig kollidierende Grundrechte wie das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG), das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II GG) oder die Meinungsfreiheit (Art. 5 I GG). Zusätzlich spielen allgemeine Verfassungswerte wie die öffentliche Sicherheit oder der Tierschutz eine wichtige Rolle.

a) Religionsfreiheit

Nach einer Mindermeinung soll sich aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 I WRV ein Gesetzesvorbehalt für die Religionsfreiheit ergeben. Das Bundesverfassungsgericht hat aber diesbezüglich festgestellt, dass dies nicht der Fall ist, da sich solche Einschränkungen nur aus der Verfassung selbst ergeben können (sogenannter Grundsatz der Einheit der Verfassung). Außerdem sollte die Implementierung des WRV in das GG die Religionsfreiheit stärken, nicht einschränken.

b) Gewissensfreiheit

Die Gewissensfreiheit unterliegt nur verfassungsimmanenten Schranken.

c) Recht der Kriegsdienstverweigerung

Das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung unterliegt dem Regelungsvorbehalt des Art. 12a II GG.

Gesetzesverweis

Sofern in deinem Bundesland zulässig, kannst du dir den Art. 12a II GG an den Art. 4 III GG zitieren, um dich an den Regelungsvorbehalt für das Grundrecht zu erinnern.

2. Verfassungsmäßige Konkretisierung der Einschränkungsmöglichkeit

Hier bestehen keine Besonderheiten zur gewohnten Prüfung, insbesondere der Verhältnismäßigkeit.

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