I. Einleitung
In manchen Fällen kann die Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts ausgeschlossen sein. Dies kann einerseits (privatautonom) durch Vertrag geschehen oder aufgrund gesetzlicher Regelungen des Mängelrechts. Dies sind nicht nur praktisch relevante Fälle, sondern auch der Klausurersteller kann, indem er einen solchen Ausschluss einbaut, die Klausur verlängern und dir eine sorgfältige Gesetzeslektüre abverlangen.
II. Vertraglicher Gewährleistungsausschluss

1. Individualvertraglicher Gewährleistungsausschluss
Klar ist, dass jede Partei im Rahmen der gesetzlichen Grenzen einen Ausschluss ihrer Rechte vereinbaren kann. Dies ist für sich genommen unproblematisch. Allerdings regelt das Gesetz einige Konstellationen, in denen ein solcher Ausschluss unwirksam ist.
Merke
Die ratio ist in der Regel, dass eine Partei deutlich schutzwürdiger ist als die andere und daher auch davor geschützt werden soll, ihre Rechte zu verlieren.
a) Verbrauchsgüterkauf
Gemäß § 476 I BGB ist ein Gewährleistungsausschluss bei Verbrauchsgüterkäufen im Sinne des § 474 BGB nicht möglich. Oder anders formuliert: Eine Abweichung vom Mängelrecht zulasten des Verbrauchers ist nicht zulässig. Dies gilt jedoch nicht (§ 476 III BGB) für den Ausschluss oder die Beschränkung von Schadensersatzansprüchen des Verbrauchers. Wichtig dabei zu beachten ist, dass der die Unwirksamkeit eines Gewährleistungsausschlusses aufgrund dieser Regelungen auch nicht durch „anderweitige Gestaltungen“ umgangen werden kann (§ 476 IV BGB).
Beispiel
Verbraucher K kauft von Gebrauchtwagenhändler V ein Auto. V tritt jedoch nur als Vermittler des Geschäfts auf und nennt im Kaufvertrag den (Alt-)Eigentümer E als Verkäufer des Autos. Dies könnte man als „anderweitige Gestaltung“ im Sinne des § 476 IV BGB ansehen, da wirtschaftlich gesehen der Händler Verkäufer ist, aber durch die Vertragsgestaltung die Regeln des Verbrauchsgüterkaufs umgangen werden. Diese Wertung greift jedoch nur, wenn der Händler auch tatsächlich das wirtschaftliche Risiko trägt, z. B. weil er dem Alteigentümer einen gewissen Verkaufspreis garantiert. Andernfalls sind derartige „Agenturgeschäfte“ zulässig und ein Gewährleistungsanschluss aufgrund der Nichtanwendbarkeit des § 476 BGB möglich.
b) Verschweigen eines Mangels (§ 444 Fall 1 BGB)
Ein Gewährleistungsausschluss ist auch dann unwirksam, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschweigt (§ 444 Fall 1 BGB). Dies ist auch wertungsmäßig nachvollziehbar, da der Käufer sonst in einen Vertrag gedrängt würde, und unwissentlich ein mangelhaftes Produkt erwirbt, ohne irgendwelche Rechte geltend machen zu können.
Merke
Den Begriff der Arglist findest du auch in § 123 I BGB. Dort wird Kausalität vorausgesetzt: Gerade also die arglistige Täuschung muss dazu geführt haben, dass der Vertrag abgeschlossen wurde. Eine entsprechende Kausalitätsprüfung ist im Rahmen des § 444 BGB nicht erforderlich.
c) Vorliegen einer Beschaffenheitsgarantie (§ 444 Fall 2 BGB)
Soweit eine Beschaffenheitsgarantie vorliegt, kann kein Haftungsausschluss vereinbart werden. Andernfalls ergäbe die Garantie, die ja gerade eine verschuldensunabhängige Haftung herbeiführen soll, keinen Sinn.
d) Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung
Wenn der Verkäufer keine Beschaffenheitsgarantie abgibt, sondern (lediglich) eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 II 1 Nr. 1 BGB vorliegt, gilt das Gleiche.
Zwar besteht insoweit keine gesetzliche Regelung, allerdings sieht die Rechtsprechung es als widersprüchlich - und somit im Ergebnis rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 242 BGB - an, einerseits eine Beschaffenheit zu versprechen und andererseits nicht haften zu wollen, wenn diese nicht gegeben ist. Aufgrund dieses Gedankens ist es aber auch nachvollziehbar, dass der Haftungsausschluss dennoch in einem gewissen Rahmen zulässig ist:
Soweit es um das Nichtvorliegen der vereinbarten Beschaffenheit geht, ist ein Haftungsausschluss unwirksam.
Soweit es aber um einen Mangel im Sinne der § 434 II 1 Nr. 2, Nr. 3 BGB geht, die nicht von der Beschaffenheitsvereinbarung umfasst sind, ist der Haftungsausschluss wirksam, denn insoweit besteht keine Widersprüchlichkeit.
2. Gewährleistungsausschluss in AGB
Gewährleistungsausschlüsse können aber auch formularmäßig in AGB vereinbart werden. Dabei sind aber Klauselverbote gemäß § 309 BGB zu berücksichtigen, die die Vereinbarung eines solchen Ausschlusses verbieten:
Klausurtipp
Gemäß Unternehmern beruht das Klauselverbot auf § 307 I, II, 309 BGB, da § 309 BGB direkt keine Anwendung findet (§ 310 I 1, 2 BGB).
Nr. 7: Die Haftung für die Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit sowie wegen grobem Verschulden kann nicht ausgeschlossen werden.
Beispiel
„Jegliche Haftung des Verkäufers ist ausgeschlossen“ Eine solche Klausel verstößt gegen § 309 Nr. 7 BGB, da sie keine Ausnahme für grobes Verschulden oder für die Verletzung von Körper, Leben oder Gesundheit vorsieht. Eine geltungserhaltende Reduktion kommt bei AGB nicht in Betracht.
Nr. 8 lit. b: Die Haftung für Mängel bei der Lieferung neu hergestellter Sachen (sowie bei Werkleistungen) kann in den hier genannten Ausnahmen nicht ausgeschlossen werden.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir § 309 Nr. 7, Nr. 8 lit. b BGB an den § 444 BGB zitieren, um dich an die Besonderheiten im Rahmen von in AGB enthaltenen Haftungsausschlüssen zu erinnern.
III. Gesetzlicher Haftungsausschluss
Ein Haftungsausschluss kann auch aufgrund gesetzlicher Regelungen erfolgen.
1. Kenntnis von Mängeln (§ 442 BGB)
Die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten ist ausgeschlossen, wenn der Käufer bei Vertragsschluss den Mangel kennt.
Merke
Auch dies ergibt wertungsmäßig Sinn - denn wenn der Käufer weiß, dass ihn ein mangelhaftes Produkt erwartet, kann er nicht später wegen genau dieses Mangels einen Anspruch geltend machen.
Soweit Angebot und Annahme zeitlich versetzt erfolgen, kommt es insoweit auf den Zeitpunkt der Willenserklärung des Käufers ab - denn eben in diesem Zeitpunkt verhält er sich widersprüchlich, indem er eine Willenserklärung in Kenntnis des Mangels abgibt. Bei formbedürftigen Rechtsgeschäften (wie etwa bei Grundstückskaufverträgen gemäß § 311b BGB) kommt es insofern grundsätzlich auf die formwirksame Abgabe der Willenserklärung an. Wird die Willenserklärung jedoch formwidrig abgegeben und dies später geheilt, kommt es ebenfalls auf den Zeitpunkt der Willenserklärung an. Kenntnis, die nach Abgabe der Willenserklärung und vor Eintritt der Heilungswirkung entsteht, schadet dem Käufer also nicht.
Bei Verbrauchsgüterkäufen ist § 442 BGB nicht anwendbar (§ 476 I 1 BGB). Das heißt, dass der Käufer trotz Kenntnis des Mangels seine Gewährleistungsansprüche geltend machen kann.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir § 476 I 1 BGB an den § 442 BGB zitieren, um dich an die Nichtanwendbarkeit des § 442 BGB bei Verbrauchsgüterkäufen zu erinnern.
Wenn der Käufer den Mangel nur grob fahrlässig verkennt, gilt der Haftungsausschluss nur, wenn
der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder
eine Beschaffenheitsgarantie übernommen hat
Denn dann durfte sich der Käufer grundsätzlich auf die Mangelfreiheit verlassen.
Definition
Arglistiges Verschweigen im Sinne des § 442 BGB ist anzunehmen, wenn der Verkäufer den Käufer trotz Aufklärungspflicht nicht auf einen Mangel hinweist. Dazu gehört es auch, wenn er „ins Blaue hinein“ falsche Angaben macht und so vorsätzlich eine Mangelfreiheit vorspiegelt, die er jedenfalls nicht positiv bejahen kann.
2. §§ 445 BGB, 806 ZPO, 56 S. 3 ZVG
Bei einem Pfandverkauf im Zuge einer öffentlichen Versteigerung kann die Haftung auch nicht ausgeschlossen werden.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 383 S. 3 BGB an die jeweiligen Normen zitieren, um dich an die Definition der öffentlichen Versteigerung zu erinnern.
3. Handelsrechtliche Rügeobliegenheit (§ 377 II, III Hs. 2 BGB)
Wenn der Käufer seine handelsrechtliche Untersuchungs- und Rügeobliegenheit verletzt, gilt die Ware als genehmigt. Es scheiden dann die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte aus. Dies gilt (analog zu § 442 BGB) nur dann nicht, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.
4. Kaufrechtliche Verjährung
Die Geltendmachung des Anspruchs aus §§ 434 ff. BGB kann wegen Verjährung gemäß § 438 BGB ausgeschlossen sein. Auch hier gilt, dass dieser Ausschlussgrund dann nicht gilt, wenn der Mangel arglistig verschwiegen wurde (§ 438 III 1 BGB). Dann greift aber dennoch die Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB.