I. Einleitung
Die Art. 70 ff. GG normieren die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern und legen damit fest, welche politische Ebene Normen erlassen dürfen.
Art. 70 GG etabliert das Leitprinzip der grundsätzlichen Länderzuständigkeit der Gesetzgebung, soweit das GG nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Dieser Grundsatz wird in den darauffolgenden Bestimmungen spezifiziert:
Art. 71 GG gewährt dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung, wenn das GG es ausdrücklich vorsieht.
Art. 72 GG regelt die konkurrierende Gesetzgebung: Hier darf der Bund nur tätig werden, sofern und soweit eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich ist (Art. 72 II GG), während die Länder bis dahin befugt sind.
Art. 73 und 74 GG katalogisieren die Materien, die unter die ausschließliche bzw. konkurrierende Gesetzgebung fallen. Art. 74a GG ergänzt Sonderzuständigkeiten im Verteidigungsfall.
Ergänzende Vorschriften wie Art. 105 GG (Finanzverfassung) oder Art. 125 ff. GG (Fortgeltung und Übergangsrecht) zeigen, dass die Kompetenzordnung dynamisch fortentwickelt wird.
Die Bedeutung dieser Normen ist nicht nur dogmatischer Natur: In der Praxis bilden sie die zwingende Prüfstufe jeder verfassungsrechtlichen Gesetzesprüfung („formelle Verfassungsmäßigkeit“). Fehler bei der Kompetenzzuordnung führen regelmäßig zur Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes. Zugleich spiegeln die Art. 70 ff. GG den fortdauernden Aushandlungsprozess zwischen Bund und Ländern wider, in dem politisches Gestaltungsinteresse, Subsidiarität und Einheitlichkeit des Rechts in Balance gebracht werden müssen.
II. Die einzelnen Gesetzgebungszuständigkeiten
Im Folgenden soll es um die einzelnen Kompetenzregelungen und der sich aus ihrem Zusammenspiel ergebenden Systematik gehen.

1. Die Generalklausel, Art. 70 I GG
Der Ausgangspunkt der Gesetzgebungskompetenz ist Art. 70 GG, welcher die grundsätzliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern aufstellt.
Zitat
Art. 70 I GG
“(1) Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht.
(2) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung.”
Im Grundsatz haben demnach nach Art. 70 I GG die Länder die Gesetzgebungskompetenz, solange nicht durch das GG etwas anderes bestimmt ist. Andere Bestimmungen ergeben sich aus den folgenden Normen.
2. Die ausschließliche Gesetzgebung, Art. 71, 73 GG
Zunächst soll es um die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz gehen. Diese ist konstitutiv in Art. 71 GG geregelt und wird durch Art. 73 GG konkretisiert.
Zitat
Art. 71 GG
“Im Bereiche der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn und soweit sie hierzu in einem Bundesgesetze ausdrücklich ermächtigt werden.”
Demnach hat gemäß Art. 71 GG der Bund die Gesetzgebungskompetenz im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung, solange nicht die Länder ausdrücklich durch Bundesgesetz ermächtigt werden.
Was zum Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung gehört, regelt darauf aufbauend Art. 73 GG. Dieser enthält in Art. 73 I Nr. 1 bis 14 GG eine Auflistung von Kompetenzbereichen.
Beispiel
Die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung (Nr. 1)
Das Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maße und Gewichte sowie die Zeitbestimmung (Nr. 4)
Das Postwesen und die Telekommunikation (Nr. 7)
Das Waffen- und das Sprengstoffrecht (Nr. 12)
Klausurtipp
Mit den einzelnen Varianten brauchst du dich im Einzelnen nicht zu beschäftigen. In der Klausur wird klar sein, welche Möglichkeiten der Kompetenzzuweisung angesprochen werden sollen.
3. Die konkurrierende Gesetzgebung, Art. 72, 74 GG
Neben der ausschließlichen Gesetzgebung regeln Art. 72, 74 GG die konkurrierende Gesetzgebung. Ausgangspunkt ist hier Art. 72 GG, welcher durch Art. 74 GG konkretisiert, bzw. ergänzt wird. Hier herrscht also die gleiche Systematik wie bei der ausschließlichen Gesetzgebung: Art. 72 GG regelt, was die konkurrierende Gesetzgebung bedeutet und Art. 74 GG gestaltet die Einzelheiten durch Aufzählung der Kompetenztitel aus. Demnach haben die Länder die Gesetzgebungskompetenz, solange der Bund nicht von seiner Kompetenz Gebrauch macht. Die konkurrierende Gesetzgebung besteht aus der Kernkompetenz (Bund), der Bedarfskompetenz (Bund) und der Abweichungskompetenz (Länder).

a) Die Kernkompetenz des Bundes, Art. 74 I i.V.m. Art. 74 II GG
Die Kernkompetenz des Bundes im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung meint die Kompetenztitel, welche in Art. 74 I GG, aber nicht in Art. 72 II GG genannt sind. Art. 74 I GG enthält wie Art. 73 I GG einen Katalog von Kompetenztiteln. Art. 72 II GG regelt dazu, dass für einige dieser Kompetenztitel des Bundes eine zusätzliche Erforderlichkeit anhand der Maßstäbe des Art. 74 II GG gegeben sein muss. Dazu im Folgenden mehr. Das bedeutet also, dass die Kernkompetenz des Bundes alle Kompetenztitel des Art. 74 I GG umfasst, mit Ausnahme der Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 (siehe Art. 74 II GG und im Folgenden).Diese Titel gehören zur Bedarfskompetenz des Bundes.
b) Die Bedarfskompetenz des Bundes
Wie bereits angeschnitten, enthält Art. 72 II GG die sogenannten Bedarfskompetenztitel des Bundes.
Zitat
Art. 72 II GG:
“Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.”
aa) Erforderlichkeitsprüfung
Art. 72 II GG stellt demnach für einige der dem Bund durch Art. 74 I GG zugewiesenen Kompetenztitel die Voraussetzung einer Erforderlichkeitsprüfung auf. Die Regelung auf Bundesebene muss also dem Wortlaut nach erforderlich sein, um
gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen oder zu bewahren oder
die Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse zu bewahren.

Diese Anforderungen wurden durch das Bundesverfassungsgericht konkretisiert.
Gleichwertige Lebensverhältnisse
Bundeseinheitliche Regelungen sind nur zulässig, wenn sich die Lebensbedingungen in den Ländern in einem Maße voneinander entfernen, dass das soziale Gefüge des Bundesstaates spürbar gefährdet ist oder eine solche Entwicklung konkret droht.Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit
Eine bundesgesetzliche Kompetenz entsteht erst dann, wenn die Vielfalt landesrechtlicher Regelungen eine so erhebliche Rechtszersplitterung bewirkt, dass ihre Folgen weder für den Bund noch für die Länder hinnehmbar sind. Bloße Verbesserungen von Rechtssicherheit oder Verwaltungseffizienz reichen dafür nicht aus.Gesamtstaatliches Interesse
Ein gesamtstaatliches Interesse liegt vor, wenn nur durch bundeseinheitliche Vorgaben die Funktionsfähigkeit des gesamtdeutschen Wirtschaftsraums dauerhaft gewahrt werden kann. Das ist etwa der Fall, wenn unterschiedliche Landesnormen oder Untätigkeit der Länder die Gesamtwirtschaft erheblich beeinträchtigen würden.
Beispiel
Jedes Bundesland erlässt eigene Regelungen für digitale Ride-Pooling-Dienste (wie Uber, Moia oder Clevershuttle), die unter die konkurrierende Gesetzgebung in Straßenverkehrsangelegenheiten (Art. 74 I Nr. 22 GG) fallen. In Bayern gelten andere Mindestpreise als in Berlin, Sachsen beschränkt Nachtfahrten, Schleswig-Holstein verlangt analoge Genehmigungsverfahren, NRW setzt auf digitale Verfahren. In manchen Ländern besteht eine Rückkehrpflicht zum Betriebshof, in anderen nicht. Es entsteht ein Flickenteppich unterschiedlicher Vorschriften.
Diese Zersplitterung kann dazu führen, dass etwa in ländlichen Regionen nachts gar keine Angebote verfügbar sind, während in Großstädten ein lückenloses System besteht. Das gefährdet die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse, da Mobilität, Arbeitsplatzwahl und Versorgungschancen vom Wohnort abhängen.
Zudem beeinträchtigt die Vielfalt der Regelungen die Rechts- und Wirtschaftseinheit: Anbieter müssen ihre Apps regional anpassen, riskieren Bußgelder bei grenzüberschreitenden Fahrten und haben hohe Betriebskosten. Unter Umständen könnte auch das gesamtstaatliche Interesse berührt sein – etwa wenn sich Anbieter wegen rechtlicher Unsicherheit vom deutschen Markt zurückziehen und Innovationspotenziale verloren gehen.
Eine bundeseinheitliche Regelung könnte in einer solchen Konstellation erforderlich sein, wenn die Länder das Problem nicht effektiv gemeinsam lösen können. Dann wären die Voraussetzungen des Art. 72 II GG erfüllt und der Bund dürfte gesetzgeberisch tätig werden.
bb) Ausnahme bei Möglichkeit der Regelung auf Länderebene
Eine Rückausnahme dazu besteht, wenn dasselbe Resultat wie durch die bundesgesetzliche Regelung auch durch eine Koordination der Länder und entsprechende landesrechtliche Regelungen erreicht werden kann. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Problem
Späterer Wegfall der Erforderlichkeit
Im Rahmen der Bedarfskompetenz kann es allgemein zu einem Sonderfall kommen:
Wenn bezüglich eines Gesetzes zunächst die Kompetenz des Bundes nach Art. 74 I GG gegeben war und zudem die Erforderlichkeit nach Art. 72 II GG vorlag, diese aber später wegfällt, kann der Bund mangels nun bestehender Kompetenz die Materie nicht neu regeln. Die bisherige Regelung, welche zu Zeiten des Bestehens der Erforderlichkeit getroffen wurde, bleibt aber bestehen. In diesen Fällen droht dann die “Versteinerung” der Rechtslage. Um diesem Zustand entgegenzuwirken, kann der Bund die Materie an die Länder freigeben. Nach Art. 72 IV GG darf der Bund durch Gesetz festlegen, dass eine bestehende bundesgesetzliche Regelung, für die die Voraussetzungen des Art. 72 II GG nicht mehr gegeben sind, durch landesrechtliche Vorschriften ersetzt werden kann. Ob diese Voraussetzungen entfallen sind, kann auf Antrag, etwa durch den Bundesrat, eine Landesregierung oder ein Landesparlament, vom Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 94 II S. 1 Alt. 1 GG überprüft werden. Somit besteht auch ein Rechtsmittel auf Seiten der Länder, um einer eventuellen Untätigkeit des Bundes entgegenzuwirken.
cc) Überprüfung der Erforderlichkeit
Das Bestehen der Erforderlichkeit kann vor dem Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Bund-Länder-Streits überprüft werden. Dazu kann es auch im Rahmen der abstrakten oder konkreten Normenkontrolle zu dieser Überprüfung kommen.
c) Die Abweichungskompetenz der Länder
Zuletzt besteht bei der konkurrierenden Gesetzgebung die Abweichungskompetenz der Länder.
Diese umfasst alle in Art. 72 III 1 Nr. 1-7 GG genannten Kompetenztitel. Art. 72 III 1 GG regelt bezüglich dieser Gebiete, dass die Länder abweichende Regelungen treffen können, wenn bereits eine bundesrechtliche Regelung auf dem betroffenen Gebiet besteht.
Das Verhältnis der Regelungen im selben Kompetenztitel wird durch Art. 72 III 3 GG festgelegt. Demnach geht jeweils das spätere Gesetz vor.
4. Die ungeschriebenen Kompetenzen
Neben den in Art. 70 ff. GG ausdrücklich normierten Zuständigkeiten hat das Bundesverfassungsgericht aus Systematik und Zweck der Verfassung sogenannte ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen entwickelt. Sie greifen, wenn der Bund (oder ausnahmsweise das Land) eine Regelung vernünftigerweise nicht treffen kann, ohne zugleich einen sachlich eng verbundenen, aber im Grundgesetz nicht ausdrücklich genannten Bereich mit zuzuordnen. Diese dogmatischen Konstruktionen sollen verhindern, dass die föderale Kompetenzordnung durch praktische Anforderungen handlungsunfähig wird, ohne jedoch das grundlegende Prinzip der Länderzuständigkeit zu unterlaufen.

a) Kraft Natur der Sache
Zunächst soll es um die ungeschriebene Kompetenz kraft Natur der Sache gehen.
Definition
Eine Zuständigkeit des Bundes kraft Natur der Sache liegt dann vor, wenn eine Angelegenheit schon aus sachlogischen Gründen nur vom Bund geregelt werden kann.
Beispiel
Nationalflagge, Nationalhymne
b) Kraft Sachzusammenhang
Daneben besteht die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs.
Definition
Eine Kompetenz kraft Sachzusammenhang besteht, wenn eine dem Bund zugewiesene Materie vernünftigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass gleichzeitig eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt werden kann.
Beispiel
Der Bund hat nach Art. 73 I Nr. 1 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die auswärtigen Angelegenheiten, einschließlich des Abschlusses völkerrechtlicher Verträge.
Stellt man sich nun vor, der Bund verhandelt ein internationales Abkommen über den Austausch sensibler Umweltdaten mit Nachbarstaaten. Um dieses Abkommen umzusetzen, erlässt der Bund ein Gesetz, das nicht nur die völkerrechtlichen Verpflichtungen umsetzt, sondern auch detaillierte Vorgaben für die Einrichtung und den Betrieb nationaler Datenübertragungsstellen innerhalb Deutschlands enthält.
Solche innerstaatlichen Regelungen zur Verwaltung und technischen Organisation der Datenerhebung und -weitergabe fallen an sich nicht unter eine ausdrücklich zugewiesene Bundeskompetenz.
Da das völkerrechtliche Abkommen ohne diese nationalen Durchführungsmaßnahmen jedoch nicht sinnvoll und wirksam umgesetzt werden kann, ist der Bund kraft Sachzusammenhangs befugt, auch diese mitgeregelte Materie zu normieren. Die innerstaatliche Regelung steht in einem engen funktionalen Zusammenhang zur eigentlich zugewiesenen Bundesmaterie „auswärtige Angelegenheiten“ und ist zu deren effektiver Umsetzung erforderlich.
c) Kraft Annexkompetenz
Zuletzt gibt es im Rahmen der ungeschriebenen Kompetenzen noch die Annexkompetenz.
Definition
Eine Annexkompetenz besteht, wenn der Regelungsgegenstand zur Vorbereitung oder Durchführung einer Materie dient, für welche eine Kompetenzzuweisung besteht.
Beispiel
Der Bund besitzt nach Art. 73 I Nr. 6 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz „für den Luftverkehr“. Auf dieser Grundlage erlässt er eine Luftsicherheitsgebührenverordnung, die Fluggesellschaften verpflichtet, für jeden Passagier eine bestimmte Gebühr an die Bundespolizei zu entrichten, um die Kosten der Sicherheitskontrollen an Flughäfen zu decken.
Das Erheben von Gebühren wird im Grundgesetz nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesen; Gebührenrecht fällt grundsätzlich in die Länderzuständigkeit. Weil die Finanzierung der Sicherheitskontrollen jedoch unmittelbar der Durchführung der Bundesmaterie „Luftverkehr“ dient und ohne sie die bundesrechtlich gebotene Flugsicherheit nicht gewährleistet werden könnte, kann der Bund die Gebührenerhebung kraft Annexkompetenz regeln. Die Gebühr ist damit ein „Anhängsel“ (Annex) der primären Luftverkehrskompetenz des Bundes.
5. Weitere Kompetenzregelungen
Neben den in Art. 70 ff. GG kodifizierten und den ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen enthält das Grundgesetz noch weitere spezielle Kompetenzzuweisungen, die insbesondere in bestimmten Regelungszusammenhängen von Bedeutung sind. Diese ergänzen die allgemeine Kompetenzordnung und schaffen teils eigenständige Zuweisungen außerhalb der wichtigen Kataloge in Art. 73 und 74 GG.
a) Finanzverfassungsrechtliche Kompetenzen (Art. 105 GG)
Art. 105 GG regelt die Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Steuerrechts. Anders als in Art. 73 und 74 GG ist hier zwischen verschiedenen Steuerarten zu differenzieren:
Art. 105 I GG: Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für Zölle und Finanzmonopole.
Art. 105 II GG: Für alle übrigen Steuern hat der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, jedoch nur, wenn ihm das Aufkommen ganz oder teilweise zusteht oder wenn eine bundeseinheitliche Regelung im Interesse der Rechtseinheit erforderlich ist.
Art. 105 IIa GG: Die Länder haben für örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern (z. B. Hundesteuer, Vergnügungssteuer) die Gesetzgebungskompetenz, solange diese nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind.
Art. 105 GG zeigt, dass das Steuerrecht eine eigenständige Kompetenzordnung enthält, die teils vom Aufkommen, teils vom sachlichen Regelungszuschnitt abhängig ist.
b) Übergangs- und Fortgeltungsrecht (Art. 125 ff. GG)
Die Art. 125 bis 125c GG betreffen Übergangsregelungen aus der Zeit nach Inkrafttreten des Grundgesetzes (1949) und aus Anlass der Föderalismusreform (2006). Sie sichern die Fortgeltung vormals erlassener Bundesgesetze, selbst wenn heute keine Gesetzgebungskompetenz mehr bestehen würde.
Beispiel
Ein Bundesgesetz, das ursprünglich auf Grundlage einer konkurrierenden Gesetzgebung mit Erforderlichkeitsprüfung erlassen wurde, bleibt nach Art. 125a GG auch dann in Kraft, wenn die Erforderlichkeit später entfällt, es sei denn, das Gesetz wird ausdrücklich aufgehoben oder durch Landesrecht ersetzt
Diese Vorschriften sind insbesondere in Prüfungen relevant, wenn ein bestehendes Gesetz mit fraglicher Kompetenzgrundlage auf seine Gültigkeit hin überprüft werden soll.
c) Sonderregelungen für den Verteidigungsfall (Art. 115a ff., 74a GG)
Im äußeren Notstand, also während des Verteidigungs- (Art. 115a GG) oder (durch Art. 80a GG vorbereiteten) Spannungsfalls, verschieben Art. 115a ff. GG die Machtbalance zeitlich befristet in Richtung des Bundes. Ausgangspunkt ist Art. 115a GG, der das Verfahren definiert, mit dem Bundestag und Bundesrat einen bewaffneten Angriff auf das Bundesgebiet feststellen.
aa) Art. 115c GG
Art. 115c GG erweitert sodann die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes: Im Verteidigungsfall darf er auch in Materien gesetzgebend tätig werden, die sonst ausschließlich den Ländern obliegen. Darüber hinaus kann er vorläufig von den sonst geltenden Regeln über Entschädigungen bei Enteignungen sowie von Verfahrens- und Finanzvorschriften des Grundgesetzes abweichen und die Vorführfrist bei Freiheitsentziehungen auf bis zu vier Tage verlängern, wenn reguläre Gerichte nicht erreichbar sind.
bb) Vereinfachtes Gesetzgebungsverfahren, Art. 115d GG
Damit diese Gesetze möglichst rasch zustande kommen, sieht Art. 115d GG ein vereinfachtes Bundesgesetzgebungsverfahren vor: Im Bundestag und Bundesrat reichen jeweils die einfachen Mehrheiten der abgegebenen Stimmen (statt wie üblich absolute Mehrheiten) aus. Zustimmungspflichten des Bundesrates bleiben aber bestehen.
Kann das reguläre Parlament gar nicht mehr zusammentreten, übernimmt der Gemeinsame Ausschuss als Notparlament, zusammengesetzt aus zwei Dritteln Bundestags- und einem Drittel Bundesratsmitgliedern, die Aufgabe von Bundestag und Bundesrat. Seine Befugnisse und Grenzen regelt Art. 115e GG. Insbesondere darf er das Grundgesetz weder ändern noch außer Kraft setzen.
Parallel dazu erhält die Bundesregierung weitergehende Exekutivbefugnisse. Nach Art. 115f GG kann sie etwa den Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei) im gesamten Bundesgebiet einsetzen und Landesbehörden Weisungen erteilen, soweit es die Lage verlangt.
cc) Geltungsbereich, Art. 115k GG
Alle auf Grundlage der Art. 115c, 115e oder 115g GG erlassenen Gesetze und Rechtsverordnungen gelten nur übergangsweise: Art. 115k GG bestimmt, dass sie spätestens sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungs- oder Spannungsfalls automatisch außer Kraft treten, sofern Bundestag und Bundesrat sie nicht vorher ausdrücklich bestätigen.
d) Mitwirkung an völkerrechtlichen Verträgen (Art. 32 GG)
Nach Art. 32 I GG ist die Pflege der auswärtigen Beziehungen grundsätzlich Aufgabe des Bundes. Allerdings sieht Art. 32 III GG vor, dass die Länder ermächtigt sind, Verträge mit auswärtigen Staaten zu schließen, soweit sie Gesetzgebungskompetenz besitzen. In der Praxis erfolgt dies etwa bei internationalen Hochschulpartnerschaften oder Regionalabkommen mit benachbarten Staaten.
Die Kompetenz zum Vertragsschluss der Länder ist damit an ihre materielle Gesetzgebungskompetenz gekoppelt und bedarf regelmäßig der Zustimmung der Bundesregierung.