I. Einführung
1. Definition (§ 421 BGB)
Eine Gesamtschuld liegt vor, wenn mehrere Schuldner eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist, der Gläubiger sie aber insgesamt nur einmal fordern kann.
2. Gesetzliche und vertragliche Gesamtschuldner
Eine Gesamtschuld kann sowohl vertraglich als auch gesetzlich entstehen.
Zunächst können sich mehrere Parteien vertraglich als Gesamtschuldner verpflichten. Haben die Parteien vertraglich keine Regelungen getroffen, ergeben sich die Rechtsfolgen aus §§ 421, 422 BGB. Ob eine Gesamtschuld i.S.v. § 421 BGB vereinbart ist, muss ggf. durch Auslegung ermittelt und von sonstigen Schuldnermehrheiten abgegrenzt werden.
Eine Gesamtschuld i.S.v. § 421 BGB liegt außerdem vor, wenn die anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich eine Gesamtschuldnerschaft vorsehen.
Merke
Ausdrücklich sieht das Gesetz eine gesamtschuldnerische Haftung insbesondere hier vor:
§ 769 BGB (Mitbürgen haften als Gesamtschuldner)
§ 830 BGB (Mittäter haften als Gesamtschuldner)
§ 840 BGB (Nebentäter haften als Gesamtschuldner)
§ 1357 I BGB (Ehegatten haften als Gesamtschuldner, wenn ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs vorliegt)
§ 126 HGB (Gesellschafter einer OHG haften als Gesamtschuldner)
Letztlich kann eine Gesamtschuld nach allgemeiner Ansicht auch dann entstehen, wenn die Voraussetzungen des § 421 BGB erfüllt sind, obwohl keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Entstehung einer Gesamtschuld vorhanden ist.
Folgende Voraussetzungen müssen dafür vorliegen:

Während sich die ersten vier Voraussetzungen einfach aus dem Wortlaut des § 421 BGB herleiten lassen, ist die Voraussetzung der „Gleichstufigkeit der Verbindlichkeiten“ ein ungeschriebenes Merkmal. Dieses wird von der ganz herrschenden Meinung mittlerweile anerkannt. Gleichstufigkeit bedeutet, dass die Schuldner nebeneinander für die Schuld einstehen und nicht hintereinander. An der Gleichstufigkeit fehlt es insbesondere bei der Bürgschaft, da der Bürge nur subsidiär nach dem Hauptschuldner haftet, vgl. § 771 BGB. Ebenfalls haftet ein Gesellschafter nur subsidiär nach der Gesellschaft, sodass auch hier keine Gesamtschuld vorliegt.
3. Sonstige Schuldnermehrheiten
Die Gesamtschuld ist die häufigste und damit wichtigste Form der Schuldnermehrheit. Daneben kennt das Gesetz noch die Teilschuldnerschaft (§ 420 BGB) sowie die Schuldnergemeinschaft, in Form der Gesamthandsgemeinschaften wie zum Beispiel bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB), der Gütergemeinschaft (§ 1415 BGB) oder der Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB).
Bei der Teilschuldnerschaft schulden mehrere Schuldner eine Leistung jeweils nur zu einem Teil. Sie können ihre jeweilige Schuld befreiend tilgen.
Eine Schuldnergemeinschaft dagegen liegt vor, wenn sich eine Forderung gegen mehrere Personen gemeinsam richtet, die Leistung also nur von allen gemeinsam erbracht werden kann.
II. Außenverhältnis (§§ 421 - 425 BGB)
Das Verhältnis der Gesamtschuldner zum Gläubiger richtet sich nach den §§ 421 - 425 BGB. Im Grundsatz gilt, dass die jeweiligen Forderungen selbstständig sind. Die Gesamtschuld führt lediglich dazu, dass eine Tilgungsgemeinschaft zwischen den Gesamtschuldnern entsteht. Im Verhältnis zum Gläubiger können sich die Forderungen also unterschiedlich entwickeln.
1. Grundregel (§ 425 BGB)
Nach der Grundregel des § 425 BGB tritt eine Gesamtwirkung daher nur in den Fällen des §§ 422 - 424 BGB ein. In allen anderen Fällen tritt eine Einzelwirkung in der Form ein, dass sie die Beziehung der Mitschuldner zum Gläubiger unbeeinflusst lässt. Andere als in den §§ 422 - 424 BGB bezeichnete Tatsachen gelten insoweit nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten.
§ 425 II BGB zählt beispielhaft - also nicht abschließend - diese Fälle auf, so die Kündigung, den Schuldnerverzug oder die Verjährung.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir § 425 BGB neben den § 421 BGB kommentieren, um an die Differenzierung zwischen Gesamt- und Einzelwirkung zu denken.
2. Befriedigung des Gläubigers (§ 422 BGB)
Die Erfüllung, also Erbringung der Leistung, durch einen Gesamtschuldner wirkt nach § 422 S. 1 BGB ausdrücklich für und gegen die übrigen Schuldner. Das bedeutet, dass auch die anderen Gesamtschuldner dem Gläubiger gegenüber frei werden. Es tritt also eine Gesamtwirkung ein. Es bedeutet aber nicht, dass die Forderung erlischt. Nach § 426 II BGB geht die Forderung nämlich durch Legalzession auf den zahlenden Gesamtschuldner über, soweit er ausgleichsberechtigt ist.
Merke
Die Forderung erlischt also nicht dadurch, dass sie übergeht. Umgekehrt kann sie aber auch nur übergehen, wenn sie nicht vorher schon aus anderen Gründen erloschen ist.
Das Gleiche gilt nach § 422 S. 2 BGB auch von der Leistung an Erfüllungs statt, der Hinterlegung und der Aufrechnung.
3. Erlass (§ 423 BGB)
Beim Erlassvertrag ist es regelmäßig eine Frage der Auslegung, ob der zwischen dem Gläubiger und Gesamtschuldner geschlossene Erlassvertrag auch für die übrigen Gesamtschuldner wirkt.
Ergibt die Auslegung, dass die Parteien des Erlassvertrages das ganze Schuldverhältnis aufheben wollen, wirkt der Erlassvertrag der vertragschließenden Parteien auch für die übrigen Schuldner (Gesamtwirkung), vgl. § 423 BGB. Das ist beispielsweise im Rahmen des Abschluss eines Vergleiches denkbar. Über § 423 BGB wird sodann ausnahmsweise eine zulässige Verfügung zugunsten Dritter ermöglicht.
Sofern Zweifel an der Auslegung bestehen, ist nach Ansicht der Rechtsprechung von einer Einzelwirkung auszugehen, da für eine Gesamtwirkung besondere Anhaltspunkte vorliegen müssten. In diesem Fall kann der Gläubiger die übrigen Gesamtschuldner weiterhin in Anspruch nehmen. Lediglich der vertragschließende Gesamtschuldner wird durch den Erlassvertrag von der Schuld befreit.
4. Gläubigerverzug (§ 424 BGB)
Nach § 424 BGB wirkt der Verzug des Gläubigers (§§ 293 ff. BGB - mehr dazu findest du hier) gegenüber einem Gesamtschuldner auch für die übrigen Schuldner. Hätte nämlich der Gläubiger die Leistung ordnungsgemäß angenommen, so wären die anderen Schuldner nach § 422 BGB zugleich frei geworden.
III. Innenverhältnis (§ 426 BGB)
1. Ursprüngliche Pflichten (§ 426 I 1 BGB)
Mit Begründung der Gesamtschuld entsteht ein sogenannter Mitwirkungsanspruch. Danach sind alle Gesamtschuldner vor der Leistung an den Gläubiger gegenüber allen anderen Gesamtschuldnern verpflichtet, an der Befriedigung des Gläubigers gemäß ihres im Innenverhältnis bestehenden Anteils mitzuwirken.
Sofern ein Gesamtschuldner bei Inanspruchnahme durch den Gläubiger über seinen Anteil hinaus zahlt, kann er sodann nach § 426 I 1 BGB von den anderen Gesamtschuldnern Ausgleich verlangen. Der Mitwirkungsanspruch wandelt sich in einen Regressanspruch um.
Merke
§ 426 I 1 BGB enthält neben einem Mitwirkungsanspruch auch einen Regressanspruch der Gesamtschuldner.
Die Gesamtschuldner sind dabei im Verhältnis zueinander grundsätzlich zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nichts anderes vereinbart ist, vgl. § 426 I 1 BGB. So hängt beispielsweise bei der Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge die Verpflichtung der Fahrzeughalter im Verhältnis zueinander von den jeweiligen Verursachungsbeiträgen ab, vgl. § 17 I StVG.
Merke
Grundsätzlich haften die Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen. Ausnahmsweise können sich unterschiedliche Haftungsbeiträge ergeben.
2. Situation nach Befriedigung des Gläubigers
Mit der Befriedigung des Gläubigers erlischt seine Forderung gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht gemäß § 362 I BGB, sondern sie geht auf den leistenden Gesamtschuldner über, sofern er von den übrigen Schuldnern Ausgleich verlangen kann. Das ordnet § 426 II 1 BGB an. Damit der leistende Gesamtschuldner Regress nehmen kann, wird die Forderung des Gläubigers im Wege der cessio legis also erhalten.
Aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs finden nach § 412 BGB allerdings die Vorschriften der §§ 399 bis 404, 406 bis 410 BGB entsprechende Anwendung. So gehen beispielsweise akzessorische Sicherungsrechte wie Hypotheken und Pfandrechte über (§ 401 BGB). Andererseits können dem leistenden Gesamtschuldner nach Maßgabe der §§ 404, 406 BGB aber auch Gegenrechte entgegengehalten werden.
Merke
Dem zahlenden Gesamtschuldner stehen zumindest zwei selbstständige Ansprüche gegen die übrigen Gesamtschuldner zu. Zum einen der Ausgleichsanspruch nach § 426 I 1 BGB. Zum anderen der übergegangene Anspruch des Gläubigers nach § 426 II BGB. Insoweit muss sich der Gesamtschuldner aber gegebenenfalls bestehende Gegenrechte entgegenhalten lassen. Zuvor sind noch Ansprüche aus Vertrag und aus § 670 BGB zu prüfen.

IV. Gestörte Gesamtschuld
Finde hier mehr zu der speziellen und prüfungsrelevanten Konstellation der gestörten Gesamtschuld.