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Gewillkürte Erbfolge

Gemeinschaftliches Testament, §§ 2265 ff. BGB

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Erbrecht

Thema

Gewillkürte Erbfolge

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öffentliches Testament
eigenhändiges Testament
Gemeinschaftliches Testament
Testament
Testierwille
wechselbezügliche Verfügungen
Berliner Testament
Einheitsprinzip
Trennungsprinzip
Schlusserbe
Widerruf
Auslegung
§ 10 LPartG
§ 1297 BGB
§ 133 BGB
§ 140 BGB
§ 157 BGB
§ 2084 BGB
§ 2075 BGB
§ 2100 BGB
§ 2096 BGB
§ 2102 BGB
§ 2113 BGB
§ 2229 BGB
§ 2232 BGB
§ 2247 BGB
§ 2265 BGB
§ 2267 BGB
§ 2270 BGB
§ 2271 BGB
§ 2294 BGB
§ 2296 BGB
§ 2301 BGB
§ 2303 BGB
§ 2333 BGB
Gliederung
  • I. Einleitung 

  • II. Voraussetzungen eines wirksamen gemeinschaftlichen Testaments, § 2265 ff. BGB

    • 1. Wirksame Errichtung 

      • a) Bestehen einer wirksamen Ehe, § 1353 BGB

      • b) Testierfähigkeit und Testierwille, § 2229 BGB

      • c) Form, §§ 2232, 2247 BGB

    • 2. Inhalt des Testaments

      • a) Wechselbezügliche Verfügungen, § 2270 ff. BGB

      • b) Einseitige Verfügungen

      • c) Auslegung

        • aa) Auslegung zur Bestimmung der Art der Verfügung

        • bb) Auslegung gemeinschaftlicher Verfügungen

          • aaa) Trennungsprinzip

          • bbb) Einheitsprinzip

          • ccc) Auslegung

    • 3. Keine nachträgliche Beseitigung 

      • a) Widerruf einseitiger Verfügungen

      • b) Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen

        • aa) Ausschlagung der Erbschaft, § 2271 II 1 BGB

        • bb) Schwere Verfehlung des Bedachten (§ 2271 II 2 BGB) 

        • cc) Änderungsvorbehalt

  • III. Sonderform: Berliner Testament

I. Einleitung 

Das gemeinschaftliche Testament ermöglicht es Ehegatten (sowie nach § 10 IV 1 LPartG auch eingetragenen Lebenspartnern), ihren letzten Willen in einer gemeinsamen Urkunde festzulegen. Damit unterscheidet es sich grundsätzlich vom Einzeltestament, bei dem jeder Ehegatte seine Verfügungen von Todes wegen allein trifft. Rechtsgrundlage sind §§ 2265 ff. BGB.


Ein wesentliches Merkmal des gemeinschaftlichen Testaments ist, dass jeder Ehegatte zwar gesondert testiert, die beiden letztwilligen Verfügungen aber inhaltlich miteinander verbunden sind. Dadurch können sich verschiedene Besonderheiten ergeben, insbesondere wenn „wechselbezügliche Verfügungen” vorliegen, bei denen jede Verfügung an die andere gekoppelt ist (§ 2270 BGB). In solchen Fällen besitzt das Testament für beide Ehegatten eine besondere bindende Wirkung, die sich nicht mehr einseitig widerrufen lässt, sobald einer der Ehegatten verstorben ist.


Da das gemeinschaftliche Testament nur Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern offensteht, ist es für nichteheliche Lebensgemeinschaften grundsätzlich ausgeschlossen, womit ein gemeinschaftliches Testament solcher Partner nichtig wäre. In der Praxis ist das sogenannte „Berliner Testament“ die am häufigsten gewählte Form: Hier setzen sich die Ehegatten wechselseitig zu Alleinerben ein und bestimmen zugleich einen Dritten (meist die gemeinsamen Kinder) zum Schlusserben des Letztversterbenden.

II. Voraussetzungen eines wirksamen gemeinschaftlichen Testaments, § 2265 ff. BGB

Die Prüfung des Vorliegens eines wirksamen gemeinschaftlichen Testaments unterscheidet sich (abgesehen von dem Erfordernis des Vorliegens einer Ehe) kaum von der eines Einzeltestaments.   

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1. Wirksame Errichtung 

Zunächst muss das Testament wirksam errichtet werden

a) Bestehen einer wirksamen Ehe, § 1353 BGB

Zwischen den gemeinschaftlich Testierenden muss eine wirksame Ehe im Sinne des § 1353 BGB bestehen. 

Wenn keine wirksame Ehe besteht, ist unter gewissen Umständen noch eine Umdeutung des nichtigen gemeinschaftlichen Testaments nach § 140 BGB möglich. Nach § 140 BGB kann ein nichtiges Rechtsgeschäft in ein wirksames umgedeutet werden, wenn anzunehmen ist, dass es dem mutmaßlichen Willen der Parteien entspricht, einen rechtlich zulässigen Weg zu wählen. Wenn dies der Fall ist, wäre eine Umdeutung in zwei Einzeltestamente möglich.

Gesetzesverweis

Sofern in deinem Bundesland erlaubt ist, zitiere dir den § 10 IV 1 LPartG an den § 1353 BGB, um dich an die Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern zu Ehegatten in diesen Fällen zu erinnern.

Merke

Analoge Anwendung bei Verlöbnis

Nach § 2265 BGB können gemeinschaftliche Testamente nur von Ehegatten errichtet werden. Auch eingetragene Lebenspartner haben in entsprechender Anwendung des Lebenspartnerschaftsgesetzes die Möglichkeit eines gemeinschaftlichen Testaments. Bei Verlobten hingegen fehlt es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, die ihnen diese Form der gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügung erlaubt. Es stellt sich daher die Frage, ob eine analoge Anwendung der Vorschriften über das gemeinschaftliche Testament bei Verlobten möglich sein kann.

  • e.A.: Analoge Anwendung auf Verlobte möglich

Nach einer Ansicht soll eine analoge Anwendung bei Verlobten möglich sein. Demnach könnte bei ernsthaftem gemeinsamem Lebensplan und gegenseitigem Bindungswillen auch ein gemeinschaftliches Testament von Verlobten wirksam sein. Begründet wird dies damit, dass die enge persönliche Bindung und der gemeinsame Lebensplan auch bei Verlobten vorhanden sein könne. Damit könne der Zweck des gemeinschaftlichen Testaments, eine einheitliche Nachlassregelung für die gemeinsame Lebensplanung, auch auf Verlobte zutreffen. Daneben könnte der Ausschluss der Verlobten eine planwidrige Regelungslücke darstellen, da die rechtlichen und sozialen Realitäten sich gewandelt haben. Kritisiert wird an dieser Auffassung, dass sie die gesetzgeberische Wertung zugunsten formalisierter und rechtlich abgesicherter Partnerschaften missachte.

  • h.M.: Keine analoge Anwendung bei Verlobten

Nach der herrschenden Meinung soll eine analoge Anwendung bei Verlobten nicht möglich sein. Das gemeinschaftliche Testament beruhe auf einer besonderen rechtlichen Bindung mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten (§ 1353 BGB), wie sie nur in der Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft besteht. Bei Verlobten fehlt es an dieser rechtlichen Bindung, da das Verlöbnis ein bloßes familienrechtliches Vorstadium (§ 1297 I BGB) ist. Damit habe der Gesetzgeber bewusst nur Ehegatten und später Lebenspartner erfasst, sodass gerade keine planwidrige Lücke vorliege.

b) Testierfähigkeit und Testierwille, § 2229 BGB

Bei der Testierfähigkeit und dem Testierwillen bestehen keine Unterschiede zum Einzeltestament, außer dass die Voraussetzungen bei beiden Testierenden vorliegen müssen.

c) Form, §§ 2232, 2247 BGB

Die Formvorschriften des gemeinschaftlichen Testaments sind zunächst grundsätzlich die gleichen wie beim Einzeltestament, also § 2247 BGB für das eigenhändige und § 2232 BGB für das öffentliche Testament. Dies ergibt sich auch aus dem Verweis auf § 2247 BGB in § 2267 S. 1 BGB.


§ 2267 BGB enthält aber diesbezüglich eine ergänzende Regelung. Gemäß § 2267 S. 1 BGB reicht es aus, dass ein Ehegatte das Testament in der nach § 2247 BGB vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet. Nach § 2267 S. 2 BGB soll dabei der mitunterzeichnende Ehegatte angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Orte er seine Unterschrift beigefügt hat.

2. Inhalt des Testaments

Inhalt eines gemeinschaftlichen Testaments können einseitige Verfügungen und wechselseitige Verfügungen. 

a) Wechselbezügliche Verfügungen, § 2270 ff. BGB

Die inhaltliche Besonderheit des gemeinschaftlichen Testaments gegenüber dem Einzeltestament ist die Vereinbarung von wechselseitigen Verfügungen von Todes wegen.
Diese sind in § 2270 BGB geregelt.

Definition

Wechselseitige Verfügungen liegen vor, wenn testamentarische Verfügungen eines Ehegatten vorliegen, welche ohne Verfügung des anderen Ehegatten nicht getroffen worden wären.

Gemäß § 2270 II 1 BGB wird dies im Zweifel angenommen, wenn sich die Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzen. Das Gleiche gilt nach § 2270 II 2 BGB, wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

Liegen wechselbezügliche Verfügungen vor, tritt die Bindungswirkung des § 2271 I 2 BGB ein. Die getroffenen Verfügungen können nicht einseitig zu Lebzeiten durch eine neue Verfügung von Todes wegen aufgehoben werden. Nach § 2271 I 1 BGB ist ein Widerruf nur nach den Regelungen über den Rücktritt vom Erbvertrag (§ 2296 BGB) möglich, also durch notarielle Erklärung gegenüber dem Ehegatten. Somit ist nach dem Tod eines Ehegatten ein Abändern der Verfügungen nicht mehr möglich (§ 2271 II 1 BGB).

Problem

Widerruf vor Tod und Weisung an Notar, dies erst später mitzuteilen

Ein Klausurklassiker in diesem Kontext ist der Fall, in dem ein Ehegatte seine Verfügungen widerruft und den Notar anweist, den anderen Ehegatten erst nach dem eigenen Tod darüber zu informieren. Wie gesehen kann der Widerruf nach § 2271 I 1 BGB i.V.m. § 2296 BGB nur wirksam werden, wenn er dem anderen Ehegatten zugeht. Die Wirksamkeit des Widerrufs wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass der Widerruf dem anderen Ehegatten erst nach dem Tod des Widerrufenden zugeht, § 130 II BGB. Dafür ist jedoch erforderlich, dass sich die Widerrufserklärung im Zeitpunkt des Todes des Erklärenden bereits auf dem Weg zu dem Adressaten befunden hat. Im Zeitpunkt des Zugangs des Widerrufs muss der Adressat noch leben. Aufgrund der Weisung an den Notar tritt aber ein Element dazwischen. Ohne die Weisung wäre der Widerruf nach § 130 II BGB wirksam geworden. 

Aufgrund der Bindungswirkung werden die §§ 2286 ff. BGB analog angewendet. Somit können lebende Ehegatten frei über ihr Erbe verfügen, bis zur Grenze der beeinträchtigenden Schenkungen (§§ 2287, 818 ff. BGB analog). Der Bedachte trägt dabei das Entreicherungsrisiko des § 818 III BGB.

Klausurtipp

In der Klausur ist jede getroffene Verfügung einzeln auf ihre Wechselbezüglichkeit zu überprüfen!

b) Einseitige Verfügungen

Neben wechselbezüglichen Verfügungen können Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner im gemeinschaftlichen Testament auch einseitige Verfügungen treffen. Dabei handelt es sich um solche Anordnungen, die nicht in Abhängigkeit von einer Verfügung des anderen Ehegatten getroffen wurden und daher keiner gegenseitigen Bindung unterliegen.
Einseitige Verfügungen können beispielsweise die Zuwendung eines Vermächtnisses an Dritte oder eine Teilungsanordnung betreffen, wenn erkennbar ist, dass diese unabhängig vom Willen des Partners getroffen wurden. Sie unterliegen nicht der Bindungswirkung des § 2271 BGB und können daher vom überlebenden Ehegatten auch nach dem Tod des Erstversterbenden frei widerrufen oder abgeändert werden.

c) Auslegung

aa) Auslegung zur Bestimmung der Art der Verfügung

Ob eine Verfügung einseitig oder wechselbezüglich ist, bestimmt sich im Wege der Auslegung (§§ 133, 2084 BGB). Ist die Abhängigkeit der Verfügungen voneinander nicht eindeutig, kann, wie gesehen, eine gesetzliche Vermutung für Wechselbezüglichkeit greifen (§ 2270 II BGB), etwa bei der gegenseitigen Erbeinsetzung und der gemeinsamen Bestimmung eines Schlusserben.

Merke

Die Auslegung richtet sich hier wie beim Einzeltestament nur nach §§ 133, 2084 BGB und nicht nach § 157 BGB. Grund dafür ist, dass § 157 BGB die Auslegung von Verträgen nach Treu und Glauben, also zweiseitigen Rechtsgeschäften, betrifft. Ein gemeinschaftliches Testament ist kein Vertrag, sondern eine gemeinsame einseitige Verfügung von Todes wegen (§ 2265 BGB). Es wird also nicht wie ein Vertrag behandelt, auch wenn es zwei Personen betrifft

bb) Auslegung gemeinschaftlicher Verfügungen

Weiterhin stellt sich die Frage, wie die gemeinschaftlichen Verfügungen der Ehegatten zu verstehen sind. Dabei unterscheidet man zwei Auslegungsmodelle: das Einheitsprinzip und das Trennungsprinzip.

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aaa) Trennungsprinzip

Nach dem Trennungsprinzip wird davon ausgegangen, dass das Vermögen der Ehegatten jeweils einzeln übergeht. Beim Tod des Erstversterbenden wird dessen Nachlass an den überlebenden Ehegatten als Vorerben vererbt. Stirbt auch der überlebende Ehegatte, fällt dessen Nachlass gesondert an die von ihm eingesetzten Erben, die Nacherben (§ 2100 BGB).

Merke

Gemäß § 2100 BGB kann der Erblasser einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe wird (Nacherbe), nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist (der Vorerbe).


Für den Fall, dass der andere Ehepartner vor oder gleichzeitig mit dem Verfügenden stirbt, setzt jeder den/die Dritten zu Ersatzerben (§§ 2096, 2102 I BGB) ein.
Somit erbt der überlebende Ehegatten mit dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten als Vorerbe. Die beiden Vermögenssphären bleiben getrennt: Der überlebende Ehegatte darf nämlich über das Vermögen des Verstorbenen nur in den Grenzen der Vorerbschaft verfügen (§§ 2113 ff. BGB).

Beim Tod des längstlebenden Ehepartners ergibt sich folgende Abfolge: 

  • Der Nachlass des zuerst Verstorbenen fällt dem Dritten als Nacherben zu.

  • Der Nachlass des zuletzt Verstorbenen fällt dem Dritten als Vollerben zu.

Merke

Soweit Kinder als Nacherben eingesetzt werden, sind sie nicht enterbt.

bbb) Einheitsprinzip

Nach dem Einheitsprinzip “verschmelzen” die Erbmassen der Ehegatten im Erbfall zu einer Einheit. Die Ehegatten treffen dabei eigene, aber übereinstimmende Verfügungen. Der überlebende Ehegatte wird Vollerbe des jeweils anderen Ehegatten. Eine Schlusserbeneinsetzung kann, muss aber nicht zwingend vorgesehen sein.

Merke

Durch die Einsetzung des anderen Ehegatten als Vollerben werden die Kinder enterbt, bzw. von der Erbfolge ausgeschlossen. Sie sind aber weiter nach den §§ 2303 BGB pflichtteilsberechtigt.


Für den Fall, dass der andere Ehepartner vor oder gleichzeitig mit dem Verfügenden stirbt, setzt jeder den/die Dritten zu Ersatzerben (§ 2096 BGB) ein.

ccc) Auslegung

§ 2269 I BGB enthält insoweit eine gesetzliche Auslegungsregel: Im Zweifel setzen sich Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und einen Dritten zum Schlusserben ein. Diese gesetzliche Vermutung entspricht typischerweise dem Einheitsprinzip. Eine verbreitete Ausprägung dieses Prinzips ist das sogenannte Berliner Testament, bei dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und gemeinsame Kinder zu Schlusserben einsetzen (dazu später mehr).
Für die Beantwortung der Frage, ob der Überlebende Vollerbe und der Dritte Schlusserbe (Berliner Testament) sein soll oder der Überlebende nur Vorerbe und der Dritte Nacherbe sein soll, kann folgende Testfrage gestellt werden: Sollen nach dem Willen beider Ehegatten der Nachlass und das Vermögen des Überlebenden „verschmelzen“?
Falls dies der Fall ist, wird der Überlebende Vollerbe.

3. Keine nachträgliche Beseitigung 

a) Widerruf einseitiger Verfügungen

Wie gesehen, unterliegen einseitige Verfügungen den Widerrufserklärungen des Einzeltestaments (§§ 2253 ff. BGB).

b) Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen

Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen ist nach §§ 2271 I 1, 2296 BGB möglich.

Mit dem Tod eines Ehegatten wird die wechselbezügliche Verfügung für den überlebenden Ehegatten bindend. Ein einseitiger Widerruf ist dann nicht mehr möglich (§ 2271 II 1 BGB).


Es gibt hier aber einige Ausnahmen:

aa) Ausschlagung der Erbschaft, § 2271 II 1 BGB

Der überlebende Ehegatte kann sich durch Ausschlagung der Erbschaft oder des Vermächtnisses von der Bindungswirkung befreien. Dadurch kann er auch seine eigene wechselbezügliche Verfügung wirksam widerrufen, was zur Unwirksamkeit der korrespondierenden Verfügung des Erstverstorbenen führt (§ 2270 I BGB)

Nach der Rechtsprechung führt die Ausschlagung regelmäßig zur gesetzlichen Erbfolge – eine Ersatzerbeneinsetzung kann nicht ohne Weiteres angenommen werden.

bb) Schwere Verfehlung des Bedachten (§ 2271 II 2 BGB) 

Bei schwerem Fehlverhalten eines Bedachten (z. B. eines Kindes), das einen Pflichtteilsentzug nach § 2333 BGB oder einen Rücktritt vom Vermächtnis nach § 2294 BGB rechtfertigen würde, kann der überlebende Ehegatte seine Verfügung dennoch widerrufen.

cc) Änderungsvorbehalt

Ehegatten können in ihrem gemeinschaftlichen Testament ausdrücklich vereinbaren, dass eine Bindung nicht oder nur eingeschränkt gelten soll (z. B. Widerrufsrecht vorbehalten).

III. Sonderform: Berliner Testament

Das sogenannte Berliner Testament ist die in der Praxis am häufigsten gewählte Form des gemeinschaftlichen Testaments. Es bezeichnet die Konstellation, in der Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und gemeinsame Kinder (oder andere Dritte) erst für den Fall des Letztversterbenden als Schlusserben bestimmen.


Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 2269 I BGB, wonach im Zweifel anzunehmen ist, dass genau diese Erbfolge gewollt ist (Einheitsprinzip). Die Verfügungen (gegenseitige Erbeinsetzung und Bestimmung eines Schlusserben) stehen typischerweise in einem engen inhaltlichen Zusammenhang und gelten daher regelmäßig als wechselbezüglich (§ 2270 BGB). Das führt dazu, dass sie nach dem Tod des Erstversterbenden bindend sind und vom Überlebenden nicht mehr einseitig widerrufen werden können (§ 2271 BGB).


Ziel des Berliner Testaments ist in der Regel die gegenseitige Absicherung der Ehegatten zu Lebzeiten sowie die einheitliche Regelung des Nachlasses für den Fall des Letztversterbenden. Allerdings kann es erbschaftsteuerlich nachteilig sein, da die Kinder als Schlusserben beim Tod des Erstversterbenden nicht unmittelbar erben und dadurch ihr Freibetrag ungenutzt bleibt.

Merke

Wiederverheiratungsklauseln

Wiederverheiratungsklauseln sind Regelungen im Berliner Testament, die festlegen, welche erbrechtlichen Konsequenzen eintreten sollen, wenn sich der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erstversterbenden erneut verheiratet. Sie begegnen in der Praxis regelmäßig dem Wunsch, den Nachlass dauerhaft in der Familie zu halten und einen Übergang des Vermögens auf neue Ehepartner zu verhindern.
Zum Beispiel: „Falls sich der überlebende Ehegatte wieder verheiratet, soll die Schlusserbeneinsetzung der Kinder sofort wirksam werden.“

Wiederverheiratungsklauseln sind grundsätzlich zulässig, unterliegen jedoch der Auslegung und Inhaltskontrolle, insbesondere wenn sie den überlebenden Ehegatten zu stark einschränken.
Sie können als auflösende Bedingung für die Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten (§ 2075 BGB) oder als auflösende Bedingung der Schlusserbeneinsetzung ausgestaltet sein.
Die Rechtsprechung, insbesondere der BGH, verlangt eine differenzierte Auslegung solcher Klauseln (§§ 133, 2084 BGB): Ziel der Klausel ist meist der Vermögensschutz innerhalb der Familie und nicht die Bestrafung des überlebenden Ehegatten. Bei unklaren oder mehrdeutigen Klauseln wird häufig angenommen, dass die Alleinerbenstellung des überlebenden Ehegatten bis zur Wiederverheiratung gelten soll, danach aber eine Auseinandersetzung mit den Kindern erfolgen muss (z. B. durch Vermächtnis oder Erbteil).

Eine Wiederverheiratungsklausel kann nicht wirksam dahingehend verstanden werden, dass sie den überlebenden Ehegatten zu einem lebenslangen Verzicht auf Eheschließung verpflichtet.

Wie gesehen, führt ein Berliner Testament (Einheitsprinzip) zwar zum Ausschluss der Abkömmlinge von der Erbfolge durch Einsetzung des anderen Ehegatten als Vollerben, es bleibt aber beim Pflichtteilsanspruch des Schlusserben (§ 2301 I 1 BGB) im Zeitpunkt des Todes des erstversterbenden Ehegatten.

Dies ist der Grund dafür, dass teilweise sogenannte “Sanktionsklauseln” in das Testament aufgenommen werden.

Beispiel

„Wer den Pflichtteil verlangt, erhält beim Tod des Letztversterbenden ebenfalls nur den Pflichtteil.“

Derartige Klauseln sollen die Einheit des Ehegattenvermögens bis zum Tod des Letztversterbenden gewährleisten, indem durch sie verhindert werden soll, dass die Kinder ihren Pflichtteilsanspruch bereits nach dem erstversterbenden Ehegatten geltend machen.

Zur Begründung dafür, dass Kinder beim Tod des zuerst versterbenden Ehegatten noch nicht am Nachlass beteiligt werden sollen, wird häufig, neben finanziellen Nachteilen, auch angeführt, dass es im Ernstfall notwendig sein könnte, Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen zu verkaufen, um die Erbanteile der Kinder auszahlen zu können. In der Praxis ist weitgehend unstreitig, dass diese Klauseln grundsätzlich zulässig sind. Die rechtliche Grundlage für die Verknüpfung einer testamentarischen Verfügung mit dem Eintritt einer bestimmten Bedingung ergibt sich aus den §§ 2074 i.V.m. § 158  BGB. Allerdings besteht das Risiko, dass zu unbestimmte oder übermäßig weit gefasste Klauseln unwirksam sein können.

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