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Grundlagen

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Teilgebiet

Verwaltungsprozessrecht

Thema

Grundlagen

Tags

Verwaltungsrechtsweg
§ 40 VwGO
§ 173 VwGO
§ 17a GVG
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Die Prüfung

    • 1. Aufdrängende Sonderzuweisung

    • 2. Generalklausel, § 40 I S. 1 VwGO

      • a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

        • aa) Modifizierte Subjektstheorie

        • bb) Weitere Theorien

          • aaa) Die formelle Theorie

          • bbb) Die Zwei-Stufen-Theorie

          • ccc) Der actus contrarius Gedanke

          • ddd) Sach- oder Funktionszusammenhang mit einer öffentlich oder zivilrechtlichen Materie

          • eee) Zusammenfassung

      • b) Nicht verfassungsrechtlicher Art

    • 3. Abdrängende Sonderzuweisung 

  • III. Ergebnis

I. Einleitung

Zunächst müsste bei der Prüfung einer Klage oder eines Antrags vor dem Verwaltungsgericht innerhalb der Zulässigkeit überhaupt der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Das bedeutet, dass die Verwaltungsgerichte, welche zur speziellen Gerichtsbarkeit zählen, durch Zuweisung für die Klage zuständig sein müssen. Das kann über mehrere Wege der Fall sein, die nacheinander geprüft werden.

Teilweise wird die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern als eigener Prüfungspunkt vor Zulässigkeit und Begründetheit auf gleicher Ebene geprüft. Der Grund für den unterschiedlichen Aufbau ist, dass bei Nichteröffnung des Verwaltungsrechtswegs die Klage nicht als unzulässig verworfen wird, sondern von Amts wegen an das zuständige Gericht verwiesen wird. Dies ergibt sich aus § 17a II S. 1 GVG i.V.m. § 173 S. 1 VwGO.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir beide Normen an den § 40 I S. 1 VwGO zitieren.

Die Klage ist damit zwar nicht im Kontext der gesamten Gerichtsbarkeit unzulässig, aber sie ist unzulässig vor dem Verwaltungsgericht, weshalb sie in diesem Kontext als Zulässigkeitsvoraussetzung klassifiziert wird.

Merke

Das Hauptaugenmerk liegt in fast allen Fällen auf der Prüfung der Generalklausel des § 40 I S. 1 VwGO. Wenn keine instanzlichen Sonderzuweisungen zu einer bestimmten Gerichtsbarkeit ersichtlich sind, kann dies hier im verkürzten Gutachtenstil zügig festgestellt werden. Eine nicht gebotene, zu ausführliche Prüfung solcher Punkte kann dann sogar im Gegenteil sehr negativ gewertet werden.

II. Die Prüfung

1. Aufdrängende Sonderzuweisung

Im Rahmen der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist als Erstes zu untersuchen, ob  eine aufdrängende Sonderzuweisung einschlägig sein könnte. Wenn dies der Fall ist, richtet sich die gerichtliche Zuständigkeit nach der Sonderzuweisung und eine Prüfung anhand der Generalklausel entfällt. 

Definition

Eine aufdrängende Sonderzuweisung liegt vor, wenn eine Streitigkeit unabhängig von ihrer Rechtsnatur durch eine gesetzliche Regelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugewiesen wird und damit dieser unterliegt.

Beispiel

Beamtenrecht, § 126 BBG oder § 54 I BeamtStG

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir ausgewählte Sonderzuweisungen an den § 40 I S. 1 VwGO zitieren, um dich an die Existenz von Sonderzuweisungen zu erinnern und dich auf die richtige Fährte zu bringen.

2. Generalklausel, § 40 I S. 1 VwGO

Falls keine aufdrängende Sonderzuweisung besteht, richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach der Generalklausel des § 40 I S. 1 VwGO. Gemäß § 40 I S. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art eröffnet.

Dies können wir in zwei Voraussetzungen unterteilen: 

  1. Das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit 

  2. Rechtsnatur nicht verfassungsrechtlicher Art.

a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt vor, wenn sich der Streitgegenstand der Klage als unmittelbare Folge öffentlichen Rechts darstellt. Um dies zu beurteilen, musst du den Streitgegenstand genau bestimmen. Der Streitgegenstand richtet sich nach dem klägerischen Begehren, § 88 VwGO.

Beispiel

Vorliegend ist der Streitgegenstand die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahme des Polizisten P gegenüber X. 

Wenn sich hier eine eindeutige Zuordnung zum öffentlichen Recht ergibt, kann auf weitergehende Ausführungen verzichtet werden.

Merke

Ein Handeln im Rahmen der Eingriffsverwaltung ist immer eindeutig öffentlich-rechtlich. Ein Handeln im Rahmen der Fiskalverwaltung immer eindeutig privatrechtlich. 

Wenn eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist, gehen wir einen Schritt weiter:

Der Streitgegenstand stellt sich insbesondere als unmittelbare Folge öffentlichen Rechts dar, wenn die streitentscheidenden Normen solche des öffentlichen Rechts sind. Hier musst du konkrete Normen suchen und benennen.

Beispiel

Die streitentscheidenden Normen sind solche des VersG, vor allem die §§ 14ff. VersG, nach welchen sich die Rechtmäßigkeit der Auflösung der Versammlung richtet. 

aa) Modifizierte Subjektstheorie

Ob eine Norm öffentlich-rechtlich ist, wird nach der modifizierten Subjektstheorie bestimmt.

Definition

Nach der modifizierten Subjektstheorie ist eine Norm öffentlich-rechtlich, wenn der Berechtigte oder Verpflichtete der Norm ausschließlich ein Träger öffentlicher Gewalt ist. 

Wenn an diesem Punkt der Prüfung keine streitentscheidende Norm ersichtlich ist oder eine Norm nach der modifizierten Subjektstheorie auch privatrechtlich angewendet werden kann, musst du weitere Abgrenzungskriterien heranziehen.

Merke

Zu einer Prüfung der nachfolgenden weiteren Theorien kommst du nur, wenn die bisherige Prüfung kein eindeutiges Ergebnis bezüglich der Zuordnung ergibt. Die verschiedenen Theorien stehen zwar nicht in einem Ausschließlichkeitsverhältnis, aus prüfungstaktischen Gründen wird aber in der Regel mit der modifizierten Subjektstheorie begonnen. Die Theorien betrachten dabei dieselbe Sache aus verschiedenen Blickwinkeln. Es gibt hier keine schematische Lösung, sondern du musst im Einzelfall überlegen, welche der Theorien dir bei der Beantwortung der Frage der Zuordnung weiterhelfen können. In unklaren Fällen ist es daher regelmäßig sinnvoll, verschiedene Theorien zu kombinieren. Letztendlich musst du immer nur so weit prüfen, bis du die Zuordnung (zu einem Rechtsgebiet) sicher beantworten kannst, aber nicht darüber hinaus. Es ist kein “Streitentscheid” notwendig!

bb) Weitere Theorien

Diese können sein:

aaa) Die formelle Theorie

Die formelle Theorie fragt danach, ob eine eindeutige Handlungsform des öffentlichen oder des Privatrechts vorliegt. 

Beispiel

Eine Gemeinde schließt mit einem Bürger einen Kaufvertrag über ein Grundstück. Dies stellt eindeutig ein privatrechtliches Handeln der Gemeinde dar. 

bbb) Die Zwei-Stufen-Theorie

Die Zwei-Stufen-Theorie nimmt zur Feststellung der Rechtsnatur eine Trennung des “Ob” und des “Wie” des Verwaltungshandelns bei solchen Tätigkeiten, die gemischt öffentlich-rechtlich-privatrechtlich erfolgen, vor. Das "Ob" der Zulassung ist immer öffentlich-rechtlich, wohingegen das "Wie" sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtlicher Natur sein kann.

Beispiel

  • Eine Gemeinde erlässt einen Ratsbeschluss, dass Grundstücke der Gemeinde nur verkauft werden dürfen, wenn sich der Bürger verpflichtet, eine Regenwassersammelanlage auf dem Grundstück zu installieren. Die Gemeinde schließt in der Folgezeit einen Kaufvertrag mit einem Bürger über ein Grundstück. Aufgrund des Ratsbeschlusses installiert der Bürger eine Regenwassersammelanlage. Hier stellt der Kaufvertrag ein privatrechtliches Handeln und der Ratsbeschluss ein öffentlich-rechtliches Handeln dar. Diese zwei Handlungsformen sind klar voneinander zu trennen. 

  • Benutzung öffentlicher Einrichtungen: Auf der ersten Stufe ist zu klären, ob überhaupt ein Anspruch auf Benutzung der Einrichtung besteht (öffentlich-rechtliches Grundverhältnis). Die zweite Stufe betrifft die konkrete Ausgestaltung und ist privatrechtlich, also unter anderem Öffnungszeiten und Benutzungsgebühr.

ccc) Der actus contrarius Gedanke

Eine Rechtshandlung, mit welcher eine frühere Rechtshandlung (actus primus) umgekehrt werden soll (actus contrarius), hat immer dieselbe Rechtsnatur wie die ursprüngliche Rechtshandlung. 

Beispiel

Ein Verwaltungsakt kann nur durch einen Verwaltungsakt aufgehoben werden. 

ddd) Sach- oder Funktionszusammenhang mit einer öffentlich oder zivilrechtlichen Materie
eee) Zusammenfassung

Klausurtipp

Eine detaillierte Prüfung dieser Theorien ist selten notwendig und nur angezeigt, wenn der Sachverhalt diesbezüglich Probleme aufwirft. 

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Merke

Wenn mehrere Rechtsgrundlagen in Betracht kommen, reicht es aus, wenn eine der Normen öffentlich-rechtlich ist, damit der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

b) Nicht verfassungsrechtlicher Art

Nachdem festgestellt wurde, dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, muss jetzt noch untersucht werden, ob diese auch nicht verfassungsrechtlicher Art ist.

Definition

Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist nicht verfassungsrechtlicher Art, wenn nicht Verfassungsorgane über Verfassungsrecht streiten (sogenannte doppelte Verfassungsunmittelbarkeit).


Dies wird in den seltensten Fällen problematisch sein und wenn, wirst du dies klar im Sachverhalt erkennen können.

3. Abdrängende Sonderzuweisung 

Als letzter Schritt der Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ist jetzt noch zu untersuchen, ob eine aufdrängende Sonderzuweisung vorliegen könnte. Eine abdrängende Sonderzuweisung schließt einen bestimmten Rechtsweg aus.

So kann z. B. ein eigentlich nach der Generalklausel der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugeordneter Sachverhalt durch eine abdrängende Sonderzuweisung einer anderen Gerichtsbarkeit zugeordnet werden.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir § 217 I S. 4 BauGB an den § 40 II S.1 VwGO zitieren, um dich zum einen daran zu erinnern, dass es sich bei § 40 II S.1 VwGO um eine abdrängende Sonderzuweisung handelt und zum anderen um ggf. auf  § 217 I S. 4 BauGB aufmerksam zu werden.

Merke

Eine aufdrängende Sonderzuweisung schreibt einen bestimmten Rechtsweg vor, eine abdrängende Sonderzuweisung schließt einen Rechtsweg aus.

III. Ergebnis

Wenn der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, geht es weiter mit der Prüfung der Zulässigkeit.

Merke

Wenn du zu dem Ergebnis kommst, dass der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist, wird die Klage nicht als unzulässig verworfen, sondern von Amts wegen an das zuständige Gericht verwiesen! Dies ergibt sich aus § 17a II S. 1 GVG i.V.m. § 173 S. 1 VwGO.

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