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Schuldrecht AT

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Erlöschen der Schuldverhältnisse

Erfüllung (Erlöschen durch Leistung - § 362 BGB)

Teilgebiet

Schuldrecht AT

Thema

Erlöschen der Schuldverhältnisse

Tags

Erfüllung
§ 362 BGB
§ 364 BGB
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Bewirken der Leistung

  • III. Empfangszuständigkeit

    • 1. Empfangszuständigkeit des Gläubigers

    • 2. Empfangszuständigkeit in Spezialfällen

  • IV. Tilgungsbestimmung 

  • V. Mehrere Verbindlichkeiten (§ 366 BGB)

  • VI. Zuwendungen Dritter

    • 1. Persönliche Leistungspflichten

    • 2. Fremdtilgungswille

  • VII. Leistung an Dritte (§ 362 II BGB)

  • VIII. Annahme an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB)

  • IX. Leistung erfüllungshalber

  • X. Inzahlunggabe von Gegenständen 

  • XI. Bargeldloser Zahlungsverkehr

I. Einleitung

Die Erfüllung stellt den Regelfall des Erlöschens eines Schuldverhältnisses dar. Siehe hierzu auch den Artikel zu den übrigen Erlöschensgründen.

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II. Bewirken der Leistung

Nach § 362 I BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Erfüllung tritt demnach durch die richtige Leistungsbewirkung ein.

Voraussetzung hierfür ist, dass der Schuldner seine Leistung in der vertraglich vereinbarten oder gesetzlich bestimmten Art und Weise erbringt. Er muss die richtige Leistung dem richtigen Gläubiger zur richtigen Zeit und am richtigen Ort erbringen.

Umstritten ist insoweit, ob das tatsächliche Erbringen der Leistung ausreichend ist oder ob es zusätzlich noch eines subjektiven Elementes in Form einer Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner bedarf.

Problem

Ist für Erfüllung eine vertragliche Vereinbarung erforderlich?

  • Nach der sogenannten Vertragstheorie ist neben der tatsächlichen Bewirkung der Leistung noch ein Erfüllungsvertrag erforderlich, in dem sich Schuldner und Gläubiger darüber einigen, dass die Leistung als Erfüllung erfolgt.

  • Auch nach der sogenannten Theorie der finalen Leistungsbewirkung bedarf es eines zusätzlichen subjektiven Elementes in Form einer Zweckbestimmung des Leistenden.

  • Herrschend wird aber vertreten, dass allein die tatsächliche Herbeiführung des Leistungserfolges ausreiche, sogenannte Theorie der realen Leistungsbewirkung. Hierfür spricht neben dem Wortlaut, der kein zusätzliches subjektives Element vorsieht, auch der Rechtsgedanke in § 366 I, II BGB, wonach der Schuldner das Recht hat, eine Tilgungsbestimmung zu treffen, dies aber nicht muss.

III. Empfangszuständigkeit

1. Empfangszuständigkeit des Gläubigers

Die Leistungsbewirkung muss wie bereits erwähnt an den richtigen Gläubiger erfolgen. Man spricht auch davon, dass der Gläubiger empfangszuständig sein muss. Das folgt aus dem Umstand, dass durch die Erfüllung unmittelbar die Forderung erlischt, was verfügungsähnliche Wirkung entfaltet. Fehlt es also an der Empfangszuständigkeit, tritt die Erfüllung nicht ein.

Merke

Empfangszuständig ist in der Regel der Gläubiger.

2. Empfangszuständigkeit in Spezialfällen

Merke

1. Mangelnde Empfangszuständigkeit des Gläubigers

Ausnahmsweise hat der Gläubiger keine Verfügungsmacht bei

- Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 80 InsO

- Nachlassverwaltung, § 1984 BGB;

- Testamentsvollstreckung, § 2211 BGB;

- Pfändung und Überweisung der Forderung, § 829 ZPO;

- Verpfändung der Forderung, § 1274 BGB.

Stattdessen hat ein „Nicht-Gläubiger“ in diesen Fällen Verfügungsmacht kraft Gesetz:

- Insolvenzverwalter,

- Nachlassverwalter,

- Testamentsvollstrecker,

- Vollstreckungsgericht,

- Pfandgläubiger.

2. Sonstige Empfangszuständigkeit

- Empfangsermächtigte, §§ 362 II, 185 I BGB (können die Leistung nicht selbst fordern);

- Einziehungsermächtigte, § 185 I BGB analog (können die Leistung selbst fordern);

- Vertreter innerhalb ihrer Vertretungsmacht;

- Überbringer einer Quittung, § 370 BGB (kraft Rechtsscheins; unerheblich ist, ob sie in eigenem oder fremdem Namen handeln).

3. Keine Empfangszuständigkeit 

- wer geschäftsunfähig ist, arg. § 105 BGB;

- wer minderjährig ist, arg. §§ 108, 111 BGB.

- wer unter Betreuung steht, sofern ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist, arg. §§ 1825 I 1 BGB.

Empfangszuständig sind seine gesetzlichen Vertreter (§ 1629) beziehungsweise sein Betreuer (§ 1823 BGB).

Die Empfangszuständigkeit fehlt vor allem Minderjährigen und wird in diesem Zusammenhang relevant. Schließlich tritt nach der herrschenden Meinung (Theorie der realen Leistungsbewirkung) allein durch die Herbeiführung des Leistungserfolges die Erfüllung ein. Das würde im Ergebnis dazu führen, dass auch gegenüber einem Minderjährigen durch die tatsächliche Leistung erfüllt werden könnte. Aufgrund des damit verbundenen rechtlichen Nachteils (Erlöschen des Schuldverhältnisses im engeren Sinne) wird Minderjährigen diese Empfangszuständigkeit abgesprochen. Das heißt auch wenn man die richtige Leistung erbringt, tritt keine Erfüllung ein. Der Minderjährige beziehungsweise seine gesetzlichen Vertreter könnten vielmehr nochmal die Leistungsbewirkung verlangen.

IV. Tilgungsbestimmung 

Wenn der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist, stellt sich zumeist die Frage, auf welche Forderung der Schuldner leistet. Insbesondere bei laufenden Geschäftsbeziehungen kann der Überblick verloren gehen. In diesen Fällen kann der Schuldner durch Tilgungsbestimmung konkretisieren, auf welche Forderung er leisten möchte.

Der Schuldner kann hiervon ausdrücklich oder konkludent Gebrauch machen.

V. Mehrere Verbindlichkeiten (§ 366 BGB)

Wenn der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das von ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht, wird grundsätzlich diejenige Schuld getilgt, welche er bei der Leistung bestimmt, vgl. § 366 I BGB.

Trifft der Gläubiger eine solche Bestimmung nicht – weder ausdrücklich noch konkludent – gilt die gesetzliche Tilgungsreihenfolge des § 366 II BGB. Diese Norm sollte aufmerksam gelesen werden. Danach wird zunächst diejenige Schuld beglichen, die fällig ist. Unter mehreren fälligen Schulden wird diejenige getilgt, die dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet. Unter mehreren gleich sicheren Schulden wird zunächst die (durch eine höhere Zinslast) lästigere Schuld getilgt. Unter mehreren gleich lästigen wird die ältere Forderung getilgt und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig.

Für die Sicherheit einer Forderung kann sowohl die Qualität der Forderung (zum Beispiel eine erstrangige Hypothek im Vergleich zu einer zweitrangigen Hypothek) als auch die Verjährbarkeit berücksichtigt werden.

Merke

Der Schuldner tilgt zunächst die Verbindlichkeit, die er bestimmt (§ 366 I BGB). Trifft er keine Tilgungsbestimmung, gilt § 366 II BGB.

VI. Zuwendungen Dritter

Nach § 267 BGB kann auch ein Dritter die Leistung bewirken, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat. Es handelt sich um eine Lockerung des Grundsatzes, wonach der „richtige Schuldner“ die Leistung zu erbringen hat.

Merke

Dritter im Sinne des § 267 BGB ist, wer auf eine fremde Schuld eine eigene Leistung erbringt.

Kein Dritter im Sinne der Norm sind daher: Stellvertreter, Erfüllungsgehilfen, Schuldübernehmende oder wer mit der Tilgung der fremden Schuld eine eigene Schuld verfolgt, wie zum Beispiel Bürgen oder Gesamtschuldner.

1. Persönliche Leistungspflichten

Persönliche Leistungspflichten können sich aus ausdrücklicher oder konkludenter Vereinbarung, Gesetz oder aus dem Wesen des Schuldverhältnisses ergeben.

Beispiel

  • Insbesondere bei der Erbringung von wissenschaftlichen oder künstlerischen Leistungen wird man eine konkludente Vereinbarung annehmen können, wonach der Wissenschaftler oder Künstler in Person zu leisten hat. 

  • Durch Gesetz ist eine Drittleistung beispielsweise nach §§ 613 S. 1, 664 I 1, 691, 2218 I BGB bei Dienstvertrag, Auftrag, Verwahrung und Testamentsvollstreckung ausgeschlossen.

2. Fremdtilgungswille

Der Dritte muss zudem mit Fremdtilgungswillen handeln. Dieser bestimmt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont. Dem Gläubiger muss erkennbar sein, dass der Dritte mit dem Willen leistet, eine fremde Schuld zu tilgen. Regelmäßig bedarf es daher einer Tilgungsbestimmung bei einer Leistung durch Dritte, da dieser nicht Teil des Schuldverhältnisses ist. Leistet der Dritte mit diesem Willen, erlischt die Forderung beziehungsweise die fremde Schuld. Ob er sodann einen Ersatzanspruch gegen den Schuldner hat, richtet sich nach dem zu ihm bestehenden Rechtsverhältnis (beispielsweise in Form eines Auftrages oder Geschäftsführung ohne Auftrag).

Beispiel

Der Dritte hält sich irrtümlich für den Schuldner. Als er an den Gläubiger leistet, geht er davon aus, seine eigene Schuld zu begleichen und nicht auf die fremde Schuld des wirklichen Schuldners zu leisten. Die fremde Schuld erlischt in diesem Fall nicht. Es kommt sodann ein Anspruch des Dritten gegen den Gläubiger aus ungerechtfertigter Berechnung in Betracht.

Merke

Anders als bei § 268 BGB (Besonderes Interesse am Gegenstand der Forderung gewährt dem Dritten ein eigenes Recht auf Befriedigung des Gläubigers) muss der Dritte nach § 267 BGB kein anerkennenswertes Interesse an der Leistungserbringung haben, da er in keiner besonderen Beziehung zu den Parteien des Schuldverhältnisses stehen muss.

VII. Leistung an Dritte (§ 362 II BGB)

Aus § 362 II BGB folgt, dass ausnahmsweise auch eine Leistung an Dritte zur Erfüllung führen kann. Insoweit findet die Vorschrift des § 185 BGB Anwendung. Voraussetzung ist, dass der Dritte durch den richtigen Gläubiger zur Entgegennahme der Leistung (mit Wirkung für den Gläubiger) ermächtigt wurde.

Die Ermächtigung kann aus 

  • Einwilligung (§ 185 I BGB), 

  • Genehmigung (§ 185 II BGB) oder 

  • gesetzlicher Anordnung (§§ 1074, 1282 BGB) folgen. 

Der Dritte erwirbt dadurch aber keinen eigenen Anspruch auf die Leistung, er ist vielmehr nur Empfangsstelle für den Gläubiger.

VIII. Annahme an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB)

Nach § 364 I BGB erlischt das Schuldverhältnis außerdem, wenn der Gläubiger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt annimmt. Es fehlt damit an der richtigen Leistung, die die Erfüllung zur Folge hätte.

Wenn der Gläubiger aber die nicht geschuldete Leistung als Erfüllung annimmt (Gedanke der Privatautonomie), erlischt das Schuldverhältnis gleichwohl. Bei der Leistung an Erfüllungs statt handelt es sich damit um ein sogenanntes Erfüllungssurrogat (Tatbestand, der erfüllungsgleiche Wirkung hat).

Die Leistung an Erfüllungs statt erfordert also neben dem Leistungsakt eine Einigung der Parteien:

- Der Schuldner muss die Leistung an Erfüllungs statt anbieten und

- der Gläubiger muss sie an Erfüllungs statt annehmen.

Dieser Erfüllungsvertrag tritt neben das ursprüngliche Schuldverhältnis und kann vor, bei oder nach der Leistung geschlossen werden (sowohl ausdrücklich als auch konkludent).

Merke

Das Schuldverhältnis im engeren Sinne erlischt durch Leistung nicht geschuldeter Gegenstände, falls der Gläubiger solche Gegenstände „an Erfüllungs statt“ annimmt, das heißt mit Erfüllungswirkung akzeptiert.

Beispiel

Der Gläubiger hat gegen den Schuldner einen Zahlungsanspruch nach § 433 II BGB. Da Schuldner S momentan nicht liquide ist, bietet er dem Gläubiger die Übereignung seiner Uhr an. Wenn die im Beispielsfall hingegebene Uhr möglicherweise noch mangelhaft ist, ist § 365 BGB zu beachten. Danach stehen dem die Gläubiger die Gewährleistungsrechte eines Käufers zu. Er kann also zum Beispiel Nacherfüllung oder Schadensersatz verlangen, vergleiche § 437 Nr. 1 – 3 BGB. Im Falle des Rücktritts hat er Anspruch auf Wiederbegründung der nach § 364 I  BGB erloschenen Forderung.

IX. Leistung erfüllungshalber

Die im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Leistung erfüllungshalber ist von der Leistung an Erfüllungs statt (§ 364 I BGB) abzugrenzen. Sie wird nur in § 364 II BGB angedeutet.

In diesem Fall bewirkt die Annahme einer anderen als der geschuldeten Leistung nicht schon das Erlöschen des Schuldverhältnisses. Der Gläubiger nimmt diese Leistung vielmehr nur in der Absicht an, um sich aus dieser Leistung zu befriedigen. Das Schuldverhältnis soll aber solange bestehen, bis der Gläubiger diese erfüllungshalber angenommene Leistung verwerten und sich dadurch befriedigen konnte. Erst dann erlischt das Schuldverhältnis. Demnach trägt der Schuldner anders als bei der Annahme an Erfüllungs statt vorliegend das Verwertungsrisiko der „anderen“ Leistung.

Beispiel

Der Gläubiger hat gegen den Schuldner eine Geldforderung aus § 433 II BGB. Anstelle der Barzahlung gibt der Schuldner dem Gläubiger einen Scheck.

Was letztlich von den Parteien gewollt ist, ist durch Auslegung der Vereinbarung zu ermitteln. 

Klausurtipp

Entscheidend kommt es dabei auf die vertragliche Risikoverteilung an. Handelt es sich nur um eine geringfügig abweichende Leistungsart wird regelmäßig eine Leistung an Erfüllungs statt angenommen. 

Beispiel

An Erfüllungs statt wird beispielsweise angenommen, wenn statt des geschuldeten Fahrrads ein gleichwertiges anderes Fahrrad geliefert wird. Soll aber eine Kaufpreisforderung durch den Verkauf einer anderen Sache geleistet werden, kommt eher eine Leistung erfüllungshalber in Betracht.

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X. Inzahlunggabe von Gegenständen 

In der Praxis ist vor allem beim Autokauf eine dahingehende Vereinbarung anerkannt, wonach der Schuldner durch eine andere als die zunächst versprochene Leistung erfüllen kann. Der Autoverkäufer räumt dem Schuldner dadurch die Möglichkeit ein, einen Teil der Geldschuld durch die Übereignung des Altwagens, also durch die Hingabe einer Sache, zu erbringen. Man spricht insofern von einer Ersetzungsbefugnis. Diese ist gesetzlich nicht geregelt. Wenn der Schuldner von dieser Gebrauch macht, führt die Übereignung des Altwagens zur Annahme an Erfüllungs statt. Es handelt sich damit um einen Fall des § 364 I BGB. Hier findest du einen Artikel zu dieser Fallkonstellation.

XI. Bargeldloser Zahlungsverkehr

Besonderheiten bei der Erfüllung ergeben sich im Zusammenhang mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr. Ohne anders lautende Vereinbarung gilt nach der Konzeption des Gesetzes, dass der Schuldner Bargeld schuldet. Hier findest du einen Artikel zu dieser Fallkonstellation.

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