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Gewillkürte Erbfolge

Erbvertrag §§ 1941, 2274 BGB

Teilgebiet

Erbrecht

Thema

Gewillkürte Erbfolge

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§ 2287 BGB
§ 2289 BGB
§ 2290 BGB
§ 2291 BGB
§ 2292 BGB
§ 2293 BGB
§ 2294 BGB
§ 2295 BGB
§ 2296 BGB
§ 2298 BGB
§ 2299 BGB
§ 2302 BGB
§ 2333 BGB
§ 1410 BGB
§ 1408 BGB
§ 1313 BGB
§ 119 BGB
§ 320 BGB
Gliederung
  • I. Einleitung 

  • II. Abgrenzung zum Testament 

  • III. Arten des Erbvertrags 

    • 1. Einseitiger Erbvertrag 

    • 2. Einseitig entgeltlicher Erbvertrag

    • 3. Gegenseitiger Erbvertrag

  • IV. Prüfung eines wirksamen Erbvertrags, §§ 1941, 2247 ff. BGB

    • 1. Voraussetzungen für wirksamen Abschluss eines Erbvertrags

      • a) Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit, § 2275 BGB

      • b) Höchstpersönliche Errichtung, § 2274 BGB

      • c) Form, § 2276 BGB

      • d) Zulässiger Inhalt, § 2278 BGB

    • 2. Keine nachträgliche Beseitigung 

      • a) Vereinbarter Änderungsvorbehalt

      • b) Aufhebung durch Testament, § 2291 BGB

      • c) Aufhebung der Ehe, § 2279 BGB

      • d) Durch neuen Erbvertrag, § 2290 BGB

      • e) Rücktritt, §§ 2293 ff. BGB

        • aa) Rücktrittserklärung, § 2296 BGB

        • bb) Rücktrittsgrund

          • aaa) Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts, § 2293 BGB

          • bbb) Rücktritt bei Verfehlungen des Bedachten, § 2294 BGB i.V.m. § 2333 ff. BGB

          • ccc) Rücktritt bei Aufhebung der Gegenverpflichtung, § 2295 BGB

      • f) Durch Anfechtung, §§ 2281 ff. BGB

        • aa) Voraussetzungen

          • aaa) Anfechtungserklärung

          • bbb) Anfechtungsgrund, § 2281 BGB

    • 3. Rechtsfolgen

      • a) Bindungswirkung, § 2289 BGB 

      • b) Verfügungen zu Lebzeiten, § 2286 BGB 

      • c) Verfügungen von Todes wegen, §§ 2278, 2289 I BGB

  • V. Auslegung von Erbverträgen

I. Einleitung 

Der Erbvertrag ist neben dem Testament eine weitere Möglichkeit der Verfügung von Todes wegen, um eine gewillkürte Erbfolge zu schaffen und den eigenen Nachlass damit verbindlich zu regeln. Anders als bei einem einseitigen Testament werden hier durch gegenseitige Willenserklärungen vertragliche Bindungen geschaffen, die zu Lebzeiten der Vertragspartner nur unter bestimmten, streng geregelten Voraussetzungen verändert oder aufgehoben werden können. Die maßgeblichen Vorschriften finden sich in den §§ 1941, 2247 ff. BGB. Sie legen fest, wie ein Erbvertrag formell errichtet werden muss und welche inhaltlichen Regelungen zulässig sind und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben können. Außerdem werden die verschiedenen Möglichkeiten der nachträglichen Beseitigung des Erbvertrags behandelt.

II. Abgrenzung zum Testament 

Beim Testament (§§ 1937, 2229 ff. BGB) erfolgt die Bestimmung der Erben einseitig durch den Erblasser.  Beim Erbvertrag (§ 1941, 2274 ff. BGB) handelt es sich im Gegensatz um eine beiderseitige Vereinbarung zwischen Erblasser und Erbe.

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III. Arten des Erbvertrags 

Erbverträge lassen sich in drei Grundtypen einteilen: einseitige, einseitig entgeltliche und gegenseitige Erbverträge. Zwar erfordert der Abschluss eines Erbvertrags mindestens zwei Personen, es können jedoch auch mehr beteiligt sein.

1. Einseitiger Erbvertrag 

Nur eine Partei trifft eine erbrechtliche Verfügung, etwa durch die Einsetzung eines Alleinerben, ohne dass die andere Partei ebenfalls verfügt.

Beispiel

A setzt B im Erbvertrag als Alleinerben ein, B trifft keine Verfügung.

2. Einseitig entgeltlicher Erbvertrag

Eine Vertragspartei trifft eine Verfügung von Todes wegen, während die andere sich zu einer Gegenleistung (z. B. Zahlung eines Geldbetrags) verpflichtet. Es handelt sich dabei um zwei rechtlich selbständige Verträge, die häufig in derselben Urkunde dokumentiert sind. Solche Fälle sind klassische Kombinationen von Erbvertrag und schuldrechtlichem Vertrag (§ 311 I BGB).

Beispiel

Pflegeverträge oder Versorgungsverhältnisse

3. Gegenseitiger Erbvertrag

Beim gegenseitigen Erbvertrag setzen sich beide Parteien gegenseitig oder zugunsten des jeweils anderen von Todes wegen ein. Diese Form tritt besonders häufig in der Klausur auf, vor allem in Konstellationen von Ehegatten oder Lebenspartnern.

Beispiel

Die unverheirateten Lebenspartner A und B schließen einen notariellen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Für den Fall, dass sie beide verstorben sind, soll E, die Nichte von B, zur Schlusserbin des Letztversterbenden werden.

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IV. Prüfung eines wirksamen Erbvertrags, §§ 1941, 2247 ff. BGB

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Die Legaldefinition des Erbvertrags findet sich in der Ausgangsnorm des § 1941 BGB.

Zitat

§ 1941 I BGB:
“Der Erblasser kann durch Vertrag einen Erben einsetzen, Vermächtnisse und Auflagen anordnen sowie das anzuwendende Erbrecht wählen (Erbvertrag).”

1. Voraussetzungen für wirksamen Abschluss eines Erbvertrags

a) Unbeschränkte Geschäftsfähigkeit, § 2275 BGB

Zunächst muss gemäß § 2275 BGB die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des Erblassers gegeben sein. Dies richtet sich wie gewohnt nach den §§ 104 ff. BGB.

b) Höchstpersönliche Errichtung, § 2274 BGB

Wie auch beim Testament gilt auch beim Erbvertrag der Grundsatz der Höchstpersönlichkeit. Für den Erbvertrag ergibt sich dies aus § 2274 BGB. Hier sind also die Regelungen zur Stellvertretung der §§ 164 ff. BGB nicht anwendbar. 

c) Form, § 2276 BGB

Die Formvorschriften des Erbvertrages sind in § 2276 BGB geregelt. Nach § 2276 I 1 BGB kann der Erbvertrag nur zur Niederschrift bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor einem Notar geschlossen werden. § 2276 I 2 BGB stellt klar, dass die Vorschriften der §§ 2231 Nr. 1, 2232 und 2233 BGB mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass das, was für den Erblasser gilt, auch für jeden der Vertragsschließenden gilt. Eine Ausnahme davon besteht gemäß § 2276 II BGB für den Erbvertrag zwischen Ehegatten oder Verlobten, die den Erbvertrag in einer Urkunde mit dem Ehevertrag (§§ 1408 ff. BGB) verbinden. Demnach reicht bei einem solchen Vertrag die für den Ehevertrag vorgeschriebene Form. Diese ist in § 1410 BGB geregelt. Nach § 1410 BGB muss ein Ehevertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile zur Niederschrift eines Notars geschlossen werden.

Gesetzesverweis

Sofern in deinem Bundesland zulässig, zitiere dir den § 1410 BGB an den § 2276 II BGB, um dich an die Regelung der Form des Erbvertrags zu erinnern.

d) Zulässiger Inhalt, § 2278 BGB

Weiterhin muss der Erbvertrag einen zulässigen Inhalt haben. Dies ist der Fall, wenn zumindest eine vertragsgemäße Verfügung von Todes wegen zum Inhalt des Vertrags wird, § 2278 I BGB. Diese sind abschließend in der Legaldefinition des Erbvertrags aus § 1941 I BGB enthalten. Demnach sind vertragsgemäße Verfügungen von Todes wegen:

  • Erbeinsetzungen

  • Vermächtnisse

  • Auflagen

Dies wird auch in § 2278 II BGB klargestellt, wonach andere als die genannten Verfügungen nicht vereinbart werden können. Es herrscht also ein Typenzwang.

Vernetztes Lernen

Einen Typenzwang gibt es in verschiedenen Bereichen des Zivilrechts. Am häufigsten wird er dir als eines der Grundprinzipien des Sachenrechts begegnen.

Ob eine solche vertragsmäßige Verfügung im Sinne des § 2278 BGB oder eine einseitige Verfügung im Sinne des § 2299 BGB vorliegt, ist dabei durch Auslegung zu bestimmen. Nach § 2299 BGB können von den Vertragsschließenden auch einseitige Verfügungen getroffen werden, die durch Testament getroffen werden können. Gemäß § 2299 II 1 BGB gilt für diese Verfügungen das Gleiche, als wenn sie durch Testament getroffen worden wären. Es sind somit auch die Regelungen zur späteren Beseitigung bei Testamenten entsprechend anzuwenden. Somit unterliegen sie unter anderem auch der freien Widerruflichkeit nach § 2253 BGB. Damit sind sie im Gegensatz zu Verfügungen nach § 2278 BGB nicht vertraglich bindend, da sie einseitig widerrufen werden können. Verfügungen nach § 2278 BGB können nicht einseitig widerrufen werden.

Merke

Eine einseitige Verfügung von Todes wegen im Erbvertrag ist eine Verfügung, die zwar im Erbvertrag angelegt ist, aber nicht vertragsgemäß bindend ist, sondern allein vom Verfügenden getroffen wurde und damit wie ein Testament frei widerruflich ist.
Zum Beispiel: Ein Erblasser schließt mit seiner Ehefrau einen Erbvertrag, in dem er sie zur Alleinerbin einsetzt (vertragsmäßige Verfügung). Gleichzeitig setzt er in demselben Erbvertrag einen Freund als Vermächtnisnehmer ein, ohne dabei einen Bindungswillen gegenüber seiner Frau zu haben. Die Verfügung zugunsten des Freundes ist dann eine einseitige Verfügung nach § 2299 BGB

Wenn sich eine Vertragspartei im Rahmen eines Erbvertrags zu einer Leistung (z. B. eine Schenkung) verpflichtet, handelt es sich dabei nicht um einen Teil des Erbvertrags im engeren Sinne. Vielmehr liegt ein eigenständiges schuldrechtliches Rechtsgeschäft gemäß § 311 I BGB vor. Ob die Unwirksamkeit des einen Vertrags auch die Unwirksamkeit des anderen nach sich zieht, richtet sich nach § 139 BGB – und nicht nach § 2085 BGB.

2. Keine nachträgliche Beseitigung 

Wie auch beim Testament ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob eine nachträgliche Beseitigung des wirksam geschlossenen Erbvertrags vorliegt.

Auch beim Erbvertrag gibt es mehrere Möglichkeiten der nachträglichen Beseitigung.

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a) Vereinbarter Änderungsvorbehalt

Die Bindungswirkung des Erbvertrags kann durch einen vertraglich vereinbarten Änderungsvorbehalt beschränkt oder, je nach Ausgestaltung, zumindest teilweise aufgehoben werden.
Nach Auffassung des BGH ist ein Änderungsvorbehalt nur wirksam, wenn wenigstens eine vertragsmäßige Verfügung nicht von dem Vorbehalt erfasst wird. Andernfalls würde die Möglichkeit bestehen, sämtliche getroffenen Anordnungen nachträglich zu verändern. Dies käme einem vollständigen Rücktritt vom Erbvertrag gleich, der gemäß den gesetzlichen Vorschriften andere Form- und Zugangserfordernisse aufweist. Insofern stellt der Änderungsvorbehalt im Vergleich zum Rücktrittsvorbehalt einen Grenzfall der Bindungswirkung dar.
Die Vereinbarung eines Änderungsvorbehalts muss notariell beurkundet werden (was in der Regel im Rahmen der Beurkundung des Erbvertrags erfolgt) Wird der Vorbehalt später ausgeübt, so genügt dagegen eine einfache testamentarische Verfügung, damit die Abänderung wirksam wird. Dieser Unterschied zur Ausübung des Rücktrittsvorbehalts, die dem Vertragspartner zugehen muss (§ 2296 II 1 BGB), verdeutlicht bereits den eigenständigen Charakter des Änderungsvorbehalts: Seine Wirksamkeit hängt gerade nicht vom Zugang einer Rücktrittserklärung ab.
Der Rücktrittsvorbehalt beseitigt die Bindungswirkung des Erbvertrags vollständig, wenn er wirksam ausgeübt wird. Demgegenüber muss bei einem Änderungsvorbehalt stets ein Mindestumfang der bindenden Verfügung verbleiben, damit überhaupt noch von einer „Bindung“ durch den Erbvertrag gesprochen werden kann. In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit darüber, dass ein solcher Vorbehalt grundsätzlich wegen der Vertragsfreiheit zulässig ist, da der Gesetzeswortlaut eine solche Handhabung nicht ausschließt.

b) Aufhebung durch Testament, § 2291 BGB

Ein vertragsmäßig vereinbartes Vermächtnis oder eine Auflage kann der Erblasser gemäß § 2291 I BGB durch ein Testament (§§ 1937, 2229 ff. BGB) aufheben, wobei die Aufhebungsverfügung der notariellen Zustimmung des Vertragspartners bedarf (§ 2291 II BGB).

Nach § 2292 BGB können zwischen Ehegatten oder Lebenspartnern geschlossene Erbverträge auch durch gemeinschaftliches Testament (§§ 2265 ff. BGB) der Ehegatten oder Lebenspartner aufgehoben werden.

c) Aufhebung der Ehe, § 2279 BGB

Nach § 2279 II BGB gilt die Vorschrift des § 2077 BGB auch für Erbverträge unter Ehegatten, Lebenspartnern und Verlobten. Diese regelt die Unwirksamkeit von Verfügungen bei Auflösung der Ehe oder Verlobung. Dies gilt auch für Fälle, in denen nur Dritte durch den Erbvertrag bedacht wurden.

d) Durch neuen Erbvertrag, § 2290 BGB

Gemäß § 2290 I 1 BGB kann ein Erbvertrag sowie einzelne vertragsgemäße Verfügungen des Erbvertrags durch Vertrag von den Personen aufgehoben werden, die den Vertrag geschlossen haben. Nach dem Tod einer dieser Personen ist dies nicht mehr möglich (§ 2290 I 2 BGB). Dabei kann der Erblasser den neuen Vertrag ebenfalls nur persönlich schließen (§ 2290 II BGB) und der Vertrag bedarf gemäß § 2290 III BGB der nach § 2276 BGB vorgeschriebenen Form des Erbvertrags, also die Niederschrift beim Notar unter gleichzeitiger Anwesenheit aller Beteiligten. 

e) Rücktritt, §§ 2293 ff. BGB

Der Rücktritt vom Erbvertrag ist in den §§ 2293 ff. BGB geregelt.
Um zurückzutreten, bedarf es eines Rücktrittsgrundes und einer Erklärung. Mögliche Rücktrittsgründe sind ein Rücktrittsvorbehalt des Erblassers nach § 2293 BGB, eine schwere Verfehlung des Bedachten nach §§ 2294, 2333 ff. BGB oder die Aufhebung der Gegenverpflichtung gemäß § 2295 BGB. Die Rücktrittserklärung muss persönlich erfolgen und notariell beurkundet werden.

aa) Rücktrittserklärung, § 2296 BGB

Der Rücktritt erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil des Vertrags (§ 2296 II 1 BGB) und muss notariell beurkundet werden (§ 2296 II 2 BGB). Er kann nicht durch einen Vertreter erfolgen, § 2296 I BGB.

bb) Rücktrittsgrund

Für den Rücktritt vom Erbvertrag gibt es drei gesetzlich geregelte Möglichkeiten.

aaa) Vereinbarung eines Rücktrittsvorbehalts, § 2293 BGB

Ein Erblasser, der sich durch einen Erbvertrag gebunden hat, kann sich nach § 2293 BGB das Recht vorbehalten, vom Vertrag insgesamt oder nur hinsichtlich bestimmter bindender Verfügungen zurückzutreten. Sofern dieser Rücktrittsvorbehalt an die Nichterfüllung einer Verpflichtung des Vertragspartners anknüpft, ist vor Ausübung des Rücktrittsrechts grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich.

bbb) Rücktritt bei Verfehlungen des Bedachten, § 2294 BGB i.V.m. § 2333 ff. BGB

Weiterhin kann der Erblasser gemäß § 2294 BGB den Rücktritt erklären, wenn sich der Bedachte einer Verfehlung schuldig gemacht hat, die den Erblasser zur Entziehung des Pflichtteilsrechts berechtigen würde. Das Recht auf Entziehung des Pflichtteils richtet sich nach den Voraussetzungen der §§ 2333 ff. BGB. 

ccc) Rücktritt bei Aufhebung der Gegenverpflichtung, § 2295 BGB

Zuletzt besteht nach § 2995 BGB auch ein Rücktrittsrecht bei Aufhebung der Gegenverpflichtung.

Nach § 2295 BGB kann der Erblasser vom Erbvertrag zurücktreten, wenn seine vertragsmäßige Verfügung „mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung“ des Bedachten getroffen wurde und diese Gegenverpflichtung vor seinem Tod aufgehoben wird. Grundsätzlich genügt es dabei nicht, dass der Bedachte seine Leistungspflichten schlicht nicht oder nur unzureichend erfüllt; ein Rücktritt wegen bloßer Schlecht- oder Nichterfüllung wird von § 2295 BGB nicht erfasst, da zwischen Erbvertrag und schuldrechtlichem Geschäft kein Gegenseitigkeitsverhältnis im Sinne der §§ 320 ff. BGB besteht (§ 2302 BGB). Um eine Rücktrittsmöglichkeit nach § 2295 BGB zu eröffnen, muss die vereinbarte Gegenleistung  (etwa Unterhalts- oder Pflegeverpflichtungen) tatsächlich oder rechtlich aufgehoben worden sein. Nach Auffassung des BGH kann der Erblasser bei unterbliebenen Pflegeleistungen allerdings zunächst nach § 323 BGB vom Pflegevertrag zurücktreten (wenn dort eine synallagmatische Austauschbeziehung vorliegt) und anschließend auch den Erbvertrag gemäß § 2295 BGB beenden, sofern die Gegenverpflichtung dadurch gegenstandslos wird.

f) Durch Anfechtung, §§ 2281 ff. BGB

Neben dem Rücktritt und den weiteren Aufhebungsmöglichkeiten besteht zuletzt auch das Gestaltungsrecht der Anfechtung beim Erbvertrag. Diese ist geregelt in den §§ 2281 ff. BGB.

aa) Voraussetzungen
aaa) Anfechtungserklärung

Die Anfechtungserklärung erfolgt grundsätzlich nach § 143 I, II BGB durch Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner, also dem anderen Teil des Vertrags.
Eine Sonderregelung besteht nach § 2281 II BGB in Fällen, in denen nach dem Tod des anderen Vertragsschließenden vom Erblasser eine zugunsten eines Dritten getroffene Verfügung angefochten werden soll. In diesen Fällen ist die Anfechtung gegenüber dem Nachlassgericht zu erklären (§ 2281 II 1 BGB). Das Nachlassgericht hat daraufhin dem Dritten die Erklärung mitzuteilen (§ 2281 II 2 BGB).
Dazu bestimmt § 2282 BGB allgemein für die Anfechtungserklärung, dass diese nicht durch einen Vertreter erfolgen kann (§ 2282 I BGB), außer durch einen Betreuer des Erblassers, wenn der Erblasser selbst geschäftsunfähig ist (§ 2282 II BGB). Zudem bedarf die Anfechtungserklärung, wie die Rücktrittserklärung, der Form der notariellen Beurkundung (§ 2282 III BGB).

bbb) Anfechtungsgrund, § 2281 BGB

Nach § 2281 BGB gelten für den Erbvertrag dieselben Anfechtungsgründe wie für das Testament. Demnach kann nämlich der Erbvertrag gemäß der §§ 2078, 2079 BGB angefochten werden. Im Fall einer Anfechtung nach § 2079 BGB ist Voraussetzung, dass der Pflichteilsberechtigte zum Zeitpunkt der Anfechtung vorhanden ist. Diese Vorschriften sind hier wie beim Testament lex specialis zu den allgemeinen Anfechtungsregelungen der §§ 119 ff. BGB.

ccc)

Die Anfechtungsfrist ist in § 2283 BGB geregelt. Nach § 2283 I BGB gilt eine Jahresfrist. 

Die Frist beginnt gemäß § 2283 II 1 BGB im Falle der Anfechtbarkeit wegen Drohung in dem Zeitpunkt, in dem die Zwangslage aufhört. In allen anderen Fällen beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Anfechtungsgrundes durch den Erblasser.


bb) Rechtsfolge

Die Rechtsfolge der Anfechtung ergibt sich wie gewohnt aus § 142 I BGB, also die Nichtigkeit ex-tunc.
Zu beachten ist dabei aber auch § 2298 I BGB. Demnach hat die Nichtigkeit einer im Vertrag getroffenen vertragsgemäßen Verfügung die Nichtigkeit des gesamten Vertrags zur Folge.

3. Rechtsfolgen

Wenn ein Erbvertrag wirksam geschlossen wurde und keine nachträgliche Beseitigung vorliegt, ergeben sich verschiedene Rechtsfolgen.

a) Bindungswirkung, § 2289 BGB 

Die Bindungswirkung des Erbvertrags schränkt die Testierfreiheit des Erblassers ein.

Durch den Erbvertrag werden frühere letztwillige Verfügungen des Erblassers aufgehoben, soweit sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würden (§ 2289 I 1 BGB). Genau so sind spätere Verfügungen von Todes wegen, die das Recht eines vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen, unwirksam (§ 2289 I 2 BGB).

b) Verfügungen zu Lebzeiten, § 2286 BGB 

§ 2286 BGB stellt für Verfügungen zu Lebzeiten den Grundsatz auf, dass keine Beschränkung bezüglich der Verfügung über das Vermögen aufgrund des Erbvertrags besteht. Die Grenze davon ist aber § 2287 I BGB, welcher die den Vertragserben beeinträchtigenden Schenkungen regelt. Hiernach kann der Vertragserbe Schenkungen, die der Erblasser nach Abschluss des Erbvertrags in der Absicht getätigt hat, den ihn zu beeinträchtigen, nach Anfall der Erbschaft vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung herausverlangen. 

Problem

Wann liegt eine Beeinträchtigungsabsicht vor?
Neben der objektiven Beeinträchtigung muss auch das subjektive Element der Beeinträchtigungsabsicht vorliegen.

Fraglich ist aber, ab wann eine Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers angenommen werden kann.
Nach der Rechtsprechung ist diese Absicht in der Regel bereits dann anzunehmen, wenn der Erblasser bewusst in Kauf nimmt, dass durch eine Schenkung der Nachlass verringert wird, insbesondere, wenn die Zuwendung der Begünstigung einer bestimmten Person dient. Darüber hinaus berücksichtigt die Rechtsprechung, ob eine missbräuchliche Motivation vorliegt. Dabei ist zu prüfen, ob der Erblasser mit der Schenkung berechtigte Gründe hatte, etwa ein nachvollziehbares Interesse an der lebzeitigen Verwendung seines Vermögens oder eine sachlich gerechtfertigte Korrektur der bestehenden erbrechtlichen Regelungen beabsichtigte.

c) Verfügungen von Todes wegen, §§ 2278, 2289 I BGB

Wie gesehen führt die Bindungswirkung des § 2289 BGB dazu, dass frühere Verfügungen von Todes wegen (§ 2278 BGB) durch den Erbvertrag aufgehoben werden.

Spätere beeinträchtigende Verfügungen sind gemäß § 2289 I 2 BGB in gleichem Maße unwirksam

V. Auslegung von Erbverträgen

Bei der Auslegung ist zwischen den einseitigen Verfügungen nach § 2299 BGB und den vertragsmäßigen Verfügungen nach § 2278 BGB zu unterscheiden:

  • Da gemäß § 2299 I 1 BGB die Regeln für Testamente gelten, werden diese nach dem Willen des Erblassers gemäß § 133 BGB ausgelegt.  

  • Die vertragsmäßigen Verfügungen werden nicht nur nach dem Erblasserwillen nach § 133 BGB ausgelegt, sondern nach §§ 133, 157 BGB. Es kommt darauf an, wie der Vertragspartner die Verfügung nach Treu und Glauben verstehen kann.

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