I. Einleitung
Entsteht mit dem Tod des Erblassers eine Vielzahl von Erben, geht sein gesamtes Vermögen nach § 1922 I BGB kraft Universalsukzession als gemeinschaftliches Sondervermögen auf diese über, § 2032 I BGB. Die Erben bilden sodann eine Erbengemeinschaft, eine Gesamthandsgemeinschaft, bei der die Miterben keinen ideellen Bruchteil an einzelnen Nachlassgegenständen besitzt, sondern einen anteiligen Anspruch am gesamten Nachlassvermögen.
Merke
Der Begriff der “Gesamthand” findet sich nicht direkt im Wortlaut des BGB, wird aber an verschiedenen Stellen verwendet, so auch zum Beispiel bei der GbR oder der Gütergemeinschaft.
II. Rechtsnatur
Da die Gemeinschaft von vornherein auf Liquidation angelegt ist, fehlt ihr die Rechtsfähigkeit. Sie kann daher weder selbst Träger von Rechten und Pflichten noch Partei im Prozess sein (§ 50 I ZPO). Ansprüche der Gesamthand müssen vielmehr durch die Miterben gemeinschaftlich geltend gemacht oder von einem von ihnen im eigenen Namen mit gesetzlicher Prozessstandschaft gemäß § 2039 S. 1 BGB verfolgt werden.
Merke
Die Erbengemeinschaft handelt nie allein, sondern immer nur über ihre Mitglieder!
III. Verfügung über den Erbteil
Jeder Miterbe verfügt gemäß § 2033 I BGB bereits vor der endgültigen Auseinandersetzung über seinen Anteil am Nachlass. Diese dingliche Verfügung kann in Form der Übertragung des Erbteils, dessen Verpfändung oder der Bestellung eines Nießbrauchs erfolgen und bedarf zwingend der notariellen Beurkundung nach § 2033 I 2 BGB. Weder der Erblasser noch eine Vereinbarung unter den Miterben kann diese Verfügungsbefugnis einschränken oder von einer Zustimmung Dritter abhängig machen. Überträgt ein Miterbe seinen Anteil an einen Dritten, so tritt dieser zwar in dessen vermögensrechtliche Stellung ein (§ 2036 BGB), ohne jedoch selbst Mitglied der Erbengemeinschaft oder im Erbschein aufgeführt zu werden.
Der Erwerber des Erbteils wird dadurch also nicht zum Miterben im rechtlichen Sinne, sondern nimmt nur dessen wirtschaftliche Stellung ein. Insbesondere tritt er nicht in die Verwaltungsrechte ein.
Beispiel
Miterbe M überträgt seinen Erbteil an X. X kann nun am Nachlass wirtschaftlich partizipieren, ist aber nicht stimmberechtigt bei der Verwaltung.
Gemäß § 2033 II BGB kann ein Miterbe aber nicht über seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen verfügen.
IV. Verwaltung des Nachlasses
Für die laufende Verwaltung des gemeinschaftlichen Vermögens genügt nach § 2038 II i.V.m. § 745 I 2 BGB die Stimmenmehrheit der Miterben nach Erbquoten. Zu diesen „ordentlichen Verwaltungsmaßnahmen“ zählen etwa Reparaturen, Vermietung oder das Abschließen typischer Dauerschuldverhältnisse. Maßnahmen, die über den Erhaltungsrahmen hinausgehen, wie zum Beispiel ein kompletter Abriss eines Hauses oder der Verkauf wesentlicher Nachlassbestandteile, gelten als außerordentliche Verwaltung und bedürfen der Einstimmigkeit aller Erben (§ 2038 I 1 BGB). Lediglich zur Abwendung eines drohenden Schadens am Nachlass kann jeder Miterbe nötige Erhaltungsmaßnahmen allein vornehmen (§ 2038 I 2 Alt. 2 BGB). Im Außenverhältnis richtet sich die Vertretungsmacht der einzelnen Erben nach diesen Innenbefugnissen: Wo Mehrheit im Innenverhältnis besteht, können die Beschlussmehrheitigen verbindliche Verpflichtungsgeschäfte im Namen der Gesamthand abschließen. Für dingliche Verfügungsgeschäfte über Nachlassgegenstände, insbesondere außerhalb ordentlicher Verwaltung, gilt hingegen grundsätzlich das Erfordernis gemeinschaftlichen Handelns (§ 2040 I BGB), wobei in der herrschenden Lehre bei der ordnungsgemäßen Verwaltung eine Mehrheitsentscheidung ebenfalls genügen soll.
V. Geltendmachung von Nachlassforderungen
Jeder Miterbe ist gemäß § 2039 BGB befugt, im eigenen Namen Ansprüche der Gesamthand gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen. Dieses gesetzliche Einziehungsrecht erleichtert die Durchsetzung von Forderungen gegen Dritte, da der einzelne Erbe als Partei für die gesamte Erbengemeinschaft auftreten kann, jedoch die Leistung nur an alle Erben gemeinschaftlich bewirken kann. Gleichzeitig steht es einem Miterben frei, Ansprüche der Gemeinschaft gegen einen schuldhaften Miterben, zum Beispiel Schadensersatz für Beschädigungen eines Nachlassgegenstands, in vollem Umfang zu verfolgen.
Beispiel
Die Geschwister A und B sind Miterben. Ein Mieter des Erblassers zahlt keine Miete. A kann die ausstehende Miete allein im eigenen Namen nach § 2039 BGB einklagen, die Zahlung muss aber an alle Erben gemeinsam erfolgen.
VI. Auflösung und Auseinandersetzung
Da die Erbengemeinschaft auf Liquidation angelegt ist, kann gemäß § 2042 I BGB jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung verlangen. Der Erblasser kann zwar in einer Teilungsanordnung Festlegungen für die spätere Verteilung treffen (§ 2048 BGB), doch haben diese nur schuldrechtliche Wirkung. Soweit keine anderslautende Vereinbarung getroffen wird, erfolgt die materielle Auseinandersetzung nach den Vorschriften der §§ 2046–2047 BGB: Zunächst sind Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen, dann wird der verbleibende Überschuss nach Erbquoten verteilt. Ist eine Naturalteilung mangels Einigung oder wegen drohender Wertminderung nicht möglich, werden Nachlassgegenstände verkauft und der Erlös geteilt (§ 2042 II i.V.m. §§ 752 ff. BGB). Grundstücke gehen in die gerichtliche Versteigerung (§ 753 I BGB). In der Praxis kann ein Miterbe seinen Anteil auch durch formlosen Verzicht (sogenannte Abschichtung) auf die übrigen Erben übertragen, wodurch deren Quoten entsprechend wachsen.
Merke
Bei der Abschichtung handelt es sich nicht um eine Verfügung über den Erbteil i.S.d. § 2033 BGB, weshalb keine notarielle Beurkundung nötig ist.