In diesem Kapitel geht es um die Rechtsfolgen bei Personenänderungen im Gesellschafterkreis, d.h. bei Hinzukommen sowie Ausscheiden von Gesellschaftern - sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis.
I. Eintritt in ein Unternehmen
Zunächst geht es um den Eintritt in ein bestehendes Unternehmen.

1. Eintritt eines Einzelkaufmanns als persönlich haftender Gesellschafter/Kommanditist
Für den Eintritt eines Einzelkaufmanns als persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist in das Unternehmen eines anderen Einzelkaufmanns genügt ein Vertrag zwischen dem bisherigen Unternehmensinhaber und dem Eintretenden. Dadurch entsteht eine OHG oder falls der Eintretende als Kommanditist beschränkt haften soll, eine KG.
Dabei ist die Rechtsfolge des § 28 I HGB zu beachten: Die neue Gesellschaft haftet für die Altschulden des beigetretenen Gesellschafters.
Die Haftung ist jedoch gemäß § 28 II HGB ausgeschlossen, falls eine entsprechende Vereinbarung im Handelsregister eingetragen oder sonst Dritten mitgeteilt wurde.
Für die Schulden der Gesellschaft haftet der Eintretende wiederum nach §§ 126, 171 f. HGB
2. Eintritt in eine Gesellschaft/OHG/KG
Für den Eintritt in eine Gesellschaft/OHG/KG ist ein Vertrag mit den bisherigen Gesellschaftern erforderlich.
Merke
Dieses Rechtsgeschäft betrifft das Verhältnis der Gesellschafter zueinander, sodass es ein Grundlagengeschäft ist. Deshalb müssen alle Gesellschafter im Rahmen des Gesellschafterbeschlusses zustimmen. Eine Stellvertretung ist daher im Übrigen auch nicht möglich (hier findest du den Artikel zur Stellvertretung im Gesellschaftsrecht).
a) Als persönlich haftender Gesellschafter
Tritt der Eintretende als persönlich haftender Gesellschafter ein, so haftet der Eintretende für Altschulden gemäß § 721a BGB / § 127 HGB (ggf. i.V.m. § 161 II HGB).
b) Als Kommanditist
Tritt ein beschränkt haftender Gesellschafter in eine OHG ein, so wird die OHG automatisch zur KG.
Gemäß § 173 HGB besteht dann eine beschränkte Haftung für Altschulden nach Maßgabe der §§ 171, 172 HGB.
Gemäß § 176 II HGB besteht eine unbeschränkte Haftung für Verbindlichkeiten aus Geschäften zwischen Eintritt und Eintragung.
Merke
Dieses Rechtsgeschäft betrifft das Verhältnis der Gesellschafter zueinander, sodass es ein Grundlagengeschäft ist. Deshalb müssen alle Gesellschafter im Rahmen des Gesellschafterbeschlusses zustimmen. Eine Stellvertretung ist im Übrigen daher auch nicht möglich (hier findest du den Artikel zur Stellvertretung im Gesellschaftsrecht).
II. Ausscheiden aus einer Gesellschaft
Das Ausscheiden aus einer Gesellschaft geschieht entweder durch Ausübung eines Austrittsrechts (z. B. § 725 BGB) oder durch Vertrag mit anderen Gesellschaftern.
1. Haftung für Altverbindlichkeiten
Tritt ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, so kommt es zur sogenannten „(fünfjährigen) Nachhaftung“ gemäß § 728b BGB beziehungsweise § 137 HGB. Das bedeutet, dass der ausgetretene Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft weiter haftet, die innerhalb der nächsten fünf Jahre nach dem Ausscheiden entstehen und fällig werden - selbst wenn er nicht mehr Teil der Gesellschaft ist.
2. Ausscheiden eines Kommanditisten
Treten aus einer KG alle Kommanditisten aus, wird sie zur OHG, sofern mindestens noch zwei Gesellschafter verbleiben („automatischer Rechtsformwechsel“).
Merke
Verbleiben noch Kommanditisten in der KG, bleibt die KG natürlich eine solche.
Ein ausscheidender Kommanditist erhält dann auch in der Regel seine Einlage zurück. Wird die Einlage jedoch zurückgezahlt, so lebt gemäß § 172 IV 1 HGB die persönliche Haftung des ehemaligen Kommanditisten wieder auf, bevor sie nach fünf Jahren erneut erlischt, §§ 161 II, 137 HGB.
Diese Haftung kann vermieden werden, indem ein neuer Kommanditist die Kommanditanteile gegen Entgelt übernimmt. Dadurch wird die Einlage nicht „zurückbezahlt“, sodass § 172 IV HGB nicht eingreift. Zum Schutz der Gläubiger muss diese „echte Rechtsnachfolge“ jedoch ausdrücklich im Handelsregister vermerkt werden.
3. „Rosinentheorie“
Treten Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, ohne dass das Ausscheiden im Handelsregister eingetragen oder bekannt gemacht wurde, führt dies zu Verunsicherung im Rechtsverkehr, wie der folgende Fall aufzeigt.
Problem
Sachverhalt
A und B, die beiden Komplementäre einer KG, waren gesamtvertretungsbefugt (§ 124 II 1 HGB). B scheidet aus der KG aus, ohne dass dies im Handelsregister eingetragen oder bekannt gemacht wurde. Später bestellt A namens der KG Waren bei V.
Hat V Ansprüche gegen die KG sowie A und/oder B?
Lösung
A. Anspruch des V gegen KG aus Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB
Ein solcher Anspruch setzt einen wirksamen Kaufvertragsabschluss und daher eine Zurechnung durch wirksame Stellvertretung gemäß § 164 I 1 BGB voraus.
A gibt eine eigene Willenserklärung in fremden Namen (im Namen der KG) ab. Ursprünglich war A nicht alleine zur Vertretung ermächtigt. Nach dem Ausscheiden des B jedoch schon, da eine Gesamtvertretungsmacht denklogisch mindestens zwei Vertreter in der Gesellschaft voraussetzt.
Aufgrund der Vertretungsmacht kam ein Vertrag im Rahmen der Stellvertretung gemäß § 164 I 1 BGB zustande, sodass ein Anspruch aus Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB besteht.
B. Anspruch des V gegen A aus § 433 II i.V.m. §§ 161 II, 126 HGB
Eine Verbindlichkeit der KG gegenüber V lag in der Kaufpreiszahlungsverpflichtung (§ 433 II BGB) vor, siehe oben.
Zudem war A auch Komplementär.
Die Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt.
C. Anspruch des V gegen B, §§ 433 II BGB i.V.m. §§ 161 II, 126 HGB
Es müsste eine Verbindlichkeit der KG in der Kaufpreiszahlungspflicht vorliegen und B müsste Komplementär sein. B müsste für die KG auch gemäß §§ 161 II, 126 HGB haften, wenn er Komplementär der KG war. Durch sein Ausscheiden war B jedoch unabhängig von der Eintragung des Ausscheidens nicht mehr Komplementär, da die Eintragung des Ausscheidens keine konstitutive Wirkung hat. Da es sich beim Ausscheiden jedoch gemäß § 106 VI HGB um eine eintragungspflichtige Tatsache handelt, die nicht eingetragen wurde, muss B sich grundsätzlich gemäß § 15 I HGB dennoch als Gesellschafter behandeln lassen.
Legt man den realen Sachverhalt zugrunde, ist B zwar nicht mehr Komplementär und muss dementsprechend nicht haften. Dann konnte aber auch A alleine wirksam die KG vertreten, da B nicht mehr Gesellschafter war. Daher besteht hiernach eine wirksame Verbindlichkeit der KG. Im Ergebnis hätte V also neben den Ansprüchen gegen A und gegen die KG auch noch einen Anspruch gegen B.
Legt man den Scheinsachverhalt zulasten von B zugrunde (B = Komplementär), so müsste B zwar als Komplementär für Verbindlichkeiten der KG haften, wobei dann aber keine Verbindlichkeit der KG existieren würde, da A den Vertrag schloss, ohne B zu beteiligen und insoweit die KG nicht wirksam vertreten konnte (Grundsatz der Gesamtvertretung).
Das heißt, dass weder unter Zugrundelegung des Scheinsachverhalts noch des realen Sachverhalts V den Kaufpreis von B erhält, obwohl dieser aus Sicht des V Komplementär der KG war. Fraglich ist nun, ob - um hier dennoch einen Anspruch zu bejahen - eine Korrektur dieses Ergebnisses geboten ist. Zwar ist anerkannt, dass dem V, dessen Schutz der § 15 I HGB bezweckt, ein durch das Versäumnis der Eintragung entstehendes Wahlrecht zusteht, auf welchen Sachverhalt er sich bezieht, allerdings ist die Frage, ob er dieses Wahlrecht wegen einer Tatsache (der Gesellschaftereigenschaft des B) unterschiedlich ausüben darf.
Der BGH behilft sich insoweit, dass er den realen Sachverhalt anwendet, der die für den schutzwürdigen V günstigste Rechtsfolge bereithält. Er kann sich also hinsichtlich der Vertretung der KG auf den realen Sachverhalt beziehen, also dass B nicht Gesellschafter war und somit der Vertrag wirksam geschlossen werden konnte. Soweit der reale Sachverhalt für V ungünstig ist, kann er sich auf den Scheinsachverhalt - also die Eintragung im Handelsregister - beziehen, also dass B noch Gesellschafter/Komplementär war und daher gemäß §§ 161 II, 126 HGB haften muss. Somit besteht hiernach ein Anspruch des V gegen B.
Dagegen wird jedoch von der Literatur als Einwand erhoben, dass der BGH sich die Rosinen herauspicke („Rosinentheorie“) und es treuwidrig (§ 242 BGB) wäre, sich einerseits auf den realen und andererseits auf den Scheinsachverhalt zu beziehen, da das Handelsregister nur einer Gesamtwürdigung zugänglich sei. Hiernach kann sich V nur auf eine Rechtslage beziehen - entweder den Real- oder den Scheinsachverhalt. Er hat somit keinen Anspruch gegen B.
Dennoch ist die Lösung des BGH vorzugswürdig und die Gegenansicht abzulehnen, denn es wird nicht der Sachverhalt an sich „gewählt“, sondern lediglich eine Rechtsfolge geltend gemacht. Außerdem entspricht dies dem Wortlaut des § 15 I HGB, der von „kann“ - also einer Wahlmöglichkeit - spricht. § 15 I HGB ist als Schutzvorschrift konzipiert, sodass die Regelung nur zugunsten des Dritten wirken kann, nicht zu seinen Lasten. Darüber hinaus beinhaltet § 15 I HGB einen abstrakten Vertrauensschutz. Es kommt also nicht darauf an, ob der Dritte das Handelsregister überhaupt eingesehen hat oder nicht. Es steht ihm frei, sich auf den Schutz des § 15 I HGB zu berufen.
Hinweis: Einen guten Überblick über die Diskussion findet sich in Kindler, Grundkurs Handels- und Gesellschaftsrecht, Rn. 34 - 38.
III. Tod eines Gesellschafters
Der Tod eines Gesellschafters führt nicht selten zu Problemen. Anhand von Beispielfällen werden im Folgenden die verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten genauer untersucht.

1. Eintrittsklausel
Zunächst kann eine Eintrittsklausel im Gesellschaftsvertrag vorgesehen sein. Eine „Eintrittsklausel“ gewährt einer in der Klausel bestimmten Person ein Eintrittsrecht in die Gesellschaft. Ein Eintritt erfolgt dabei nicht automatisch, vielmehr muss das Eintrittsrecht erst ausgeübt werden.
Beispiel
Sachverhalt
A, B und C waren Gesellschafter der A-OHG. Laut Gesellschaftsvertrag können Erben entsprechend ihrem Erbteil Gesellschafter werden. Vor einem Monat starb B, X ist sein Erbe. Erforderliche HR-Eintragungen sind erfolgt.
Vor drei Wochen erwarb A namens der A-OHG von V Waren für 10.000 €.
Vor zwei Wochen hat X seinen Eintritt erklärt. Heute früh erreichte den X ein Schreiben des V, in dem er ihn zur Zahlung von 10.000 € auffordert.
Zu Recht?
Lösung
A. Anspruch des V gegen X aus Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB
V könnte gegen X einen Anspruch aus Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB haben.
I. Gesellschaft
Der Tod eines Gesellschafters führt nur zu dessen Ausscheiden, § 130 I Nr. 1 HGB. Die Gesellschaft besteht dann als werbende Gesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fort.
II. Verbindlichkeit der A-OHG
Zunächst müsste ein Vertrag zwischen V und der A-OHG bestehen. Da A gehandelt hat, müsste seine Willenserklärung gemäß § 164 I 1 BGB Drittwirkung für und gegen die A-OHG haben.
Eine eigene Willenserklärung des A liegt vor. A handelte im Namen der A-OHG. Wegen § 124 I HGB handelte A auch mit Vertretungsmacht.
III. X als Gesellschafter
B (und damit sein Erbe X) ist vor vier Wochen gemäß § 130 I Nr. 1 HGB ausgeschieden.
Eine „Eintrittsklausel“ gewährt dem X ein Eintrittsrecht. Ein Eintritt erfolgt dabei nicht automatisch!
Seit Ausübung dieses Eintrittsrechts ist X Gesellschafter geworden, also seit zwei Wochen.
IV. Haftung des X für Altschulden
X haftet gemäß §§ 127, 126 HGB auch für Altschulden.
V. Ergebnis
V hat gegen X einen Anspruch aus § 433 II BGB i.V.m. §§ 127, 126 HGB.
2. Nachfolgeklausel
Durch eine Nachfolgeklausel kann ein Rechtssubjekt auch direkt in die Gesellschafterstellung hineingelangen. Durch die Nachfolgeklausel wird die Gesellschafternachfolge bei Ausscheiden eines Gesellschafters bestimmt, wobei der Eintritt automatisch stattfindet und nicht erst, wie bei einer Eintrittsklausel, ausgeübt werden muss.
Beispiel
Sachverhalt
A, B und C waren Gesellschafter der A-OHG. Laut G-Vertrag wird die Gesellschaft
mit den Erben fortgesetzt. Vor einem Monat starb B; X ist sein Erbe. Erforderliche HR-Eintragungen sind erfolgt.
Vor drei Wochen erwarb A namens der A-OHG von V Waren für 10.000 €.
Heute früh erreichte den X ein Schreiben des V, in dem er ihn zur Zahlung von 10.000 € auffordert.
Zu Recht?
Lösung
A. Anspruch aus Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB
I. Gesellschaft ( + ) → siehe oben.
II. Gesellschaftsverbindlichkeit ( + ) ⇾ siehe oben
III. X als Gesellschafter
Durch die (einfache) Nachfolgeklausel ist X mit dem Erbfall Gesellschafter geworden.
IV. Haftung des X, § 126 HGB ( + )
V. Ergebnis
V hat gegen X einen Anspruch gemäß § 433 II BGB i.V.m. § 126 HGB.
3. Qualifizierte Nachfolgeklausel
Weiterhin kann durch eine qualifizierte Nachfolgeklausel die Rechtsnachfolge konkretisiert werden, indem bestimmt wird, welche konkreten Erben die Nachfolge bilden.
Beispiel
Sachverhalt
A, B und C waren Gesellschafter der A-OHG. Laut G-Vertrag wird die Gesellschaft, falls B stirbt, mit X fortgesetzt. Vor einem Monat starb B; X und Y sind die Erben.
Ist auch Y Gesellschafter geworden?
Lösung
Durch sogenannte „qualifizierte Nachfolgeklauseln“ kann die gesellschaftsrechtliche Rechtsnachfolge konkretisiert werden. Für unser Fallbeispiel bedeutet das, dass alleine X, nicht jedoch Y, Gesellschafter wurde.
4. Erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Lösung
Kollidieren die gesetzliche Erbfolge und gesellschaftsrechtliche Nachfolgebestimmung, so ist umstritten, wie die Gesellschaft fortgeführt wird.
Beispiel
Sachverhalt
A, B und C waren Gesellschafter der A-OHG. Laut G-Vertrag wird die Gesellschaft,
falls B stirbt, mit Z fortgeführt.
Vor einem Monat starb B; X und Y sind die Erben.
Ist Z mit dem Tod des B Gesellschafter geworden?
Lösung
a) Erbrechtliche Lösung (h.M.)
Beim Tod des Gesellschafters kann ein Gesellschaftsanteil nur kraft Erbrechts und nicht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden übergehen.
Daher muss bei Auseinanderfallen von erbrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Lage eine Umdeutung gemäß § 140 I BGB stattfinden, sodass in der Bestimmung eine Eintrittsklausel zugunsten des Z gemäß § 328 I BGB zu sehen ist.
Diese führt nicht automatisch zu einer Rechtsänderung, sondern gewährt Z nur ein Eintrittsrecht, welches er zunächst ausüben müsste.
Z ist durch den Tod des B nicht automatisch Gesellschafter geworden.
b) Gesellschaftsrechtliche Lösung
Z tritt aufgrund der Regelung im Gesellschaftsvertrag, also durch Rechtsgeschäft unter Lebenden, an die Stelle des B.
Dafür spricht zunächst, dass eine Sondererbfolge dem Erbrechtssystem des BGB fremd ist.
Dennoch ist die gesellschaftsrechtliche Lösung aus zwei Gründen abzulehnen.
Erstens sind verfügende Verträge zugunsten Dritter, wie hier vorliegend, unzulässig.
Zweitens erlangt Z nicht nur Vorteile, sondern auch Pflichten. Die gesellschaftsvertragliche Regelung ist mithin ein Vertrag zulasten Dritten, welcher auch unzulässig ist.