I. Einleitung
Systematisch ist das Kaufrecht ganz am Anfang des besonderen Schuldrechts in den §§ 433 - 480 BGB zu verordnen. Das Klammerprinzip des Schuldrechts hat zur Folge, dass allgemeines Schuldrecht anwendbar ist, soweit keine kaufrechtlichen Sondervorschriften einschlägig sind.
Das Kaufrecht ist extrem klausurrelevant - es vergeht kaum eine Examenskampagne, in der kein Kaufrecht geprüft wird. Ausgehend von deinem Verständnis des allgemeinen Schuldrechts musst du keine Angst vor dem Kaufrecht als Schuldrecht mit einigen Besonderheiten haben.
1. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen
Es ist nicht immer eindeutig, ob ein Kaufvertrag oder ein anderer Vertragstyp einschlägig ist.
Daher sollten zumindest die folgenden Abgrenzungsregeln bekannt sein.

a) Tausch, § 480 BGB
Ein Tausch liegt vor, soweit anstelle des Kaufpreises eine Sache oder ein Recht als Entgelt für die Übereignung einer anderen Sache vereinbart wird. Allerdings finden auf den Tauschvertrag die für den Kauf relevanten Vorschriften entsprechende Anwendung.
b) Werklieferungsvertrag, § 650 BGB
Einigen sich beide Vertragsparteien auf die Lieferung, also die Besitz- und Eigentumsverschaffung einer noch in Zukunft herzustellenden Sache, so liegt kein Kaufvertrag, sondern ein Werklieferungsvertrag vor. Gemäß § 650 I 1 BGB gilt für vertretbare Sachen dennoch das Kaufrecht. Für unvertretbare Sachen gilt hingegen gemäß § 650 I 3 BGB das Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB).
Was eine vertretbare Sache ist, regelt § 91 BGB: Vertretbare Sachen sind bewegliche Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen.
Beispiel
Bestellung über 300 zu backende Brezeln beim Bäcker.
Gesetzesverweis
Soweit in deinem Bundesland zulässig, kannst du dir § 91 BGB neben § 650 I 3 BGB kommentieren, um die Legaldefinition für vertretbare/unvertretbare Sachen nicht zu vergessen.
c) Werkvertrag
Der Unterschied zwischen Kauf- und Werkvertrag ist, dass anstelle der Übereignung einer Sache die Herstellung eines körperlichen oder unkörperlichen Werks beziehungsweise Reparaturen geschuldet sind.
aa) Bauvertrag, §§ 650a - 650h BGB
Ist anstelle der Lieferung eine Herstellung, Wiederherstellung, Beseitigung oder der Umbau eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon geschuldet, so gilt anstelle des Kaufrechts das Werkvertragsrecht „ergänzend“, § 650a I BGB,
bb) Verbraucherbauvertrag, §§ 650i - 650n BGB
Der Verbraucherbauvertrag ist wiederum eine besondere Art des Bauvertrags und damit eine besondere Art des Werkvertrags, § 650i III BGB. Der Unterschied zwischen Verbraucherbauvertrag und Bauvertrag ist, dass beim Verbraucherbauvertrag zwei Verbraucher nach § 13 BGB beteiligt sind.
2. Kaufgegenstand
a) Sachen
Kaufgegenstand ist in der Regel eine oder mehrere Sachen im Sinne des § 90 BGB.
Merke
Im Zweifel bezieht sich der Kaufvertrag gemäß § 311c BGB auch auf das Zubehör der Sache. Bevor du auf diese materielle Auslegungsregel zurückgreifst, solltest du zunächst durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) den Inhalt des Kaufvertrags ermitteln.
b) Rechte
Auch Rechte können Gegenstand eines Kaufvertrags sein. Dies können Forderungen, Grundschulden, Gesellschaftsanteile, Urheberrechte, Patentrechte usw. sein.
c) Sonstige Gegenstände
Sonstige Gegenstände, wie beispielsweise Elektrizität, Fernwärme oder Standardsoftware, können auch Kaufgegenstand sein.
d) „Künftige“ Gegenstände
Sollen künftig entstehende Gegenstände (Beispiel: Ernte) gekauft werden, so ist zu differenzieren:
„emptio rei speratae“ = Kauf unter der Bedingung, dass der Gegenstand entsteht. Es wird also die Sache selbst gekauft (§ 433 BGB)
„emptio spei“ = Unbedingter Kauf einer Erwerbsaussicht = Kauf eines sonstigen Gegenstands, § 453 I Fall 2 BGB.
II. Vertragliche Pflichten, § 433 BGB
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1. Pflichten des Verkäufers, § 433 I BGB
Die synallagmatischen (§§ 320 ff. BGB) Hauptpflichten des Verkäufers sind die Übergabe der Kaufsache, die Eigentumsübertragung und die Sach- und Rechtsmängelfreiheit.
a) Eigentumsverschaffung
Die Eigentumsverschaffung richtet sich nach den Regeln des Sachenrechts. Für bewegliche Sachen gelten daher die §§ 929 - 935 BGB und für Immobilien gelten die §§ 873, 925, 892 BGB.
Details findest du in unseren Lexikonartikeln zu § 929 S. 1 BGB und § 873 I BGB.
Merke
Diese Verschaffungspflicht des Verkäufers umfasst nicht auch die Herstellung, weshalb der Warenhersteller nicht auch Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist. Deshalb wird ein Verschulden des Warenherstellers nicht über § 278 BGB zugerechnet.
b) Übergabe der Kaufsache
Die Übergabe der Kaufsache bedeutet grundsätzlich die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes gemäß § 854 BGB.
Wird jedoch vereinbart, dass ein Dritter unmittelbarer Besitzer werden soll, so genügt auch die Verschaffung des mittelbaren Besitzes gemäß § 868 BGB.
c) Sach- und Rechtsmängelfreiheit
Des Weiteren muss der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln verschaffen, § 433 I 2 BGB.
Indem § 433 I 2 BGB die Mängelfreiheit zur Leistungspflicht erklärt, ist bei einer Verletzung dieser Pflicht der Weg in das allgemeine Leistungsstörungsrecht frei und daher ein Rücktritt gemäß § 323 I BGB oder Schadensersatz gemäß §§ 280 ff. BGB möglich.
d) Nebenpflichten
Nebenpflichten ergeben sich nach Auslegung (§§ 133, 157 BGB) je nachdem, was die Durchführung des Kaufgeschäfts nach Art, Umfang und Qualität erfordert.
Beispiel
Verpackung, Information vor Gefahren, Bedienungsanleitung
2. Pflichten des Käufers, § 433 II BGB
a) Kaufpreiszahlung, § 433 II Fall 1 BGB
Die Kaufpreiszahlung ist die (synallagmatische) Hauptleistungspflicht des Käufers. Während grundsätzlich die Barzahlung geschuldet wird, kann auch die Eröffnung einer anderen Zahlungsmethode (z. B. Mitteilung der Bankverbindung auf dem Briefkopf) vorliegen.
Klausurtipp
Das ist natürlich quasi nie zu problematisieren, denn heutzutage (jedenfalls konkludent) meist auch eine Banküberweisung oder Kreditkartenzahlung akzeptiert werden.
Die Kaufpreiszahlung kann übrigens schon bei geringfügigen Mängeln gemäß § 320 I BGB verweigert werden, da die Kaufpreiszahlung zur sach- und rechtsmängelfreien Leistung synallagmatisch ist.
Ausnahmsweise ist eine Begrenzung dieses Grundsatzes gemäß § 320 II BGB zu bedenken, falls Treu und Glauben gegen ein Leistungsverweigerungsrecht sprechen.
b) Abnahmepflicht, § 433 II Fall 2 BGB
Die Abnahme der Kaufsache ist eine grundsätzlich nicht synallagmatische Nebenpflicht, weshalb sich ein Leistungsverweigerungsrecht nicht aus § 320 I BGB, sondern aus § 273 I BGB ergeben kann (lies dir zur Abgrenzung dieser Rechtsinstitute diesen Artikel durch).

Selbstverständlich können die Parteien jedoch vertraglich vereinbaren, dass die Abnahmepflicht synallagmatisch sein kann. Ist dem Verkäufer erkennbar wichtig, dass die Abgabe beziehungsweise der Fortgang stattfindet, so ist dies sogar konkludent anzunehmen (Beispiel: Räumungs-/ Schlussverkauf).
Klausurtipp
Hier sind nur Ausführungen zu machen, wenn hierfür Anhaltspunkte im Sachverhalt gegeben sind.
Wenn eine mangelhafte Sache geliefert wird, besteht keine Abnahmeobliegenheit im Sinne des § 293 I BGB.
Merke
Dass die Abnahme eine (wenn auch nicht synallagmatische) Leistungspflicht ist, ist ein wesentlicher Unterschied zum allgemeinen Schuldrecht, wo die Abnahme (= Annahme) nur eine Obliegenheit ist. Das bedeutet, dass der Annahmeverzug mangels Pflichtverletzung im allgemeinen Schuldrecht nicht zu Schadensersatzansprüchen führt und auch keine Rücktrittsrechte begründet, sondern „nur“ den Annahmeverzug auslöst, welcher die Rechtsfolgen des § 300 BGB auslöst. Im Kaufrecht liegt im Fall des Annahmeverzugs eine Pflichtverletzung vor.