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Eigentumsvorbehalt

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Eigentumsvorbehalt
Anwartschaftsrecht
Verlängerter Eigentumsvorbehalt
§ 929 BGB
§ 158 BGB
§ 449 BGB
§ 931 BGB
§ 985 BGB
§ 986 BGB
§ 185 BGB
§ 930 BGB
§ 932 BGB
§ 933 BGB
§ 934 BGB
§ 366 HGB
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Rechtspositionen von Erwerber und Veräußerer

  • III. Schutz des Erwerbers

    • 1. Fall 1

    • 2. Fall 2

  • IV. Schutz des Vorbehaltseigentümers 

    • 1. Fall 3

    • 2. Fall 4

  • V. Besondere Formen des Eigentumsvorbehalts

    • 1. Anfänglicher vs. nachträglicher Eigentumsvorbehalt

    • 2. Verlängerter Eigentumsvorbehalt

      • a) Rechtsnatur

      • b) Beispielfall

I. Einleitung

Auch der Eigentumsvorbehalt stellt eine (klausurrelevante) Mobiliarsicherheit dar. Er entsteht, indem sich der Veräußerer einer beweglichen Sache bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises das Eigentum vorbehält. Hierbei wird die Sache nach §§ 929 S. 1, 158 I BGB übereignet, wobei die Einigung unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung steht.

In § 449 I BGB findest du eine materielle Auslegungsregel zum Eigentumsvorbehalt, die vorsieht, dass bei Vorbehalt der Eigentumsübertragung bis zur Kaufpreiszahlung im Zweifel anzunehmen ist, dass das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung (nach § 158 I BGB) der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises übertragen wird. 

Das Eigentum kann auch konkludent vorbehalten werden. Hat etwa ein Käufer den Kaufpreis noch nicht gezahlt, kann er die Einbehaltung des Fahrzeugbriefs bei der Übergabe regelmäßig nur dahin verstehen, dass der Verkäufer ihm das Eigentum am Fahrzeug nur unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Zahlung des Kaufpreises übertragen will.

II. Rechtspositionen von Erwerber und Veräußerer

Ist eine Übereignung unter Eigentumsvorbehalt erfolgt, bleibt der Veräußerer bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises Eigentümer der Sache. Er hat allerdings nur noch Vorbehaltseigentum, das heißt auflösend bedingtes Eigentum. 

Zahlt der Erwerber den vollständigen Kaufpreis, verliert der Vorbehaltseigentümer sein Eigentum nach § 158 I BGB ohne weitere Akte an den Erwerber. 

Der Erwerber hat bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises ein sogenanntes Anwartschaftsrecht.

Definition

Das Anwartschaftsrecht stellt eine Vorstufe zum Vollrecht (sogenanntes wesensgleiches Minus) dar. Es setzt voraus, dass der Veräußerer den Rechtserwerb nicht mehr einseitig verhindern kann. 

Zahlt der Erwerber den vollständigen Kaufpreis, erstarkt sein Anwartschaftsrecht nach § 158 I BGB automatisch zum Vollrecht, also zum Eigentum. 

Auf den Erwerb des Anwartschaftsrechts finden die Vorschriften des §§ 929 - 935 BGB analoge Anwendung. 

III. Schutz des Erwerbers

Der Erwerber wird durch das Anwartschaftsrecht besonders geschützt. Sein künftiger Eigentumserwerb soll nicht durch Zwischenverfügungen des Veräußerers vereitelt werden.

Dazu findest du im Folgenden einige Beispielfälle:

1. Fall 1

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Beispiel

Fall

V veräußert und übergibt seinen Habersack an K unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung. Bevor K vollständig bezahlt hat, veräußert der V den Habersack nach §§ 929 S. 1, 931 BGB an D, der von der Übereignung an K ohne grobe Fahrlässigkeit nichts weiß. 

Kann D den Habersack von K herausverlangen?

Lösung

D könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Habersacks aus § 985 BGB haben. Hierzu müsste eine Vindikationslage dahingehend bestehen, dass D Eigentümer und K Besitzer des Habersacks ist, ohne ein Recht zum Besitz gemäß § 986 I BGB.

1. Besitzer

K ist unmittelbarer Besitzer des Habersacks nach § 854 I BGB und damit passivlegitimiert. 

2. Eigentümer

Ursprünglich war V Eigentümer des Habersacks. Er könnte sein Eigentum durch Übereignung nach §§ 929 S. 1, 158 I BGB an K verloren haben. Da die aufschiebende Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung jedoch noch nicht eingetreten ist, fehlt es an einer Einigung zwischen D und K über den Eigentumserwerb.

Auch könnte V sein Eigentum durch Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB an D verloren haben. V und D haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. V hat dem E seinen künftigen Herausgabeanspruch aus §§ 346 I Alt. 1, 323 I BGB gegen K abgetreten. Dieser steht im Falle der Nichtzahlung durch K zu. V war als Eigentümer des Habersacks auch verfügungsbefugt.

Damit war die Übereignung an D gemäß §§ 929 S. 1, 931 BGB wirksam. 

D wurde Eigentümer des Habersacks. 

3. Recht zum Besitz

Fraglich ist, ob dem K ein Besitzrecht zusteht. Der relativ wirkende Kaufvertrag zwischen V und K vermag kein Besitzrecht im Verhältnis zu D begründen.

Dem K könnte jedoch ein Besitzrecht aus § 986 II BGB zustehen. Hiernach kann der Besitzer dem neuen Eigentümer Einwendungen entgegensetzen. Damit kann sich K nach § 986 II BGB möglicherweise gegenüber D auf den Kaufvertrag mit V berufen.

Dies setzt voraus, dass die Veräußerung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB erfolgt ist und der Besitzer Einwendungen gegenüber dem alten Eigentümer hat. 

Der Habersack wurde nach §§ 929 S. 1, 931 BGB an D veräußert. Im Verhältnis zu V kann sich K auf den Kaufvertrag berufen. Solange er seinen Verpflichtungen nachkommt, hat V mangels Rücktrittsrecht keinen Anspruch auf Rückgewähr aus § 346 I BGB. 

Damit hat K ein Besitzrecht aus Kaufvertrag. Nach § 986 II BGB kann er dem D entgegensetzen, dass er zur Herausgabe nicht verpflichtet sei. 

Im Ergebnis hat D gegen K keinen Anspruch auf Herausgabe aus § 985 BGB. 

Hinweis

Das Anwartschaftsrecht des K spielt für die Lösung des Falls erst einmal keine Rolle. Es wird aber relevant, wenn K den Restkaufpreis bezahlt. Dadurch könnte das Anwartschaftsrecht des K nach § 158 I BGB zum Eigentum erstarken.

Voraussetzung des Erstarkens ist, dass das Anwartschaftsrecht des K bei Kaufpreiszahlung noch besteht. Zwar könnte es mit dem Eigentumserwerb des D nach § 936 I BGB analog erloschen sein. Da aber die Sache nach §§ 929 S. 1, 931 BGB veräußert wurde und der Anwartschaftsberechtigte K die Sache in Besitz hat, verhindert § 936 III BGB das Erlöschen des Anwartschaftsrechts. Damit bestand es noch bei Kaufpreiszahlung. 

Es erstarkt nach § 158 I BGB zum Eigentum, und D verliert nach § 161 I 1 BGB gleichzeitig sein Eigentum. 

In Fall 1 hast du die Vorschrift des § 986 II BGB kennengelernt. Dieser setzt eine Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB voraus. Fraglich ist, ob § 986 II BGB auch analog angewendet werden kann, wenn die Übereignung gemäß §§ 929 S. 1, 930 BGB erfolgt.

Jede Analogie setzt voraus, dass (1.) eine Regelungslücke besteht, (2.) diese planwidrig ist und (3.) die Interessenlage vergleichbar sind. 

Nach dem BGH hat der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 986 II BGB die Austauschbarkeit der § 930 BGB und § 931 BGB übersehen. Es besteht eine planwidrige Regelungslücke.

Auch sind die Interessenlagen vergleichbar, da der Besitzer eine Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB ebenso wenig verhindern kann, wie eine Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB. Er ist nicht je nach Übereignungsmodalität mehr oder weniger schutzbedürftig.

2. Fall 2

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Beispiel

Fall

V übereignet seinen VW Golf zunächst zur Sicherung eines Darlehens gemäß §§ 929 S. 1, 930 BGB an D und sodann unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung nach § 929 S. 1 BGB an K. 

Kann D nach § 985 BGB den VW Golf von K herausverlangen?

Lösung

D hat aus § 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des VW Golf gegen K, wenn D Eigentümer und K Besitzer ohne Recht zum Besitz nach § 986 BGB ist.

1. Eigentümer

Infolge der Übereignung an D nach §§ 929 S. 1, 930 BGB ist dieser Eigentümer des VW Golf. 

2. Besitzer

K ist dessen unmittelbarer Besitz im Sinne des § 854 I BGB. 

3. Recht zum Besitz

Fraglich ist, ob K ein Besitzrecht gegenüber D hat. Der Kaufvertrag zwischen K und V wirkt grundsätzlich relativ. Die Vorschrift des § 986 II BGB hilft nicht weiter, da diese eine Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB voraussetzt. § 986 II BGB ist zwar analog auf Veräußerungen nach §§ 929 S. 1, 930 BGB anwendbar, die Norm schützt den Besitzer jedoch nur vor Veräußerungen während seines Besitzes. Der VW Golf wurde an D veräußert, bevor K den Besitz inne hatte. 

K könnte jedoch ein absolutes Besitzrecht nach § 986 I 1 Alt. 1 BGB aus einem Anwartschaftsrecht haben. Dies setzt voraus, dass dem K überhaupt ein Anwartschaftsrecht zusteht. Infolge der Übereignung des D an K unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung, hat K analog §§ 929 S. 1, 932 I BGB ein Anwartschaftsrecht erworben.

Merke:

Wer nach §§ 932 -  935 BGB Eigentum erwerben kann, kann analog §§ 932 - 935 BGB ein Anwartschaftsrecht erwerben. 

Streitstand

Ob das dem K zustehende Anwartschaftsrecht ihm auch ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I BGB einräumt, ist umstritten.

Nach einer Ansicht begründet das Anwartschaftsrecht ein dingliches Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer. Aufgrund der mit dem Anwartschaftsrecht einhergehende Besitzübertragung werde schon ein Recht auf Besitz und Nutzung übertragen.

Dies wird damit begründet, dass ein Anwartschaftsrecht nur sinnvoll sei, wenn es dem Erwerber bereits eine dinglich gesicherte Befugnis verleiht.

Es bestehe ein praktisches Bedürfnis für die Anerkennung des Anwartschaftsrechts als Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I 1 BGB.

Nach anderer Ansicht (insbesondere vom BGH vertreten) folgt aus dem Anwartschaftsrecht noch kein Recht zum Besitz, da es lediglich eine Erwerbsposition an der Sache und nicht den Besitz an ihr schütze.

Für diese Ansicht spricht die Tatsache, dass das Anwartschaftsrecht nicht davon abhängt, ob man Besitz an einer Sache hat. Außerdem ist der Inhaber eines Anwartschaftsrechts nicht schutzlos gestellt. So steht etwa dem Vorbehaltskäufer (= Anwartschaftsrechtsinhaber), der nur noch eine Kaufpreisrate zu zahlen hat und damit kurz vor dem Eigentumserwerb steht, gegen den Vorbehaltsverkäufer (= Eigentümer) die dolo agit -Einrede aus § 242 BGB zu. 

Im Ergebnis ist es überzeugend, in dem Anwartschaftsrecht kein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 I BGB zu sehen. Damit hat D gegen K einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB.

Nach beiden Ansichten wird K erst mit Restkaufpreiszahlung Eigentümer, während gleichzeitig D sein Eigentum verliert. Folgt man der Ansicht des BGH, erlischt erst jetzt der Herausgabeanspruch des D.  

IV. Schutz des Vorbehaltseigentümers 

Auch der Vorbehaltseigentümer (also der Veräußerer) genießt Schutz während der Veräußerung unter Eigentumsvorbehalt. Schließlich bleibt er ja bis zum Bedingungseintritt noch Eigentümer und hat damit eine schützenswerte Rechtsposition inne. 

Auch hierzu einige Beispielfälle:

1. Fall 3

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Beispiel

Fall

V veräußert seinen Grünberg an K unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Bezahlung des Kaufpreises. K übereignet anschließend seine gesamte juristische Bibliothek der Bank SN 1 zur Sicherung eines Kredits.

(1) Hat V sein Eigentum an dem Grünberg verloren?
(2) Hat SN 1 ein Anwartschaftsrecht erworben?

Lösung (1)

V könnte sein Eigentum an dem Grünberg zunächst an K verloren haben. Die Einigung zwischen V und K stand jedoch unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung. Dieser ist noch nicht erfolgt, sodass kein Eigentumsverlust des V nach §§ 929 S. 1, 158 I BGB stattgefunden hat. 

V könnte sein Eigentum an dem Grünberg an SN 1 verloren haben. 

Eine Übereignung des K an SN 1 nach §§ 929 S. 1, 930 BGB scheitert daran, dass K nicht Eigentümer des Grünbergs war. Auch ein gutgläubiger Erwerb der SN 1 nach §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB ist mangels Übergabe zu verneinen. 

Damit hat V sein Eigentum an dem Grünberg nicht verloren. 

Lösung (2)

SN 1 könnte ein Anwartschaftsrecht erworben haben. Dies könnte durch die Übereignung des K nach §§ 929 S. 1, 930 BGB analog geschehen sein. Im Wege der Vertragsauslegung ist zu prüfen, ob SN 1 für den Fall der Wirkungslosigkeit der Sicherungsübereignung ein Anwartschaftsrecht erwerben sollte. 

Da es besser ist ein Anwartschaftsrecht zu erwerben, anstatt leer auszugehen, entspricht dies dem Interesse der SN 1. 

Ein etwaiger entgegenstehender Wille des K ist als geheimer Vorbehalt nach § 116 S. 1 BGB unbeachtlich.

     

2. Fall 4

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Beispiel

Fall

V veräußert seinen Fischer an K unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung. K übereignet anschließend seine gesamte juristische Bibliothek der Bank SN 1 zur Sicherung eines Kredits. SN 1 refinanziert sich bei SN 2 und überträgt zu diesem Zweck ihr „Sicherungseigentum“ auf diese. 

Wer ist Eigentümer des Fischers?

Lösung

1. Ursprünglicher Eigentümer

Ursprünglich war V Eigentümer des Fischers.

2. Verlust des Eigentums an K

Er hat sein Eigentum mangels Bedingungseintritts nicht nach §§ 929 S. 1, 158 I BGB an K verloren. 

3. Verlust des Eigentums an SN 1

Auch ein Eigentumserwerb der SN 1 von K nach §§ 929 S. 1, 930 BGB scheidet aus, da weder Eigentümer des Fischers noch anderweitig verfügungsbefugt war. 

Die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB sind mangels Übergabe des Fischers nicht erfüllt.

4. Verlust des Eigentums an SN 2

V könnte sein Eigentum infolge der Übereignung der SN 1 an SN 2 verloren haben. Da SN 1 selbst nicht verfügungsbefugt war, scheidet eine Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB aus. Es kommt jedoch ein gutgläubiger Erwerb der SN 2 nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB in Betracht. 

Ein solcher setzt voraus, dass SN 1 als mittelbare Besitzerin ihren Herausgabeanspruch gegen K an SN 2 abgetreten hat. 

K war unmittelbarer Besitzer des Fischers. SN 1 müsste mittelbare Besitzerin im Sinne des § 868 BGB gewesen sein. Mittelbarer Besitz setzt eine Herausgabepflicht und einen Herausgabewillen des unmittelbaren Besitzers voraus. K war gegenüber SN 1 aus dem Sicherungsvertrag zur Herausgabe verpflichtet. Außerdem wurde durch die Sicherungsübereignung ein Besitzmittlungswille nach außen kund getan. 

Auch hat SN 1 ihren Herausgabeanspruch gegen K an SN 2 wirksam abgetreten. Damit sind die Voraussetzungen des §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB erfüllt. SN 2 ist Eigentümerin des Fischers geworden. 

Teilweise wird dieses Ergebnis in Teilen der Literatur kritisiert. Hierbei wird insbesondere bemängelt, dass die SN 2  mangels Übergabe kein Eigentum erlangt hätte, wenn die SN 1 an die SN 2 nach §§ 929 S. 1, 930 BGB übereignet hätte. Es dürfe aber im Ergebnis keinen Unterschied machen, welche Übereignungsmodalität gewählt wird.  Diese Bedenken lassen sich jedoch mit dem Verweis darauf ausräumen, dass aus §§ 933, 934 BGB folgt, dass zwar nicht die Schaffung des mittelbaren Besitzes (§ 933 BGB), wohl aber dessen Übertragung (§ 934 Alt. 1 BGB) für einen Eigentumsverlust des ursprünglichen Eigentümers genügt. 

  • Wer nach § 930 BGB übereignet, bleibt mittelbarer Besitzer.

  • Wer nach § 931 BGB übereignet, verliert den mittelbaren Besitz.

V. Besondere Formen des Eigentumsvorbehalts

Der Eigentumsvorbehalt kann dir in verschiedenen Formen begegnen. 

1. Anfänglicher vs. nachträglicher Eigentumsvorbehalt

So ist der klassische Eigentumsvorbehalt als anfänglicher Eigentumsvorbehalt von dem nachträglichen Eigentumsvorbehalt abzugrenzen. Abgrenzungskriterium ist hierbei der Zeitpunkt, zu dem der Eigentumsvorbehalt vereinbart wird. Der nachträgliche Eigentumsvorbehalt wird von den Parteien in der Regel oft erst nach Vertragsschluss, bei der Lieferung der Sachen vorgesehen. 

Manchmal wird von einer Partei einseitig versucht, nachträglich einen Eigentumsvorbehalt vorzusehen. 

Beispiel

Fall

V vereinbart mit K in einem Kaufvertrag, dass erst 7 Tage nach Lieferung bezahlt werden soll. Der Lieferschein enthält folgende Klausel: „Die Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung in unserem Eigentum“.

  1. K protestiert dagegen, nimmt die Ware jedoch ab.

  2. Lagerarbeiter L unterzeichnet den Lieferschein, ohne seinen Inhalt zur Kenntnis zu nehmen. 

Wurde K Eigentümer?

Lösung

  1. Ein nachträglicher (vertragswidriger) Eigentumsvorbehalt steht einer bedingungslosen Übereignung entgegen, wenn er dem Käufer zugegangen ist. Da der Eigentumsvorbehalt dem K zugegangen ist, kann K nur ein Anwartschaftsrecht erwerben. 

    Sein Protest ändert hieran nichts. Wertet man ihn als Ablehnung des Antrags des V auf bedingte Übereignung, erwirbt K nicht mal ein Anwartschaftsrecht. 

    Damit ist K nicht Eigentümer geworden. 

  1. Da ein nachträglicher Eigentumsvorbehalt eine Vertragsverletzung darstellt, braucht der Käufer sich nicht darauf einzustellen. Deshalb muss das bedingte Übereignungsangebot einer für die Ausgestaltung von Verträgen zuständigen Person zugehen. Andernfalls darf der Käufer davon ausgehen, dass ihm der Verkäufer in Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtung sofort Eigentum verschaffen will. Da der nachträgliche Eigentumsvorbehalt dem L, der nicht für die Ausgestaltung von Verträgen zuständig ist, zugegangen ist, ist dieser nicht wirksam geworden. 

    K ist damit Eigentümer geworden.

Merke:

Solange der Käufer nicht bezahlt hat, ist ein nachträglicher Eigentumsvorbehalt wegen § 320 BGB grundsätzlich zulässig und nicht vertragswidrig. Der Verkäufer braucht nämlich nach § 320 BGB nur Zug um Zug zu leisten. 

Eine Vertragswidrigkeit besteht nur, falls der Verkäufer - wie hier - vorleistungspflichtig ist. 

Der nachträgliche Eigentumsvorbehalt kann aber auch dem Interesse beider Parteien entsprechen und von diesen gewollt sein.

Beispiel

Fall

V schließt mit K einen Kaufvertrag. V übereignet vertragsgemäß an K. Dieser kann entgegen seiner Planung nicht zahlen. Er bittet um Stundung des Kaufpreises. Zur Sicherung vereinbaren sie „einen Eigentumsvorbehalt“ an der Kaufsache.

Wie ist diese Vereinbarung zu qualifizieren?

Lösung

Man könnte in der Vereinbarung eine auflösend bedingte Sicherungsübereignung an V nach §§ 929 S. 1, 930, 158 II BGB sehen. Mit vollständiger Bezahlung des Kaufpreises wird K wieder Eigentümer. 

Nachteil: V kann als Sicherungseigentümer nach § 51 InsO nur absondern.

Andererseits könnte die nachträgliche Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts als unbedingte Rückübereignung an V nach §§ 929 S. 1, 930 BGB und sofortige „Rück - Rückübereignung“ unter Eigentumsvorbehalt nach §§ 929 S. 2, 158 I BGB aufzufassen sein.

Vorteil: V kann nach § 47 InsO aussondern. 

Merke

Exkurs zum Insolvenzrecht

Im Insolvenzverfahren spielen die Aussonderung und die Absonderung eine Rolle. 

Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren nämlich nur das Vermögen, das dem Schuldner gehört. 

Wer als Eigentümer einer Sache oder Inhaber eines Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, kann diesen nach § 47 InsO aus der Insolvenzmasse aussondern. Wer dem Schuldner beispielsweise eine Sache geliehen hat, kann sie nach §§ 47 InsO, 985 BGB vom Insolvenzverwalter herausverlangen.

Hat jemand demgegenüber ein (Grund-)Pfandrecht an einer Sache des Schuldners, so fällt die Sache selbst in die Insolvenzmasse. Der Pfandgläubiger kann jedoch nach §§ 49 f. InsO abgesonderte Befriedigung verlangen. Er ist dann nach § 170 I 2 InsO vor den „normalen“ Insolvenzgläubigern zu befriedigen (vorrangige Befriedigung). 

Ein Sicherungseigentümer ist Rechtsinhaber und könnte deshalb an sich nach § 47 InsO aussondern. Das Sicherungseigentum gewährt jedoch als eine Art atypisches Pfandrecht, lediglich ein Verwertungsrecht. Aus diesem Grund kann der Sicherungseigentümer gemäß § 51 Nr. 1 InsO nur abgesonderte Befriedigung verlangen. 

Gleiches gilt für den Sicherungszessionar oder den Inhaber einer Forderung aufgrund eines verlängerten Eigentumsvorbehalts. 

2. Verlängerter Eigentumsvorbehalt

Besonders klausurrelevant ist der Eigentumsvorbehalt in Form des verlängerten Eigentumsvorbehalts. 

a) Rechtsnatur

Beim verlängerten Eigentumsvorbehalt werden die gelieferten Waren zunächst, wie beim einfachen Eigentumsvorbehalt, unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung nach §§ 929 S. 1, 158 I BGB übereignet. 

Zusätzlich wird jedoch vereinbart, dass der Vorbehaltskäufer nach § 185 BGB zur Weiterveräußerung der Waren im ordnungsgemäßen Geschäftsgang ermächtigt ist (sogenannte antizipierte Verfügungsermächtigung).

Da der Vorbehaltsverkäufer damit die Befugnisse des Vorbehaltskäufers erweitert, will er hierfür auch eine Sicherheit. Diese besteht in einer antizipierten Zession bezüglich künftiger Forderungen des Vorbehaltskäufers aus dem Verkauf der Ware. 

Da der Endkunde, an den die Waren verkauft und auch übereignet werden, nur im Kontakt mit dem Vorbehaltskäufer steht, welcher aber aufgrund der antizipierten Zession nicht Inhaber der Kaufpreisforderung ist, erteilt der Vorbehaltsverkäufer dem Vorbehaltskäufer zusätzlich eine antizipierte Einzugsermächtigung. Damit ist der Vorbehaltskäufer nach § 185 BGB zur Einziehung der Kundenforderungen ermächtigt. 

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Die Ermächtigung zur Weiterveräußerung wird in der Regel unter der Bedingung erteilt, dass die Kundenforderungen auf den Vorbehaltsverkäufer übergehen. 

Gehen diese Forderungen nicht über, etwa wegen eines Zessionausschlusses im Verhältnis des Vorbehaltskäufers und des Kunden nach § 399 Alt. 2 BGB, erfasst die Ermächtigung nicht die Übereignung. Der Eigentumserwerb des Kunden vom Ermächtigten nach § 185 I BGB scheitert, da der Vorbehaltskäufer als Veräußerer keine Verfügungsermächtigung hat. 

Merke

Wird der Vorbehaltskäufer insolvent, kann der Vorbehaltsverkäufer 

  • noch vorhandene Waren nach § 47 InsO aussondern und 

  • die Kundenforderungen nach §§ 50, 51 Nr. 1 Alt. 2 InsO absondern. 

b) Beispielfall

Beispiel

Fall

Großhändler G verkauft und übereignet Waren unter verlängertem Eigentumsvorbehalt an Verkäufer V. Dieser hat noch nicht gezahlt.

V verkauft und übereignet die Waren wiederum an Käufer K. Hierbei legt er den Eigentumsvorbehalt offen und vereinbart mit K einen Zessionsausschluss hinsichtlich der Kaufpreisforderung. 

Ist K Eigentümer der Waren geworden?

Lösung

1. Eigentumserwerb nach § 929 S. 1 BGB

K könnte das Eigentum an den Waren durch Übereignung des V nach § 929 S. 1 BGB erworben haben. Dies setzt neben einer Einigung und Übergabe die Verfügungsbefugnis des V voraus.

Grundsätzlich ist der Eigentümer verfügungsbefugt. G war ursprünglich Eigentümer der Waren. 

Mangels des Eintritts der Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung hat er sein Eigentum auch nicht nach §§ 929 S. 1, 158 I BGB an V verloren. 

Damit war V im Zeitpunkt der Veräußerung an K nicht Eigentümer der Waren.
Seine Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Waren könnte sich jedoch aus einer antizipierten Verfügungsermächtigung ergeben. Diese wird üblicherweise im Rahmen des verlängerten Eigentumsvorbehalts erteilt und ermächtigt den Vorbehaltskäufer zur Veräußerung der Waren im ordnungsgemäßen Geschäftsgang. 

Damit könnte V nach § 185 I BGB verfügungsbefugt gewesen sein. 

Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Verfügungsermächtigung im Sinne des § 185 I BGB regelmäßig unter der Bedingung des Übergangs der Kaufpreisforderungen auf den Vorbehaltsverkäufer steht. Der Zessionsauschluss zwischen V und K hindert nach § 399 Alt. 1 BGB eine Abtretung der Kaufpreisforderung an G. Damit ist die Verfügungsermächtigung unwirksam. 

V war nicht nach §185 I BGB verfügungsbefugt. 

2. Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 932 I 1 Hs. 1 BGB

Ein gutgläubiger Erwerb des K nach §§ 929 S. 1, 932 I 1 Hs. 1 BGB scheitert daran, dass K den Eigentumsvorbehalt kannte und damit Kenntnis im Sinne des § 932 II BGB vom fehlenden Eigentum des V hatte. 

3. Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 932 I BGB, 366 I HGB

K könnte jedoch nach §§ 929 S. 1, 932 I BGB, 366 I HGB Eigentümer der Waren geworden sein. Dies setzt insbesondere voraus, dass kein Ausschluss nach §§ 366 I HGB, 932 I 1 HS.2, II BGB vorliegt. Der gutgläubige Erwerb ist ausgeschlossen, wenn der Erwerber die fehlende Verfügungsbefugnis des Veräußerers kannte oder grob fahrlässig verkannte.  Da der Kunde damit rechnen muss, dass der Vorbehaltskäufer nur bei Abtretung seiner Kundenforderung zur Veräußerung ermächtigt ist, scheitert der Erwerb an seiner groben Fahrlässigkeit. 

Wer eine Zession ausschließen will, muss damit rechnen, dass der Veräußerer unter diesen Umständen nicht uneingeschränkt verfügen darf. 

Damit scheitert ein Eigentumserwerb des K nach §§ 929 S. 1, 932 I BGB, 366 I HGB aufgrund seiner fehlenden Gutgläubigkeit. 

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